TE OGH 2011/3/9 7Ob213/10i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, 1091 Wien, Spitalgasse 31, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 106.680,47 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. September 2010, GZ 2 R 113/10w-29, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Juni 2010, GZ 20 Cg 98/09k-25, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, - die im Umfang der Abweisung von 7.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2008 durch das Erstgericht bereits in Rechtskraft erwachsen sind - werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich dieses in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt lautet:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 106.680,47 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2008 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 27.120,14 EUR (darin enthalten 3.132,49 EUR an USt und 8.642 EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Apothekern sind durch einen Gesamtvertrag zu regeln (§ 348a Abs 1 ASVG). Dieser Gesamtvertrag hat die Verrechnung der Kosten von Heilmitteln, Heilbehelfen usw (§ 348a Abs 3 Z 3 ASVG) und die Kontrolle von Rezepten und Heilmittelabgaben (§ 348a Abs 3 Z 4 ASVG) zu regeln. Im Gesamtvertrag können auch Beziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und dem Hauptverband einerseits, der Österreichischen Apothekerkammer und der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich andererseits geregelt werden. Soweit der Gesamtvertrag die Beziehungen der Pharmazeutischen Gehaltskasse regelt, bedarf er deren Zustimmung (§ 348a Abs 4 ASVG). Die Vertragspartner sind verpflichtet, spätestens ab 1. Jänner 2004 die für die Versicherten (Angehörigen) erbrachten Leistungen mit den Versicherungsträgern nach einheitlichen Grundsätzen elektronisch abzurechnen (§ 348g ASVG).

Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 1 Abs 1 GehaltskassenG 2002). Ihr obliegt die Verrechnung ärztlicher Verschreibungen (Rezepte), aufgrund deren die öffentlichen Apotheken und die Anstaltsapotheken Arzneimittel für die Rechnung der Sozialversicherungsträger und sonstiger juristischer Personen abzugeben haben, denen aufgrund gesetzlicher Vorschriften beim Arzneimittelbezug Nachlässe zu gewähren sind (begünstigte Bezieher; § 1 Abs 2 Z 3 GehaltskassenG). Die Träger der Sozialversicherung haben innerhalb ihres Wirkungskreises der Gehaltskasse auf Verlangen die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die Gehaltskasse bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen (§ 2 Abs 1 GehaltskassenG). Alle Forderungen, die den Inhabern von öffentlichen Apotheken und von Anstaltsapotheken aus Lieferungen aufgrund ärztlicher Verschreibungen gegenüber begünstigten Beziehern zustehen, gehen im Zeitpunkt ihrer Entstehung an die Gehaltskasse über und können nur von dieser geltend gemacht werden (§ 43 Abs 1 GehaltskassenG). Die Leiter der öffentlichen Apotheken und Anstaltsapotheken haben die ärztlichen Verschreibungen (Rezepte) nach Taxierung und Erstellung der Abrechnung bei der Gehaltskasse einzureichen (§ 43 Abs 2 GehaltskassenG). Die Gehaltskasse hat die aufgrund der Abrechnungen der ärztlichen Verschreibungen sich ergebenden Beträge binnen zwei Wochen nach ihrer Einreichung an den Inhaber der Apotheke, von der die Lieferung erbracht wurde, zu Handen des verantwortlichen Leiters zu bezahlen (§ 43 Abs 3 GehaltskassenG).

Die Beklagte ist ein als Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichteter Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG. Als Leistungen aus der Krankenversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen des ASVG aus dem Versicherungsfall der Krankheit Leistungen für Krankenbehandlung gewährt (§ 117 Z 2 ASVG). Die Krankenbehandlung umfasst die Abgabe von Heilmitteln (§ 113 Abs 1 Z 2 ASVG). Die Kosten der Heilmittel werden vom Träger der Krankenversicherung durch Abrechnungen mit den Apotheken übernommen (§ 136 Abs 2 ASVG).

Gemäß §§ 348a ff ASVG wurde am 13. 3. 2006 der Apothekergesamtvertrag (in der Folge: Gesamtvertrag) abgeschlossen.

Der Gesamtvertrag regelt ohne Abschluss von Einzelverträgen und ohne gesonderte Zustimmungs- oder Beitrittserklärungen des Apothekers die Beziehungen zwischen dem gemäß § 31 Abs 1 ASVG im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zusammengefassten Trägern der Krankenversicherungen und den Mitgliedern der österreichischen Apothekerkammer (§ 1 Gesamtvertrag). Heilmittel sind von den Apothekern auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers abzugeben, wenn ein für einen Krankenversicherungsträger gültiges Rezept gemäß Anlage I, § 2 (Kassenrezept) vorliegt (§ 2 Gesamtvertrag). Die öffentlichen Apotheken sind verpflichtet, elektronisch abzurechnen. Die Verrechnung erfolgt über die Pharmazeutische Gehaltskasse. Der Krankenversicherungsträger ist verpflichtet, elektronische Abrechnungen anzunehmen. Abrechnungen in anderer Form werden von den Krankenversicherungsträgern nicht entgegengenommen. Die genauen Bestimmungen sind in der Anlage IV enthalten (§ 7 Abs 1 Gesamtvertrag). Die öffentlichen Apotheken sind verpflichtet, bei der elektronischen Rezeptabrechnung die zehnstellige Versicherungsnummer des Patienten zu erfassen. Der Hauptverband, die Krankenversicherungsträger, die Österreichische Apothekerkammer, die Apotheker und die Pharmazeutische Gehaltskasse haben bei der Durchführung dieses Vertrags einander zu unterstützen und die hiefür notwendigen Auskünfte zu erteilen (§ 8 Abs 1 Gesamtvertrag). Die Anlagen I bis V sind Bestandteile des Gesamtvertrags (§ 12 Gesamtvertrag). Der Gesamtvertrag tritt nach dessen § 13 am 1. April 2006 in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Anlage I des Gesamtvertrags (in der Folge: I) regelt die Abgabe von Arzneien auf Rechnung der Krankenversicherungsträger. Nach § 1 Abs 1 I dürfen Arzneien von den Apothekern auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers nur abgegeben werden, wenn ein gültiges Kassenrezept (§ 2) vorliegt. § 2 I regelt die Gültigkeitserfordernisse für Kassenrezepte. Danach ist ein Kassenrezept oder eine Suchtgiftverschreibung gültig, wenn Folgendes darauf vermerkt ist:

„1. im Rezeptkopf:

a) der zuständige Krankenversicherungsträger und (soweit vorgesehen) die Versichertenkategorie;

b) Vorname, Familienname und die zehnstellige Versicherungsnummer (wenn keine Versicherungsnummer eruiert werden kann, jedenfalls das Geburtsdatum) des Patienten, für den das Heilmittel bestimmt ist;

c) bei Inanspruchnahme von Leistungen durch in anderen EU-Mitgliedstaaten ... versicherte Personen ... ist jedenfalls auch die bis zu 20-stellige persönliche Kennnummer anzuführen. Soweit vorhanden müssen diese Daten mit den Angaben am Rezept übereinstimmen. Der Apotheker hat jedoch nicht für die Richtigkeit der Angaben einzustehen;

d) wenn das Kassenrezept eine Verschreibung für einen Angehörigen enthält, tunlichst auch Vorname, Familienname und Versicherungsnummer des Versicherten;

e) für nicht krankenversicherte Personen ... die Angabe der zuständigen Gebietskrankenkasse und im Feld „Beschäftigt bei“ ein auf die gesetzliche Grundlage hindeutender Vermerk (zB KOVG);

2. in der Rezeptur:

a) das Ausstellungsdatum;

b) das verordnete Heilmittel;

c) die Darreichungsform und die zahlenmäßige Angabe der Menge und der Stärke des verordneten Heilmittels, soweit dies für eine eindeutige Identifizierung erforderlich ist;

d) die Gebrauchsanweisung, wenn eine solche nach § 3 Abs 1 lit e des Rezeptpflichtgesetzes erforderlich ist;

3. als Signum:

a) ein Abdruck des Vertragsarztstempels, des Stempels einer Vertragseinrichtung oder einer eigenen Einrichtung der Krankenversicherungsträger ...;

b) die eigenhändige Unterschrift des verschreibenden Vertragsarztes, des Arztes einer Vertragseinrichtung ... .

(2) Bei einer Suchtgiftverschreibung (inklusive einer Substitutionstherapie) hat die Vignette entsprechend den Bestimmungen der Suchtgiftverordnung auf dem Rezept angebracht zu sein.

(3) Sind auf einem Kassenrezeptformular Kurzbezeichnungen für einen Krankenversicherungsträger (zB GKK) entwertet worden, so ist dieses Rezept für diesen Krankenversicherungsträger nur dann als Kassenrezept gültig, wenn es anerkannt wird.“

Der Apotheker hat vor Abgabe zu überprüfen, ob ein vollständig ausgefülltes Kassenrezept vorliegt (§ 3 Abs 1 I). Auf dem Kassenrezept ist nach Abgabe der Arzneien in dem dafür vorgesehenen Feld die Apothekenstampiglie mit integriertem Datum anzubringen (§ 5 I). Bei Korrekturen die Rezeptur betreffend sind die Ergänzungen nur gültig, wenn diese Änderung grundsätzlich vor der Abgabe mit einem Korrektur- bzw Ergänzungsvermerk und der Unterschrift (Paraphe) des verschreibenden Arztes versehen wurde (§ 6 Abs 1 I). Die Arzneispezialitäten dürfen von den Apothekern auf Rechnungen des Krankenversicherungsträgers nur abgegeben werden, wenn ein gültiges Kassenrezept (§ 2) vorliegt (§ 7 Abs 1 I).

Anlage II (in der Folge: II) regelt die Abgabe von sonstigen Mitteln für Rechnung der Krankenversicherungsträger. Sonstige Mittel dürfen in Apotheken für Rechnung der Krankenversicherungsträger nur abgegeben werden, wenn ein gültiges Kassenrezept vorliegt (§ 4 Abs 1 II).

Anlage III regelt die Abgabe von Heilbehelfen und Hilfsmitteln für die Rechnung der Krankenversicherungsträger. Heilbehelfe und Heilmittel dürfen von den Apothekern auf Rechnung der einzelnen Krankenversicherungsträger nur abgegeben werden, wenn ein gültiger Verordnungsschein (§ 5) vorliegt (§ 4 Abs 1 III). Soweit hier von Bedeutung muss analog zu den Rezepten (Anlage I) der Verordnungsschein bestimmte Bestandteile aufweisen, die in § 5 III genannt sind.

Die Anlage IV regelt die Rechnungslegung und Bezahlung bei elektronisch gestützter Rechnungslegung mit Datenübertragung (DFÜ). Die Apotheker legen über die in einem Kalendermonat für Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegebenen Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel grundsätzlich bis zum 15. des auf die Abgabe folgenden Monats über die Pharmazeutische Gehaltskasse Rechnung. Für jeden Abrechnungsmonat ist nur die elektronische Übermittlung einer kompletten Abrechnung samt Unterlagen zulässig. Ist die Monatsrechnung aufgrund eines Übermittlungsfehlers nicht lesbar, ist die Monatsrechnung zur Gänze erneut einzubringen (§ 3 Abs 1 IV). Die Rechnungslegungsdaten sind vom Apotheker im Wege der Pharmazeutischen Gehaltskasse und des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger jeweils pro Abrechnungszeitraum und pro Abrechnungsstelle zusammengefasst an die jeweils zuständige Abrechnungsstelle zu übermitteln. Die Rezeptdaten dürfen von der Pharmazeutischen Gehaltskasse nicht verändert und mit Ausnahme der Aufstellungsnummer nicht ergänzt werden. Die Pharmazeutische Gehaltskasse trifft Vorkehrungen für die Verarbeitbarkeit und Plausibilität der an die Abrechnungsstelle zu übermittelnden Abrechnungsdaten. Probleme, die sich bei der Verarbeitung der vom Apotheker gelieferten Daten ergeben, wird die Pharmazeutische Gehaltskasse direkt mit dem Apotheker bereinigen. Die Pharmazeutische Gehaltskasse sagt zu, dass die erfassten Abrechnungsdaten mit den Rezepten, Verordnungsscheinen bzw sonstigen Unterlagen an die Abrechnungsstelle der Krankenversicherungsträger unverändert übermittelt werden (§ 4 Abs 3 IV). Auf sämtlichen Rezeptformularen ist die Rezeptidentifikationsnummer (Vertragspartnernummer des Arztes und Rezeptlaufnummer) in einem bundeseinheitlich gleichen, einmaligen und unverwechselbaren, EDV-lesbaren Balkencode anzubringen (§ 4 Abs 5 IV). Auf den Rezepten und Verordnungsscheinen sind jene Daten aufzubringen, die in der Organisationsbeschreibung nicht enthalten sind. Die Rezepte und Verordnungsscheine müssen jedenfalls eine Apothekenstampiglie mit integriertem Datum aufweisen (§ 4 Abs 7 IV). Der Apotheker hat die Rezepte und Verordnungsscheine bzw sonstige Unterlagen an die jeweilige Abrechnungsstelle der Krankenversicherungsträger im Wege der Pharmazeutischen Gehaltskasse innerhalb der in § 3 vorgesehenen Fristen zu übermitteln (§ 4 Abs 8 IV). Die Rezepte sind innerhalb der Ordnungsgruppen pro Abrechnungszeitraum gleich der Reihenfolge der mittels DFÜ übermittelten Sätze durchlaufend aufsteigend (das erste Rezept liegt oben) lückenlos zu legen. Nach jedem 100. Rezept sind Trennblätter, die sich farblich von den Rezepten unterscheiden, in Größe eines Rezepts einzulegen (§ 6 Abs 1 IV). Folgende Ordnungsgruppen sind getrennt von der Ordnungsgruppe 00 zu legen: Ordnungsgruppe 09 (Ordinationsbedarf), Ordnungsgruppe 12 (Sozialversicherungsabkommen) und Ordnungsgruppe 15 (Heilbehelfe und Hilfsmittel) (§ 6 Abs 2 IV). Rezepte mit der Angabe des zuständigen Krankenversicherungsträgers, die vom Apotheker versehentlich einem anderen Krankenversicherungsträger in Rechnung gestellt werden, sind als Irrläufer zu kennzeichnen und der rechnungslegenden Apotheke zurückzustellen, sofern nicht die Abrechnungsstelle die Zuordnung der Rezepte intern richtig gestellt hat (§ 6 Abs 5 IV). Weicht die Legung der Rezepte erheblich von der Reihenfolge der Datensätze ab und ist daher eine Überprüfung der Abrechnung durch den Krankenversicherungsträger nicht möglich, wird die fehlerhafte Abrechnung an die Apotheke via Pharmazeutische Gehaltskasse retourniert. Eine Neueinreichung kann erst im darauffolgenden Abrechnungsmonat erfolgen (§ 6 Abs 6 IV). Die Apotheker haben die Rezepte und Verordnungsscheine nach Ordnungsgruppen getrennt zu legen und pro Krankenversicherungsträger mit dem Papierstreifen gemäß Anhang 1 zu bündeln. Die Pharmazeutische Gehaltskasse hat die gemäß Abs 1 zusammengefassten Rezepte und Verordnungsscheine gemeinsam mit der Aufstellung gemäß Anhang 2 an die Abrechnungsstelle des Krankenversicherungsträgers, die vom Hauptverband bekannt gegeben wurde, zu übermitteln. Bei Unvollständigkeit einer Sendung ist die Pharmazeutische Gehaltskasse unverzüglich zu informieren (§ 7 Abs 2 IV). Ergibt die Überprüfung durch die Abrechnungsstelle der Krankenversicherungsträger eine Tax- oder Abrechnungsdifferenz, so ist diese dem Rechnungsleger über die Pharmazeutische Gehaltskasse nach Eingang der Rechnung (…) bekannt zu geben (§ 8 Abs 1 IV).

§ 9 IV regelt die Gültigkeits- und Abgabeerfordernisse und lautet:

„(1) Bei Fehlen von Gültigkeitserfordernissen auf dem Rezept (Verordnungsschein) und bei Fehlen von Abgabeerfordernissen hinsichtlich einzelner Verschreibungen werden von den Krankenversicherungsträgern grundsätzlich keine Kosten übernommen.

(2) Bei Fehlen

Z 1 der Angaben im Rezeptkopf (Anlage I, § 2 Abs 1 Z 1 lit a, c und e) und im Identifikationsteil des Verordnungsscheins (Anlage III, § 5 Z 1 lit a, c und e)

Z 2 des Ausstellungsdatums

Z 3 des Korrekturvermerks bei unterschiedlichen Schriftbildern, die den Verdacht des Missbrauchs erwecken (§ 6 Abs 3 der Anlage I);

Z 4 des Stempelaufdrucks bzw handschriftlich beigefügten Namens sowie der Adresse des Arztes, soweit der Apotheker aufgrund der Unterschrift eine Zuordnung des Rezepts oder Verordnungsscheins zu dem verschreibenden Arzt vornehmen kann;

Z 5 der Apothekenstampiglie;

Z 6 des Vermerks und der Paraphe des Apothekers gemäß Anlage III, § 7 Abs 2

werden die Rezepte (Verordnungsscheine) an den Apotheker zur Ergänzung und neuerlichen Einreichung zurückgestellt (behebbare Mängel).

(3) In allen übrigen Fällen werden die Rezepte (Verordnungsscheine) an den Apotheker zurückgestellt und können nicht mehr eingereicht werden (unbehebbare Mängel).

(4) Bei Fehlen der Angaben gemäß Anlage I, § 2 Abs 1 Z 1 lit d auf dem Rezept bzw der Angaben gemäß Anlage III, § 5 Z 1 lit d auf dem Verordnungsschein liegt weder ein behebbarer noch ein unbehebbarer Mangel vor, die Kosten werden vom Krankenversicherungsträger übernommen.

(5) Bei Fehlern im Datenbestand, wenn im Datenbestand im Vergleich zum vorliegenden Rezept entweder die Versicherungsnummer fehlt bzw falsch gemeldet wird und/oder die Vertragspartnernummer des ausstellenden Arztes nicht ident mit dem Rezept ist, kann das Rezept an den Apotheker zur Berichtigung rückgesendet werden (behebbarer Mangel).

(6) Die falsche Zuordnung von Sonderpharmanummern stellt keinen Retaxierungsgrund dar.“

Die für Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegebenen Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel sind an die Pharmazeutische Gehaltskasse bei ordnungsgemäßer Meldung der Daten und Legen der Rezepte binnen vierzehn Tagen nach Eingang der Rechnungen zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgt vorbehaltlich der Richtigkeit der Rechnung (§ 12 Abs 1 IV). Werden innerhalb (…) Tax- bzw Abrechnungsdifferenzen festgestellt, werden die Differenzbeträge zugunsten von Krankenversicherungsträgern von der Abrechnungsstelle bei der nächsten Zahlung an die Pharmazeutische Gehaltskasse berücksichtigt (§ 12 Abs 5 IV).

Die etwa 1.200 österreichischen Apotheken übermitteln der Klägerin jeweils zu Monatsbeginn die Abrechnungsdaten für den Vormonat im elektronischen Weg, nämlich die Rezeptidentifikationsnummer (einschließlich Arztnummer), die Sozialversicherungsnummer des Patienten, die Pharmazentralnummer des verordneten Arzneimittels und den Taxbetrag. Die Klägerin bestätigt den Apotheken den Dateneingang. Die Apotheker übermitteln der Klägerin wie im Gesamtvertrag vorgesehen die Rezeptpakete, und zwar entweder persönlich oder im Postweg. Die Rezepte und Verordnungsscheine sind nach Krankenversicherungsträger geordnet und mit einer oder mehreren der in Anhang 1 zum Gesamtvertrag genannten roten Rezeptschleifen versehen. Auf der Schleife sind die Apothekenbetriebsnummer, der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der Monat vermerkt. Jedem Rezeptpaket ist eine DIN A4 große Sammelaufstellung laut Anlage 2 beigelegt, in der die einzelnen Träger der Krankenversicherungsanstalten und die von diesen zu vergütenden Summen angeführt sind. Die Rezeptpakete werden in der Rezeptverrechnungsstelle der Klägerin entgegengenommen. Am ersten Werktag des Monats langen etwa 200 Rezeptpakete ein, am zweiten Tag 500 bis 600, am dritten Tag 200 und vom vierten bis einschließlich fünfzehnten Tag des Monats wiederum 200. An den ersten drei Werktagen des Monats werden die zwei vollbeschäftigten Angestellten der Verrechnungsstelle von weiteren fünf Mitarbeitern der Klägerin sowie von sieben bis acht eingeschulten und zumeist erfahrenen Aushilfskräften unterstützt. Bei den Aushilfskräften handelt es sich teils um Angehörige der Angestellten, teils um Studenten. Neulinge arbeiten grundsätzlich mit einem Angestellten zusammen. Verpackungsarbeiten sind weisungsgemäß von einem Angestellten und einer Aushilfskraft gemeinsam durchzuführen. Die bis 12:45 Uhr bei der Verrechnungsstelle eingelangten Pakete werden geöffnet und anhand der beigelegten Sammelaufstellungen auf Vollständigkeit der Lieferung überprüft. Dann werden die Daten der Sammelaufstellung mit den elektronisch übermittelten Daten verglichen. Es wird überprüft, ob die Anzahl der auf der Sammelaufstellung vermerkten Rezepte, die Höhe der angegebenen Taxbeträge „usw“ mit den elektronischen Daten übereinstimmen. Danach werden die eingeschleiften Bündel nach Kassennummern geordnet und in einen Kasten geschlichtet. Nur die umfangreichen Rezeptpakete der großen Gebietskrankenkassen werden auf an den Wänden aufgestellten Regalen abgelegt. Der für die Beklagte bestimmte nischenförmige Sammelplatz ist so gestaltet, dass ein Verrutschen oder Verschieben der Bündel in die links und rechts anschließenden Bereiche anderer Krankenversicherungsträger nicht möglich ist. Bevor die Bündel in genormten Postkartons versendet werden, wird die Vollständigkeit der Sendung mit den täglich für jeden Krankenversicherungsträger erstellten Packlisten kontrolliert. Die Packlisten enthalten die Betriebsnummern jener Apotheken, deren Rezeptbündel dem jeweiligen Krankenversicherungsträger zu übermitteln sind. Die Kontrolle wird von zwei Mitarbeitern ausgeführt. Ein Mitarbeiter liest die auf den Rezeptschleifen abgedruckten Apothekenbetriebsnummern vor, der andere streicht die korrespondierenden Betriebsnummern in der Packliste ab. Die Kartons werden mit einem 10 cm breiten braunen Klebeband geschlossen. Danach werden Adressetiketten und Strichcodeetiketten für den Transporteur aufgeklebt. Ein befüllter Karton wiegt bis zu 20 kg. Zwischen 15:00 Uhr und 15:30 Uhr übernehmen Mitarbeiter des Transporteurs die verschlossenen und etikettierten Kartons in der Verrechnungsstelle, lesen die Strichcodes mit einem Lesegerät ab und unterfertigen Übernahmebestätigungen. Anhand der Strichcodes kann jede Station des Kartons auf dem Transportweg zurückverfolgt werden. Der Transporteur liefert die Kartons zu den einzelnen Krankenversicherungsträgern. Die für die Beklagte bestimmten Bündel gehören zu den umfangreichsten.

Es kommt vor, dass Rezeptpakete am Transportweg verloren gehen, dass die Beklagte für andere Versicherungsträger bestimmte Rezeptpakete erhält (dies war in den auf den September 2008 folgenden Monaten fünf Mal der Fall) und dass Mitarbeiter der Beklagten auf der Suche nach Rezepten bei Mitarbeitern der Klägerin anfragen, ob sich Rezeptbündel noch bei ihr befänden. Fehlsendungen werden grundsätzlich an die zuständigen Sozialversicherungsträger weitergeleitet.

Nach Einlangen der elektronisch übermittelten Daten und der Rezepte nimmt die Gruppe Heilmittelabrechnung der Beklagten seit dem Jahr 2002 die Überprüfung zunächst mit Hilfe eines Computerprogramms vor, das die von der Klägerin übermittelten Datensätze anhand verschiedener Parameter durchsucht und bei Kontrollbedarf Dialogfälle generiert. Bei den elektronisch erstellten Fehlermeldungen prüfen die Mitarbeiter der Gruppe die Originalrezepte und -verordnungsscheine. Wird beispielsweise angezeigt, dass nach der Versicherungsnummer nicht die Beklagte, sondern ein anderer Krankenversicherungsträger zuständig ist, wird im Rezeptbündel das Originalrezept ermittelt und nachgesehen, welchen Versicherungsträger der das Rezept ausstellende Arzt angeführt hat. Ist tatsächlich ein anderer Versicherungsträger zuständig, wird eine Retaxierung vorgenommen, der auf diese Heilmittelabgabe entfallende Betrag „ausgenullt“ und das Rezept der Klägerin zurückgestellt.

Monatlich werden je Apotheke etwa 170 bis 180 Dialogfälle generiert. Wird bei der Prüfung der Abrechnungen ein Fehler entdeckt, nimmt der Krankenversicherungsträger die Retaxierung gegenüber der Klägerin vor. Die beanstandeten Rezepte werden mit einem Differenzprotokoll zurückgestellt. Etwa zwei Drittel der Retaxierungen sind auf behebbare Mängel zurückzuführen. Die Apotheker können die Rezepte nach Behebung der Mängel neu einreichen.

Die Gruppe Heilmittelabrechnung der Beklagten kann die Prüffälle ohne Originalrezepte und -verordnungsscheine nicht bearbeiten. Nur mit Hilfe der Originalrezepte und -verordnungsscheine kann geprüft werden, ob Stempel und Originalunterschrift des Arztes und Apothekers vorhanden sind, eine Rezeptgebührenbefreiung besteht (etwa wenn das Medikament der Behandlung einer anzeigepflichtigen Krankheit dient), ob - bei Chefarztpflicht - ein Notfall (Vermerk „per vitam“) vorgelegen ist, ob die laut übermittelten Daten abgegebene Menge des Heilmittels mit der im Rezept verordneten Menge und der Stärke der Verordnungen übereinstimmt, ob die verordnete Anzahl von Heilmittelpackungen verrechnet wurde, ob Sonn- und Feiertagszuschläge gebühren (Vermerk „expeditio nocturna“), ob der Arzt am Rezept vorgenommene Korrekturen paraphiert hat „und dergleichen“. Magistrale Zubereitungen können nur nach Einsicht in die Rezepte nachgerechnet werden. Die Gruppe prüft alle Rezepte der Verordnungsgruppen 09, 12 und 15. Bei der Suche in den Rezeptbündeln der allgemeinen Verordnungsgruppe 00 stoßen die Mitarbeiter der Gruppe immer wieder auf vom EDV-Programm nicht erkannte Fehler (Zufallsfunde). Anstelle der Originalrezepte und -verordnungsscheine könnten zur Prüfung auch Duplikate verwendet werden. Die Kontrolle ohne Rezepte könnte nur so erfolgen, dass der das Rezept ausstellenden Arzt aufgrund der Vertragspartnernummer identifiziert und um Mitteilung ersucht wird, welchen Versicherungsträger er im Rezept angegeben hatte. Dazu müsste der Arzt das Ausstellungsdatum des Rezepts wissen, das aber nicht Teil des elektronisch übermittelten Datensatzes ist. Ist die im Rezept angeführte Versicherungsnummer richtig, kann der Arzt ersucht werden, Einzelheiten über seine Verschreibung bekannt zu geben.

Die Klägerin hat grundsätzlich keinen Zugriff auf die Vertragspartnerverzeichnisse des Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger. Sie kann trotz der ihr bekannten Arzt- und Sozialversicherungsnummer selbst nicht herausfinden, welcher Arzt für welchen Patienten die im verlorenen Rezeptbündel enthaltenen Rezepte und Verordnungsscheine ausgestellt hat. Die Beklagte hingegen kann Ärzte und Patienten mit Hilfe der elektronisch übermittelten (richtigen) Daten identifizieren.

Die S*****apotheke ***** ist eine relativ große Apotheke. Sie übermittelt der Klägerin monatlich ein 4 bis 4,5 kg schweres Rezeptbündel für die Beklagte. Das für die Beklagte bestimmte Rezeptbündel der S*****apotheke ***** von August 2008 langte am zweiten Arbeitstag im September 2008 bei der Klägerin ein. An diesem Tag wurden dreißig Kartons an die Beklagte versandt und von ihr übernommen. Das 2.686 Rezepte und Verordnungsscheine enthaltende Rezeptbündel der S*****apotheke ***** für August 2008 langte bei der Beklagten nicht ein. Trotz Nachforschungen der Klägerin bei anderen Krankenversicherungsträgern wurde es nicht aufgefunden. Es kann nicht festgestellt werden, wo und wie dieses Bündel verloren gegangen ist.

Die Klägerin vergütete dem „Leiter“ der S*****apotheke ***** die für Monat August 2008 verrechneten Taxbeträge eine Woche nach Postaufgabe.

In den Jahren 2008 wurden die Abrechnungen der S*****apotheke ***** um 0,07 % und 2009 zwischen 0,04 und 0,19 % des monatlichen Taxerlöses gekürzt. Die monatlichen Retaxierungen belaufen sich auf 50 EUR bis 300 EUR. Die Retaxierung um 0,07 % im Jahr 2008 entspricht einem Betrag von 904,26 EUR. Rund 60 bis 65 % des Taxerlöses der S*****apotheke ***** sind auf Leistungen für die Beklagte zurückzuführen. Monatlich werden ein bis zwei Dutzend Rezepte zurückgestellt.

Die Beklagte hat die elektronisch übermittelten Abrechnungsdaten der S*****apotheke ***** für August 2008 bisher nicht ausgewertet und kein EDV-mäßiges Dialogprotokoll erstellt. Die Klägerin hat die Beklagte bisher nicht um Identifikation von Ärzten und Patienten ersucht. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bei Übermittlung der Ergebnisse einer EDV-mäßigen Überprüfung der Abrechnungsdaten durch die Beklagte und Übermittlung der Identifikation der verschreibenden Ärzte und Patienten die Ausstellung von Rezeptduplikaten veranlassen würde. Der Aufwand für die Rekonstruktion der verloren gegangenen Rezepte und Verordnungsscheine übersteigt den Klagsbetrag.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten laut elektronischer Abrechnung hinsichtlich der S*****apotheke ***** für August 2008. Der Vergütungsanspruch gegen die Beklagte bestehe unabhängig davon, ob ihr die ärztlichen Verschreibungen zukämen. Sollte der Vergütungsanspruch keine gesetzliche Grundlage haben, wäre die Beklagte ungerechtfertigt bereichert, weshalb der Klagsanspruch hilfsweise auch auf einen Verwendungsanspruch nach §§ 1041 und 1042 ABGB sowie auf Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt werde. Weder die Mitarbeiter der S*****apotheke ***** noch die Mitarbeiter der Klägerin treffe am Verlust des Rezeptpakets ein Verschulden. Im Gegensatz zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 3/05z verfüge die Beklagte nun über die vollständige elektronische Rezeptabrechnung und könne mit den Ärztenummern und der Sozialversicherungsnummern jede einzelne Abgabe von Heilmitteln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln in derselben Weise nachvollziehen, als ob ihr die Papierrezepte im Original zur Verfügung stünden. Das Beharren der Beklagten auf der Vorlage der Originalrezepte verstoße gegen das Schikaneverbot und sei sittenwidrig.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Den Anlagen zum Gesamtvertrag sei zu entnehmen, dass die Originalrezepte und -verordnungsscheine beim abrechnungs- und zahlungspflichtigen Krankenversicherungsträger einlangen müssten, damit dieser die Rechtmäßigkeit der Abgabe von Heilbehelfen und Hilfsmittel sowie die Richtigkeit der Abrechnung überprüfen könne. Bei Fehlen von Gültigkeitserfordernissen seien keine Kosten zu übernehmen. Daraus ergebe sich, dass im Fall des Fehlens des Originalrezepts bzw des -verordnungsscheins keine Zahlung erfolgen könne. Nach der Entscheidung 7 Ob 3/05z stehe der Ersatzbeweis überhaupt nur bei unverschuldetem Verlust der Originale zu. Der Klägerin sei aber offenkundig ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Die Klägerin müsse die rechtmäßige Abgabe der verrechneten Heilmittel nachweisen, eine Ermessensentscheidung nach § 273 ZPO scheide aus. Der Datenausdruck ersetze nicht die durch das Kassenrezept eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten. Die Klägerin versuche, ihre „Ersatzbeweispflicht“ entgegen den Bestimmungen des Gesamtvertrags der Beklagten zu überbinden. Die Weigerung der Beklagten, der Klägerin die mit der Beschaffung der Ersatzurkunden verbundenen Mühen und Kosten abzunehmen, sei weder rechtsmissbräuchlich noch sittenwidrig.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Bezahlung von 99.680,47 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2008. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung 7 Ob 3/05z zu Grunde liegenden Sachverhalt stünden der Beklagten aufgrund der elektronischen Rechnungslegung mit Datenfernübertragung die wesentlichen Daten der Rezepte und Verordnungsscheine zur Verfügung, die sie der EDV-mäßigen Kontrolle unterziehen könne. Sie könne der Klägerin das Prüfergebnis mit der Aufforderung mitteilen, zu den Problemfällen Rezeptduplikate vorzulegen. Die Klägerin könne nach Identifikation der verschreibenden Ärzte und der Patienten durch die Beklagte Rezeptduplikate anfordern. Die Beklagte habe aber die übermittelten Daten für August 2008 gar nicht auf Prüffälle durchsucht. Bei dem verloren gegangenen Rezeptbündel sei mit etwa 170 bis 180 Dialogfällen zu rechnen, das seien also 6 % der rund 2.700 verlorenen Rezepte. Ausgehend von den Retaxierungen in den Jahren 2008 und 2009 hätte die S*****apotheke ***** für alle im Monat August 2008 eingelösten Rezepte und Verordnungsscheine eine Retaxierung von 0,04 bis 0,19 % hinnehmen müssen. Dies ergebe einen Betrag in der Höhe von 200 EUR bis 400 EUR. Der Ersatzanspruch der Klägerin sei durch den Verlust der Rezepte nicht untergegangen. Es treffe sie lediglich die erhöhte Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auf Ersatz. Auf Grundlage der wiedergegebenen Ergebnisse des Beweisverfahrens werde der Betrag des berechtigten Anspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Ersatz unter Bedachtnahme auf allfällige „Zufallsfunde“ gemäß § 273 Abs 1 ZPO mit 106.000 EUR festgesetzt. Selbst unter Beachtung der Beweispflicht der Klägerin dürfe nicht übersehen werden, dass diese nicht weiter reichen könne als die Prüfmöglichkeiten der Beklagten, die sich auf die Durchsuchung der übermittelten Daten mit Hilfe eines EDV-Programms auf definierte Prüffälle beschränke; dazu kämen „Zufallsfunde“ beim Aufsuchen der Rezepte und Verordnungsscheine im Rezeptbündel. Zwischen den Streitteilen bestehe Einigkeit darüber, dass der Aufwand zur vollständigen Rekonstruktion des verloren gegangenen Rezeptbündels den Abrechnungswert übersteige. Angesichts dieser Umstände erscheine die Berufung der Beklagten auf § 4 Abs 3 Satz 5 IV des Gesamtvertrags rechtsmissbräuchlich und schikanös. Es sei eine andere, angemessene Rechtsfolge zu finden. Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin jenen Teil des strittigen Betrags zu zahlen, der mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei Kontrolle der Prüffälle anhand der vorgelegten Originalrezepte und -verordnungsscheine und der von der Klägerin beigeschafften Duplikate zu entrichten gewesen wäre. Da aber nicht festgestellt werden könne, ob die Klägerin die Herstellung von Duplikaten veranlassen würde, sei der von der Beklagten zu zahlende Betrag um den Abrechnungswert der zu überprüfenden Rezepte und Verordnungsscheine zu kürzen. Dieser Wert werde „nach § 273 Abs 1 ZPO unter Bedachtnahme auf Zufallsfunde mit 7.000 EUR (rund 6,5 % des Klagsbetrags) festgesetzt“.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Das Regelbeweismaß der ZPO sei die hohe Wahrscheinlichkeit. Die Begründung des Ersturteils lasse bei Zusammenschau keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der Erstrichter die Überzeugung erlangt habe, die Heilmittelabgabe durch die S*****apotheke ***** sei grundsätzlich mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit rechtmäßig erfolgt, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch daran zweifeln könne. Das Erstgericht habe dabei - wenn auch nicht ausdrücklich begründet, so doch ohne jeden Zweifel erkennbar - den sogenannten Indizienbeweis herangezogen, in dem es unter Berücksichtigung eines Vergleichszeitraums von rund zwei Jahren (2008 und 2009) die rechtmäßige Abgabe der Heilmittel in der S*****apotheke ***** für August 2008 im Umfang des zuerkannten Vergütungsanspruchs implizit bejaht habe. Das Erstgericht habe daher die Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO lediglich bei der Ausmittlung der Höhe des Vergütungsanspruchs angewendet, wogegen keine Bedenken bestünden, da der Beweis über die Höhe der von der Beklagten zu leistenden Vergütung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten und den Klagsbetrag übersteigendem Aufwand zu erbringen sei. Dazu komme noch, dass die Klägerin ohne entsprechende Vorleistung der Beklagten gar nicht in der Lage sei, Duplikate der Rezepte zu besorgen. Die Klägerin treffe nach den Feststellungen kein Organisationsverschulden. Der Verlust der Originalrezepte bewirke nicht den Untergang des Vergütungsanspruchs. Auf ein allfälliges rechtsmissbräuchliches oder schikanöses Verhalten der Beklagten komme es gar nicht an. Die Beklagte wende sich nicht einmal gegen die Höhe des vom Erstgericht nach § 273 Abs 1 ZPO ausgemittelten Betrags. Eine Überschreitung des gebundenen Ermessens sei nicht zu erblicken.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 3/05z einen Anspruchsverlust aus unverschuldet verloren gegangenen Originalrezepten bereits verneint habe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 3/05z einen Rechtsfall entschieden, in dem Originalrezepte auf dem Transportweg von der Klägerin zu einem Krankenversicherungsträger verloren gingen. Der Rechtsfall aus 2001 war nach dem Gesamtvertrag vom 15. 12. 1987 zu beurteilen, nach dem eine verpflichtende elektronische Abrechnung im Datenfernverkehr nicht vorgesehen war. Zum ansonsten im Wesentlichen - soweit hier relevant - vergleichbaren Gesamtvertrag wurde ausgesprochen, dass er Dauerschuldverhältnisse mit wechselseitigen Rechten und Pflichten begründe. Er sei nur in seinem schuldrechtlichen Teil wie ein Vertrag auszulegen, während sein normativer Teil nach den Grundsätzen ausgelegt werden müsse, die für die Interpretation von Gesetzen gelte. Die Abgabe von Medikamenten und Heilbehelfen und der dafür von den Sozialversicherungsträgern zu leistende Kostenersatz sei ein Massengeschäft, das die strikte Einhaltung von Regeln und besondere Überprüfungsmöglichkeiten für die Sozialversicherungsträger erfordere. Dies rechtfertige allerdings nicht, Rezepte ohne weiteres gleichsam als ein das Recht auf Kostenersatz verbriefendes Wertpapier anzusehen, deren Verlust zwingend zum Anspruchsverlust führen müsse; Rezepte seien vielmehr bloße Beweisurkunden. Könne daher auf andere Weise, etwa durch Beschaffung eines Duplikats vom das Rezept ausstellenden Arzt oder durch dessen Bestätigung sowie Bestätigungen von Patienten, die das Heilmittel in der vom Verlust der Rezepte betroffenen Apotheke bezogen hätten oder insbesondere durch eine von den Apotheken in der Regel wohl zu erwartenden EDV-mäßige Dokumentation zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Apotheker die betreffende Leistung entsprechend den einschlägigen Vorschriften erbracht habe, wäre der Sozialversicherungsträger, dessen Ersatzpflicht man nur wegen des Verlusts der Rezepte verneinte, in ungerechtfertigter Weise bereichert, weil er sich ohne sachlichen Grund die entsprechenden Aufwendungen ersparen könnte. Dieses Ergebnis sei unbillig und könne weder dem Gesetzgeber noch den Parteien des Gesamtvertrags als gewünscht unterstellt werden. Die Verrechnungsregelung des Gehaltskassengesetzes sei daher dahin auszulegen, dass der Verlust von Rezepten nicht zwingend einen Anspruchsverlust des Apothekers oder der Gehaltskasse, sondern nur deren (erhöhte) Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auf Ersatz auslöse. Andererseits sei darin, dass der Gesamtvertrag für den Fall des - unverschuldeten - Verlusts der Rezepte keine Regelung vorsehe, eine „Gesetzeslücke“ zu erblicken, die primär durch Analogie, subsidiär nach natürlichen Rechtsgrundsätzen geschlossen werden müsse. Dabei biete sich zur Lückenfüllung durch Einzel- oder Gesetzesanalogie § 1004 ABGB, allenfalls auch der vom Erstgericht herangezogene § 1014 ABGB an. Die den Apothekern/der Gehaltskasse für die Erbringung von auftragsgemäßen Leistungen gebührende Zahlung setze demnach nicht unbedingt eine Rechnungslegung nach § 1012 ABGB in Form einer Rezepteinreichung, sondern bei Verlust der Rezepte einen anderen entsprechenden Nachweis der betreffenden Leistung des Apothekers voraus. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man den Gesamtvertrag nicht als Gesetz, sondern als privatrechtliche Vereinbarung nach §§ 914 f ABGB auslegen wollte. § 10 Abs 1 des Anhangs IV des Gesamtvertrags (entspricht § 9 IV) stelle eine Gefahrtragungsregel bei Vorliegen von Mängeln eingereichter Rezepte dar und normiere für unbehebbare Mängel einen Anspruchsverlust. In diesem Fall sei die Behebung des Mangels unmöglich. Der Mangel betreffe aber nicht das Rezept als Beweisurkunde, sondern auch den beurkundeten Vorgang selbst, sodass die Gefahrtragungsregel den Sinn habe, sicherzustellen, dass in Apotheken nur gesetzeskonforme Heilmittel abgegeben würden und nur in diesem Fall Ersatzleistungen zustünden. Davon müsse aber der Fall des Verlusts von Rezepten unterschieden werden, der in der Verrechnungsvereinbarung des § 10 nicht enthalten sei, weil die Vertragsparteien an diesen Fall offenbar nicht gedacht und nur für vorgelegte mangelhafte Rezepte eine Regelung getroffen hätten. Bei Fehlen einer konkreten Risikovereinbarung sei daher eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, die nur dann geboten sei, wenn nach Abschluss einer Vereinbarung Problemfälle aufträten, die von den Parteien nicht bedacht und daher nicht ausdrücklich geregelt worden seien, sodass unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu prüfen sei, was sie redlicherweise vereinbart hätten. Ausgehend davon könne aus den schon zuvor zur Gesetzesauslegung angeführten Gründen ein Wille der Partner des Gesamtvertrags verneint werden, dass der Verlust von Rezepten den Anspruchsverlust der Apotheker bzw der Gehaltskasse bedeuten müsse. Ein derartiger Verlust aus formalen Gründen der unverschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung der vereinbarten Rezeptvorlage trotz möglicher Beweisbarkeit des Anspruchs der Apotheker/der Gehaltskasse bedeute eine Formstrenge, die vernünftige Parteien nicht beabsichtigt hätten, wenn damit eine ungerechtfertigte Bereicherung eines der Vertragspartner verbunden wäre. Die betreffenden Bestimmungen des Gesamtvertrags seien daher ergänzend dahin auszulegen, dass die Gehaltskasse den Anspruch gegenüber dem Sozialversicherungsträger bei unverschuldeten Verlust von Rezepten grundsätzlich nicht verliere, dass aber die Gehaltskasse die volle Beweispflicht für die rechtmäßige Abgabe der betreffenden Heilmittel treffe. Rein bereicherungsrechtliche Überlegungen erübrigten sich, setze doch eine Abwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen das Fehlen einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung voraus.

Die dargelegten Grundsätze zur Auslegung der Gesetze und Verträge können auch auf den vorliegenden Rechtsfall übertragen werden, was von den Parteien ohnehin nicht bestritten wird. Die Rechtsfrage, ob der Klägerin überhaupt ein Ersatzbeweis zusteht, wenn ihr am Verlust des Rezeptpakets ein Verschulden anzulasten ist (es steht nicht fest, unter welchen Umständen die Rezepte in Verlust gerieten, sondern nur, dass sie nicht bei der Beklagten einlangten), kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin den Ersatzbeweis ohnehin nicht erbracht hat. Bereits dies muss aus folgenden Erwägungen zur Klagsabweisung führen:

Die Klägerin meint, dass ein Krankenversicherungsträger aufgrund der nunmehr verpflichtenden elektronischen Abrechnung im Datenfernverkehr zur Kostenübernahme verpflichtet sei, auch wenn die Rezepte nicht vorgelegt würden oder kein Ersatzbeweis beschafft werde. Die Beklagte könne eine EDV-mäßige Überprüfung vornehmen und hinsichtlich der Dialogfälle aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Daten selbst eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abgabe durch Anfrage bei Ärzten und Patienten durchführen.

Seit 1. 1. 2004 ist die elektronische Abrechnung im Datenfernverkehr verpflichtend (§ 348g ASVG, § 7 Abs 1 Gesamtvertrag, Anlage I des Gesamtvertrags). Die Klägerin will zu Unrecht der Entscheidung 7 Ob 3/05z entnehmen, der Oberste Gerichtshof hätte bereits ausgesprochen, eine EDV-mäßige Dokumentation schaffe in jedem Fall eine dem Originalrezept vergleichbare Beweislage. Die Beurteilung hängt aber vom Inhalt und den Umständen der EDV-mäßige Dokumentation, die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt waren, und auch von den gesetzlichen Vorgaben der vorzunehmenden Überprüfung ab. Ausgehend von den Feststellungen ergibt sich, dass die EDV-mäßige Dokumentation nicht eine einem Originalrezept vergleichbare Beweislage für die rechtmäßige Abgabe von Heilmitteln und Heilbehelfen schafft. So kann beispielsweise nicht überprüft werden, ob Stempel und Originalunterschrift des Arztes und Apothekers vorhanden sind, ob eine Rezeptgebührenbefreiung besteht, ob Vermerke wie „per vitam“ oder „expeditio nocturna“ gesetzt wurden und ob die verrechnete Menge des Heilmittels mit der im Rezept verordneten übereinstimmt. Es kann also kurz gesagt weder geprüft werden, ob ein gültiges Rezept gemäß § 2 I oder ein gültiger Verordnungsschein nach § 5 III vorliegt und noch ob das Verrechnete mit dem Verschriebenen übereinstimmt.

Auch wenn die Kostenübernahme durch die Beklagte (unabhängig davon, ob man die Bestimmungen des Gesamtvertrags als Gesetz oder als schuldrechtliche Vereinbarung auslegt) nicht von der der Klägerin obliegenden Vorlage der Originalrezepte und -verordnungsscheine abhängt und damit der Verlust der Rezepte nicht unbedingt zum Anspruchsverlust der Klägerin führt, trifft die Klägerin nach dem Gesagten doch die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auf Ersatz. Die Klägerin muss also für die Beklagte eine Beweislage schaffen, die dem Originalrezept entspricht. Es muss genau so wie aufgrund eines Rezepts von den Mitarbeitern der Beklagten geprüft werden können, ob der Apotheker die betreffende Leistung entsprechend den einschlägigen Vorschriften für ihre Versicherungsnehmer erbracht hat. Die geregelte Beweisobliegenheit der Apotheker und der Klägerin der Beklagten gegenüber über die rechtmäßige Abgabe der betreffenden Heilmittel und Heilbehelfe wäre grundsätzlich erfüllt, wenn ein Duplikatrezept beigeschafft würde. Diesen Beweis will die Klägerin aber nicht antreten und bezeichnet ihn sogar in der Revision als „faktisch unmöglich“. Feststeht, dass die Kosten dieses Ersatzbeweises die von der Beklagten zu zahlenden Taxbeträge übersteigen würde. Mit ihrer Argumentation will nun die Klägerin die sie treffende und als Anspruchsgrundlage geregelte (volle) Beweislast der Beklagten überbürden, ohne dass es dazu eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage gibt und ohne dass diese Intention den geltenden Bestimmungen entnommen werden kann.

Trotz verpflichtender elektronischer Abrechnung wurden die oben dargelegten Bestimmungen über die Gültigkeitserfordernisse eines Rezepts und die Verpflichtung der Apotheker, nur bei gültigem Rezept Heilmittel und Heilbehelfe und dergleichen abzugeben und diese Rezepte über die Klägerin den Krankenversicherungsträgern vorzulegen, die nur nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausfolgung Kostenersatz zu leisten haben, beibehalten. Es bestehen, wie dargelegt, umfangreiche Bestimmungen dazu, wie mit den Originalrezepten zu verfahren ist und wie sie der Beklagten - in der für sie zur Überprüfung geeigneten Form - geordnet und gebündelt übergeben werden müssen. Die Beklagte trifft die gesetzliche Verpflichtung, die Einhaltung der Vorschriften für ein gültiges Rezept und die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Abgabe vor Kostenübernahme zu überprüfen. Die geregelte Vorlage der Rezepte an die Beklagte oder im Fall des unverschuldeten Verlusts die Schaffung einer vergleichbaren Beweislage über die rechtmäßige Abgabe bildet eine Anspruchsgrundlage. Wird die Rechtmäßigkeit nicht nachgewiesen, erfolgt eine Retaxierung. Daran hat sich seit der Einführung der Datenfernübertragung nichts geändert. Die Beklagte kann naturgemäß bei diesem Massengeschäft nicht lückenlos alle Rezepte überprüfen, aber es obliegt ihr, nach der geltenden Rechts- und Vertragslage zu entscheiden, wie sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllt und welche Fälle sie auswählt, die sie einer genaueren Kontrolle unterzieht. Die Anspruchsberechtigten müssen lückenlos zu jedem Geschäftsfall ihre Obliegenheit erfüllen, widrigenfalls die Beklagte keine Kosten zu übernehmen hat. Die Beklagte muss in ihrer Verantwortung ihre Kontrolltätigkeit so einrichten können, dass sie dem gesetzlichen Auftrag entspricht. Damit sie aber ihrer Kontrolltätigkeit gerecht werden kann, muss ihr die Möglichkeit gegeben werden, potentiell alle Geschäftsfälle zu kontrollieren, das heißt nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Prüffälle auszuwählen oder sich auch vom Zufall leiten zu lassen. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte würde ohnedies nur einen bestimmten Prozentsatz von Fällen kontrollieren, geht am Sinn der Bestimmungen vorbei. Überdies werden nach den Feststellungen alle Rezepte bestimmter Gruppen (09, 12, 15) überprüft. Zusätzlich ergibt die Überprüfung der Dialogfälle der allgemeinen Gruppe 00 Zufallsfunde, was auch dokumentiert, dass die EDV-mäßige Überprüfung die stichprobenartige Nachschau in den Rezepten nicht vollwertig ersetzt. Die von der Klägerin vertretene Ansicht, die Beklagte dürfe nur eine EDV-mäßige Überprüfung vornehmen und müsse sich mit der näheren Überprüfung nur dieser Dialogfälle begnügen, würde die vorgesehenen Prüfmöglichkeiten der Beklagten in einer Weise einschränken, die sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Willen der Vertragsparteien entnehmen lässt. Würde man im Fall des Verlusts von der Forderung der Schaffung einer den Originalrezepten und -verordnungsscheinen gleichwertigen Beweislage abgehen, würde dies bedeuten, dass die Beklagte ihrer Überprüfungspflicht grundsätzlich auch ohne Vorlage von Originalurkunden genügen könne, was sich aber aus der Gesetzes- und Vertragslage nicht ergibt. Dabei wäre dem potentiellen gezielten Missbrauch, bestimmte Rezeptpakete „verschwinden“ zu lassen, ohne dass dies einen Einfluss auf die Kostenübernahme hätte, Tür und Tor geöffnet. Genau die vorliegenden Bestimmungen verhindern dies, weil eben theoretisch (und sei es auch nur durch Zufall) jeder Geschäftsfall auf seine Rechtmäßigkeit hin kontrolliert werden könnte. Auch die Klägerin räumt ein, dass die Höhe der Retaxierungsbeträge von den Prüfungshandlungen der Beklagten und deren Ergebnis abhängt. Die Überprüfungshandlungen der Beklagten dürfen daher nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass Originalrezepte gar nicht vorgelegt werden. Das Beharren der Beklagten auf der Schaffung einer einem Originalrezept vergleichbaren Beweislage, wie sie den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen entspricht, ist daher weder sittenwidrig noch rechtsmissbräuchlich, sondern sichert der Beklagten die Durchführung ihres gesetzlichen Auftrags im Interesse der Allgemeinheit. Es ist zwar durchaus zu vermuten - weil eben der Kostenersatz so streng geregelt ist und mit der Kontrolle theoretisch jeden Geschäftsfalls gerechnet werden muss - dass hier einem Großteil der geltend gemachten Forderungen gültige Rezepte zugrunde liegen. Es wurde aber der Beklagten nicht die Möglichkeit gegeben, dies nachzuprüfen. Die Kostenübernahmeverpflichtung der Beklagten besteht nur soweit, als ihr die Rezepte durch die Apotheker und die Klägerin lückenlos vorgelegt werden oder eine vergleichbare Beweislage geschaffen wird und diese der Überprüfung der Einhaltung der Abgabevorschriften standhält. Diese Interpretation entspricht dem Sinn der zur Zeit geltenden Gesetzes- und Vertragslage, Missbrauch zu unterbinden. Eine Regelungslücke ist nicht zu erkennen.

Da die Beibringung einer einem Rezept vergleichbaren Beweislage durch die Klägerin eine Anspruchsvoraussetzung ist, hat das Gericht nur zu prüfen, ob dies erfolgt ist oder nicht. Nicht hingegen kann das Gericht die Erfüllung der Beweisobliegenheit durch ein Indizienbeweisverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit des Abgabevorgangs ersetzen. Es gibt daher schon aus diesem Grund keinen Raum für einen Indizienbeweis für die rechtmäßige Abgabe aufgrund von Retaxierungen aus den Vorjahren oder gar für die Anwendung des § 273 ZPO. Nur am Rande sei erwähnt, dass das Erstgericht ausdrücklich keine Feststellungen dazu getroffen hat, welche Heilmittel rechtmäßig ausgefolgt wurden. Damit steht aber der Anspruch dem Grunde nach eben nicht fest. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass „implizit“ aufgrund eines Indizienbeweises Feststellungen dazu getroffen worden seien, dass die Heilmittel in dem zugesprochenen Umfang rechtmäßig ausgefolgt worden seien, ist unvertretbar. Die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO scheidet aus, weil diese auf die Höhe des Anspruchs beschränkt ist. Hinsichtlich des Grundes des Anspruchs ist diese Beweiserleichterung nicht zulässig (vgl RIS-Justiz RS0040355; Rechberger in Fasching/Konecny2, § 273 ZPO Rz 14 f).

Ebenfalls nicht zu folgen ist der Ansicht der Klägerin, die Beklagte müsse die Duplikatrezepte selbst beischaffen, der Klägerin sei dies gar nicht möglich. Sie übersieht ihre klar geregelte Obliegenheit, die Rezepte der Beklagten vorzulegen und damit auch im Fall des Verlusts, eine vergleichbare Beweislage zu schaffen und der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Diese Obliegenheit kann die Klägerin ohne vertragliche oder gesetzliche Vorgaben nicht auf die Beklagte abwälzen, auch wenn ihr selbst nicht alle Daten zur Verfügung stehen, um eine Rekonstruktion der Rezepte veranlassen zu können. Die Beklagte ist nämlich verpflichtet, die Klägerin bei ihren Aufgaben zu unterstützen (§ 2 Abs 1 GehaltskassenG), was bedeutet, dass sie der Klägerin die Daten zur Verfügung zu stellen hat, die nötig sind, damit die Klägerin ihre Beweislast erfüllen kann. Dass die Beklagte diese Pflicht verweigern würde, kann die Klägerin nicht behaupten. Vielmehr lehnt es die Klägerin (offenbar wegen der Kosten) ab, Duplikate beizuschaffen. Es steht jedenfalls nicht fest, dass die Klägerin nur durch das Verhalten der Beklagten daran gehindert worden wäre, Rezeptduplikate beizuschaffen.

Wie bereits in der Entscheidung 7 Ob 3/05z (mwN) ausgeführt wurde, kommen aufgrund der Gesetzes- und Vertragslage Bereicherungsansprüche nicht in Betracht. Gleiches gilt für die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn, also demjenigen, in dessen Angelegenheiten sich der Geschäftsführer einmengt (RIS-Justiz RS0107213), das ein unbefugtes und damit eigenmächtiges Handeln voraussetzt. Die Klägerin handelte aber nur im Hinblick auf ihre im Gesetz und Gesamtvertrag vorgesehenen Verpflichtungen.

Es ist daher das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren sind die zutreffenden Einwendungen der Klägerin zu berücksichtigen. Die Schriftsätze vom 3. 9. 2009 (Mitteilung aufgrund eines Fristverlängerungsersuchens der Klägerin) und vom 6. 10. 2009 (Berichtigung und Ergänzung des eigenen Schriftsatzes) waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E96841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00213.10I.0309.000

Im RIS seit

15.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten