TE OGH 2011/3/15 1R292/10h

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Veröffentlicht am 15.03.2011
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Dr. Hinger und Dr. Rassi in der Rechtssache der klagenden Partei W***** G*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** S*****, vertreten durch Dr. Martin Stossier Rechtsanwalt KG und Dr. Roland Heizinger, Rechtsanwalt, in Wels, wegen EUR 34.540,43 sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12.11.2010, 37 Cg 84/10x-7, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die Kosten der Rekursbeantwortung von EUR 1.576,44 (darin EUR 262,44 USt) zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

1. Innerhalb der Einspruchsfrist richtete der Anwalt des Beklagten einen mit „Vertretungsmitteilung/Einspruch“ bezeichneten Schriftsatz an das Gericht mit folgendem Text:

„Ich habe der [Anwaltskanzlei] Vollmacht erteilt und sie beauftragt, mich in diesem Verfahren zu vertreten. Gegen den bedingten Zahlungsbefehl vom 28.5.2010 erhebe ich Einspruch.“

2. Danach beantragte die Klägerin mit einem Schriftsatz, den Einspruch zurückzuweisen und ein Versäumungsurteil zu fällen.

In der nach einem weiteren Schriftsatzwechsel stattgefundenen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.11.2010 erklärte der Vertreter der Klägerin, den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils nicht zurückzuziehen.

3. Das Erstgericht verkündete den Beschluss auf Abweisung dieses Antrags, dessen schriftliche Ausfertigung die Klägerin begehrte.

Das Erstgericht begründete die Abweisung in der schriftlichen Beschlussausfertigung damit, dass auch die Zivilverfahrensnovelle 2002 keine Sanktion für die Nichteinhaltung des Gebots nach § 239 ZPO eingeführt habe und keine Absicht des Gesetzgebers erkennbar sei, dass „leere“ Klagebeantwortungen und Einsprüche zurückgewiesen werden müssten und zu Säumnisfolgen führen würden.

4. Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den Beschluss zu ändern und dem Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils stattzugeben. In eventu wird beantragt, den Beschluss dahin zu ändern, dass in Umdeutung des Antrags der Klägerin ein mit Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsvermerk versehener Zahlungsbefehl erlassen werde. In eventu stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

5. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

§ 248 Abs 1 ZPO ordnet an, dass der Einspruch des Beklagten den Inhalt einer Klagebeantwortung haben muss. Welchen Inhalt eine Klagebeantwortung haben muss, ergibt sich aus § 239 Abs 1 ZPO: Sie hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten und, soweit der Klagsanspruch bestritten wird, Anträge gestellt und Einreden erhoben werden, die Tatsachen und Umstände, auf die sich die Einwendungen, Anträge und Einreden der beklagten Partei gründen, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben sowie die Beweismittel, deren sich der Beklagte zum Nachweis seiner tatsächlichen Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt, im einzelnen genau zu bezeichnen.

Diesen Erfordernissen genügt der Einspruch des Beklagten nicht. Der Beklagte formulierte in diesem Einspruch keinen Antrag, sondern nur die Information, einem bestimmten Anwalt Vollmacht erteilt und ihn beauftragt zu haben, ihn in diesem Verfahren zu vertreten. Überdies enthält der Einspruch die Information, dass der Beklagte gegen den bedingten Zahlungsbefehl Einspruch erhebt.

Es liegt somit ein sogenannter „leerer Einspruch“ vor.

In der Lehre ist umstritten, ob solche Einsprüche oder Klagebeantwortungen Säumnisfolgen verhindern können (vgl dazu ausführlich Mayr in Fasching/Konecny2 III § 239 ZPO Rz 19 ff).

Die Rechtsprechung allerdings akzeptiert die Wirksamkeit auch leerer Klagebeantwortungen, was sich auf leere Einsprüche genau so beziehen muss. In Mayr aaO Rz 21 ist die als „spärlich und durchaus nicht ganz einhellig“ bezeichnete Rechtsprechung im Wesentlichen wiedergegeben, woraus sich ableiten lässt, dass eine starke Tendenz besteht, solche inhaltsleeren Schriftsätze ausreichen zu lassen.

Das Rekursgericht schließt sich dieser Tendenz an und weist darauf hin, dass der österreichische Zivilprozess vom Grundsatz der Mündlichkeit getragen ist. Alle Regelungen, die zur Abkürzung des Verfahrens auf die Mündlichkeit verzichten, sind als Ausnahmen von diesem Grundsatz anzusehen. Formvorschriften, die den Parteien auferlegt sind, um das mündliche Verfahrens in Gang zu setzen, sind daher eng auszulegen.

Als Auslegungsregel ist auch die Überlegung heranzuziehen, dass die Gerichte grundsätzlich materielle Entscheidungen von Streitfällen herbeizuführen haben, was diesen gegenüber rein formellen (Säumnis-)Entscheidungen einen Vorzug verschafft.

Die Bevorzugung von materiellen Entscheidungen wäre konterkariert, wenn bei Handlungen der Prozessparteien, deren Ziel klar erkennbar ist, auf die Einhaltung bestimmter Formulierungen gedrängt würde, wie zum Beispiel auf die Ausformulierung des Satzes „Das Klagebegehren wird bestritten.“.

6. Die Klägerin hat die Kosten des in einem Zwischenstreit angesiedelten Rechtsmittelverfahrens gemäß §§ 41, 50 ZPO zu ersetzen.

7. Die Unzulässigkeit des weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

Textnummer

EW0000500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2011:00100R00292.10H.0315.000

Im RIS seit

25.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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