TE OGH 2011/4/7 2Ob210/10m

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Veröffentlicht am 07.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Versicherung VaG, *****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl und Mag. Robert Mader, Rechtsanwälte in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Heel, Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Wolf, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 12.884,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. August 2010, GZ 2 R 118/10k-45, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26. April 2010, GZ 41 Cg 65/09s-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache sowie im Kostenzuspruch an die Nebenintervenientin wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.788,30 EUR (darin 1.264,25 EUR USt und 3.202,76 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Kaskoversicherer eines Versicherungsnehmers, der auf einem Firmengelände Räumlichkeiten gemietet hatte, zu denen auch zwei Abstellplätze auf einem Parkplatz neben dem Firmengebäude gehörten.

Die beklagte Partei hatte von der Nebenintervenientin den Auftrag erhalten, mit Hilfe eines Kranwagens einen auf einem Dach des Firmengebäudes befindlichen Entlüfter von diesem Gebäude auf den Parkplatz herabzuheben.

Ab 16. 8. 2007 demontierten Mitarbeiter der Nebenintervenientin den Entlüfter und ersuchten den Versicherungsnehmer der klagenden Partei mit seinem Kfz von seinem Abstellplatz weg und zu einem anderen Abstellplatz im östlichen Bereich des Parkplatzes zuzufahren. Ob dieser neue Abladeplatz vom Kranfahrer ausgewählt oder von Mitarbeitern der Käuferin des Lüftungsschachts beauftragt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Der Kranfahrer der beklagten Partei stellte den Kranwagen seitlich zum Betriebsgebäude, von dem der Entlüfter herabzuheben war, ab, brachte ihn in die Waage, sodass die Räder des Fahrzeugs in der Luft waren, und unterlegte die auf der dem Gebäude zugewandten Seite befindlichen Stützfüße mit Hölzern. In diesem Bereich war eine Asphaltnaht sichtbar, ansonsten deutete nichts auf eine Schwäche des Untergrundes hin. Der Lüftungsschacht sollte hinter dem Kranwagen abgesetzt werden. Als er sich bereits in der Luft befand, wurde eine neue Abladestelle im nördlichen Bereich des Parkplatzes ausgewählt, wo auch das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der klagenden Partei hinverwiesen worden war. Um die Last in diesen Bereich zu bringen, musste der Kran weiter ausgefahren und geschwenkt werden. Da auf dem neu gewählten Abladeplatz erst Holzpaletten aufgelegt werden mussten, auf die der Lüftungsschacht abgelegt werden konnte, wurde der Schacht einige Zeit in der Luft gehalten. In dieser Zeit brach der Asphalt unter dem linken hinteren Stützfuß des Krans, wodurch der Kran nach links hinten kippte und der Lüftungsschacht auf das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der klagenden Partei fiel. Durch das Bewegen der Last in Richtung des neu gewählten Abladeplatzes wurden links hinten wesentlich stärkere Kräfte hervorgerufen als beim ursprünglich vorgesehenen Abladeplatz. Für den Kranfahrer war vorhersehbar, dass der linke hintere Stützfuß und die darunter liegende Asphaltdecke deutlich stärker beansprucht würde. Die Unterlegung dieses Stützfußes mit Hölzern war daher naheliegend und notwendig. Dadurch hätte sich die Aufstandsfläche des Stützfußes auf das Dreifache vergrößert und damit die Belastung des Asphaltbodens verringert, sodass in diesem Fall die Asphaltdecke nicht eingebrochen wäre.

Durch den Unfall entstand am Fahrzeug des Versicherungsnehmers der klagenden Partei ein Sachschaden von 12.884,06 EUR, der abzüglich eines der klagenden Partei nunmehr zum Inkasso zedierten Selbstbehalts von der klagenden Partei ersetzt wurde.

Die klagende Partei begehrt diesen Betrag mit der Begründung, dass der Schaden ihres Versicherungsnehmers durch ein der Beklagten zurechenbares schuldhaftes Verhalten eines Mitarbeiters der beklagten Partei verursacht worden sei. Die Stützen des Kranfahrzeugs seien unzureichend abgesichert worden und dadurch das ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeug ihres Versicherungsnehmers beschädigt worden. Es sei Aufgabe des Kranbedieners gewesen, vor Durchführung der Arbeiten den Untergrund und dessen Beschaffenheit zu überprüfen. Allfällige Vereinbarungen mit dem Auftraggeber könnten die Beklagte nicht entlasten, sie sei darüber hinaus auch als Halterin des Kranwagens aufgrund der Gefährdungshaftung nach dem EKHG heranzuziehen. Der Versicherungsnehmer der klagenden Partei habe sein Fahrzeug genau auf dem ihm bezeichneten und zugewiesenen Abstellplatz abgestellt und mit einer nicht sach- und fachgerechten Bedienung des Krans nicht rechnen müssen.

Die Beklagte wendete dagegen ein, der Bediener des Krans habe sach- und fachgerecht sowie mit äußerster Sorgfalt gearbeitet, es treffe ihn kein Verschulden. Die mangelnde Tragfähigkeit der Asphaltdecke sei nicht erkennbar gewesen. Überdies sei es Sache des Auftraggebers gewesen, für einen ausreichend befestigten Kranstandplatz zu sorgen. Den Versicherungsnehmer der klagenden Partei treffe das überwiegende Mitverschulden, weil er das beschädigte Fahrzeug im Gefahrenbereich abgestellt habe. Der Kran sei als ortsgebundene Arbeitsmaschine eingesetzt worden, weshalb eine Haftung nach dem EKHG ausscheide.

Die Nebenintervenientin trat dem Verfahren auf Seiten der klagenden Partei bei und brachte vor, dass sie zwar den Auftrag zur Durchführung der Arbeiten erteilt habe, es sich bei der Beklagten aber um eine Fachfirma handle, die solche Arbeiten für die Nebenintervenientin immer wieder erledigt habe. Der Kranfahrer habe eigenmächtig den Abstellplatz verändert, wodurch es zum Schaden gekommen sei. Ursache des Schadens sei daher ein Fehlverhalten des Bediensteten der Beklagten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Den Kranwagenlenker treffe ein Verschulden am Vorfall, das sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, unabhängig von allfälligen Haftungseinschränkungen in ihren Vereinbarungen bzw Geschäftsbedingungen. Den Versicherungsnehmer der klagenden Partei treffe dagegen kein Verschulden, weil er sein Fahrzeug über Aufforderung der Auftraggeberin der beklagten Partei an einem zugewiesenen Abstellplatz geparkt habe.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei das Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Eine Haftung nach dem EKHG bestehe nicht, weil der Kran als ortsgebundene Arbeitsmaschine verwendet worden sei. Mangels Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen komme auch eine Haftung für den Erfüllungsgehilfen iSd § 1313a ABGB nicht in Frage. Eine deliktische Haftung der beklagten Partei nach § 1315 ABGB sei weder behauptet noch sei festgestellt worden, dass der Kranfahrer habituell untüchtig gewesen sei. Der Kranführer sei weder Organ noch Machthaber der Beklagten gewesen und daher auch nicht als ihr Repräsentant einzustufen.

Über Antrag der klagenden Partei ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu. Im Hinblick auf das - wenn auch dürftige - Vorbringen der klagenden Partei sei eine vertragliche Haftung aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht auszuschließen.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Abänderungsantrag dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Nach der auf Franz Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359, zurückgehenden ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs wird die vertragliche Schadenersatzhaftung auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0034594; RS0021557; RS0107082; 2 Ob 226/05g; 6 Ob 146/04w, 6 Ob 21/04p; 6 Ob 250/01k). Diese Schutzpflicht wird dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf dritte Personen, wenn auch nur der vertragsschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RIS-Justiz RS0017195). So hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass Werkverträge Schutzwirkungen gegenüber Familienangehörigen und Mietern des Auftraggebers auslösen. Eine extensive Auslegung des Parteiwillens der Vertragsparteien dahin, dass auch Dritte geschützt werden sollten, ist demnach immer dann gerechtfertigt, wenn ansonsten ein Rechtsschutzdefizit vorläge (6 Ob 250/01k).

Im vorliegenden Fall hat die Nebenintervenientin die beklagte Partei beauftragt, einen Lüftungsschacht von einem Firmengebäudedach auf den Firmenparkplatz herabzuheben. Es liegt auf der Hand, dass auf einem solchen Firmenparkplatz auch Personen, die in enger Beziehung zum Firmengelände stehen, zB weil sie - wie der Versicherungsnehmer der klagenden Partei - dort Räumlichkeiten samt Autoabstellplätzen gemietet haben, in eine Nahebeziehung zu der vertraglich geschuldeten Leistung kommen und es daher dem Auftraggeber ein Anliegen sein muss, diese Personen vor schädlichen Auswirkungen der Vertragserfüllung zu schützen. Bei objektiver Auslegung des Vertrags ist anzunehmen, dass sich die vertragliche Schutzpflicht auf Dritte, wie den Versicherungsnehmer der klagenden Partei, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, erstrecken sollte.

Angesichts der Feststellungen ist jedenfalls von einem Verschulden des Kranbedieners auszugehen, der es trotz geänderten Abladeplatzes unterließ, für eine ausreichende Unterlegung des besonders belasteten linken hinteren Stützfußes zu sorgen. Dieses Verschulden ist der beklagten Partei gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen.

Es war daher in Stattgebung der Revision die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 43 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Im Hinblick auf die Wiederherstellung des Ersturteils in der Hauptsache ist über den Kostenrekurs der klagenden Partei zu entscheiden: Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war nur ein vorbereitender Schriftsatz notwendig, sodass sich eine Verdienstsumme von 4.675,70 EUR errechnet. Barauslagen für den Firmenbuchauszug (vgl Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 627) und ebenso die Halterauskunft sowie vorprozessuale SV-Kosten stehen nicht zu. Insgesamt ergeben sich daher rechnerisch erstinstanzliche Kosten von 7.579,60 EUR. Im Verhältnis zum angestrebten Kostenzuspruch ist die klagende Partei mit ihrem Kostenrekurs zu über 72 % durchgedrungen, sodass ihr 45 % ihrer Kosten dafür zuzusprechen waren (vgl 1 Ob 158/10g).

Textnummer

E97062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00210.10M.0407.000

Im RIS seit

09.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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