TE OGH 2011/4/14 6Ob40/11t

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Veröffentlicht am 14.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) M***** E*****, 2.) L***** P*****, vertreten durch Dr. Carl C. Knittl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R***** K*****, vertreten durch Dr. Markus Tesar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.793,96 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. November 2010, GZ 35 R 370/10m-40, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. August 2010, GZ 38 C 1442/07b-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 614,86 EUR (darin 102,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Eigentümer einer Liegenschaft, die er mit Vertrag vom 4. 12. 1982 seiner damaligen Ehefrau E***** K***** schenkte. Gleichzeitig wurde ein Wohnungs- und Gebrauchsrecht zugunsten des Beklagten auf dieser Liegenschaft einverleibt. Am 20. 8. 2004 verkaufte E***** K***** die Liegenschaft um 16.000 EUR an die beiden Kläger.

Die Kläger begehren 5.793,96 EUR und bringen dazu im Wesentlichen vor, sie hätten aufgrund der Rechte des Beklagten keine Möglichkeit, aus der Liegenschaft einen Ertrag zu erzielen, mit dem die Erhaltungskosten abgedeckt werden könnten. Der Beklagte habe daher gemäß § 508 letzter Satz ABGB die laufenden Kosten der Erhaltung und des Betriebs der Liegenschaft zu tragen.

Der Beklagte wandte ein, die Kläger hätten eine 2.813 m² große, als Bauland gewidmete Liegenschaft samt Einfamilienhaus um nur 16.000 EUR gekauft, obwohl der Verkehrswert ein Vielfaches gewesen sei. Die Kläger hätten daher bei Ankauf der Liegenschaft gewusst, dass sie die Kosten der Erhaltung und des Betriebs der Liegenschaft zu tragen hätten. Der Ankauf sei offenkundig aus spekulativen Überlegungen erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ergänzend zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, dass im Kaufvertrag vom 20. 8. 2004 festgehalten wurde, dass das Wohnungs- und Gebrauchsrecht des Beklagten vom Verkauf nicht berührt und von den Käufern ohne Anrechnung auf den Barkaufpreis übernommen werde. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass den Klägern der Umfang des dem Beklagten eingeräumten Wohnungs- und Gebrauchsrechts bekannt sei.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass den Klägern keinerlei Nutzungs- oder Einkunftserzielungsmöglichkeit hinsichtlich der Liegenschaft verblieben sei, sodass der Beklagte gemäß § 508 ABGB die laufenden Aufwendungen der Liegenschaft sowie die Kosten der Erhaltung und Instandhaltung zu tragen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unter „Nutzen“ iSd § 508 ABGB sei nur jener Nutzen zu verstehen, der gegenwärtig aus der Liegenschaft gezogen werden könne. Dass die Kläger zu einem späteren Zeitpunkt in der Zukunft vermutlich einen Vorteil ziehen würden (Spekulationsgewinn), ändere nichts an dem Umstand, dass sie derzeit keinen Nutzen aus der Liegenschaft zögen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, wie weit der Begriff „Nutzen“ iSd § 508 ABGB zu verstehen sei bzw ob darunter auch allfällige zukünftige Gewinne fielen, die der Eigentümer bei einer Veräußerung nach dem Erlöschen des Wohnungsgebrauchsrechts bei einer Gegenüberstellung mit dem ursprünglichen Verkaufspreis erziele.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshofs erwogen:

1. Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

2. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass voll inhaltlich darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

3.1. Nach § 508 ABGB kommen alle Benützungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, dem Eigentümer zustatten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentlichen und außerordentlichen, auf der Sache haftenden Lasten zu tragen und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigentümer übrig bleibt, muss der Berechtigte den Überschuss tragen oder vom Gebrauche abstehen.

3.2. Damit werden dem Eigentümer der dienstbaren Sache die Erhaltungskosten nur mit der Einschränkung auferlegt, dass jene Kosten, die über den dem Eigentümer verbleibenden Nutzen (an der ganzen Sache) hinausgehen, der Gebrauchsberechtigte selbst tragen oder auf den Gebrauch verzichten muss (SZ 56/147; 6 Ob 716/83 MietSlg 37.033; Memmer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON § 508 Rz 4 mwN). Bei einem zu Versorgungszwecken begründeten Wohnungsgebrauchsrecht (Übergabevertrag mit Ausgedinge- bzw Unterhaltscharakter) ist die Regel des § 508 Satz 3 ABGB hingegen als schlüssig abbedungen anzusehen (6 Ob 716/83; 2 Ob 212/98k; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 508 Rz 2; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB3 § 508 Rz 4; Memmer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON § 508 Rz 11).

4.1. Schon Klang (Zwei Fragen aus dem Rechte der persönlichen Dienstbarkeiten, JBl 1937, 1 ff [3]) verweist darauf, dass die Bestellung eines Wohnungsgebrauchsrechts in der Regel Versorgungszweck habe. Dem Gebrauchsberechtigten solle ein Obdach gesichert werden. Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn der Eigentümer die Kosten der Instandhaltung auf den Wohnungsberechtigten abwälzen könne. Es müsse ihm daher nach dem Zweck des Geschäfts bzw nach der zu vermutenden Parteienabsicht die Pflicht zur Tragung dieser Kosten auferlegt werden. Ob das zutreffe, sei Frage des Einzelfalls. Dies werde etwa zu verneinen sein, wenn jemand neben einer sehr auskömmlichen Geldrente die Wohnung in einem keinen Ertrag abwerfenden Landhaus vermacht sei.

4.2. Nach Zeiller (Commentar II 336) steht hinter der Regelung des § 508 ABGB der Gedanke, dass die dem Eigentümer zukommenden Nutzungen gewöhnlicherweise den im Umfang und Dauer beschränkten Genuss des Gebrauchsberechtigten überwiegen. Nach Klang (aaO) umfasst das Wort „Nutzen“ mehr als den bloß unmittelbaren Ertrag der Sache; dazu zähle alles, was dem Eigentümer durch die Sache zukomme, insbesondere der Mitgebrauch, Ersatzbeträge wegen Beschädigung der Sache oder das Entgelt für die Bestellung der Dienstbarkeit. Dabei komme es auf den Nutzen der ganzen belasteten Sache, nicht ihres dem Gebrauch gewidmeten Teils an, wobei er auf die Fälle der Einräumung des Gebrauchs einer Wohnung in einem städtischen Zinshaus und bäuerliche Ausgedinge (Ausgedingsstube) verweist.

5.1. Im vorliegenden Fall fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts an den Beklagten Versorgungscharakter hatte. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurden in den ersten Jahren nach der Schenkung die laufenden Aufwendungen vom Beklagten selbst getragen. Anders als bei einem Ausgedinge kann daher im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte und seine frühere Ehefrau § 508 ABGB abbedungen hätten. Damit konnte aber auch der Hinweis auf das Wohnungsgebrauchsrecht bei der Weiterveräußerung der Liegenschaft die Kläger nicht zu weitergehenden Leistungen verpflichten, für die nach § 508 ABGB keine gesetzliche Grundlage besteht.

5.2. Zutreffend haben schon die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass die Kläger im vorliegenden Fall aus der Liegenschaft keinerlei Nutzen ziehen können. Damit hat der Beklagte aber nach § 508 ABGB die laufenden Aufwendungen zu tragen.

5.3. Dass die Kläger die Liegenschaft möglicherweise zu einem sehr günstigen Preis erwarben, vermag daran nichts zu ändern. In Anbetracht des Umstands, dass schon die frühere Ehefrau des Beklagten, die Rechtsvorgängerin der Kläger, nicht zur Tragung der laufenden Aufwendungen verpflichtet war, besteht auch keine Grundlage für die Annahme, die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte ihren Rechtsnachfolgern bei der Veräußerung der Liegenschaft eine derartige - sie nicht treffende - Verpflichtung überbinden wollen.

6. Damit erweisen sich die Urteile der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E97123

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00040.11T.0414.000

Im RIS seit

12.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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