TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 97/07/0095

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;
FlVfLG Tir 1996 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des NS in X, vertreten durch Dr. Markus Hupfauf, Rechtsanwalt in Innsbruck, Michael Gaismair-Straße 8, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 10. April 1997, Zl. LAS-79/162-80, betreffend Minderheitenbeschwerde nach § 37 TFLG 1996 (mitbeteiligte Partei:

Agrargemeinschaft N, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (kurz: AB) vom 30. Jänner 1997 wurde zum einen dem Einspruch des Beschwerdeführers vom 19. November 1996 gegen den vom Ausschuss der mitbeteiligten Partei (der Agrargemeinschaft N.) am 11. November 1996 unter Tagesordnungspunkt 5 gefassten Beschluss betreffend Rechtsvertretung der Agrargemeinschaft N. im Verwaltungsgerichtshofverfahren des Beschwerdeführers vom 23. Mai 1996 gegen den Bescheid des Landesagrarsenates vom 25. Juli 1996 und zum anderen dem Einspruch des Beschwerdeführers vom 25. November 1996 gegen den anlässlich der ordentlichen Vollversammlung der Agrargemeinschaft N. am 21. November 1996 unter Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschluss ("Aufhebung des Vollversammlungsbeschlusses mit dem Beschwerdeführer vom 1. Juni 1990 betreffend Dienstbarkeitseinräumung für Trinkwasserversorgung A.-Alm sowie Errichtung und Benützung Stichweg zu Abwasserbeseitigungsanlage A.-Alm") "keine Folge" gegeben.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Vollversammlung vom 1. Juni 1990 als Mitglied der Agrargemeinschaft N. um die Dienstbarkeitseinräumung für die Errichtung der Trinkwasserversorgung A.-Alm auf Gst. 1176/1 und Gst. 2009/1 (beide im Eigentum der Agrargemeinschaft) sowie die Errichtung eines Stichweges auf Gst. 2009/1 als Zufahrt zur Abwasserbeseitigungsanlage A.-Alm angesucht. Die Vollversammlung habe diese Dienstbarkeit auch eingeräumt und den Ausschuss beauftragt, die erforderlichen Verhandlungen zu führen und den Dienstbarkeitsvertrag abzuschließen. In der Folge sei ein reger Schriftverkehr zwischen dem Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei und dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter geführt und auch von beiden Seiten je ein Dienstbarkeitsvertragsentwurf erstellt worden. Eine Einigung sei jedoch nicht erzielt worden, weil der Beschwerdeführer mit der Höhe bzw. der Berechnung des zu zahlenden Entgelts für die Trinkwasserversorgung, für den Wasserbezug sowie für den Stichweg nicht einverstanden gewesen sei.

Die Vollversammlung habe (am 21. November 1996 zu TOP 3) mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Beschwerdeführer bis 28. Februar 1997 eine Nachfrist zur Unterfertigung eines Dienstbarkeitsvertrages für die mit Vollversammlungsbeschluss vom 1. Juni 1990 eingeräumten Dienstbarkeiten für die Trinkwasserversorgung A.-Alm sowie für die Errichtung und Benützung des Stichweges für die Abwasserbeseitigungsanlage A.-Alm zu gewähren, andernfalls die Vollversammlung die am 1. Juni 1990 gefassten Vollversammlungsbeschlüsse für aufgehoben erkläre.

Die Inanspruchnahme von Gemeinschaftsgrund für die Errichtung sowie den Betrieb und die Erhaltung einer Trinkwasseranlage der A.- Alm sowie die Dienstbarkeit für die Errichtung und Benützung eines Stichweges auf Agrargemeinschaftsgrund als Zufahrt zur geplanten Abwasserbeseitigungsanlage könne weder unmittelbar auf das TFLG 1996 noch auf den Regulierungsplan (der Agrargemeinschaft) gestützt werden. Rechtsgrundlage könne nur ein privatrechtliches Vertragsverhältnis sein; öffentlich-rechtlicher Natur sei die Gestattung der Benützung von Gemeinschaftsgrund für die vorbezeichneten Zwecke nicht. Die geforderten Benützungsentgelte könnten auch nur privatrechtlicher Natur sein. Es könne daher durch den vom Beschwerdeführer bekämpften Vollversammlungsbeschluss "eine sich auf die Mitgliedschaft gründende Streitigkeit nicht entstanden" sein.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich insbesondere gegen die Abweisung seines Einspruches vom 25. November 1996 betreffend die Aufhebung eines Beschlusses der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei vom 1. Juni 1990 in Angelegenheit der beabsichtigten Einräumung von Dienstbarkeiten durch die mitbeteiligten Partei wandte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. April 1997 wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es werde in der Berufung nur die Entscheidung, dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Vollversammlungsbeschluss vom 21. November 1996 keine Folge zu geben, angefochten, während die Abweisung des Einspruches gegen den Ausschussbeschluss vom 11. November 1996 nicht bekämpft werde.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde weiter - bezüglich der behaupteten Verletzung seines "Rechtholznutzungsrechtes" bei einer Brennholzzuteilung und die daraus sowie aus der Dienstbarkeitseinräumung bzw. Dienstbarkeitsaufhebung abgeleitete Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zum Schadenersatz, ebenso wie das Verlangen, die mitbeteiligte Partei zur Erstellung eines für beide Seiten annehmbaren Vertrages zu verpflichten, seien nicht Sache dieses Berufungsverfahrens, weshalb darauf auch nicht näher einzugehen sei.

Für die von der belangten Behörde zu beurteilende Streitigkeit, die zwischen der mitbeteiligten Partei und dem Beschwerdeführer entstanden sei, sei das Mitgliedschaftsverhältnis des Beschwerdeführers zur Agrargemeinschaft ohne Bedeutung. Die Streitigkeit sei für das Mitgliedschaftsverhältnis in keiner Weise typisch; sie könne ebenso zwischen der Agrargemeinschaft und einem Nichtmitglied entstanden sein, wenn Eigentümer der A.-Alm nicht der Beschwerdeführer, sondern ein Nichtmitglied wäre. Die Inanspruchnahme von Gemeinschaftsgrund durch Dienstbarkeiten für die A.-Alm könne unmittelbar weder auf das TFLG 1996 noch auf einen darauf beruhenden Bescheid gestützt werden. Rechtsgrundlage könne nur ein "privatrechtliches Vertragsverhältnis" sein. Die belangte Behörde vertrete daher die Ansicht, dass durch den bekämpften Vollversammlungsbeschluss keine sich auf die Mitgliedschaft (zur mitbeteiligten Partei) gründende Streitigkeit entstanden sei. Daraus folge, dass die Agrarbehörde zur Streitentscheidung nicht zuständig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinen Mitgliedschaftsrechten" sowie in seinem "Recht auf Entscheidung über seine Einsprüche durch die zuständige Behörde" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 37 Abs. 1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (kurz: TFLG 1996), LGBl. Nr. 74/1996, unterliegen die Agrargemeinschaften der Aufsicht durch die Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf

a) die Einhaltung dieses Gesetzes und der Regulierungspläne einschließlich der Wirtschaftspläne und Satzungen sowie

b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaften.

Nach § 37 Abs. 2 TFLG 1996 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung der Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 74/1996, hat die Agrarbehörde über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, unter Ausschluss des Rechtsweges zu entscheiden.

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, die Agrargemeinschaft verfüge über eine von der Agrarbehörde mit Bescheid vom 13. März 1970 erlassene Satzung. § 20 dieser Satzung lege fest, dass über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstünden, die Agrarbehörde unter Ausschluss des Rechtsweges entscheide. § 1 der Jurisdiktionsnorm (JN) bestimme zwar, dass die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt werde. Dies gelte allerdings nur soweit, als diese Rechtssachen nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen seien. Nach den Bestimmungen des TFLG erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf die verfahrensgegenständlichen Streitigkeiten. Es seien daher die Entscheidungen der Agrarbehörde erster Instanz und der belangten Behörde verfehlt. Die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die verfahrensgegenständlichen Streitigkeiten in keiner Weise für das Mitgliedschaftsverhältnis typisch seien. Genau das Gegenteil sei der Fall. Die Streitigkeiten würden in der Mitgliedschaft ihre Wurzel haben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zu § 37 Abs. 2 TFLG 1978, LGBl. Nr. 54/1978, ausgeführt hat, löst nicht jede Streitigkeit zwischen einem Mitglied und der Agrargemeinschaft ein subjektiv-öffentliches Recht auf Entscheidung durch die Agrarbehörde gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. aus, sondern nur jene, die "aus dem Mitgliedschaftsverhältnis" entsteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 1999, Zl. 96/07/0178, m.w.N.). Dies gilt auch für die gleichlautende Bestimmung des § 37 Abs. 2 TFLG 1996 in der vorgenannten Fassung.

§ 20 der zitierten Satzung der mitbeteiligten Partei setzt gleichfalls voraus, dass eine Streitigkeit "aus dem Mitgliedschaftsverhältnis" entstanden ist, um die Entscheidung durch die Agrarbehörde "unter Ausschluss des Rechtsweges" herbeiführen zu können.

Es ist für den Verwaltungsgerichtshof - trotz der gegenteiligen Behauptung des Beschwerdeführers - nicht einsichtig, weshalb die Frage der Setzung einer Nachfrist für den Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages mit der mitbeteiligten Partei zugunsten eines Grundstücks des Beschwerdeführers (A.-Alm) bzw. die allfällige Aufhebung einer - unter dem Vorbehalt des Abschlusses eines entsprechenden Dienstbarkeitsvertrages gemachten - Zusage zur Einräumung von Dienstbarkeiten zugunsten dieses Grundstückes das Mitgliedschaftsverhältnis des Beschwerdeführers zur mitbeteiligten Partei betreffen soll. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass bezüglich des Anliegens des Beschwerdeführers zu TOP 3 der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei keine Streitigkeit "aus dem Mitgliedschaftsverhältnis" vorliegt.

Auf die in der Beschwerde gleichfalls angeführten Holz- und Streunutzungsrechte war vom Verwaltungsgerichtshof nicht näher einzugehen, weil diese nicht - wie auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher ausführte - Gegenstand des angefochtenen Bescheides waren.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das über den Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand hinausgehende Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei betreffend "Ust." war abzuweisen, weil die Mehrwertsteuer bereits in dem genannten Pauschalbetrag enthalten ist.

Wien, am 22. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997070095.X00

Im RIS seit

18.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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