TE OGH 2011/5/30 2Ob133/10p

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Veröffentlicht am 30.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin R***** J*****, vertreten durch Mag. Karin Spiegl-Rafler, Rechtsanwältin in Graz, gegen den Antragsgegner S***** J*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, wegen §§ 382b, 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 21. Juni 2010, GZ 2 R 143/10d-17, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 26. März 2010, GZ 248 C 11/10b-9, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Verspätung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erließ am 18. 2. 2010 eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO. Dagegen erhob der Antragsgegner Widerspruch, welcher vom Erstgericht mit Beschluss vom 26. 3. 2010 abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht wies den dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs wegen Verspätung zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für unzulässig. Der Beschluss des Erstgerichts sei dem Vertreter des Antragsgegners am 12. 4. 2010 zugestellt worden. Die 14-tägige Rekursfrist des § 402 Abs 3 EO habe daher mit Ablauf des 26. 4. 2010 geendet. Der am 27. 4. 2010 überreichte Rekurs sei verspätet. Der ordentliche Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage nicht zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsgegner außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, dem Rekursgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner macht - unter Vorlage des Sendeberichts - geltend, dass sein Rechtsvertreter den Rekurs per Fax am 26. 4. 2010 um 23:40 Uhr übermittelt habe und der Sendevorgang um 23:44 Uhr beendet gewesen sei. Der Rekurs sei daher noch rechtzeitig eingebracht worden.

Da dem Akt das Einlangen dieser Fax-Sendung nicht zu entnehmen war und sich auch kein Vermerk des Erstrichters dahingehend fand, dass trotz der Bescheinigung der Absendung kein Empfang der Sendung erfolgt sei, somit ungewiss war, ob die Telefaxeingabe vor 24:00 Uhr des 26. 4. 2010 bei Gericht einlangte, trug der erkennende Senat dem Erstgericht am 24. 8. 2010 auf, zweckdienliche Erhebungen über das Schicksal der Telefaxeingabe zu pflegen.

Das Erstgericht wies nach Erörterung mit den Parteien den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 26. 3. 2010 neuerlich als verspätet zurück. In seinem - in der Folge vom Rekursgericht als nichtig behobenen - Beschluss hielt das Erstgericht fest, dass das Telefax „laut Aktenlage“ nicht bei Gericht eingelangt sei.

Nach neuerlicher Rückleitung des Akts an das Erstgericht zur Durchführung des Erhebungsauftrags ersuchte der Erstrichter die Einlaufstelle des Erstgerichts, das Journal der Faxgeräte mit der Auflistung aller Faxeingänge am 26. und 27. April 2010 auszudrucken und über das damalige Funktionieren der Faxgeräte zu berichten. Die zuständige Mitarbeiterin der Einlaufstelle teilte hierauf mit, dass die verlangte Auflistung nicht erstellt werden könne, weil zufolge Gerichtsumbaus die seinerzeitigen Faxgeräte - welche damals funktioniert hätten - ausgeschieden und neue Faxgeräte installiert worden seien. Der Akt wurde sodann vom Erstrichter - nach Anfertigung eines unleserlichen Aktenvermerks - neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt:

1. Ein Rechtsmittel hat in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, als es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen ist, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006965).

2. Analog § 89 Abs 3 GOG ist für Eingaben die Verwendung eines Telefax auch nach Dienstschluss fristwahrend, sofern die Telefaxeingabe vor 24:00 Uhr des letzten Tages bei Gericht einlangt, wobei es gleichgültig ist, ob das Telefax vor oder erst nach dem Ende der Amtsstunden empfangen wird, weil das Schriftstück automatisch mit einem dem Eingangsvermerk gemäß § 102 GeO entsprechenden Vermerk versehen wird. Einen Einschreiter, der ein Telefax vor oder erst nach Dienstschluss absendet, trifft aber immer das Risiko, dass es nicht bei Gericht einlangt; er hat bei Nichteinlangen stets das Risiko eines technischen Gebrechens, eines Eingabefehlers etc oder ua auch das Risiko, dass das Empfangsgerät gerade belegt ist, zu tragen (RIS-Justiz RS0119013).

3. Im vorliegenden Fall haben die durchgeführten Erhebungen kein technisches Gebrechen bzw keinen ähnlichen Hinderungsgrund für das (rechtzeitige) Einlangen des Rekurses des Antragsgegners bei Gericht ergeben. Das für die Klärung des Eingangszeitpunkts tauglichste Beweismittel - das Faxjournal - kann aus einem dem Antragsgegner nicht zurechenbaren Grund (Ausscheiden der Faxgeräte) nicht hergestellt werden. Es bleiben daher Zweifel an der Verspätung des Rechtsmittels. Diese gehen zu Lasten der Behörde und nicht des Rechtsmittelwerbers (2 Ob 174/09s). Der Rekurs des Antragsgegners hat daher die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich.

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners ist somit Folge zu geben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Verspätung aufzutragen.

              Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E97603

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00133.10P.0530.000

Im RIS seit

01.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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