TE OGH 2011/6/7 12Os59/11k (12Os60/11g)

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Veröffentlicht am 07.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann L***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden 1./ des Ludwig La***** sowie zahlreicher weiterer Personen gegen den Beschluss vom 7. April 2011 (ON 396) sowie 2./ des Karl A***** und zahlreicher weiterer Personen gegen den Beschluss vom 7. April 2011 (ON 397) jeweils gegen die Zurückweisung der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 31. März 2011, GZ 14 Hv 144/10t-391c, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 31. März 2011 wurde Johann L***** im Verfahren AZ 14 Hv 144/10t des Landesgerichts Leoben der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 zweiter Fall StGB (I./) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB (II./) sowie der Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt (ON 391b AS 81 ff).

Danach hat er in G***** und anderen Orten

I./ von 1996 bis Oktober 2008 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung des überwiegend schweren Betrugs eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, teils unter Einbeziehung der H***** GmbH als Vertriebspartnerin, die im Urteil bezeichneten Anleger, durch die im Weg schriftlicher Treuhandaufträge (bis 1. Jänner 2008 bezeichnet als „Übernahmebestätigung einer Kapitalanlage“) bewirkte Vorgabe, die ihm überlassenen Geldbeträge treu- und auftragsgemäß in Substanzgenussscheine der Av***** AG („Av***** Index-Zertifikate“) zu veranlagen und ihm überlassene Wertpapiere gewinnbringend zu verwalten, zu Handlungen, nämlich zur Überlassung von Bargeld und zur Einräumung der Verfügungsmacht über Wertpapiere verleitet, welche die Anleger um einen insgesamt 50.000 Euro um ein Vielfaches übersteigenden Betrag von zumindest 35 Mio Euro am Vermögen schädigten;

II./ Bestandteile seines Vermögens veräußert oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro um ein Vielfaches übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er

1./ am 10. November 2008 mittels Schenkungsvertrag das Eigentumsrecht an den Liegenschaften EZ 859 (1/1), EZ 860 (1/10) und EZ 861 (1/4) je GB ***** im Gesamtwert von zumindest 189.000 Euro seiner Tochter Celina L***** übertrug, obwohl er dazu weder vertraglich aufgrund der Vereinbarung gemäß § 55a Abs 2 EheG vom 22. Februar 2001 noch sonst verpflichtet war;

2./ von 1998 bis Ende 2008 Gelder im Gesamtbetrag von zumindest 12 Mio Euro, welche er durch die unter I./ beschriebenen Tathandlungen von den unter I./ angeführten Anlegern erlangt und seinem Vermögen zugeführt hatte, insbesondere auf nachstehend beschriebene Weise dem Zugriff seiner Gläubiger entzog, und zwar durch die wiederkehrende Zuwendung von Geldbeträgen an einen Fußballverein insbesondere im Weg des Sponsorings sowie durch den mittels Abtretungserklärung vom 17. Dezember 2008 erfolgten Verzicht auf vermögenswerte Ansprüche, insbesondere auf Erlöse aus Spielertransfers gegenüber diesem Fußballverein;

III./ von Anfang Oktober 2008 bis 9. November 2009 nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit, seine Gläubiger Valentin P*****, Fritz B***** und Wolfgang M***** sowie weitere Personen begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, indem er den Genannten Auszahlungen im Gesamtbetrag von zumindest 972.600 Euro leistete.

Hinsichtlich des von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zunächst in der Hauptverhandlung am 31. März 2011 ausgedehnten, sodann jedoch wieder zurückgezogenen Faktums II./4./ der Anklage (ON 391b S 11 f), der Angeklagte habe in der Zeit vom 26. Februar 2001 bis 5. Februar 2003 Gelder im Gesamtbetrag von zumindest 556.859 Euro durch Vermögensverschiebung an die damalige S***** AG, die heutige C***** in Frankfurt, dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen, erfolgte ein Freispruch gemäß § 259 Z 2 StPO.

Ein weiteres Faktum II./3./ der schriftlich erhobenen und in der Hauptverhandlung teils mündlich modifizierten, teils ausgedehnten Anklage (ON 257, ON 352 S 14, ON 359 S 21, ON 381a S 13 und 29 sowie ON 391b S 63 ff), Johann L***** habe zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang 2009 Bestandteile seines Vermögens veräußert oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er seine Rechte am Gastlokal „Pi*****“ in Graz im Gesamtwert von zumindest 160.000 Euro für die Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 120.000 Euro an Roland L***** übertrug, wurde mangels Spruchreife zur Vermeidung von Verzögerungen in der Haftsache noch vor Schluss des Beweisverfahrens gemäß § 36 Abs 4 iVm § 27 StPO ausgeschieden (ON 391b S 69).

Mit Beschlüssen vom 14. März 2011, (ON 325) und vom 29. März 2011, (ON 377 bis 379) waren bereits vor Schluss des Beweisverfahrens und Fällung des Urteils erster Instanz die Anschlusserklärungen des Ludwig La***** und zahlreicher weiterer Opfer (laut Anhang ON 396 S 13), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Moritz Po*****, sowie des Karl A***** und zahlreicher weiterer Opfer (laut Anhang ON 397 S 13 bis 23), vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Michael B***** und Dr. Erich H*****, mit der Begründung zurückgewiesen worden, ein Anschluss dieser Opfer als Privatbeteiligte sei nicht zulässig, weil sämtliche Tatzeitpunkte und damit auch die Entstehung der (Insolvenz-)Forderungen der Opfer vor Eröffnung des seit 12. Mai 2010 zu AZ 18 ***** des Landesgerichts Leoben gegen Johann L***** anhängigen Insolvenzverfahrens  liegen (vgl ON 396 Beschluss S 2 sowie ON 397 Beschluss S 2).

Mit den angefochtenen Beschlüssen wurde auch die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerden durch Ludwig La***** und zahlreiche weitere Opfer (laut Anhang ON 396 S 13), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Moritz Po*****, sowie durch Karl A***** und zahlreiche weitere Opfer (laut Anhang ON 397 S 13 bis 23), vertreten durch Rechtsanwälte Dr Michael B***** und Dr. Erich H*****, mit der Begründung zurückgewiesen, diese wären aufgrund der noch vor Fällung des Urteils erfolgten Zurückweisung ihrer Privatbeteiligtenanschlüsse im Zeitpunkt der Urteilsfällung bloß als Opfer im Sinne des § 66 StPO, nicht jedoch als Privatbeteiligte im Sinne des § 67 StPO anzusehen, weshalb sie zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 31. März 2011 nicht legitimiert seien.

Rechtliche Beurteilung

Diese Zurückweisung erfolgte mangels Legitimation der Beschwerdeführer zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde als Privatbeteiligte im Ergebnis zu Recht.

Nach der seit 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage ist ein von der Erhebung eines konkreten Anspruchs gegen den Angeklagten unabhängiger „Beteiligungsanspruch“ des Opfers nicht mehr vorgesehen. Das Opfer kann sich nur dann dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließen, wenn es vom Angeklagten den Ersatz eines konkreten durch die Straftat erlittenen Schadens begehrt (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366-379 Rz 8). Gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO ist eine Anschlusserklärung zurückzuweisen, wenn sie offensichtlich unberechtigt ist. Inbesondere dann, wenn schon nach ihrem Inhalt ein rechtliches Interesse des Opfers an der Privatbeteiligung nicht (mehr) gegeben ist, weil diese zu keinem Zuspruch im Strafverfahren führen kann (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366-379 Rz 54).

Die Erwirkung eines Leistungstitels über eine Insolvenzforderung kommt im Adhäsionsverfahren von vornherein ebenso wenig in Betracht wie ein Feststellungsurteil (12 Os 115/10v). Bei Ansprüchen des Insolvenzgläubigers gegen den in Insolvenz verfallenen Schädiger ist daher ein Anschluss als Privatbeteiligter nach neuer Rechtslage nicht mehr möglich. Ein solcherart erweiterter Beteiligungsanspruch iSd § 67 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn trotz des gegen den Schädiger anhängigen Insolvenzverfahrens eine inhaltliche Entscheidung über die vom Opfer geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche zulässig ist, also bei Forderungen, die von den Wirkungen des Insolvenzverfahrens überhaupt nicht betroffen sind (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366-379 Rz 8, 69, 72 f und 77).

Bei (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Gemeinschuldner entstandenen) Insolvenzforderungen scheidet die Geltendmachung im Adhäsionsverfahren stets aus, der Gläubiger ist zur Geltendmachung seiner Ansprüche auf das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren verwiesen (§ 6 Abs 1 IO und §§ 102-113 IO). Zwar steht den Insolvenzgläubigern nach Rechtskraft der Aufhebung des Insolvenzverfahrens idR nur in Ansehung von im Insolvenzverfahren nicht bestrittenen Forderungen ein Exekutionstitel zur Verfügung (§ 61 IO iVm § 1 Z 7 EO) bzw entfaltet auch nur die Feststellung im Insolvenzverfahren eine Bindungswirkung iSd § 60 Abs 2 IO. Da aber die Führung eines Prüfungsprozesses nach der Insolvenzordnung eine bestrittene Forderung voraussetzt (§ 110 Abs 1 IO), muss auch ein solcher zwingend vor dem Insolvenzgericht stattfinden (§ 111 Abs 1 IO; vgl 11 Os 27/07s). In Ansehung von Insolvenzforderungen wurden die Anmeldungen von Nichtigkeitsbeschwerden der Beschwerdeführer mangels zulässiger Privatbeteiligung somit zu Recht zurückgewiesen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer Karl A***** ua (ON 412 S 3) zuwider wäre im konkreten Fall auch eine Erklärung, sich wegen der Feststellung über die Haftung für Schäden aus rechtswidrigen Handlungen des Angeklagten aus der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen am 12. Mai 2010 dem Strafverfahren anzuschließen (vgl ON 362a), zurückzuweisen gewesen, weil im Adhäsionsverfahren - selbst wenn sie einen Gemeinschuldnerprozess (vgl Spenling, aaO Vor §§ 366-379 Rz 72 und 77) beträfen - nur solche Ansprüche geltend gemacht werden könnten, die aus der (angeklagten) Straftat abgeleitet werden können. Von der Anklage und vom Urteil umfasst waren jedoch nur Taten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten lagen. Ein Anschluss wegen vom Angeklagten allenfalls nach dem 11. Mai 2010 während anhängigen Insolvenzverfahrens gesetzter Straftaten wäre somit im vorliegenden Fall ebenfalls unzulässig gewesen.

Im Übrigen wären die Nichtigkeitsbeschwerden auch aus anderen Gründen gemäß § 285a Z 1 StPO zurückzuweisen gewesen:

Soweit sich die - nicht auf bestimmte Aussprüche des Urteils beschränkten - Anmeldungen der Nichtigkeitsbeschwerden (ON 391b AS 87 f) auf vom Schuldspruch umfasste Teile bezogen, mangelte es den Beschwerdeführern bereits aufgrund der in § 282 Abs 2 erster Satz StPO beschränkten Möglichkeiten des Privatbeteiligten zur Bekämpfung bloß eines freisprechenden Urteils an der Legitimation zur Ergreifung einer Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit die Anmeldungen das vom Freispruch umfasste Anklagefaktum II./4./ betrafen, ist darauf zu verweisen, dass der öffentliche Ankläger dieses Faktum zwar zunächst in der Hauptverhandlung vom 31. März 2011 mündlich ausdehnte, die Ausdehnung jedoch wieder zurückzog (ON 391b S 11 f; vgl auch ON 391b S 63 ff). Die Beschwerdeführer haben nach Rücktritt der Staatsanwaltschaft vom Faktum II./4./ in der Hauptverhandlung vom 31. März 2011 als vermeintliche Privatbeteiligte keine Erklärungen abgegeben, die Anklage im Hinblick auf das von ihnen reklamierte Recht auf Privatbeteiligung aufrecht erhalten zu wollen. Wegen Rücktritts des gesetzlich berechtigten Anklägers fällte das Erstgericht (insoweit zwingend) einen Freispruch gemäß § 259 Z 2 StPO (vgl ON 391b S 87).

Die Beschwerdeführer hätten aber selbst im Falle unberechtigter (nicht rechtskräftiger) Zurückweisung ihrer Anschlusserklärungen noch in der Hauptverhandlung die für eine Aufrechterhaltung der Anklage als Subsidiarankläger erforderlichen Erklärungen iSd § 72 Abs 1 StPO abgeben müssen, um sich die Rechtsmittelmöglichkeiten (hier:) eines Subsidiaranklägers (§ 72 Abs 4 StPO) gegen einen Freispruch zu wahren. § 282 Abs 2 StPO ist in Verbindung mit § 72 Abs 2 zweiter Satz und Abs 4 StPO nämlich - weil die Bekämpfung eines vom Gesetz zwingend vorgegebenen Freispruchs nicht denkbar ist - dahin (einschränkend) auszulegen, dass Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen gemäß § 259 Z 2 StPO gefällten Freispruch nicht auch von einem Privatbeteiligten erhoben werden kann, der die Anklage nicht im Sinne des § 72 Abs 1 StPO als Subsidiarankläger aufrecht erhalten hat, nachdem die Staatsanwaltschaft von der Anklage zurückgetreten ist.

Bei dieser Sachlage wäre den Beschwerdeführern aber selbst bei vom Rechtsmittelgericht nachträglich zugestandener Privatbeteiligtenstellung die Bekämpfung eines Freispruchs nach § 259 Z 2 StPO mittels Nichtigkeitsbeschwerde verwehrt gewesen.

Den Beschwerden war daher nicht Folge zu geben.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97686

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00059.11K.0607.000

Im RIS seit

28.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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