TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 2000/15/0227

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
24/01 Strafgesetzbuch;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1392;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG 1988 §78;
StGB §159;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des O in T, vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Favoritenstraße 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. November 2000, RV/173-10/00, betreffend Haftung nach § 9 BAO für Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war handelsrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16. November 1995 der Konkurs eröffnet worden ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für von der S-GmbH abzuführende Lohnsteuer für August und September 1995 (552.311 S und 316.386 S) herangezogen. In der Bescheidbegründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer sei die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten oblegen. Er habe eingewendet, dass er bereits am 17. Jänner 1994 für die S-GmbH eine Generalzessionsvereinbarung mit der Hausbank (Wirkung ab Anfang 1995) abgeschlossen habe. Er habe daher im Jahr 1995 faktisch keine finanzielle Dispositionsmöglichkeit mehr gehabt. Nach Ansicht der belangten Behörde sei aber im Abschluss eines derartigen Zessionsvertrages bereits eine schuldhafte Pflichtverletzung gelegen. Der Beschwerdeführer habe damit rechnen müssen, durch den Abschluss des Zessionsvertrages der S-GmbH die Mittel zur Tilgung von Abgaben zu entziehen. Der Beschwerdeführer habe zudem in seinem Stundungsansuchen vom 20. September 1995 die Abgabenbehörde falsch informiert, indem er versichert habe, dass die Einbringlichkeit der Abgaben nicht gefährdet sei. Er habe somit versucht, eine Zahlungserleichterung zu erwirken, indem er die unzutreffende Behauptung aufgestellt habe, die Einbringlichkeit sei nicht gefährdet. Auch darin sei eine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers gelegen. Dem Vorbringen, es hätte der S-GmbH an liquiden Mitteln gefehlt, werde von der belangten Behörde entgegengehalten, dass der Beschwerdeführer von ihm als "dringend" angesehene Überweisungen (Materialeinkäufe, Miete, Betriebsversicherung) getätigt, die Abgabenentrichtung aber unterlassen habe. Gehälter seien letztmalig am 30. September 2000 (gemeint wohl: 1995) ausbezahlt worden. Aus § 78 Abs. 3 EStG 1988 hätte sich die Verpflichtung ergeben, einen entsprechend niedrigeren Betrag an Löhnen auszuzahlen und die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen Arbeitlohnes und der einzubehaltenden Lohnsteuer nicht ausgereicht hätten. Dem Beschwerdeführer sei somit schon deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil er die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG nicht beachtet habe. Nach Überprüfung aller Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe führe die Ermessensübung nicht zu einer Abstandnahme von der Geltendmachung der Haftung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die S-GmbH sei Ende 1994 in akute Liquiditätsprobleme gekommen. Er habe als Geschäftsführer eine Fortführungsprognose für das Unternehmen eingeholt; diese habe die Möglichkeit der Konsolidierung bescheinigt. Die Bank habe weitere Gelder zugeschossen, allerdings nur unter der Bedingung des Abschlusses eines Generalzessionsvertrages. Ab Jänner 1995 sei der Beschwerdeführer in der Abwicklung finanzieller Transaktionen sehr eingeschränkt gewesen, weil Auszahlungen nur nach Prüfung und Zustimmung durch die Bank erfolgt seien. In der Folge sei aufgrund eines in den USA eingetretenen Schadensfalles das Sanierungskonzept des S-GmbH gescheitert. Es sei dann über das Vermögen der S-GmbH der Konkurs eröffnet worden.

Dem Beschwerdeführer könne keine schuldhafter Verletzung der ihm obliegenden Pflichten vorgeworfen werden. Der Steuerberater der S-GmbH habe mit Schreiben vom 20. September 1995 beim Finanzamt beantragt, die Lohnsteuer für August 1995 einen Monat zu stunden. Die Abgabenbehörde sei somit ab diesem Zeitpunkt über die finanzielle Situation der S-GmbH informiert gewesen. Zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschulden habe es umfangreiche Sanierungsbemühungen gegeben. Ein Sachverständiger sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sanierung des Unternehmens der S-GmbH bis spätestens 30. Oktober 1995 möglich sei. Die Sanierung sei nur durch den erwähnten Schadensfall in den USA zunichte gemacht worden. Konsequenterweise sei der Beschwerdeführer im Strafverfahren wegen fahrlässiger Krida freigesprochen worden, weil ihn kein Verschulden an der Insolvenz der S-GmbH getroffen habe.

Der Generalzessionsvertrag mit der Bank sei am 17. Jänner 1994 abgeschlossen worden. Ab Jänner 1995 hätten sämtliche Überweisungen von der Bank genehmigt werden müssen. Es sei damit weder rechtlich noch tatsächlich in der Ingerenz des Beschwerdeführers gelegen gewesen, die Durchführung der Überweisungen zu veranlassen. Er habe sich auf die Mitwirkung der Hausbank verlassen müssen. Er habe seiner Verpflichtung dadurch entsprochen, dass er der Bank pünktlich die Überweisungszeitpunkte (für die Abgaben) bekannt gegeben habe.

Nach dem 22. August 1995 habe die S-GmbH nur mehr die dringendsten Überweisungen (insb Materialeinkäufe) veranlassen können. Mangels entsprechender Mittel hätten Steuern nicht mehr bezahlt werden können. Es sei nicht zu einer Hinterziehung von Abgaben gekommen. Einziges Ziel des Handelns des Beschwerdeführers sei es gewesen, die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten und aus dem Liquiditätsengpass herauszugelangen.

Die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass die Fälligkeit für der Lohnsteuer für September 1995 erst am 16. Oktober 1995 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt habe es überhaupt keine liquiden Mittel mehr gegeben, sodass die Nichtabfuhr der Lohnsteuer dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden könne.

Die belangte Behörde habe es im angefochtenen Bescheid unterlassen nachzuweisen, dass ein konkretes Verschulden des Beschwerdeführers gegeben sei. Im Bescheid finde sich nämlich keine Darstellung, dass der Beschwerdeführer über entsprechende liquide Mittel tatsächlich hätte disponieren können. Alle zur Verfügung stehenden Mittel seien für die anteilsmäßige Befriedigung der für die Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Forderungen verwendet worden. Da zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben keine Mittel mehr vorhanden gewesen seien, sei die Inanspruchnahme der Haftung gesetzwidrig.

Die belangte Behörde hätte bei der Bewertung des Verschuldens des Beschwerdeführers berücksichtigen müssen, dass die finanzielle Dispositionsmöglichkeit bei ihm nicht mehr gegeben gewesen sei, weil er die Geschäftsführung nur nach den von der Bank erteilten Weisungen und unter Wahrung der Interessen der Bank hätte ausführen können. Die kaufmännische Leitung sei von der Hausbank übernommen worden, weil diese entscheiden habe können, ob Überweisungen getätigt würden. Da die Bezahlung der Abgaben sohin letztlich der Bank oblegen sei, könne dem Beschwerdeführer keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

Dass der Beschwerdeführer durch den Abschluss des Generalzessionsvertrages mit der Hausbank keine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten begangen habe, habe bereits der Sachverständige im Strafverfahren festgestellt. Zessionskredite seien eine allgemein übliche Form der Finanzierung. Die Behauptung, dass sich der Beschwerdeführer durch diesen Vertrag seines Handlungsspielraumes hinsichtlich der Abstattung von Abgaben begeben habe, entbehre daher jeglicher wirtschaftlichen Grundlage.

Weil die belangte Behörde selbst annehme, dass der Beschwerdeführer an den Fälligkeitszeitpunkten der Abgabe über keine Geldeingänge verfügt habe, ergebe sich die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Dem Beschwerdeführer könne daher nicht der Vorwurf einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemacht werden. Die Fälligkeit der Abgaben sei erst nach Eintritt der Liquiditätsknappheit eingetreten.

Eine Verletzung des § 78 Abs. 3 EStG sei nach Ansicht des Beschwerdeführer aus folgendem Grund nicht gegeben: Damit eine GmbH Arbeitnehmer beschäftigen könne, müsse sie in erster Linie die notwendigen Betriebsmittel bereitstellen. Daher sei es für den Geschäftsführer zunächst zwingend, Zahlungen wie Strom, etc zu leisten, um überhaupt das Unternehmen fortführen und Arbeitnehmer beschäftigen zu können. Hätte der Beschwerdeführer dies nicht gemacht, wäre die S-GmbH bereits zu einem früheren Zeitpunkt insolvent geworden.

Schließlich hätte die belangte Behörde das Fehlen des Verschuldens des Beschwerdeführers auch bei der Ermessensübung berücksichtigen müssen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, zu denen auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen, alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, SlgNF 7038/F). Der Geschäftsführer hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat; anderenfalls darf von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden.

Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates SlgNF 7038/F ausdrücklich aufrecht erhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne der §§ 80ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, 95/15/0046).

Es mag durchaus zutreffen, dass der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen alles getan hat, um die Fortführung des Betriebes der S-GmbH zu ermöglichen, und dass er konkrete Sanierungspläne gehabt hat. Solange die entsprechenden Pläne aber nicht verwirklicht und die Bemühungen noch nicht tatsächlich erfolgreich abgeschlossen (sondern nur erfolgversprechend) waren, hätten zur Vermeidung eines zur Heranziehung zur Haftung relevanten Verschuldens die Löhne gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 nur in einem entsprechend geringeren Ausmaß ausgezahlt werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/14/0040). Daran vermag das Beschwerdevorbringen, ohne Bezahlung des laufenden Betriebsaufwandes hätten die Arbeitnehmer gar nicht beschäftigt und ihnen keine Löhne ausbezahlt werden können, nichts zu ändern. Von den tatsächlich ausbezahlten Löhnen hätte die Lohnsteuer einbehalten werden müssen.

Die Beschwerde vermag auch nicht aufzuzeigen, dass die Behörde, indem sie den Beschwerdeführer im Hinblick auf den Verstoß gegen § 78 Abs. 3 EStG 1988 zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen hat, ihr Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt hätte.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass das Beschwerdevorbringen keine Zweifel ob der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides weckt. Ergänzend sei aber darauf verwiesen, dass die belangte Behörde zutreffend auch im Abschluss eines allgemeinen Mantelzessionsvertrages eine schuldhafte Pflichtverletzung erblickt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, 99/14/0041, zu Recht erkannt hat, stellt der Abschluss eines Mantelzessionsvertrages dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer damit rechnen muss, durch die Zession die liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden als der Bankschulden, insb der Abgabenschulden, zu entziehen. Der Abschluss eines Zessionsvertrages ist dem Vertreter der Gesellschaft als Pflichtverletzung somit bereits vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insb durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese als bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt wird. Im gegenständlichen Fall ist der Abschluss des nicht auf Abgaben Bedacht nehmenden Mantelzessionsvertrages umso mehr als Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vorzuwerfen, als der Vertrag bereits nach Beginn der wirtschaftlichen Krise geschlossen und dennoch nicht für die Entrichtung künftiger Abgaben Sorge getragen worden ist. Daran ändert nichts, dass dem Beschwerdeführer das Delikt der fahrlässigen Krida nicht anzulasten ist und dass der im Strafverfahren bestellte Sachverständige den Abschluss des Zessionsvertrages aus strafrechtlicher Sicht als unbedenklich angesehen hat.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000150227.X00

Im RIS seit

05.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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