TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 98/15/0123

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §299 Abs2;
EStG 1988 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien I, Spiegelgasse 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 29. Juni 1998, Zl. AO 720/23-9/98, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1996 nach § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Finanzbeamter, machte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1996 Aufwendungen für "Kuraufenthalt, Arztkosten" in Höhe von insgesamt 86.631 S als außergewöhnliche Belastung geltend. In einem Beiblatt zur Erklärung war dazu u.a. angegeben, der Beschwerdeführer beantrage für die "ärztlich verordneten" Kuraufenthalte in Sotavento, als auch für die ärztlichen Behandlungen für das Kalenderjahr 1996 folgende außergewöhnliche Belastung: Kuraufenthalt in Sotavento 25.5. - 11.6., 13.7. - 21.7., 14.8. - 25. 8. und Bad Schallerbach 22.4. - 24.4., 15.5. - 19.5., sowie ärztlich verordneten Meeraufenthalt für Sohn vom 14.8. - 25.8.1996 ("s.Beilagen"). Sodann wurden die Fahrtkosten aufgegliedert für Bad Schallerbach mit insgesamt 2.392 S und für Sotavento mit 15.270 S. Als "Diäten Ausland" waren "Tages- und Nachtgelder" im Gesamtbetrag von 43.761 S, als "Diäten Österreich" solche in Höhe von 3.720 S ausgewiesen. Davon getrennt umfasste eine Position "Arzt- und Behandlungskosten" einen Betrag von insgesamt 21.488 S (es handelte sich dabei um inländische Behandlungsbeiträge zur Versicherung, Zahnarztkosten und Kosten eines Physiotherapeuthen).

Unter den erwähnten Beilagen zur Erklärung fanden sich zwei Ablichtungen von an eine Versicherungsanstalt gerichteten Ansuchen um Bewilligung eines Kuraufenthaltes für den Beschwerdeführer und seinen Sohn vom 20. Mai und 7. August 1996. In diesen Formularansuchen, die keinen Eingangs- oder Erledigungsvermerk der Versicherungsanstalt trugen, wird im Vordruckteil betreffend "Befund und Antrag des behandelnden Arztes" vom unterfertigenden Arzt jeweils ein Kuraufenthalt in Fuerteventura vorgeschlagen. Einer weiteren Ablichtung sind - soweit leserlich - zwei handschriftliche "Anweisungen" vom 4. Juli und 7. August 1996 betreffend einen Kuraufenthalt in Fuerteventura wegen allerg. Bronchitis (Heuschnupfen) zu entnehmen.

Das Finanzamt berücksichtigte bei der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1996 die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen antragsgemäß (Bescheid vom 10. Juli 1997).

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes vom 10. Juli 1997 nach § 299 Abs 2 BAO auf. Anlässlich der Überprüfung des gegenständlichen Bescheides durch die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde sei festgestellt worden, dass Aufwendungen für "ärztlich verordnete Kuraufenthalte" für den Beschwerdeführer in Sotavento (Fuerteventura) und in Bad Schallerbach sowie ein "ärztlich verordneter Meeraufenthalt", ebenfalls auf Fuerteventura, für dessen Sohn als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden seien , obwohl für diese Zeiten weder Behandlungs- oder Anwendungskosten, noch die Unterstellung unter ärztliche Kontrolle nachgewiesen worden seien. Kurkosten könnten nur dann zu einer außergewöhnliche Belastung führen, wenn der Kuraufenthalt im Zusammenhang mit einer Krankheit anfalle und aus medizinischen Gründen erforderlich sei. Der Steuerpflichtige müsse sich am Kurort Kurmaßnahmen unterziehen, die unter ärztlicher Kontrolle stünden. Treffe dies nicht zu und sei der Steuerpflichtige hinsichtlich seiner Zeiteinteilung keinerlei Beschränkungen durch Heilbehandlungen, Trinkkuren, Bäder usw. unterworfen, sodass sich der Aufenthalt durch nichts von dem anderer Erholungsreisender unterscheide, so könne auch der Umstand, dass die Reise auf ärztliche Empfehlung durchgeführt worden sei und die Folge habe, dass bei einer Krankheit eine vorübergehende Besserung eintrete, nicht dazu führen, dass aus einer Erholungsreise eine echte zwangsläufige Kur werde (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 10. März 1972, VI R 256/69, BStBl II 1972, 534). Auch wenn sich der Beschwerdeführer zum Meeraufenthalt aus gesundheitlichen Gründen entschlossen habe, sei dies kein Grund, die angefallenen Kosten anders zu beurteilen als die Kosten für einen Erholungsurlaub, der letztlich auch der Erhaltung der Gesundheit diene. Dasselbe gelte für die "Kur"- Aufenthalte in Bad Schallerbach, wobei von einer sinnvollen, medizinisch erforderlichen Kur bei einer Dauer von lediglich drei bzw. fünf Tagen, ohne Nachweis irgendwelcher Anwendungen oder Behandlungen, nicht gesprochen werden könne. Das Finanzamt sei daher bei der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1996 offensichtlich von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen, weshalb der Bescheid nach § 299 Abs 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen sei. Zur Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen gewesen, dass im Rahmen des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtssicherheit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukomme.

In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf "Anerkennung und Aufrechterhaltung der Rechtsbeständigkeit des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides 1996 verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 299 Abs. 1 BAO kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,

a) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder

b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder

c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde ferner wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Beschwerdeführer irrt schon darin, wenn er seinen (umfangreichen) Beschwerdeausführungen vorausschickt, bei einer Bescheidaufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach § 299 Abs. 2 BAO müsse jedenfalls eine entsprechende Sachverhaltsfeststellung vorausgehen. Dies ist nur erforderlich, wenn die Feststellung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit eines Bescheides nur auf Grund eines Sachverhaltes festgestellt werden kann, der noch nicht erhoben wurde. Geht aber ein Finanzamt bei Erlassung eines Bescheides offensichtlich von einer unrichtigen Rechtsansicht aus (so auch die ausdrückliche Begründung im angefochtenen Bescheid) und unterbleibt deswegen die vollständige Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, so ist die Oberbehörde berechtigt, den Bescheid gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne den maßgebenden Sachverhalt selbst zu ermitteln (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, 88/14/0012).

Zunächst ist festzuhalten, dass die im angefochtenen Bescheid enthaltene rechtliche Beurteilung, wann Kurkosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können, im Wesentlichen auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht. Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte (Kur)reise führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Der Begriff "Kur" erfordert ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch). Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die der Behandlung einer Krankheit (unmittelbar) dienende Reise zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheint (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1977, 2755/76, 2103/77, 2104/77). An den Nachweis dieser Voraussetzungen müssen wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1973, 1792/72) strenge Anforderungen gestellt werden. Wesentlich ist, dass die Reise nach ihrem Gesamtcharakter eine Kurreise, auch mit einer nachweislich kurgemäß geregelten Tages- und Freizeitgestaltung, und nicht nur ein Erholungsaufenthalt ist, welcher der Gesundheit letztlich auch förderlich ist (vgl. z.B. das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage ergangene Urteil des BFH vom 12. Juni 1991, III R 102/89, BStBl II 1991, 763).

Angesichts dieser Voraussetzungen zur steuerlichen Anerkennung von Ausgaben für eine so genannte Kurreise als außergewöhnliche Belastung, für die der Antragsteller auch nachweispflichtig ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1998, 93/13/0192), kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn diese im angefochtenen Bescheid im Ergebnis davon ausging, das Finanzamt habe in Verkennung der Rechtslage allein auf Grund der Antragsangaben des Beschwerdeführers (die beispielsweise keinerlei Kur- oder Therapiekosten am ausländischen Aufenthaltsort Sotavento - auf den Kanarischen Inseln - auswiesen bzw. auch nur allgemein gehaltene ärztliche Empfehlungen beinhalteten) die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen anerkannt. An dieser Verkennung der Rechtslage änderte es auch nichts, wenn, wie in der Beschwerde behauptet wird, dem Finanzamt auch zwei "Medizinische Gutachten" vom 14. und 20. März 1996 bereits vor der Veranlagung vorgelegen sein sollten. In diesen Gutachten wird im Wesentlichen nämlich auch nur die günstige Auswirkung der Aufenthalte auf den Kanarischen Inseln auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers und seines Sohnes beschrieben, ohne etwa die unbedingte Notwendigkeit dieser Aufenthalte und vor allem den Kurcharakter der Reisen selbst (in Abgrenzung zu einer bloßen Erholungsreise) aufzuzeigen. Die Sachverhaltsschilderungen in der Beschwerde und in der Stellungnahme zur Gegenschrift, wonach etwa (kur)ärztliche Behandlungen und die Unterbringung in einem Kurhotel während der außerdem in der normalen Urlaubszeit des Beschwerdeführers konsumierten Aufenthalte auf Fuerteventura nicht erforderlich gewesen seien, vielmehr ein Privatquartier angemietet und für die Verpflegung selbst gesorgt worden sei, legen im Übrigen das Gesamtbild eines steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Erholungsaufenthaltes nahe.

Da der angefochtene Bescheid (in dem die Ermessensübung von der belangten Behörde mit dem Hinweis auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit im Hinblick auf die nicht bloß geringfügigen Folgen auch ausreichend begründet wurde) sich somit als insgesamt rechtmäßig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998150123.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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