TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/23 97/06/0088

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Veröffentlicht am 23.02.2001
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauG Vlbg 1972 §6;
BauRallg;
B-VG Art140;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs8;
RPG Vlbg 1996 §59 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde

1. des KB, 2. des Ing. HD, 3. der MD, 4. der CE, und 5. der BE, alle in R, alle vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in B, D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 24. Februar 1997, Zl. II-2241/93, betreffend Einwendungen in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. AS, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, und 2. Marktgemeinde R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.000,-- und dem Erstmitbeteiligten zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 16. Februar 1987 wurde dem Erstmitbeteiligten und seiner Gattin die baurechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses erteilt, wobei Gegenstand der Bewilligung auch ein Vogelhaus war, welches unter Vorschreibung verschiedener Auflagen, so insbesondere hinsichtlich der Anzahl der zu haltenden Vögel, der Vogelgattung und der Haltung während der Nachtstunden, bewilligt wurde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 26. November 1992 wurde der Antrag des Erstmitbeteiligten auf Erteilung der nachträglichen Baubewilligung bezüglich der wesentlichen Änderung der Verwendung eines Kellerraumes als Vogelzuchtraum im Wohnhaus auf GSt. Nr. 78, GP 117 R, wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan gemäß § 31 Abs. 5 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972, abgewiesen (Antragsteller in diesem Verfahren war nur der Erstmitbeteiligte). Der Kellerraum, der verfahrensgegenständlich ist, weist ein westseitiges Fenster auf, welches ca drei Meter von der Grundstücksgrenze zu einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück entfernt ist; dieses Nachbargrundstück steht im Eigentum des Erstbeschwerdeführers. Im Anschluss an das Grundstück des Erstbeschwerdeführers (südwestlich davon) befindet sich das Grundstück des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin, welche die Rechtsnachfolger des Erstbeschwerdeführers im Eigentum an diesem Grundstück sind; dieses Grundstück besitzt an der südwestlichen Grenze des Baugrundstückes eine gemeinsame Grenze mit diesem in der Länge von ca. 1,5 m. Die Grundstücke der Viert- und der Fünftbeschwerdeführerin befinden sich nordwestlich bzw. nordöstlich des Baugrundstückes und sind nur durch einen Weg von diesem getrennt.

Aufgrund der Berufung des Erstmitbeteiligten wurde der erstinstanzliche Bescheid mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde aufgehoben.

Gegen diesen Berufungsbescheid erhoben die Erstbeschwerdeführer und Frau I., die Rechtsvorgängerin der Viert- und der Fünftbeschwerdeführerin, Vorstellung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Oktober 1993 wurde dieser Vorstellung keine Folge gegeben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. September 1994 wurde nach Durchführung eines neuerlichen Ermittlungsverfahrens dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung für die Verwendungsänderung unter Auflagen erteilt. Die Auflagen betrafen unter der Überschrift "Bautechnische Auflagen" den Einbau eines Schalldämpfers mit einem Einfügungsdämmmaß von mindestens 21 dB für den Fall der Bebauung des westlich gelegenen Grundstückes (des Erstbeschwerdeführers) und den Einbau eines Luftfilters in die Ausblasöffnung des Ventilators, unter der Überschrift "Auflagen bezüglich der Vogelzucht" eine Beschränkung der Anzahl der Vögel ("insgesamt maximal 100 Sittiche zulässig. In dieser Zahl von 100 sind auch die maximal 20 zulässigen Zuchtpaare enthalten"), die Entmistung des Vogelzuchtraums im Keller sowie der Voliere im Freien und das Gebot zur Entsorgung des Mists und verbrauchten Reinigungsmaterials über die öffentliche Abfallentsorgung und die Lagerung des Mists.

Gegen diese Bewilligung erhoben der Erstbeschwerdeführer und Frau I. Berufung. Diese Berufung wurde von der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 1. Dezember 1994 abgewiesen.

Aufgrund der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers und von Frau I. wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. August 1996 der Bescheid der Berufungskommission vom 1. Dezember 1994 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurückverwiesen. Begründend wurde in diesem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass - entsprechend der Betriebstypenjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes - davon auszugehen sei, dass die Verwendung des Kellerraumes als Vogelzuchtraum keine typische Verwendung eines Wohngebäudes im Sinne des § 14 Abs. 3 erster Satz Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 15/1973 idF LGBl. Nr. 61/1988, sei. Die Vorstellungswerber seien dadurch in ihrem gemäß § 30 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 6 Abs. 10 BauG gewährleisteten Recht auf Berücksichtigung des Flächenwidmungsplanes bei der Beurteilung der Vorschreibung von größeren Abstandsflächen verletzt worden. Außerdem habe die Gemeindebehörde verkannt, dass eine Bindungswirkung des Vorstellungsbescheides der belangten Behörde vom 27. Oktober 1993 bezüglich der Widmungskonformität des Bauvorhabens nicht bestünde.

Mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Dezember 1996 wurde der Berufung der oben genannten Berufungswerber erneut keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. September 1994 im Wesentlichen bestätigt; der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wurde durch die Auflage, den Boden des Schachtfensters in halbjährlichen Abständen staubfrei zu machen, sowie hinsichtlich der Formulierung betreffend die Verweisung bestimmter Einwendungen auf den Zivilrechtsweg und die Abweisung von Beweisanträgen geändert bzw. ergänzt. Begründend wird in diesem Bescheid ausgeführt, dass sich die Rechtslage seit Erlassung des Vorstellungsbescheides vom 13. August 1996 durch die Raumplanungsgesetznovelle 1996, LGBl. Nr. 34/1996, welche am 1. August 1996 in Kraft getreten sei, entscheidend geändert habe. Aufgrund des neu gefassten § 14 Abs. 3 Raumplanungsgesetz 1996 sei insbesondere auf die Vereinbarkeit des verfahrensgegenständlichen Projektes mit dem Wohngebietcharakter zu achten. Es dürften keine Auswirkungen auftreten, die das Wohnen in einem Wohngebiet stören, "den Auswirkungen des Wohnens somit widersprechen". Unter näherer Darstellung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens insbesondere eines Gutachtens des Amtstierarztes wird begründet, weshalb im Lichte der Neufassung des § 14 Abs. 3 Raumplanungsgesetz das Projekt als zulässig erscheine.

Gegen diesen Bescheid erhoben der Erstbeschwerdeführer sowie der ruhende Nachlass nach Frau I. Vorstellung. Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin, die bereits 1994 Rechtsnachfolger des Erstbeschwerdeführers im Eigentum eines der Nachbargrundstücke geworden waren, waren zunächst dem Verfahren nicht beigezogen, erhielten jedoch den Bescheid vom 3. Dezember 1996 am 21. Jänner 1997 zugestellt. Auch sie erhoben Vorstellung gegen diesen Bescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung aller Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Zur Vorstellungslegitimation des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass aufgrund des Rechtsüberganges bezüglich des Nachbargrundstückes GSt. Nr. 77, GP 117 R, vom Erstbeschwerdeführer auf den Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin diese seit 30. Dezember 1994 Rechtsnachfolger des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich dieses Grundstückes seien und ihnen somit die gleiche prozessuale Rechtsstellung zukomme, wie ihrem Rechtsvorgänger. Im Hinblick auf die vom Erstbeschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den erstinstanzlichen Bescheid seien der Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin nicht als präkludiert anzusehen. In der Sache führt die belangte Behörde begründend aus, dass die Gemeindebehörde bei Erlassung des Ersatzbescheides an den rechtskräftigen Vorstellungsbescheid vom 13. August 1996 insoweit nicht gebunden sei, als sich die Rechts- oder Sachlage geändert habe. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gemeindebehörde im Dezember 1996 sei die Raumplanungsgesetznovelle 1996, LGBl. Nr. 34/1996, welche am 1. August 1996 in Kraft getreten sei, wirksam gewesen. § 59 Abs. 4 Raumplanungsgesetz 1996, LGBl. Nr. 39/1996 (es handelt sich hiebei um die Wiederverlautbarung des Raumplanungsgesetzes; vgl. § 51a RPG idF LGBl. Nr. 34/1996) bestimme, dass die §§ 14 Abs. 1 bis 4, 7 und 8, 15, 16, 18 und 20 in der ab dem 1. August 1996 geltenden Fassung auch für jene Fälle gelten, die vor diesem Zeitpunkt als Bauflächen, Freiflächen und Vorbehaltsflächen gewidmet worden seien. Demnach sei hinsichtlich des Inhaltes der im geltenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Marktgemeinde gewidmeten Flächen von den Begriffsbestimmungen der Widmungskategorien gemäß dem Raumplanungsgesetz 1996 auszugehen (es wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1995, G 2297/94, zur entsprechenden Überleitungsregelung in § 109 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 verwiesen).

Gemäß § 14 Abs. 3 Raumplanungsgesetz 1996 seien Wohngebiete jene Gebiete, die für Wohngebäude bestimmt seien. Andere Gebäude und Anlagen dürften in Wohngebieten errichtet werden, wenn dadurch das Wohnen und auch sonst der Charakter als Wohngebiet nicht gestört werde. Zusätzlich bestimme § 14 Abs. 8 Raumplanungsgesetz 1996, dass die Beurteilung, ob ein Gebäude oder eine Anlage mit einer Widmung nach Abs. 2 bis 7 vereinbar sei, nicht nur nach der Art des Gebäudes oder der Anlage, sondern auch nach den Maßnahmen zur Verhinderung störender Auswirkungen, deren Durchführung technisch möglich und rechtlich festgelegt werde, vorzunehmen sei. Folglich sei die Frage der Widmungskonformität eines bestimmten Projektes nicht mehr ausschließlich nach der Betriebstype zu beurteilen. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass den Nachbarn weder hinsichtlich der Einhaltung des Flächenwidmungsplanes noch hinsichtlich eines allgemeinen Schutzes vor Emissionen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zukomme, wohl aber - fallbezogen - gemäß § 30 Abs. 1 lit. b Baugesetz hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften des § 6 BauG über die Abstandsflächen. Soweit in den Vorschriften über die Abstandsflächen auch an jene über die Flächenwidmung bzw. an die in diesem Zusammenhang jeweils zulässigen Emissionen angeknüpft werde, seien diese auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Nachbarrechten im Sinne des § 6 BauG von Bedeutung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwSlg. 11.419/A/1984, Verwaltungsgerichtshof 23. Jänner 1990, Zl. 85/06/0001, 17. März 1994, Zl. 93/06/0096, und vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0167) sei bei Beurteilung der Frage, ob durch das Bauvorhaben das in § 6 Abs. 10 BauG genannte ortsübliche Ausmaß an Belästigungen überschritten werde oder nicht, insbesondere auch die bestehende Flächenwidmung maßgebend. Insoweit sei auch im vorliegenden Fall die bestehende Widmungskategorie zu beachten. Aufgrund des neuen § 14 Abs. 8 Raumplanungsgesetz 1996 sei für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Bauvorhabens nicht ausschließlich die Betriebstype maßgeblich, sondern es seien auch jene Maßnahmen von Bedeutung, welche zur Verhinderung störender Auswirkungen getroffen werden könnten. Die Gemeindebehörde weise im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hin, dass in allen eingeholten Sachverständigengutachten ausgeführt werde, dass Störungen für die Nachbarn bei Berücksichtigung der vorgeschlagenen Auflagen nicht zu erwarten seien. Insbesondere sei im Baubewilligungsbescheid der Forderung des lärmtechnischen Gutachters betreffend die Vorschreibung zum Einbau eines Schalldämpfers, der ein Einfügungsdämmmaß von mindestens 12 dB aufweise, sowie die Forderung des bautechnischen Sachverständigen vom 26. November 1993 zum Einbau eines Luftfilters Rechnung getragen worden. In diesem Zusammenhang werde im Hinblick auf die eingeholten Gutachten die Abweisung der Beweisanträge der Vorstellungswerber (auf Einholung eines lungenfachärztlichen, HNOfachärztlichen, eines zoologischen und eines ornithologischen Gutachtens sowie einer Stellungnahme der Wirtschaftskammer Vorarlberg) als nicht rechtswidrig qualifiziert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des gesetzlich gewährleisteten Rechts auf Versagung einer Baubewilligung (im Zusammenhang mit der Umwidmung eines Kellerraumes) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Versagung geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie der Erstmitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde und der Zuspruch von Schriftsatzaufwand beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid spricht über die Vorstellung aller Beschwerdeführer ab; diese sind daher alle zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.

2. Zunächst ist festzuhalten, dass der belangten Behörde darin beizupflichten ist, dass für die Beurteilung der Widmungskonformität des vorliegenden Bauvorhabens angesichts § 59 Abs. 4 Raumplanungsgesetz 1996, LGBl. Nr. 39/1996 (Wiederverlautbarung), dem zufolge die §§ 14 Abs. 1 bis 4, 7 und 8, 15, 16, 18 und 20 in der ab dem 1. August 1996 geltenden Fassung auch für jene Fälle gelten, die vor diesem Zeitpunkt als Bauflächen, Freiflächen und Vorbehaltsflächen gewidmet worden sind, von den Begriffsbestimmungen der Widmungskategorien gemäß dem Raumplanungsgesetz 1996 auszugehen ist (vgl. dazu neben dem von der belangten Behörde genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Slg. Nr. 14.435/A, verstärkter Senat, sowie konkret zur Novelle des RPG durch LGBl. Nr. 34/1996 das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/06/0045; der letztinstanzliche Bescheid im innergemeindlichen Instanzenzug erging am 3. Dezember 1996).

3. Die belangte Behörde ist weiters zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführer nach dem Vorarlberger Baugesetz weder ein allgemeines subjektives Recht auf Einhaltung des Flächenwidmungsplanes, noch ein solches subjektives Recht auf Schutz vor Immissionen schlechthin besitzen. Entsprechend der hg. Rechtsprechung kann die Frage der Widmungskonformität nur im Zusammenhang mit der nach § 30 Abs. 1 lit. b Vorarlberger Baugesetz zu prüfenden Einhaltung der Abstandsvorschriften nach § 6 Baugesetz im Zusammenhang mit den subjektiven Rechten der Nachbarn relevant werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 91/06/0020). Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer sind auch Eigentümer unmittelbar an das Baugrundstück angrenzender Grundstücke, sodass sie sich zutreffend auf § 6 Abs. 10 BauG stützen können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1995, Zl. 94/06/0263, oder vom 23. September 1999, Zl. 99/06/0060); die Viert- und Fünftbeschwerdeführerin sind Eigentümer eines nur durch einen Weg vom Grundstück, für welches die Baubewilligung beantragt wurde, getrennten Grundstücks. Entsprechend der hg. Rechtsprechung (vgl. das oben genannte Erkenntnis vom 23. November 1995) haben daher auch sie das aus § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz abzuleitende subjektive Recht. Es ist daher auf das Beschwerdevorbringen sämtlicher Beschwerdeführer inhaltlich einzugehen.

4. § 14 Abs. 3 und 8 Vorarlberger Raumplanungsgesetz - RPG, LGBl. Nr. 39/1996, lauten:

"(3) Wohngebiete sind Gebiete, die für Wohngebäude bestimmt sind. Andere Gebäude und Anlagen dürfen in Wohngebieten errichtet werden, wenn dadurch das Wohnen und auch sonst der Charakter als Wohngebiet nicht gestört wird.

...

(8) Ob ein Gebäude oder eine Anlage mit einer Widmung nach den Abs. 2 bis 7 vereinbar ist, ist nicht nur nach der Art des Gebäudes oder der Anlage, sondern auch nach den Maßnahmen zur Verhinderung störender Auswirkungen, deren Durchführung technisch möglich ist und rechtlich festgelegt wird, zu beurteilen."

Zunächst bringen die Beschwerdeführer vor, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Frage, ob durch ein Bauvorhaben das in § 6 BauG genannte ortsübliche Ausmaß an Belästigungen überschritten wird oder nicht, insbesondere auch die entsprechende Flächenwidmung maßgebend sei. Die Beschwerdeführer hätten daher gemäß § 30 Abs. 1 lit. b BauG iVm § 6 insbesondere Abs. 10 BauG ein subjektiv öffentliches Recht auf Berücksichtigung des Flächenwidmungsplanes, insbesondere auf ein Recht auf Vorschreibung von größeren Abstandsflächen gemäß § 6 Abs. 10 BauG. Dies sei unbestritten und werde auch von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch in ihrem Aufhebungsbescheid vom 13. August 1996 bestätigt.

4. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, handelt es sich bei § 6 Abs. 10 BauG nicht um einen allgemeinen Immissionsschutz des Nachbarn zur Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes, sondern um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 25. Juni 1987, Zl. 86/06/0037, oder vom 17. November 1994, Zl. 94/06/0146).

In die Beurteilung, ob durch das Vorhaben das in § 6 Abs. 10 BauG zitierte "ortsübliche Ausmaß" an Belästigungen überschritten werde, ist (auch) die Widmung laut Flächenwidmungsplan miteinzubeziehen. Das ortsübliche Ausmaß ist naturgemäß nach der Umgebung der Örtlichkeit, ob es sich nämlich um ein Wohngebiet, ein Industriegebiet oder ein Landwirtschaftsgebiet handelt, verschieden. Ist daher durch einen Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie festgelegt, so sind Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie das Ausmaß der in der unmittelbaren Umgebung eines Wohnhauses feststellbaren Immissionen übersteigen (vgl. neben dem zitierten Erkenntnis vom 17. November 1994 das Erkenntnis vom 23. Juni 1988, Zl. 86/06/0161) oder wenn sie die bisher vorliegenden Immissionsverhältnisse auf dem Grundstück der Nachbarn verschlechtern (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143 und vom 17. März 1994, Zl. 93/06/0096).

Demzufolge ist also bei der Beurteilung, ob Emissionen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn herbeiführen, von einem sich an der für das zu bebauende Grundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungskategorie orientierten Durchschnittsmaßstab auszugehen (vgl. das Erkenntnis vom 13. April 1989, Zl. 87/06/0003, 0004 und vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143).

5. Die Baubehörde hat im gegenständlichen Verfahren in diesem Sinne mehrere Gutachten eingeholt, darunter auch das Gutachten eines lärmtechnischen Sachverständigen vom 30. März 1992 sowie ein medizinisches Gutachten vom 29. November 1993, welches auf der Grundlage des Gutachtens des Amtstierarztes ergangen war und gesundheitliche Gefahren - wenn überhaupt - nur für den Halter, nicht jedoch für die Umgebung konstatierte. Der lärmtechnische Sachverständige kommt in seinem Gutachten zusammengefasst zum Schluss, dass durch den Vogelzuchtraum zwar ohne Schutzmaßnahmen eine unzumutbare Lärmbelästigung an der westseitigen Grundstücksgrenze hervorgerufen werde, da dieses Grundstück allerdings unbebaut sei, seien im Moment keine Schallschutzmaßnahmen erforderlich. Sollte das westseitige Grundstück bebaut werden, müsse ein Schalldämpfer, der ein Einfügungsdämmmaß von mindestens 12 dB aufweise, in das Fenster des Kellerraumes eingebaut werden.

Der Einbau eines solchen Schalldämpfers wurde dem Bauwerber für den Fall der Bebauung des westseitig gelegenen Grundstückes mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde R vom 5. September 1994 als Auflage vorgeschrieben, sodass den vom Sachverständigen aufgezeigten Erfordernissen Rechnung getragen ist. Damit wird entsprechend § 14 Abs. 8 RPG 1996 bei der Beurteilung der Widmungskonformität auch auf die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Verhinderung störender Auswirkungen Bedacht genommen (vgl. zu § 14 Abs. 8 RPG ebenfalls das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/06/0045, mit Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1996). Inwiefern § 14 Abs. 8 RPG 1996 verfassungswidrig sein sollte, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, zumal es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, auf Grund einer Durchschnittsbetrachtung auch solche Maßnahmen zu untersagen, die bei entsprechenden Maßnahmen zu keiner Beeinträchtigung der Umgebung führen.

Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringen, der Sachverständige hätte bei der Beurteilung der Lärmbelästigung auch den Lärm all jener Vögel, die sich im Freigehege befinden, berücksichtigen müssen, ist dazu festzuhalten, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Verwendungsänderung des Kellerraumes war und das Vogelhaus (für welches eine rechtskräftige Bewilligung besteht) nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war.

Ebenso gehen laut den übrigen im Verfahren eingeholten Gutachten auch keine anderen Belästigungen oder Gefährdungen im Sinne des § 6 Abs. 10 BauG bei Einhaltung der Auflagen vom gegenständlichen Bauvorhaben aus. Dem Erstmitbeteiligten wurde auch die Auflage zum Einbau eines Luftfilters erteilt. Die belangte Behörde konnte daher zutreffender Weise davon ausgehen, dass die Vorschreibung eines größeren Abstandes (bzw. gegebenenfalls die Abweisung des Antrags, da es um die Verwendung eines bereits bestehenden Raumes geht) nicht erforderlich war.

Wenn in der Beschwerde darüber hinaus die Einholung eines zoologischen und eines ornitologischen Gutachtens zur Frage, ob die Obergrenze von 100 Sittichen eingehalten werden könne, als unabdingbar bezeichnet wird, ist darauf hinzuweisen, dass etwaige zuchtspezifische Probleme nicht Gegenstand der Beurteilung unter baurechtlichem Gesichtspunkt waren; von der Einholung der beantragten Gutachten konnte insofern zu Recht Abstand genommen werden.

Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen die Zulässigkeit des 1987 bewilligten Vogelhauses richtet, ist auf das entsprechende Vorbringen nicht näher einzugehen, da dieses nicht Gegenstand des vorliegenden Bewilligungsverfahrens war. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde ist die Baubewilligung vom 16. Februar 1987 auch nicht nichtig (siehe unten, 7.). Es erübrigt sich daher eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen.

Auch das Vorbringen, die im gegenständlichen Verfahren erteilte Bewilligung sei schon im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Baubewilligung rechtswidrig, geht ins Leere. Bei der Beurteilung der im gegenständlichen Verfahren beantragten Verwendungsänderung kommt es auf die Rechtmäßigkeit der seinerzeitigen Baubewilligung nicht an. Soferne die Haltung von maximal 100 Sittichen, wie dies im Verfahren gestützt auf die Gutachten festgestellt wurde, nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften zulässig ist und damit keine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer erfolgt, ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass für den von der Behörde gefassten Spruch ("Beschränkung auf maximal 100 Sittiche" "nach den Gesetzen der Logik kein Raum mehr" bleibe. Die entsprechende Formulierung bedeutet, dass sich der baurechtliche Konsens, der sich aus der Bewilligung vom 16. Februar 1987 und der im gegenständlichen Verfahren erteilten Bewilligung ergibt, (nach wie vor) auf insgesamt 100 Sittiche bezieht.

Somit wird durch das Bauvorhaben das in § 6 Abs. 10 BauG genannte ortsübliche Ausmaß an Belästigungen nicht überschritten. Die Vorschreibung von größeren Abstandsflächen gemäß § 6 Abs. 10 BauG war somit nicht erforderlich.

6. Wenn die Beschwerdeführer demgegenüber in der Beschwerde auf ihre seit 1992 dargelegte Rechtsauffassung zur Frage der Widmungskonformität des gegenständlichen Vorhabens verweisen, ist neuerlich festzuhalten, dass einerseits die Frage der Widmungskonformität nur im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 6 Abs. 10 BauG zu prüfen ist und dass andererseits im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage die im Jahre 1996 eingetretene Änderung der Rechtslage im Beschwerdefall zutreffend berücksichtigt wurde. Auf die frühere Rechtslage ist daher nicht näher einzugehen. Auch auf das Vorbringen hinsichtlich einer allfälligen oder in der Vergangenheit schon erfolgten Überschreitung der Beschränkung der Anzahl der zu haltenden Vögel ist im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens, in welchem es um die Bewilligung des Bauvorhabens (der Verwendungsänderung des Kellerraumes) geht, nicht einzugehen. Die mögliche Übertretung baurechtlicher Vorschriften, insbesondere die Nichteinhaltung eines erteilten Konsenses, ist im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nicht relevant sondern würde die im Baugesetz vorgesehenen Rechtsfolgen auslösen.

7. Im Zusammenhang mit der Baubewilligung aus dem Jahre 1987 bringen die Beschwerdeführer vor, gemäß § 20 Raumplanungsgesetz 1993 und gemäß § 22 Raumplanungsgesetz 1996 dürften unter anderem Bauwerke dem jeweiligen Flächenwidmungsplan nicht widersprechen; entgegen dieser Bestimmung erlassene Bescheide seien mit Nichtigkeit bedroht. Es sei unerträglich, dass nichtige Bescheide dem Rechtsbestand angehörten. Solche Bescheide seien gemäß § 68 aufzuheben und aus dem Rechtsbestand zu eliminieren. Maßgebend sei daher, ob die hier zu beurteilende Vogelzucht - insgesamt einschließlich des im Jahre 1987 bewilligten Vogelhauses zugleich mit der nunmehr bewilligten Verwendung des Kellerraumes als zusätzlichen Vogelzuchtraum - mit der Flächenwidmung im Wohngebiet im Sinne des § 14 Abs. 3 RPG 1993 und im Sinne des § 14 Abs. 3 iVm Abs. 8 RPG 1996 zu vereinbaren sei oder nicht. Es stehe außer Zweifel, dass bereits der erste Bescheid der Baubehörde vom 16. Februar 1987, mit dem unter den aus dem Bescheid ersichtlichen Auflagen neben dem Wohnhaus ein Vogelhaus mit den Ausmaßen von rund 11 m x 10 m, was einer bebauten Fläche eines mittleren Einfamilienhauses entspreche, bewilligt worden sei, rechts- und gesetzwidrig, weil dem Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde R widersprechend gewesen sei. Nach dem damaligen in Geltung stehenden § 14 Abs. 3 RPG hätten im Wohngebiet neben Wohngebäuden andere Bauwerke und sonstige Anlagen nur dann errichtet werden dürfen, wenn sie den kulturellen wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnissen der Einwohner des Gebietes dienten und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahr oder Belästigung für die Einwohner mit sich bringe. Das mit diesem Baubescheid bewilligte Nebengebäude habe ausschließlich der Vogelzucht gedient. Eine Vogelzucht diene in keiner Weise den kulturellen, wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnissen der Einwohner eines Wohngebietes. Daher sei auf die Frage, ob bei ordnungsgemäßer Benützung Gefahren oder Belästigungen für die Einwohner zu erwarten seien, von vornherein nicht mehr einzugehen. Der seinerzeitige Baubescheid vom 16. Februar 1987 sei rechtswidrig und nichtig.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 23. Juni 1997 richtigerweise festgestellt hat, erübrigt es sich darauf einzugehen, ob der seinerzeitige Baubescheid vom 16. Februar 1987 nichtig ist, da dieser Bescheid nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist. Es handelt sich bei diesem Baubescheid aber jedenfalls nicht um einen Nichtbescheid, sondern um einen Bescheid der allenfalls gemäß § 68 AVG nichtig erklärt werden könnte. Eine solche Nichtigerklärung fand unbestrittenermaßen nicht statt, weshalb nach wie vor vom Bestehen dieses Baubescheides auszugehen ist.

8. Die Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich (hinsichtlich des Landes Vorarlberg im Rahmen des Antrags, da ein allgemeiner Antrag auf Kostenersatz nicht gestellt war) auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2001

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997060088.X00

Im RIS seit

30.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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