TE OGH 2011/8/25 5Ob137/11z

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Veröffentlicht am 25.08.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Klaus & Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Helmut U*****, vertreten durch Großmann und Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen 25.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. April 2011, GZ 2 R 10/11z-14, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. November 2010, GZ 24 Cg 34/10x-10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war von 8. 8. 2002 bis 8. 2. 2006 einzelzeichnungsberechtigter handelsrechtlicher Geschäftsführer der M***** GmbH und trat danach als deren faktischer Geschäftsführer auf. Er schloss für diese Gesellschaft am 2. 3. 2006 mit der Klägerin einen Werkvertrag über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten ab, welche die Klägerin vollständig sowie fachgerecht erbrachte und dafür am 30. 6. 2006 die Schlussrechnung legte.

Das Landesgericht Klagenfurt eröffnete am 3. 7. 2006 den Konkurs über das Vermögen der M***** GmbH. Der Masseverwalter anerkannte die von der Klägerin angemeldete Forderung von 47.692,19 EUR. Am 27. 12. 2006 wurde der Konkurs mangels Masse aufgehoben und die M***** GmbH in der Folge im Firmenbuch gelöscht. Spätestens Ende 2005 war die Zahlungsunfähigkeit der M***** GmbH eingetreten, was zu diesem Zeitpunkt auch die Geschäftsführung hätte erkennen können.

Das Bezirksgericht St. Veit an der Glan eröffnete mit Beschluss vom 7. 12. 2006 zu 1 S ***** das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beklagten. Mit Beschluss vom 31. 1. 2007 wurde der zwischen Schuldnern und Gläubigern am 25. 1. 2007 abgeschlossene Zahlungsplan bestätigt; das Schuldenregulierungsverfahren wurde am 26. 2. 2007 aufgehoben.

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. 2. 2007 wurde der Beklagte zu 15 Hv 12/07m des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, 2 und 5 Z 3 und 4 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB rechtskräftig schuldig erkannt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 25. 2. 2010 eingebrachten Mahnklage vom Beklagten die Zahlung von 25.000 EUR sA. Sie brachte zusammengefasst vor, sie habe den Beklagten mehrfach, aber erfolglos aufgefordert, den kridamäßig geschuldeten Schadenersatzbetrag von 46.998,66 EUR sA zu bezahlen. Im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Beklagten werde zunächst nur ein Teilbetrag von 25.000 EUR sA (Vertrauensschaden ohne Gewinnspanne) unter ausdrücklichem Ausdehnungsvorbehalt geltend gemacht. Die Restschuldbefreiung im Schuldenregulierungsverfahren erstrecke sich nicht auf die Forderung von Neugläubigern. Die Forderung der Klägerin habe im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet werden müssen. Das Geständnis des Beklagten im Strafverfahren bilde einen selbstständigen Verpflichtungsgrund, weshalb sich die Klägerin auch auf ein Anerkenntnis stützte. Der geltend gemachte Anspruch sei nicht verjährt, weil die Klägerin erst im Rahmen des gegen den Beklagten geführten Strafverfahrens ausreichend Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt und der Beklagte überdies mit Vorsatz gehandelt habe.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der von der Klägerin behauptete Schadenersatzanspruch sei bereits verjährt, weil ihr bereits seit Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der M***** GmbH, spätestens jedoch seit Anhängigkeit des Strafverfahrens alle schadenersatzbegründenden Umstände bekannt gewesen seien. Die Klägerin spreche aus dem Titel des Schadenersatzes den gesamten Rechnungsbetrag an, obwohl nur der Ersatz des Vertrauensschadens denkbar sei; es sei insoweit erforderlich, das Klagebegehren der Höhe nach aufzuschlüsseln.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - auf der Grundlage der eingangs wiedergegebenen und weiterer, für das Revisionsverfahren nicht entscheidungswesentlicher - Feststellungen zur Gänze statt und verpflichtete folglich den Beklagten zur Zahlung von 25.000 EUR sA. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass der Klägerin jedenfalls ein Schaden in Höhe des Klagsbetrags entstanden und ihr Schadenersatzanspruch auch nicht verjährt sei.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens ab. Rechtlich war das Berufungsgericht der Ansicht, dass die Klägerin als sogenannte Neugläubigerin Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe. Verursacht und ersatzfähig sei in solchen Fällen nur der Vertrauensschaden. Auf diese Rechtslage und die Notwendigkeit, das Klagebegehren insoweit aufzuschlüsseln, habe bereits der Beklagte hingewiesen. Eine Erörterung iSd § 182a ZPO durch das Erstgericht sei in diesem Punkt nicht erforderlich gewesen, weil bereits der Beklagte auf besagte Schwächen des Vorbringens der Klägerin hingewiesen habe. Eine Verfahrensrüge betreffend eine allfällige Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht habe die Klägerin ebenfalls nicht erhoben. Da die Klägerin zur Frage des Vertrauensschadens keinerlei Vorbringen erstattet habe, sei das Klagebegehren unschlüssig. Schon nach dem eigenen Prozessvorbringen der Klägerin scheide auch ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten als Anspruchsgrund aus, womit sich schon auf dieser Grundlage die Berufung des Beklagten als berechtigt erweise.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.

Über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO hat das Berufungsgericht nachträglich ausgesprochen, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Das Berufungsgericht habe seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin trotz des dahin gehenden Einwands des Beklagten zum allein in Betracht kommenden Ersatz des Vertrauensschadens jegliches Vorbringen unterlassen habe, weshalb das Klagebegehren unschlüssig geblieben sei. In ihrem Abänderungsantrag zeige die Klägerin auf, in ihrem Schriftsatz vom 10. 5. 2010 (ON 6) vorgebracht zu haben, dass es sich beim eingeklagten Betrag von 25.000 EUR jedenfalls um den eingetretenen Vertrauensschaden handle, weil die Gewinnspanne darin nicht enthalten sei. Der Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO sei unter diesem Gesichtspunkt zur Wahrung der Rechtssicherheit gerechtfertigt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bestätigung des Ersturteils. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Klägerin zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Die Klägerin macht unter allen angesprochenen Revisionsgründen im Wesentlichen geltend, dass das Berufungsgericht ihr zum Unschlüssigkeitseinwand des Beklagten erstattetes Gegenvorbringen völlig übergangen habe. Sie habe in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 10. 5. 2010 (ON 6) ausgeführt, vom gesamten Rechnungsbetrag in der Höhe von 49.472,27 EUR lediglich einen Teilbetrag von 25.000 EUR geltend zu machen, welcher jedenfalls den tatsächlich eingetretenen Vertrauensschaden darstelle. Die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens begründe einen Mangel des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und führe zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

1.1. Der Beklagte hat vor dem Erstgericht sinngemäß eingewandt, die Klägerin könne aus dem Titel des Schadenersatzes gegebenenfalls nur den Ersatz des Vertrauensschadens ansprechen; es sei insoweit erforderlich, das Klagebegehren der Höhe nach aufzuschlüsseln. Das Berufungsgericht ist diesem Einwand gefolgt und hat sein abänderndes Urteil entscheidend darauf gestützt, dass die Klägerin zur Frage des Vertrauensschadens keinerlei Vorbringen erstattet habe, weshalb ihr Klagebegehren unschlüssig geblieben sei.

1.2. Tatsächlich hat die Klägerin in ihrem vor dem Erstgericht erstatteten und in der Streitverhandlung vom 18. 5. 2010 (ON 7) vorgetragenen Schriftsatz vom 10. 5. 2010 (ON 6) ua vorgebracht:

„Aus obigen Ausführungen ist somit ersichtlich, dass wir nicht den gesamten Rechnungsbetrag in oben bereits dargestellter Höhe von € 49.472,27 geltend machen, sondern lediglich den verfahrensgegenständlichen Betrag in Höhe von € 25.000,00. Hierbei handelt es sich jedenfalls um den uns eingetretenen Vertrauensschaden, als die Gewinnspanne hierin nicht enthalten ist; die Gewinnspanne selbst beträgt bei Projekten wie dem hier gegenständlichen ca. 5 %. …“ (S 7 in ON 6).

Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht, wie die Klägerin mit Recht geltend macht, in seiner Entscheidung nicht wiedergegeben und auch inhaltlich nicht berücksichtigt.

2. Die unrichtige Wiedergabe, die unzutreffende Auslegung oder das gänzliche Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder sonstigen Parteivorbringens im Urteil des Berufungsgerichts stellt zwar keine Aktenwidrigkeit dar, kann allerdings einen wesentlichen Verfahrensmangel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen (RIS-Justiz RS0041814 [T8]; Zechner in Fasching/Konecny², § 503 ZPO Rz 166). Letztgenannter Revisionsgrund liegt auch hier vor, weil das Berufungsgericht gerade infolge Nichtberücksichtigung des wiedergegebenen Vorbringens der Klägerin zur rechtlichen Schlussfolgerung gelangte, das Klagsvorbringen sei unschlüssig geblieben. Dies muss zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts führen, welches bei seiner neuerlichen Entscheidung das gesamte Vorbringen der Klägerin, namentlich jenes im Schriftsatz vom 10. 5. 2010 (ON 6), zu berücksichtigen haben wird.

3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E98296

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00137.11Z.0825.000

Im RIS seit

23.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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