TE Vfgh Erkenntnis 2011/5/3 U2630/10

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Veröffentlicht am 03.05.2011
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AsylG 2005 §66
AsylGHG §23
AVG §66
Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.05 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft Art15

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richterdurch die Zurückweisung eines Antrags auf Beigebung einesFlüchtlingsberaters; Verpflichtung des Asylgerichtshofs zurEntscheidung über den Antrag auf Rechtsbeistand durchverfahrensrechtlichen Bescheid in der Sache selbst; sofortigeBekämpfbarkeit dieses Bescheides im Rechtsschutzinteresse desAsylwerbers

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die bekämpfte Entscheidung des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 26. Dezember 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 19. Februar 2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005), als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art16 Abs1 litc iVm Art20 Abs1 litc der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. 2003 L 50, S 1, Polen zuständig sei, wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß §10 Abs4 AsylG 2005 zulässig sei.

1.3. Der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes fristgerecht erhobenen Berufung (nunmehr: Beschwerde) wurde mit Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. März 2008 gemäß §41 Abs3 AsylG 2005 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Nach weiteren Einvernahmen des Beschwerdeführers in erster Instanz wies das Bundesasylamt den Antrag mit Bescheid vom 5. November 2009 gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß §10 Abs1 Z2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

1.4. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 8. Oktober 2010 gemäß §§3 Abs1, 8 Abs1 Z1 und 10 Abs1 Z2 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.).

1.5. Die unter einem gestellten Anträge auf Verfahrenshilfe sowie auf Beigabe eines Flüchtlingsberaters wurden gemäß §23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl. I 147/2008 und §66 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

2. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

3. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten des Bundesasylamts sowie die Gerichtsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Was die Zurückweisung des Antrags auf Beigabe eines Flüchtlingsberaters betrifft, entspricht die vorliegende Beschwerde sowohl im entscheidungswesentlichen Sachverhalt als auch in der maßgeblichen Rechtsfrage der zu U3078,3079/09 protokollierten Beschwerde, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seines in dieser Beschwerdesache ergangenen Erkenntnisses hinzuweisen (vgl. VfGH 2.10.2010, U3078,3079/09).

Da die Behörde von vornherein eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hat, ist es unerheblich, ob die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Asylgerichtshof rechtsfreundlich vertreten war.

1.2. Das angefochtene Erkenntnis war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten (vgl. VfGH 11.12.2002, B941/02).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Asylrecht, Asylgerichtshof, Bescheid verfahrensrechtlicher,Rechtsschutz, EU-Recht Richtlinie, Auslegunggemeinschaftsrechtskonforme, Bescheid Trennbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:U2630.2010

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2011
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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