TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/27 98/21/0322

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/21/0323

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerden des AF in G, geboren im Jänner 1978, vertreten durch Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19/2, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark je vom 27. März 1998, Zl. FR 1480/97, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. März 1998 wies die belangte Behörde im Instanzenzug den Beschwerdeführer, nach seiner Behauptung ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen damit, dass der am 30. Juli 1997 von Italien illegal mit der Bahn eingereiste Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz, Fremdengesetz oder dem bis 31. Dezember 1997 in Geltung gewesenen Aufenthaltsgesetz verfüge. Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1997 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden. Durch die Ausweisung komme es nicht zu einem relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers, zumal sich der Beschwerdeführer nicht auf das Vorhandensein von im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen berufen könne. Er sei ledig, habe keine Sorgepflichten und gehe keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Eine Ermessensentscheidung könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen, zumal seine nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Ausweisung eindeutig zurückzutreten hätten. Die Ausweisung sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gemäß Art. 8 EMRK dringend geboten. Der Beschwerdeführer sei trotz des negativen letztinstanzlichen Asylbescheides im Inland verblieben.

Mit Bescheid vom selben Tag stellte die belangte Behörde - gleichfalls im Instanzenzug - gemäß § 75 Abs. 1 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Sierra Leone gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Nach Angabe des Beschwerdeführers hätten Rebellen ihn und seinen Vater anwerben wollen. Nach Ablehnung wären sie von den Rebellen mitgenommen worden, wobei seinem Vater in das Bein geschossen worden wäre. Dem Beschwerdeführer wäre mit vier weiteren Personen die Flucht gelungen. Der Rebellenführer wäre ein Freund seines Vaters gewesen. Er hätte Angst, nach Sierra Leone zurückzukehren, weil er der einzige Sohn seines Vaters wäre und der Rebellenführer ihn ebenfalls verfolgen könnte. Der Bürgerkrieg wäre im Jahr 1992 oder 1993 gewesen.

Diese behauptetermaßen in den Jahren 1992 und 1993 erfolgten Misshandlungen ließen keine Rückschlüsse auf eine aktuelle Bedrohung zu. Die Angaben des Beschwerdeführers reichten keinesfalls aus, um damit das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Mittlerweile habe sich die politische Situation in Sierra Leone derart wesentlich geändert, dass die behauptete angebliche Verfolgungsgefahr durch Rebellengruppen nicht mehr bestehe. Am 30. November 1996 sei ein Friedensabkommen zur Beendigung des seit März 1991 andauernden Krieges abgeschlossen worden. Es fänden nur noch vereinzelt Kampfhandlungen zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen statt, die sich jedoch nicht über das gesamte Staatsgebiet erstreckten. Eine extreme Gefährdungslage für jeden einzelnen Rückkehrer sei nicht gegeben. Für Rückkehrer bestünde zudem die Möglichkeit, sich in nicht von Bürgerkriegshandlungen betroffene Landesteile, wie z.B. in die Hauptstadt Freetown, welche inzwischen unter der vollen Kontrolle der westafrikanischen Friedenstruppe ECOMOG stehe, zu begeben. Im Übrigen habe der Bundesminister für Inneres mit dem zitierten rechtskräftigen Bescheid festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

I. Zur Ausweisung:

Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsberechtigung im Inland verfüge. Soweit sie darauf hinweist, dass das Asylverfahren derzeit noch in der zweiten Instanz anhängig sei, entfernt sie sich von den durch den Inhalt der Verwaltungsakten gedeckten Feststellungen der belangten Behörde, wonach der Asylantrag des Beschwerdeführers mit letztinstanzlichem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1997 abgewiesen wurde.

Wegen der Kürze des Aufenthalts des Beschwerdeführers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von unter einem Jahr und des Fehlens familiärer Beziehungen im Inland liegt ein mit der Ausweisung verbundener relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG nicht vor. Eine Prüfung, ob die Ausweisung dringend geboten sei, erübrigt sich damit. Entgegen der Beschwerdeansicht sieht das Gesetz bei einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG eine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG nicht vor.

Ob der Beschwerdeführer über Reisedokumente verfügt, ist entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht von Bedeutung, weil im Ausweisungsverfahren die Möglichkeit der Ausreise oder die Zulässigkeit einer Abschiebung nicht zu prüfen ist.

II. Zum Feststellungsantrag:

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)

Die Beschwerde tritt den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht konkret entgegen, wonach seit November 1996 ein Friedensabkommen bestehe und es für Rückkehrer die Möglichkeit gebe, sich in nicht von Bürgerkriegshandlungen betroffene Landesteile zu begeben.

Da es für einen positiven Ausspruch über den Antrag nach § 75 Abs. 1 FrG darauf ankommt, ob der Fremde im gesamten Gebiet des von seinem Antrag erfassten Staates für den gedachten Fall seiner Abschiebung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ausgesetzt wäre (vgl. zur insoweit unverändert gebliebenen Rechtslage das zum Fremdengesetz 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 27. November 1998, Zl. 97/21/0568), kann die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm im Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone die im § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Den in der Beschwerde aufgezeigten gegen den Beschwerdeführer vor dessen Ausreise (angeblich) gerichteten Maßnahmen kommt demnach keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. III. Da den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998210322.X00

Im RIS seit

15.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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