TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/11 E12 221175-3/2010

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Veröffentlicht am 11.04.2011
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Spruch

E12 221.175-3/2010-8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory und Schellhorn OEG, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.01.2010, Zl. 03 33.555-BAS, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF. iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. I. Nr. 51/1991 idgF, ersatzlos behoben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

Bisheriger Verfahrenshergang:

 

Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, brachte am 28.10.2003 seinen 2. Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BAA vom 8.11.2004 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

Der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung vom 19.11.2004 gab der Unabhängige Bundesasylsenat mit mündlich verkündetem Bescheid vom 16.12.2004 Folge und gewährte dem BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Folge. Gemäß § 12 leg. cit. wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die schriftliche Ausfertigung dieses Bescheides erfolgte am 21.2.2008.

 

Am 13.7.2009 (AS 305f) erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF, weil er am XXXX in der Türkei seine Verlobte geheiratet haben soll. Die Verlobte habe die Heiratsurkunde im Zuge ihres Einreiseantrages vorgelegt. In weiterer Folge wurden Erhebungen in der Türkei getätigt (AS 389f), welche im Wesentlichen bestätigten, dass der BF tatsächlich in der Türkei geheiratet hat und bei der Eheschließung auch persönlich anwesend war. Am 9.10.2009 wurde der BF neuerlich niederschriftlich einvernommen (AS 437).

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BAA vom 13.1.2010 (AS 495f) wurde dem BF der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.12.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 2005 aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) Gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

Beweis würdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Botschaftsanfrage eindeutig ergeben habe, dass der BF zwecks Eheschließung in seinem Heimatort anwesend gewesen sei.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 27.1.2010 fristgerecht Beschwerde. Im Beschwerdeschriftsatz (AS 601f) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Asylaberkennung wegen Ablaufes der 5-jährigen Sperrfrist des § 7 Abs. 2 Asylgesetz 2005 nicht mehr zulässig gewesen sei. Überdies liege eine eklatant mangelhafte und in sich nicht stimmige Beweiswürdigung vor. Es seien auch wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden, weil wichtige Beweisaufnahmen unterblieben seien.

 

Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensganges wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Verweise, Wiederholungen

 

Das erkennende ist Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

 

ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt,

 

einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

 

der asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. kann das BAA einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z. 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das BAA - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von 5 Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das BAA die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I. Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem BAA mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z. 2 aberkannt werden.

 

Art. 1 Abschnitt C der GFK bestimmt, dass die GFK auf Personen nicht mehr angewendet wird, die sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt haben. Dies trifft unter anderem auf jene Fälle zu, in denen der Flüchtling freiwillig wieder in seinen Herkunftsstaat gereist ist.

 

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Nach Abs. 2 sind der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift, zu beurkunden.

 

Sind der Inhalt und die Verkündung eines mündlich verkündeten Bescheides ordnungsgemäß dem § 62 Abs. 2 entsprechend beurkundet worden, ist dieser Bescheid mit dem verkündeten Inhalt in Rechtswirksamkeit getreten. An diesen Bescheid knüpfen sich somit die Rechtswirkungen eines Bescheides.

 

Im vorliegenden Fall wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat am 16.12.2004 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Aus der im Akt befindlichen Verhandlungsschrift (AS 255ff) ist ersichtlich, dass am Ende der Verhandlung ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, wonach dem BF Asyl gewährt und festgestellt wurde, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Inhalt und die Verkündung dieses Bescheides wurden ordnungsgemäß protokolliert, sodass davon auszugehen ist, dass das Datum der Bescheiderlassung der 16.12.2004 ist. An diesem Tag begann auch die in § 7 Abs. 3 Asylgesetz 2005 normierte 5-Jahres-Frist für die Aberkennung zu laufen.

 

Das BAA hat am 30.6.2009 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten eingeleitet. Der diesbezügliche Aberkennungsbescheid wurde am 13.1.2010 verfasst und dem Rechtsvertreter des BF am 15.1.2010 zugestellt.

 

Eine Aberkennung wegen Eintritts der Endigungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C der Konvention ist nur zulässig, wenn die Aberkennung durch das BAA binnen 5 Jahren nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erfolgt. Diese zeitliche Befristung gilt nur dann, wenn der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, was beim BF laut ZMR der Fall ist.

 

Der Aberkennungsbescheid des BAA muss binnen dieser 5 Jahre erlassen (= zugestellt) sein; dass dieser innerhalb dieser Frist rechtskräftig wird, ist nicht erforderlich.

 

Da der angefochtene Bescheid des BAA erst nach Ablauf der 5-Jahres-Frist erlassen wurde, war die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr zulässig.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Asylaberkennung, Asylendigungsgründe, Bescheidbehebung, Fristen, Zeitablauf
Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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