TE Vwgh Erkenntnis 2011/3/31 2007/15/0147

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Veröffentlicht am 31.03.2011
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §16 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in 7001 Eisenstadt, Neusiedlerstraße 46, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 27. April 2007, Zl. RV/0221-W/07, betreffend Einkommensteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: D in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte bezog im gesamten Streitjahr 2005 von der H GmbH (Sitz in H) und in den Monaten März bis Dezember zusätzlich von der L GmbH (Sitz in W) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seitens der H GmbH wurde beim Lohnsteuerabzug ein Pendlerpauschale in Höhe von EUR 972,-- berücksichtigt.

Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 machte der Mitbeteiligte zusätzlich ein weiteres Pendlerpauschale für seine Fahrten nach W als Werbungskosten geltend. Wegen Unzumutbarkeit der Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels auf Grund der langen Fahrtdauer stünde nach Ansicht des Mitbeteiligten hinsichtlich des Dienstverhältnisses zur L GmbH ein Pendlerpauschale in Höhe von EUR 2.421,-- zu.

Das Finanzamt berücksichtigte lediglich ein Pendlerpauschale von EUR 337,50 mit der Begründung, dass laut Fahrplanauskunft die Wegzeit für die Strecke nach W, gerechnet ab der nächstgelegenen Wohnung des Mitbeteiligten in T, unter zwei Stunden liege und damit zumutbar sei.

In der Berufung stellte der Mitbeteiligte klar, dass er mit seiner Familie in R wohne und er von dort sowohl zu seiner Arbeitsstätte in H als auch zu seiner Arbeitsstätte nach W fahre. In T liege der Wohnsitz seiner Schwiegereltern, an deren Adresse der Mitbeteiligte zwar einen Nebenwohnsitz gemeldet habe, an welchem er aber nur gelegentlich am Wochenende mit seiner Ehefrau übernachte. Keineswegs übernachte er jedoch unter der Woche alleine bei den Schwiegereltern, um - wie seitens des Finanzamtes behauptet - von dort zu den jeweiligen Arbeitsstätten zu fahren.

In der Folge gab der Mitbeteiligte bekannt, dass die Entfernung zwischen seiner Wohnung in R und der dreimal in der Woche aufgesuchten Arbeitsstätte in H 25 km und die Entfernung zwischen seiner Wohnung in R und der zweimal in der Woche aufgesuchten Arbeitsstätte in W 125 km betrage.

Im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung insofern zum Nachteil des Mitbeteiligten ab, als ein weiteres Pendlerpauschale für die Fahrten nach W nicht mehr zum Ansatz kam. Begründend führte das Finanzamt aus, dass bei der Beurteilung des Pendlerpauschales im Falle mehrerer Dienstverhältnisse im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung so vorzugehen sei, als würden alle Strecken im Zusammenhang mit einem einzigen Dienstverhältnis stehen. Da im Lohnzahlungszeitraum die Strecke vom Wohnort in R zur Arbeitsstätte in H überwiegend zurückgelegt und das Pendlerpauschale bereits im Zuge der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt worden sei (EUR 972,--), sei kein zusätzliches Pendlerpauschale zu gewähren.

Im Vorlageantrag verwies der Mitbeteiligte auf eine Entscheidung der belangten Behörde (Zl. RV/0416-W/03 vom 29. April 2003), und gab hieraus wieder:

"Ist sachverhaltsmäßig davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer im Streitjahr bei 2 Arbeitgebern (teilzeit) beschäftigt war, wobei die Arbeitszeiten und Arbeitsorte so gelagert waren, dass die Fahrt zur jeweiligen Arbeitsstätte immer vom Wohnort aus angetreten wurde, so kann das Pendlerpauschale auch zweifach gewährt werden; für die Berechnung des Pendlerpauschales ist dann bei jedem Dienstverhältnis die Wegstrecke Wohnung Arbeitsstätte maßgeblich".

Wenn das Finanzamt den gegenständlichen Sachverhalt so beurteile, als liege nur ein einziges Dienstverhältnis vor, so müsse wohl auch fingiert werden, dass der Arbeitgeber in H eine "Betriebsstätte" in W habe. Da der Arbeitgeber in H diese Fahrten zur "Betriebsstätte" in W nicht abgegolten habe, müssten Werbungskosten in Höhe des amtlichen Kilometergeldes für die Fahrten R - W - R in Höhe von insgesamt EUR 7.612,80 abzugsfähig sein.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge und stützte sich hierbei im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Unbestritten sei, dass der Mitbeteiligte jeweils von seinem Wohnort in R aus sowohl zu seinem Dienstort nach H als auch zu seinem Dienstort nach W fahre.

Weiters sei davon auszugehen, dass dem Mitbeteiligten für die Tätigkeit bei der L GmbH im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen seiner Wohnung in R und W zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar sei.

Nach Ansicht der belangten Behörde stellten sich die Fahrten des Mitbeteiligten zu seinen beiden Dienststellen bzw. Arbeitgebern als Aufwand dar, der ihm zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erwachse. Dass dieser Aufwand darauf zurückzuführen sei, dass der Mitbeteiligte ein zweites Dienstverhältnis eingegangen sei, ändere nichts daran, dass das Aufsuchen seiner jeweiligen Dienststellen zur Erhaltung dieser Einkunftsquellen erforderlich sei. Der damit verbundene Aufwand begründe daher absetzbare Werbungskosten.

Das Pendlerpauschale könne für weitere Dienstverhältnisse, zu denen jeweils von der Wohnung aus gefahren werde, dann geltend gemacht werden, wenn überwiegend im Lohnzahlungszeitraum zusätzliche Wegstrecken verursacht würden. Die belangte Behörde gehe daher im Fall des Mitbeteiligten davon aus, dass das Pendlerpauschale jeweils für beide Dienstverhältnisse zu berücksichtigen sei.

Nach Meinung der belangten Behörde sei für die Berechnung des Pendlerpauschales bei jedem Dienstverhältnis die Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte maßgeblich. Ebenso sei die Frage des "zeitlichen Überwiegens im Lohnzahlungszeitraumes" immer in Bezug zum jeweiligen Dienstverhältnis zu beurteilen.

Da dem Mitbeteiligten für die Fahrten nach W tatsächlich zusätzliche Wegstrecken verursacht worden seien und er im Lohnzahlungszeitraum für dieses Dienstverhältnis an zwei Tagen - somit überwiegend in Bezug auf dieses Dienstverhältnis - nach W gefahren sei, stehe dem Mitbeteiligten für die Fahrten zur zweiten Arbeitsstätte in W an zwei Tagen pro Woche der Pauschbetrag von über 60 Kilometer (EUR 2.421,--) zu, und zwar für zehn Monate ein Betrag von EUR 2.017,50.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die gemäß § 292 BAO vom Finanzamt erhobene Beschwerde mit dem Vorbringen, sowohl das "kleine" als auch das "große" Pendlerpauschale stelle von Gesetzes wegen darauf ab, dass ein Arbeitnehmer die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklege.

Als Lohnzahlungszeitraum sei der Kalendermonat heranzuziehen. Unter "überwiegend" sei im allgemeinen Sprachgebrauch jedenfalls mehr als die Hälfte zu verstehen. Die Ansicht der belangten Behörde, beim Überwiegen auf die Anzahl der Arbeitstage des jeweiligen Dienstverhältnisses abzustellen, finde in den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen keine Deckung.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 idF des StReformG 2005 (BGBl. I Nr. 57/2004) lautet auszugsweise:

"6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von

20 km bis 40 km 450 Euro jährlich

40 km bis 60 km 891 Euro jährlich

über 60 km 1.332 Euro jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 km 243 Euro jährlich

20 km bis 40 km 972 Euro jährlich

40 km bis 60 km 1.692 Euro jährlich

über 60 km 2.421 Euro jährlich

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten."

Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 ist der Lohnzahlungszeitraum - wenn der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber im Kalendermonat durchgehend beschäftigt ist - der Kalendermonat.

Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 mit dem Verkehrsabsetzbetrag und (gegebenenfalls) den Pauschbeträgen nach lit. b und c leg.cit. abgegolten. Bei mehreren Dienstverhältnissen - wie im Beschwerdefall - ist der Verkehrsabsetzbetrag nur einmal in Abzug zu bringen. Ein zusätzliches (zweites) Pendlerpauschale steht für ein weiteres Dienstverhältnis nur dann zu, wenn dadurch im Lohnzahlungszeitraum überwiegend das Zurücklegen zusätzlicher Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verursacht wird. In diesem Fall ist für die Zuerkennung des Pendlerpauschales bei jedem Dienstverhältnis die jeweilige Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte maßgebend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2006, 2004/15/0130, und vom 8. Februar 2007, 2004/15/0102, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 16 Tz. 60, und Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 16 Abs. 1 Z 6 Tz. 1).

Im gegenständlichen Fall legte der Mitbeteiligte unstrittig an drei Tagen (Montag bis Mittwoch) die Wegstrecke: Wohnort - Arbeitsstätte in H - Wohnort und an zwei Tagen (Donnerstag und Freitag) die Wegstrecke: Wohnort - Arbeitsstätte in W - Wohnort zurück.

Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage davon ausgegangen ist, dass der Mitbeteiligte die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in W "im Lohnzahlungszeitraum überwiegend" zurückgelegt hat, kann ihr in dieser Beurteilung nicht gefolgt werden.

Die belangte Behörde stellt auf ein Überwiegen "in Bezug zum jeweiligen Dienstverhältnis" ab. Dabei bleibt schon offen, an welchem Maßstab sie dieses "Überwiegen" festgemacht hat, weil jegliche Feststellungen zum Inhalt des angesprochenen Dienstverhältnisses fehlen. Sollte mit dieser Formulierung gemeint sein, dass der Mitbeteiligte mit seinem Arbeitgeber eine "Zwei-Tage-Arbeitswoche" vereinbart hat und er vereinbarungsgemäß an eben diesen zwei Tagen die Arbeitsstätte des Arbeitgebers aufgesucht hat, so dürfte dieser Fall aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht anders beurteilt werden als der Fall eines Dienstnehmers, der bei grundsätzlicher "Fünf-Tage-Arbeitswoche" seinen Arbeitsplatz gleichfalls zweimal in der Woche aufsucht und an drei Tagen Heimarbeit leistet, weil in beiden Fällen idente Aufwendungen vorliegen.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde würde bei Vorliegen mehrerer Dienstverhältnisse überdies zu einer sachlich nicht rechtfertigbaren Vervielfachung des Pauschbetrages führen. Wäre der Dienstnehmer beispielsweise an jedem Tag der Woche bei einem anderen Dienstgeber beschäftigt, stünde das Pauschale (bei angenommen gleicher Entfernung zwischen Wohnung und jeweiliger Arbeitsstätte) fünfmal zu, während bei sonst gleichen Verhältnissen derselbe Arbeitnehmer im Falle eines einziges Dienstverhältnisses das Pauschale nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur einmal in Anspruch nehmen kann.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ändert sich an der Maßgeblichkeit der im Kalendermonat überwiegend vom Wohnort zur Arbeitsstätte (zusätzlich) zurückgelegten Wegstrecke für die Zuerkennung eines (zusätzlichen) Pendlerpauschales in einer bestimmten Höhe auch in den Fällen nichts, in welchen ein Dienstnehmer wie im Beschwerdefall zu mehreren Arbeitsstätten im Rahmen mehrerer Dienstverhältnisse fährt (vgl. die bereits erwähnten Erkenntnisse vom 8. Februar 2007 und vom 22. November 2006).

Indem die belangte Behörde für die Wegstrecken des Mitbeteiligten, welche er im Rahmen seines zweiten Dienstverhältnisses zur Arbeitsstätte in W unbestrittenermaßen nur an zwei Kalendertagen in der Woche und somit nicht überwiegend im Kalendermonat zurückgelegt hat, ein zusätzliches Pendlerpauschale zuerkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 31. März 2011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2007150147.X00

Im RIS seit

26.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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