TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/18 D7 301725-1/2008

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Veröffentlicht am 18.04.2011
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Spruch

D7 301725-1/2008/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.05.2006, Zahl 06 04.947-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, auf Dauer unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer ist am XXXX in Österreich geboren und seine gesetzliche Vertreterin stellte am 08.05.2006 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz für den Beschwerdeführer.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.05.2006, Zahl 06 04.947-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg. cit. nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen.

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.05.2006, Zahl 06 04.947-BAE, zugestellt am 15.05.2006, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 15.05.2005 eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde).

 

I.3. Mit 01.07.2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst und an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt einer Gerichtsabteilung zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

I.4. Gegenständlicher Verwaltungsakt wurde am 27.07.2010 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

Mit Schriftsatz vom 13.04.2011 zog die Mutter des Beschwerdeführers im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 12.05.2006, Zahl 06 04.947-BAE, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 23 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 08.05.2006 gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes den Beschwerdeführer und seine Mutter betreffend und in die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens der Mutter des Beschwerdeführers in Vorlage gebrachten Beweismittel und Dokumente.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Der minderjährige Beschwerdeführer ist der Sohn der Beschwerdeführerin zu D7 266347-0/2008. Er wurde in Österreich geboren und seine Mutter stellte am 08.05.2006 einen Antrag für den Beschwerdeführer. Der minderjährige Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt, die Beziehung der Eltern des Beschwerdeführers zerbrach noch vor seiner Geburt. Die Mutter des Beschwerdeführers schloss während ihres langjährigen Aufenthaltes in Österreich mit einem österreichischen Staatsbürger die Ehe. Die Mutter des Beschwerdeführers hält sich seit knapp sieben Jahren in Österreich auf. Der in Österreich geborene Beschwerdeführer besucht in Österreich den Kindergarten und hat nie in der Ukraine gelebt. Die Mutter des Beschwerdeführers hat sich sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Die Mutter des Beschwerdeführers hat sich als hilfsbereit erwiesen und sich ehrenamtlich als Dolmetscherin engagiert.

 

Im Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers kam der zur Entscheidung berufene Senat des Asylgerichtshofes zu dem Schluss, dass die Ausweisung der Mutter des Beschwerdeführers einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK bedeuten würde, weshalb mit Erkenntnis vom heutigen Tag die Ausweisung der Mutter des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

 

II.4. Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes im Asylverfahren nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Verwandtschaft beruhen auf der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunde und den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers und seiner Mutter in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Beschwerdeführers und seiner Mutter und den im Verfahren seiner Mutter in Vorlage gebrachten Beweismitteln und Dokumenten.

 

II.5.1 Die Mutter des Beschwerdeführers zog mit Schriftsatz vom 13.04.2011 im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 12.05.2006, Zahl 06 04.947-BAE, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden wenn:

 

der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, in der Fassung Erkenntnis VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Betreffend den Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers war Folgendes zu erwägen:

 

Im Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt. Die Ausweisung des Beschwerdeführers würde daher einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben darstellen. Eine Trennung von der Kernfamilie widerspräche den Intentionen des Gesetzgebers und wäre dies ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich geboren und lebt seither in Österreich. Er besucht den Kindergarten. Die Mutter des Beschwerdeführers hat sich sehr gute Deutschkenntnisse angeeignet, sich ehrenamtlich engagiert, einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und erwartet von diesem ein Kind. Die Mutter des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer haben sich nachhaltig in der österreichischen Gesellschaft integriert.

 

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und seiner Mutter und ihr Interesse am Verbleib in Österreich überwiegen nach einem langjährigen Asylverfahren, dessen Dauer dem Beschwerdeführer und seiner Mutter nicht vorgeworfen werden kann, im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Die familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers und seiner Mutter sind nicht nur vorübergehender Natur. Vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der starken Bindung des Beschwerdeführers und seiner Mutter im Bundesgebiet wäre die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung des Beschwerdeführers und seiner Mutter im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit ihres Privat- und Familienlebens aus gegenwärtiger Sicht wie ausgeführt unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären war.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, bestehendes Familienleben, Familieneinheit, Integration, Privatleben
Zuletzt aktualisiert am
27.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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