TE Vfgh Erkenntnis 2011/2/28 B1461/09

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Veröffentlicht am 28.02.2011
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

BDG 1979 §123, §124

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchBeschluss auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens und Anberaumungeiner mündlichen Verhandlung gegen einen Postbeamten wegenDienstpflichtverletzungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist gemäß §17 Abs1 erster Satz und §17 Abs1a Z1 Poststrukturgesetz - PTSG, BGBl. 201/1996 idgF, auf die Dauer seines Dienststandes der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Er wird im Vorverteildienst im Vorsortierzentrum Wien verwendet.

1.1. Mit Beschluss vom 23. April 2009 beschloss die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, gegen den Beschwerdeführer gemäß §123 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 ein Disziplinarverfahren einzuleiten und gemäß §124 BDG 1979 eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, weil der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, näher genannte Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben.

1.2. Mit "Nachtragsverhandlungsbeschluss" vom 15. Juni 2009 beschloss die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen,

"in der Disziplinarsache gegen [den Beschwerdeführer] gem. §123 Abs1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 ein weiteres Disziplinarverfahren einzuleiten, in das bereits anhängige Verfahren einzubeziehen und gem. §124 Abs1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 die mündliche Verhandlung anzuberaumen."

Der Beschwerdeführer werde beschuldigt,

"1. den Dienst am 11.5.2009 statt um 8.00 Uhr erst um

8.20 Uhr und somit verspätet angetreten zu haben,

2. am 12.5.2009 seinen Dienst neuerlich verspätet, nämlich erst um 8.30 statt um 8.00 angetreten zu haben,

3. am 12.5.2009 sich durch die gegenüber seinem Vorgesetzten Distributionsleiter R R auf Vorhalt des neuerlichen Zuspätkommens getätigte Äußerung 'Wenn Herr Dr. H meint, dass ich eine ausreichende Verkehrsverbindung habe, um meinen Dienst antreten zu können, so werde ich ihm das Gegenteil beweisen!' ungebührlich verhalten zu haben und

4. am 18.5.2009 seinen Dienst wiederum verspätet, nämlich erst um 8.10 statt um 8.00 angetreten zu haben.

Durch sein Verhalten habe [der Beschwerdeführer] hinsichtlich Punkt 1, 2 und 4 gegen die Pflicht des Beamten, die im Dienstplan vorgesehenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist (§48 Abs1 BDG 1979) sowie hinsichtlich Punkt 3 gegen die Pflicht des Beamten, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen (§44 Abs1 BDG 1979) verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des §91 leg.cit. schuldig gemacht."

2. Die gegen den unter Pkt. 1.2. genannten Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 15. Juni 2009 vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (in der Folge: Berufungskommission) vom 15. Oktober 2009 abgewiesen.

Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Die dem Einleitungsbeschluss nach §123 BDG zukommende rechtliche Bedeutung ist darin gelegen, den Umfang des von der Disziplinarkommission durchzuführenden Verfahrens zu begrenzen und dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, wodurch er pflichtwidrig gehandelt haben solle.

Beim Verhandlungsbeschluss handelt es sich um eine Entscheidung im Verdachtsbereich; eine endgültige Beurteilung der erhobenen Vorwürfe, die abschließende Würdigung des Sachverhaltes und allfälliger Beweise bzw. eine Auseinandersetzung mit der Schuldfrage ist daher nicht Aufgabe des zum Verhandlungsbeschluss führenden Verfahrens. Die Klärung der Rechts- und Schuldfrage ist vielmehr dem nachfolgenden Disziplinarverfahren vorbehalten (vgl. VwGH 16.6.1992, 92/09/0016; BerK 1.2.2001, GZ 100/9-BK/00). Aus dieser Funktion des Verhandlungsbeschlusses ergibt sich auch die Aufgabe der Berufungskommission. Diese hat sich in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz mit der Sache zu befassen und zu prüfen, ob ausreichende Verdachtsmomente gegen den BW [Berufungswerber] vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Weiters hat die Berufungskommission im Rahmen einer 'Grobprüfung' das Vorliegen von Einstellungsgründen nach §118 Abs1 BDG zu prüfen.

Die Berufungskommission hat also nicht darüber zu entscheiden, ob der BW eine Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat, sondern nur, ob ausreichende Verdachtsmomente oder offenkundige Einstellungsgründe vorliegen. Die Entscheidung darüber, ob der BW die ihm angelastete Dienstpflichtverletzung begangen hat, ist Sache des Verfahrens vor der Disziplinarkommission (vgl. BerK 30.5.2000, GZ 23/8-BK/00; und 1.2.2001, GZ 100/9-BK/00 u.a.).

Voraussetzung für die Fassung eines Verhandlungsbeschlusses ist die soweit ausreichende Klärung des Sachverhaltes, dass aufgrund dieses Sachverhaltes die Anschuldigungspunkte, die unabdingbarer Inhalt des Beschlusses sind und die die Grundlage für die mündliche Verhandlung darstellen, formuliert werden können. Zum notwendigen Inhalt eines Verhandlungsbeschlusses gehört daher die spruchmäßige Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung gesehen wird. Er muss eine so hinreichende Substanziierung enthalten, dass dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigung gebundene - Disziplinarkommission in der Lage ist, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt das herauszufiltern, was als konkrete Verletzung der Dienstpflichten in Betracht kommt (VwGH 19.12.2002, 2002/09/0128; 05.04.1990, 90/09/0001; 27.04.1989, 88/09/0004; BerK 23.04.2002, GZ 27/9-BK/02 u.a.).

Eine weiter darüber hinausgehende Behandlung des Sachverhaltes im Rahmen der einzelnen Anschuldigungspunkte erübrigt sich im Stadium des Verhandlungsbeschlusses, weil damit der Beurteilung im folgenden Disziplinarverfahren vorgegriffen würde und es nicht Aufgabe dieses Beschlusses, sondern des nachfolgenden Disziplinarverfahrens ist, die Rechtsfrage bzw. Schuldfrage zu klären (vgl. VwGH 18.3.1998, 96/09/0145).

Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertig[en].

Die Vorwürfe gegen den BW beziehen sich im vorliegenden Fall darauf, dass dieser an 3 Tagen den Dienst verspätet angetreten hatte und sich darüber hinaus am 12.5.2009 gegenüber seinem Vorgesetzten ungebührlich verhalten hat.

Zur Frage der Rechtfertigung der verspäteten Dienstantritte begründet nunmehr der BW, dass die Verspätungen ohne sein Verschulden aufgrund von Störungen des öffentlichen Verkehrsnetzes zustandegekommen wären. Die Äußerung des BW, er werde dem Distributionsleiter 'beweisen, dass er keine ausreichende Verkehrsverbindung habe', lässt hingegen auch das Verständnis zu, der BW habe diese Verspätung ('aus Beweisgründen') bewusst in Kauf genommen.

Welchen dieser Behauptungen/Begründungen letztendlich mehr Glaubwürdigkeit zukommt, hat nicht die Berufungskommission, sondern die Disziplinarkommission im Rahmen des abzuführenden Disziplinarverfahrens zu klären. Gerade die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dient (u.a.) diesem Zweck. Die Disziplinarkommission hat im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens das Vorliegen der vom BW genannten Verkehrsstörungen bzw die Zumutbarkeit des Einplanens solcher Störungen durch die Wahl früherer Verbindungen zu erheben; davon hängt die Beurteilung des Verhaltens des BW als Dienstpflichtverletzung bzw als entschuldigtes Zuspätkommen ab.

Auch ist das Argument des BW, er würde diskriminiert werden, da bei gleichartigen Verfehlungen anderer Kollegen nicht die gleichen Konsequenzen (sprich Disziplinaranzeigen) gezogen werden würden, nicht zielführend, weil niemand aus einer allenfalls rechtswidrigen Vorgangsweise bzw. Untätigkeit von Vorgesetzten in einem anderen Fall ein Recht auf ebenso rechtswidrige Vorgangsweise bzw. Untätigkeit in seinem Fall ableiten kann. Darüber hinaus ist bei Dienstpflichtverletzungen vom Vorgesetzten jene Maßnahme zu wählen, welche geeignet erscheint, den Mitarbeiter von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Gerade in Anbetracht der 'Vorgeschichte' des BW spricht nichts dagegen, die Nachtrags-Disziplinaranzeige als geeignete Maßnahme anzusehen.

Aus den der Berufungskommission vorliegenden Ergebnissen des Verfahrens ergeben sich jedenfalls hinsichtlich aller Anschuldigungspunkte genug Anhaltspunkte für den Verdacht der Verwirklichung dieser Tatbestände und der daraus resultierenden Dienstpflichtverletzungen.

Die Berufungskommission hat weiters im Rahmen einer Grobprüfung das Vorliegen von Einstellungsgründen nach §118 Abs1 BDG zu prüfen (vgl. BerK 3.5.2000, GZ 23/8-BK/00). Vor dem Hintergrund dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich im vorliegenden Fall nicht das Vorliegen eines solchen Einstellungsgrundes.

Gemäß §124 Abs3 BDG hat der Beschuldigte das Recht, binnen einer Woche nach Zustellung des Verhandlungsbeschlusses ein Mitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Eine Ablehnung des gesamten Senats bzw. eines oder mehrerer Senatsmitglieder in der vom BW geforderten Form ohne namentliche Konkretisierung ist nicht vorgesehen und daher nicht möglich.

Somit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verhandlungsbeschluss gegeben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf "Unterbleiben einer Strafverfolgung (im weiteren Sinne, nämlich in Form einer disziplinarrechtlichen Verfolgung) mangels jeglicher Gesetzesgrundlage (nulla poena sine lege, Art83 Abs2 B-VG, Art7 EMRK)" und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Der Beschwerdeführer bringt dazu im Wesentlichen Folgendes vor:

"I. Inkriminierung einer Äu[ß]erung (Punkt 3 des 'Nachtragsverhandlungsbeschlusses')

Völlig unverständlich ist für mich die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich des Anschuldigungspunktes

3. Die Begründung der belangten Behörde dazu lautet …, die inkriminierte Äu[ß]erung könne auch dahin verstanden werden, ich hätte 'diese Verspätung' (welche?) 'aus Beweisgründen' bewusst in Kauf genommen. Entsprechen[d] der obigen Wiedergabe lautet die inkriminierte Äu[ß]erung, wenn Dr. H meine, dass ich eine ausreichende Verkehrsverbindung habe, um meinen Dienst antreten zu können, so werde ich ihm das Gegenteil beweisen. Zur Herstellung eines abgerundeten Bildes sei das wirkliche Geschehen dargestellt.

Die Äu[ß]erung lautete in Wahrheit, wenn Dr. H meine, ich hätte in den mir angelasteten Fällen den Dienst rechtzeitig antreten können, so werde ich ihm das Gegenteil beweisen. Es versteht sich wohl von selbst, dass ich eine Äu[ß]erung des inkriminierten Wortlautes sinnvollerweise nicht gemacht haben kann, weil sie ja bedeuten würde, ich könnte mit öffentlichen Verkehrsmitteln nie den Dienst antreten. Ich habe die Äu[ß]erung auch weder Dr. H noch irgendeinem anderen Vorgesetzten gegenüber gemacht[,] sondern gesprächsweise zu einem Kollegen, dies wurde offensichtlich mitgehört und daraus die Disziplinaranschuldigung fabriziert.

Völlig unabhängig von diesen Sachverhaltsdetails ist jedoch allein wegen des Inhaltes der Anschuldigung samt des durch sie (unrichtig) unterstellten Wortlautes die Qualifizierung als disziplinarrechtlich tatbestandsmä[ß]ig an sich ausgeschlossen und es kommt auch noch hinzu, dass jede staatliche Verfolgungsma[ß]nahme in Ansehung einer solchen Äu[ß]erung einen Versto[ß] gegen das Recht auf freie Meinungsäu[ß]erung bedeutet.

Die vorerwähnte Argumentation der belangten Behörde ist schon deshalb offenkundig völlig unhaltbar, weil die Anschuldigung laut Spruch des 'Nachtragsverhandlungsbeschlusses' nicht dahin lautet, ich hätte ein vorsätzliches Zuspätkommen zum Ausdruck bringen wollen. In seiner Begründung wird zwar sinngemä[ß] die Möglichkeit einer 'Trotzreaktion' angesprochen, die auf ein 'vorsätzliches Handeln' hinweisen könne, dieses jedoch noch nicht einmal definiert und insbesondere nicht behauptet, dass es dafür einen beweismä[ß]igen Anhaltspunkt gebe.

Es kann denkbarerweise eine Äu[ß]erung nicht schon deshalb als in welcher Beziehung (auf welcher Rechtsgrundlage) immer strafwürdig von Staats wegen verfolgt werden, weil sie auch eine unzulässige Bedeutung haben könnte. Ist eine Äu[ß]erung wie hier dem gewöhnlichen Verständnis nach unbedenklich, so muss sie auch als zulässig angesehen werden. Alles andere würde eine[r] Art umweghafte[r], auf Scheinargumenten beruhende[r] und willkürliche[r] Verfolgung von freien Meinungsäu[ß]erungen die Tür öffnen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich eine Verfolgbarkeit daraus ergeben könnte, dass aus besonderen Umständen darauf zu schlie[ß]en ist, dass die Äu[ß]erung nicht dem gewöhnlichen Verständnis entsprechend[,] sondern im Sinne eines strafwürdigen Inhaltes beabsichtigt war. Hier nämlich ist nicht auch nur ansatzweise eine derartige Situation gegeben oder wirklichkeitskonform unterstellbar. Gegen mich sind Anschuldigungen erhoben worden und auch in der verfälschten Formulierung laut 'Nachtragsverhandlungsbeschluss' bringt die Äu[ß]erung nur eines zum Ausdruck, nämlich die Zielsetzung[,] mich von der Anschuldigung frei zu beweisen. Der dem Wortlaut entsprechende unbedenkliche Sinngehalt stimmt daher auch voll und ganz mit der gegebenen Situation überein und für die Unterstellung irgendeines rechtswidrigen Elementes gibt es keinerlei Grundlage als das abwegige Denkmuster der Beschuldiger. Ich sehe es nach wie vor als im höchsten Maße inakzeptabel an, dass eine derartige Äu[ß]erung zur Grundlage für eine disziplinäre Verfolgung gemacht wird[,] und ganz besonders unerträglich ist es, dass auch noch eine den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Höchstbehörde, wie es die belangte Behörde ist, ihre Zustimmung dazu gibt.

Ich verkenne hiebei selbstverständlich keineswegs, dass die angefochtene Entscheidung keinen Verurteilungscharakter hat, sondern nur Anklagecharakter. Zum rechtstaatlich Fundamentalen gehört jedoch auch, dass Anschuldigungen ganz besonders durch staatliche Organe und im Wege von geregelten rechtlichen Verfahren nur bei Vorliegen ausreichender Gründe zulässig sind. Zu diesen gehört als absolutes Minimum, dass der erhobene Tatvorwurf denkbarerweise rechtlich als verfolgbar eingestuft werden könnte. Das gilt für ein Strafverfahren ebenso … wie für jedes Verwaltungsverfahren und naturgemä[ß] auch für ein Disziplinarverfahren. Schon durch die Verfahrenseinleitung - im weiteren Sinne, hier schon durch die Erstattung der Anzeige - wird der Betroffene in einen Status des Beschuldigten versetzt, sieht sich gefordert, sich zu verteidigen und muss dafür allenfalls Kosten aufwenden. Konkret nach den hier anzuwendenden disziplinarrechtlichen und dienstrechtlichen Bestimmungen … kommen mit dem formellen Einleitungsbeschluss (Beschluss auf Durchführung des Verfahrens) nach §123 BDG 1979 gesetzlich ausdrücklich statuierte Folgen hinzu, wie insbesondere eine Ernennungssperre (§8 Abs3 BDG 1979), die Eröffnung einer Versetzungsmöglichkeit (§38 Abs4 leg.cit.) und Vorrückungshemmung (§140 Abs5 leg.cit. - ich bin Beamter des allgemeinen Verwaltungsdienstes im Dienstklassenschema). Weitere Bestimmungen sind zwar auf mich nicht oder höchstens theoretisch anwendbar, zeigen aber auf Basis einer allgemeinen Betrachtungsweise zusätzlich[,] wie sehr negative Auswirkungen allein schon mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens verbunden sind (siehe etwa §§11, 29, 89 BDG 1979).

Als besonderer Aspekt ist auch noch zu berücksichtigen, dass sich die erstinstanzliche Entscheidung nicht auf die Verfahrenseinleitung (Anordnung der Verfahrensdurchführung) beschränkte, sondern auch schon den Verhandlungsbeschluss inkludierte, wodurch das Erfordernis unmittelbar akut wurde, mich zu verteidigen und mich hiebei auch entsprechender rechtskundlicher Hilfe zu bedienen, mit allen sich daraus puncto Aufwand ergebenden Konsequenzen. Au[ß]erdem ergeben sich daraus erhöhte Anforderungen an Tatbildumschreibung und Begründung (VwGH Zl. 97/09/0365, Zl. 95/095/0003 u.a.).

Aus all diesen Gründen ist es völlig bedeutungslos, dass die angefochtene Entscheidung keinen endgültigen Charakter hat, weil zum einen ungeachtet dessen … wesentliche negative Rechtsfolgen gegeben sind. Zum anderen bedarf es jener näheren Prüfung, die erst als Basis für das Disziplinarerkenntnis erfolgt (in der Disziplinarverhandlung)[,] entgegen den diesbezüglichen Behauptungen der belangten Behörde hier überhaupt nicht, weil aus den dargestellten Gründen die mangelnde Tatbestandsmä[ß]igkeit völlig eindeutig feststeht.

Demgemä[ß] liegt in der getroffenen Entscheidung auch ein Versto[ß] gegen das Verbot nulla poena sine lege, welches einerseits durch Art7 EMRK festgelegt ist und andererseits nach der Judikatur des Hohen [gemeint wohl: Verfassungsrichtshofes] auch in Art83 Abs2 B-VG zum Ausdruck gelangt (VfSlg. 10137 u.a.). Es gibt keine denkbare Interpretation des behördlicherseits ins Treffen geführten §44 BDG 1979 oder irgendeiner andere[n] Norm, welche selbst abgesehen vom Recht auf freie Meinungsäu[ß]erung die disziplinarrechtliche Verfolgung der Anschuldigung laut Punkt 3 des 'Nachtragsverhandlungsbeschlusses' rechtfertigen könnte.

Das Willkürelement liegt hinsichtlich dieses Entscheidungsteiles einerseits ebenfalls in der denkwidrigen Gesetzesanwendung, andererseits aber auch darin, dass die belangte Behörde in ihrer Begründung ohne jeden beweismä[ß]igen Anhaltspunkt - sei es einen solchen, der schon im erstinstanzlichen Akt enthalten gewesen wäre, sei es einen solchen, den sie erst geschaffen hätte - über die erstinstanzliche Entscheidung hinausgehend unterstellt, dass die inkriminierte Äu[ß]erung nicht jenen Inhalt hätte, den sie nach allgemeinem Sprachgebrauch hat[,] sondern einen Inhalt im Sinne eines pflichtwidrigen Verhaltens.

II. Inkriminierte Verspätungen bei Dienstantritt (Punkte 1, 2 und 4 des 'Nachtragsverhandlungsbeschlusses['])

In dieser Beziehung ist zu konzedieren, dass es einen Tatbestand im Sinne eines Ansatzes für eine mögliche Dienstpflichtverletzung gibt. Wenn der Dienst mehrmals verspätet angetreten wird, kann dies eine Dienstpflichtverletzung sein. ISd §91 BDG 1979 ist dies aber nur dann der Fall, wenn ein Verschuldenselement gegeben ist. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium bedeutet das naturgemä[ß] lediglich, dass ein Verdacht in diesem Sinne vorhanden sein muss. Daran fehlt es hier gänzlich.

Der verspätete Dienstantritt für sich allein genommen … ist ein rein objektives Faktum, allenfalls kann ohne Erforschung näherer Umstände grundsätzlich von einer Rechtswidrigkeit einer Verspätung des Beamten ausgegangen werden. Für das Verschulden gilt das aber zweifellos nicht. Dieses setzt voraus, dass eine zumutbare Verhaltensalternative gegeben war, durch welche die Verspätung vermieden worden wäre.

In concreto sind die tatsächlichen Gegebenheiten folgende:

Ich habe einen langen und komplizierten Weg zur Dienststelle mit mehrmaligem Umsteigen bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel (Massenbeförderungsmittel). Dienstbeginn ist um 8.00 Uhr. Meine Einteilung ist so, dass ich regelmä[ß]ig bereits um 7.30 Uhr an der Dienststelle bin. Zu einer Verspätung kommt es daher nur bei ganz au[ß]erordentlichen Ablaufstörungen.

Am 11.5.2009 hat eine solche darin bestanden, dass ein Schnellbahnzug gänzlich ausgefallen ist. Das wurde allerdings nicht sogleich richtig angezeigt, vielmehr wurde zunächst lediglich eine Verspätung angezeigt, die mir immer noch ermöglicht hätte, rechtzeitig bei der Dienststelle einzulangen, weshalb ich auf diesen Zug gewartet habe. Erst nach zirka 20 Minuten ist bekannt gegeben worden, dass der Zug ausfällt, und da der nächste Zug planmä[ß]ig erst eine Stunde später kommen sollte, bin ich auf andere Verkehrsmittel ausgewichen, konnte aber hiebei die Verspätung um 20 Minuten nicht mehr verhindern.

Am 12.5.2009 war eine gleichartige Störung gegeben. Da ich am Vortag mit dem Ausweichen auf andere Verbindungen die Verspätung nicht hatte verhindern könne[n], bin ich an diesem Tag am Schnellbahn-Bahnhof verblieben und habe den nächstkommenden Zug benützt, die Verspätung beim Dienstantritt war aber mit 30 Minuten dann sogar noch etwas grö[ß]er.

Am 18.5.2009 gab es eine baustellenbedingte schwere Störung bei einer der von mir benützten Stra[ß]enbahnlinien. Es waren sechs bis sieben Stra[ß]enbahnzüge aufgestaut, somit eine Verspätung von etwa einer halben Stunde gegeben. Damit konnte ich den günstigen Schnellbahnzug nicht mehr erreichen und bin von vornherein auf Ersatzvarianten ausgewichen, dadurch war es mir immerhin möglich, die Verspätung beim Dienstantritt auf 10 Minuten zu begrenzen.

In allen diesen Fällen habe ich die Verspätungen voll eingearbeitet. Ich habe selbstverständlich dem Vorgesetzten, der mich wegen des Zuspätkommens beanstandete, die Gründe dafür gesagt. Sie waren ohne weiteres sofort durch Anfrage bei den ÖBB bzw. den Wiener Linien nachprüfbar.

Davon ausgehend ist auch hier wesentlich, was oben bereits über die Wirkung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bzw. der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses gesagt wurde. Es ergibt sich daraus, dass solche Entscheidungen nicht deshalb nach Belieben zulässig sind, weil erst im Anschluss die ganz genaue Prüfung des Sachverhaltes durch entsprechende Beweisaufnahme samt darauf beruhender Endentscheidung vorgesehen ist.

Das eingeleitete Disziplinarverfahren ist nicht dazu da, erstmalig zu prüfen, ob ein begründeter (über eine Vermutung hinausgehender) Verdach besteht. Das ist vielmehr vor Einleitung des Verfahrens zu klären und dazu gehört zwingend auch die Klärung der Frage, ob es auch einen Anhaltspunkt dafür gibt, dass nicht nur ein rechtswidriger Tatbestand gegeben ist[,] sondern dass auch ein Verschulden vorliegt - der begründete Verdacht muss sich auch auf ein solches Verschulden erstrecken.

Gerade das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Es ist unzweifelhaft absolut jedermann damit vertraut, dass es in Ansehung welcher Termine auch immer Verspätungen geben kann, die sich aus äu[ß]eren Ereignissen ergeben, ohne dass dem sich Verspätenden auch nur die geringste Schuld angelastet werden kann. Trifft das in Bezug auf das Zuspätkommen zu einem Dienstantritt zu, so liegt damit offensichtlich von vornherein ein Verdacht im Sinne eines disziplinarrechtlichen Versto[ß]es nicht vor.

Dementsprechend ist es unmöglich, das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Verdachtes auf schuldhaftes Handeln zu beantworten, ohne die Gründe für das Zuspätkommen zu kennen. Anders gesagt stellt es ein absolutes Mindesterfordernis dar, den verspätet einlangenden Dienstnehmer die Möglichkeit einzuräumen, die Gründe für das Zuspätkommen anzugeben. Es wird ohnedies in der Regel nicht einmal eine Befragung erforderlich sein, da der Zuspätkommende von sich die Gründe angibt, wenn man ihn auch nur auf sein Zuspätkommen anspricht bzw. zeigt, dass man dieses registriert hat. So war das auch in meinem Fall, von da an jedoch sind die rechtlichen Mindesterfordernisse auf Dienstgeberseite nicht mehr beachtet worden. Der Vorgesetzte hat so getan, als ob ich ihm keinerlei Erklärung gegeben hätte[,] und einfach die Verspätung als Dienstpflichtverletzung gemeldet. Er hat aber immerhin auch nicht behauptet, ich hätte mich grundlos verspätet[,] und damit ist für die verfahrensrechtlich einschreitenden Organe die unerlässliche Verpflichtung entstanden, insoweit nachzufragen. Mag es auch vor Fassung eines Einleitungsbeschlusses nicht geboten sein, dem Beschuldigten Parteiengehör zu gewähren, so muss doch auf irgendeine Weise jenes Mindestma[ß] an Tatbestandsfaktoren abgeklärt werden, ohne welche eine Verschuldensannahme im Verdachtssinne nicht möglich ist.

Die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung enthält kein Wort darüber, ob ich (verschuld[ens]ausschlie[ß]ende) Gründe für mein Zuspätkommen angegeben habe oder nicht bzw. ob ich dazu befragt wurde oder nicht. Es steht daher unwiderleglich fest, dass die erstinstanzliche Behörde ihre Entscheidung getroffen hat, ohne sich nur im [G]eringsten darüber zu kümmern, ob es mir überhaupt faktisch möglich war, den Dienst an den besagten Tagen rechtzeitig anzutreten. Das ist ein Mangel, der von der belangten Behörde als Berufungsbehörde nicht oder jedenfalls nicht ohne Beweisgrundlage bzw. ergänzende Erhebungen behoben werden konnte, sie hat aber auch gar nicht versucht, diesen Mangel zu beheben. Der Erwägungsteil der Begründung des beschwerdegegenständlichen Bescheides … enthält überwiegend … nur Darlegungen einer Rechtslage, die ohnehin vollständig unbestritten ist und die zu den hier relevanten strittigen Themen nichts besagen. Darauf folg[en] die in einem Satz bestehende Wiedergabe der Erwägung der belangten Behörde zur inkriminierten Äu[ß]erung und ein weiterer Absatz mit eher allgemeinen und rechtlichen Ausführungen … . Im darauffolgenden Absatz geht die belangte Behörde auf mein Vorbringen ein, dass andere Beamte wegen des Zuspätkommens nicht belangt wurden (siehe dazu auch unten) und daran schlie[ß]t noch folgender Absatz … an:

'Aus den der Berufungskommission vorliegenden Ergebnissen des Verfahrens ergeben sich jedenfalls hinsichtlich aller Anschuldigungen genug Anhaltspunkte für den Verdacht der Verwirklichung dieser Tatbestände und der daraus resultierenden Dienstpflichtverletzungen.'

Die restlichen Absätze der Bescheidbegründung (insgesamt 10 Zeilen) betreffen eine Grobprüfung, welcher die belangte Behörde angeblich von sich aus den erstinstanzlichen Bescheid unterzogen hat, einen von mir erhobenen Befangenheitseinwand und die Schlussklausel der Begründung.

Damit fehlt gerade zur Frage eines schuldhaften Zuspätkommens jegliche inhaltlich-konkrete Entscheidungsbegründung. Der zuvor vollständig wiedergegebene Absatz der Bescheidbegründung bringt im Gegenteil geradezu zum Ausdruck, dass die belangte Behörde mich keiner solchen inhaltlich-konkreten Begründung zu würdigen gedenkt und ich mich mit ihrer keiner näheren Erläuterung bedürftigen Mitteilung abzufinden habe, dass nach ihrem Dafürhalten die Anschuldigungen gegen mich zu Recht erhoben worden seien. Diese Art einer 'Begründung' einer Entscheidung hat nicht mehr Aussagekraft … als eine gänzliche Beschränkung auf Zitate von Normen und Judikatur bzw. Auslassungen über allgemeine Grundsätze.

Dass auf solche Weise vorgegangen wird, ist für mich nur aus zwei Faktoren erklärbar, nämlich aus dem Bequemlichkeitsfaktor der guten Verwendbarkeit von Textblöcken für alle einschlägigen Entscheidungen und dem vollen Bewusstsein der höchstinstanzlichen Stellung mit so starker Ausprägung, dass die Möglichkeit einer Anrufung des Hohen Verfassungsgerichtshofes dabei schon überhaupt keine ernsthafte Rolle mehr spielt.

Des Näheren sei noch darauf hingewiesen, dass die Formulierung der belangten Behörde … es komme hier (sinngemä[ß]) darauf an, welcher von verschiedenen Behauptungen bzw. Begründungen glaubwürdig ist, völlig am Akteninhalt (wie er insbesondere zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidvorlage und damit, ehe ich überhaupt zu Wort gekommen war) vorbeigeht. Zur Frage der Gründe für mein Zuspätkommen hat es Behauptungen weder in die eine noch in die andere Richtung gegeben, der Vorgesetzte hatte meine ihm gegenüber gemachten Angaben nicht weitergemeldet und ich selbst war nicht befragt worden. Es konnte daher auch nichts abgewogen werden, sondern was geschehen ist[,] war eine beweisgrundlose Verdachtsunterstellung. Ebenso ohne jegliche Beweisgrundlage wurden Folgen aus dem Zuspätkommen behauptet, und unterstellt, andere Bedienstete seien stets rechtzeitig gekommen. Beides ist krass realitätswidrig. Es hat immer wieder Verspätungen von Dienstnehmern gegeben und gibt sie weiterhin, ohne dass deswegen Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Das ist selbstverständlich objektiv nachweisbar und umgekehrt wird der Nachweis gewiss nicht erbracht werden, dass mein Zuspätkommen zu irgendwelchen organisatorischen Änderungen geführt hätte, die zurückgenommen werden hätten müssen. Wenn es dafür aber zumindest doch irgendwelche - sei es auch im Ergebnis nicht tragfähige [-] Verfahrensergebnisse (Beweismittel) gäbe, die wenigstens einen Anschein in dieser Richtung begründen könnten, so könnte auch allenfalls noch von einem entsprechenden Verdachtsmoment gesprochen werden. Wenn und weil es selbst daran gänzlich fehlt, handelt es sich auch diesbezüglich nur um pure Unterstellungen, wie sie in einer rechtsstaatlichen Entscheidung nichts zu suchen haben.

Demgemä[ß] ist in jeder Beziehung Willkür gegeben. Weder die erstinstanzliche noch die belangte Behörde haben das erforderliche Mindestma[ß] am Bemühen um eine objektive[,] auf dem Gesetz und einem konkreten Sachverhalt beruhende Entscheidungsfindung aufgewendet. Erstinstanzlich war der entscheidende Faktor, dass ich mich unliebsam gemacht hatte, und die Behörde zweiter Instanz bringt mit einer Entscheidung der gegenständlichen Art zum Ausdruck, dass sie nicht willens ist, ihre Funktion dahin zu erfüllen, dass auf die erstinstanzlichen Behörden eingewirkt wird, Verfahren nur bei Vorliegen effektiver Verdachtsgründe einzuleiten. Es sei… auch hier und abschlie[ß]end nochmals betont, dass in allen Anschuldigungspunkten betreffend Zuspätkommen zum Dienst die zugrundeliegenden schweren Störungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln mit einem Minimalaufwand und schnellstens geklärt werden hätten können. Dass nicht dies geschah[,] sondern ein relativ umständliches Verwaltungsverfahren (Disziplinarverfahren) initiiert wurde, stellt damit auch einen groben Versto[ß] gegen das Gebot der Vermeidung vermeidbaren Verwaltungsaufwandes dar.

Aus all diesen Gründen werde ich durch den beschwerdegegenständlichen Bescheid in verfassungsgesetzlich geschützten Rechten verletzt."

Die Berufungskommission als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.

II. Rechtslage

Die §§123 und 124 BDG 1979, BGBl. 333, §123 in der Fassung BGBl. I 87/2002, §124 in der Fassung BGBl. I 61/1997, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Einleitung

§123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen den Beschluß, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht einzuleiten oder einzustellen (§118), ist die Berufung an die Berufungskommission zulässig.

(3) Sind in anderen Rechtsvorschriften an die Einleitung des Disziplinarverfahrens Rechtsfolgen geknüpft, so treten diese nur im Falle des Beschlusses der Disziplinarkommission, ein Disziplinarverfahren durchzuführen, und im Falle der (vorläufigen) Suspendierung ein.

Verhandlungsbeschluß und mündliche
Verhandlung

§124. (1) Ist nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat die Disziplinarkommission die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß) und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. …

(2) Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist Berufung an die Berufungskommission zulässig.

(3) Im Verhandlungsbeschluß ist dem Beschuldigten die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben. Der Beschuldigte hat das Recht, binnen einer Woche nach Zustellung des Verhandlungsbeschlusses ein Mitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen. ….

(4) ...

(5) Die mündliche Verhandlung hat mit der Verlesung des Verhandlungsbeschlusses zu beginnen. Sodann ist der Beschuldigte zu vernehmen.

(6) Nach der Vernehmung des Beschuldigten sind die Beweise in der vom Vorsitzenden bestimmten Reihenfolge aufzunehmen. Die Parteien haben das Recht, Beweisanträge zu stellen. ...

(7) ...

(8) ...

(9) Nach Abschluß des Beweisverfahrens ist dem Disziplinaranwalt das Wort zu erteilen. Der Disziplinaranwalt hat hierauf die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen sowie seine Anträge zu stellen und zu begründen.

(10) Nach dem Disziplinaranwalt ist dem Beschuldigten das Wort zu erteilen. Findet der Disziplinaranwalt hierauf etwas zu erwidern, so hat der Beschuldigte jedenfalls das Schlußwort.

(11) Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat sich der Senat zur Beratung zurückzuziehen.

(12) Unmittelbar nach dem Beschluß des Senates ist das Erkenntnis samt den wesentlichen Gründen mündlich zu verkünden.

(13) Über die mündliche Verhandlung ist eine vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigende Verhandlungsschrift aufzunehmen. ….

(14) ...

(15) Über die Beratungen des Senates ist ein Beratungsprotokoll aufzunehmen, das vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigen ist."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (zu den §§123, 124 BDG 1979 vgl. VfSlg. 16.175/2001; zu §123 BDG 1979 ferner VfSlg. 16.269/2001, 17.378/2004) und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor.

Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

Es ist nicht als denkunmöglich zu qualifizieren, wenn die Berufungskommission die Bedeutung des Einleitungsbeschlusses darin erblickt, den Umfang des Disziplinarverfahrens zu begrenzen; dasselbe trifft für die - auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützte - Auffassung der Berufungskommission zu, beim Verhandlungsbeschluss handle es sich um eine "Entscheidung im Verdachtsbereich" und sei die Klärung der Rechts- und Schuldfrage dem nachfolgenden Disziplinarverfahren vorbehalten, weshalb im Verhandlungsbeschluss nur die Tatsachen dargestellt, aber nicht geprüft werden müsse, was als Verletzung von Dienstpflichten in Betracht komme. Es ist daher auch nicht unvertretbar, wenn die Berufungskommission die Klärung der Frage, ob den gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfen oder den von diesem behaupteten Rechtfertigungsgründen mehr Glaubwürdigkeit zukomme, als - in der mündlichen Verhandlung wahrzunehmende - Aufgabe der Disziplinarkommission ansieht.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, es habe "immer wieder Verspätungen von Dienstnehmern gegeben und gibt sie weiterhin, ohne dass deswegen Disziplinarverfahren eingeleitet werden", ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach niemand einen Rechtsanspruch daraus ableiten kann, dass die Behörde in einem anderen Fall möglicherweise zu Unrecht nicht mit gleicher Strenge vorgegangen ist (s. VfSlg. 11.883/1988 und die dort zitierte Vorjudikatur; vgl. weiters zB VfSlg. 13.385/1993, S 278, und 13.856/1994, S 106, wonach es noch kein Indiz für eine willkürliche Vorgangsweise der Behörde ist, wenn sie in einem gleichartigen Fall zu einer anderen Beurteilung gelangte).

2. Die vom Beschwerdeführer weiters behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Meinungsäußerung und des Grundsatzes "nulla poena sine lege" gemäß Art7 EMRK durch den bekämpften Bescheid kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.414/1993 mwN) durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid - wie den hier vorliegenden - in ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht als in das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und in das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht eingegriffen werden kann (vgl. auch VfSlg. 17.376/2004, 18.281/2007, 18.428/2008).

Eine Verletzung des "nulla poena sine lege"-Grundsatzes ist auch deshalb ausgeschlossen, weil Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse keine Entscheidungen über eine strafrechtliche Anklage darstellen (vgl. VfSlg. 17.376/2004 mwN).

3. Damit geht auch das vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf VfSlg. 10.137/1984 erstattete Vorbringen, dass der Grundsatz "nulla poena sine lege … auch in Art83 Abs2 B-VG zum Ausdruck gelangt", ins Leere. Zum einen hat der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis nämlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter für den Fall angenommen, dass die Behörde eine Strafbefugnis in Anspruch nimmt, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt; eine "Strafbefugnis" wird aber durch das Fassen von Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüssen nach dem soeben Gesagten nicht in Anspruch genommen. Zum anderen ist die Behörde bei der Annahme der - gemäß §123 bzw. §124 BDG 1979 - in ihre Zuständigkeit fallenden Prüfung von Verdachtsmomenten nicht willkürlich vorgegangen (vgl. oben Pkt. III.1.; ferner VfSlg. 17.376/2004).

Im Übrigen ist nichts vorgebracht worden und auch sonst nichts hervorgekommen, was den bekämpften Bescheid als gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verstoßend verfassungswidrig machte.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1.1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

1.2. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Einleitungsbeschluss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B1461.2009

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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