TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/04 D9 418196-1/2011

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Veröffentlicht am 04.04.2011
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Spruch

D9 418196-1/2011/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Vorsitzenden und den Richter Mag. STRACKER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. GUGGENBICHLER über die Beschwerde des XXXX,

StA.: Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Februar 2011, Zl. 10 08.788-BAG, in nichtöffentlicher

Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird in Anwendung des § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in Verbindung mit § 61 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. 1. Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 21. September 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Im Zuge der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes legte der Beschwerdeführer einen auf die im Spruch genannten Personalien ausgestellten Inlandspass vor. Befragt zu seinem Reiseweg gab er an, dass er mit seiner Frau und deren Mutter am 14. August 2010 von XXXX in den XXXX gefahren und ca. einen Monat bei seinem Onkel geblieben sei. Am 14. September 2010 seien der Beschwerdeführer und seine Frau von seinem Onkel mit einem Auto nach XXXX gebracht worden und von dort mit dem Zug nach Kiew gereist. Über Uschgorod sei er nach Österreich gelangt. Als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates machte der Beschwerdeführer geltend, dass er sich beim Militäramt in XXXX melden hätte müssen und zehn Tage im Arrest zugebracht habe, im Zuge dessen er geschlagen und misshandelt worden sei. Der Onkel seiner Frau habe eine führende Position im Militär und dafür gesorgt, dass der Beschwerdeführer verhaftet worden sei, nachdem die Familie seiner Frau den Beschwerdeführer abgelehnt habe. Für den Fall seiner Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer, vom Vater seiner Gattin ermordet zu werden.

 

Am 27. September 2010 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde im Zulassungsverfahren einvernommen. Der Beschwerdeführer schilderte seinen Reiseweg und führte aus, dass er am XXXX mit seiner Frau die islamische Ehe geschlossen habe, was am XXXX offiziell verkündet worden sei. Bei der standesamtlichen Eheschließung sei er nicht zugegen gewesen, dies hätten seine Schwiegermutter und deren Mann erledigt. Die Eintragung der Eheschließung im Inlandspass habe auch seine Schwiegermutter veranlasst.

 

Am 19. Jänner 2011 erfolgte nach Zulassung des Verfahrens eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen. Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Eltern seiner nunmehrigen Ehefrau gegen die Eheschließung gewesen seien. Zwischen der Familie des Beschwerdeführers und jener seiner Frau habe es "Stammesprobleme von früher" gegeben. Die Familie seiner Frau habe die Familie des Beschwerdeführers gehasst. Der Beschwerdeführer sei am 8. März mit seiner Frau zu seiner Schwiegermutter nach XXXX gereist. Zwei Tage später seien seine Eltern nachgekommen und der Beschwerdeführer habe mit seiner Frau die islamische Ehe geschlossen. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes nach Vermittlung des Mannes seiner Schwiegermutter Arbeit am Bau gehabt und Geld verdient. Nach eineinhalb Monaten habe die Familie seiner Frau von ihrem dortigen Aufenthalt erfahren. Der Onkel des Vaters der Beschwerdeführerin sei XXXX. Nachdem ihr Aufenthalt bekannt geworden sei, seien der Vater und der Onkel der Ehegattin des Beschwerdeführers und weitere Personen gekommen und hätten die Schwiegermutter des Beschwerdeführers geohrfeigt und seine Frau geschlagen. Die Männer hätten die Ehefrau des Beschwerdeführers gewaltsam mitgenommen. Nachdem der Beschwerdeführer von seiner Schwiegermutter davon informiert worden sei, sei er sofort von der Arbeit weggegangen und am nächsten Morgen nach Hause zurückgefahren. Der Beschwerdeführer habe Vorladungen zur Armee erhalten. Zu seiner Frau habe er keinen Kontakt gehabt, von deren Vater sei er mit dem Umbringen bedroht worden. Der Beschwerdeführer habe mit Freunden vergebens vor dem Haus seiner Frau ausgeharrt, um sie zu sehen. Der Beschwerdeführer sei zur Armee einberufen worden. Es hätten ständig Anwesenheitskontrollen bei ihm zu Hause stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei einmal abgeholt und zum XXXX Bataillon verbracht worden. Dort habe man ihn zehn Tage lang angehalten, gefesselt und verprügelt. Der Beschwerdeführer habe eine Narbe am Auge davongetragen. Im Zuge der Freilassung sei ein Stempel in seinem Pass angebracht worden. Der Beschwerdeführer hätte glaublich am 15. Juli einrücken müssen. Der Beschwerdeführer hätte damit von seiner Frau ferngehalten werden sollen. Nach seiner Freilassung habe ihn seine Frau telefonisch über ihre Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt, welche er ihr zu verheimlichen geraten habe. Die Stiefmutter der Ehegattin des Beschwerdeführers habe aber von der Schwangerschaft erfahren und ihrem Mann, dem Schwiegervater des Beschwerdeführers, erzählt. Die Frau des Beschwerdeführers habe ihm am Telefon mitgeteilt, dass ihre Familie das Kind umbringen wolle, weshalb sie besser fliehen sollten. Der Beschwerdeführer und seine Frau seien dann in den Bezirk XXXX zu seinem Onkel, ca. 150 km weit weg, gefahren, wo sie ca. einen Monat zugebracht hätten. Der Onkel des Beschwerdeführers habe ihn noch einmal nach XXXX zu seinen Eltern gebracht, damit er sich von diesen verabschieden könne. Der Beschwerdeführer führte weiter aus, dass er schon zum Militär gehen würde, allerdings gebe es in Tschetschenien einen Krieg gegen die eigenen Leute, woran sich der Beschwerdeführer nicht beteiligen wolle. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht genau erinnere, wann er die Einberufung zum Militär erhalten habe und verwies auf die Vorladungen. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er zwei oder drei Ladungen einfach weggeworfen habe, weshalb man ihn abgeholt habe. Der Beschwerdeführer habe in einem Zeitraum von drei Monaten vier Vorladungen bekommen. Nachgefragt, inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Einberufung und den Problemen mit seiner Frau bestehe, führte der Beschwerdeführer aus, dass er davor keine Ladung bekommen habe. Es hätten nicht alle jungen Männer Ladungen bekommen; der Beschwerdeführer, der nicht die Mindestgröße von 1,80m aufweise, sei hingegen einberufen worden. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er beim XXXX Bataillon angehalten worden sei. Es sei wie im Gefängnis gewesen, er habe sich in einem leeren Raum mit Gittern befunden. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er seine Frau auf der Flucht zu seinem Onkel davon berichtet habe. Der Beschwerdeführer sei vom Onkel seiner Frau geschlagen worden. Seine Frau habe ihm aber mitgeteilt, dass sie ohnehin schon darüber Bescheid wisse, weil zu Hause darüber gesprochen worden sei. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er seiner Ehefrau mitgeteilt habe, dass er von ihrem Onkel mitgenommen worden sei und man ihn zehn Tage hungern habe lassen. Nach Vorhalt der Angaben seiner Ehefrau, wonach ihr der Beschwerdeführer erst in Österreich davon Mitteilung gemacht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Ehefrau nichts von seiner zehntägigen Anhaltung, sondern nur davon, dass er verprügelt worden sei, gewusst habe. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Frau nichts von seiner Verletzung über dem linken Auge wisse, er habe behauptet, sich an einem Auto verletzt zu haben. Er habe seiner Frau nicht die Wahrheit gesagt, um sie nicht aufzuregen. Nach Vorhalt, dass seine Frau von Narben am Arm und an den Fingern, die er von der Anhaltung davongetragen habe, berichtet habe, gab der Beschwerdeführer an, diese Verletzungen im Zuge eines Arbeitsunfalls vor drei oder vier Jahren erlitten zu haben. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er mit einem Gewehrkolben geschlagen worden sei und dadurch die Verletzung am Auge erlitten habe. Nach seiner Entlassung sei er sofort ins Krankenhaus gegangen und sei sieben Tage dort geblieben, da er eine schwere Verkühlung gehabt habe und nicht gerade gehen habe können. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er gleich nach der Freilassung, am 10. oder 11. Juli, ins Spital gekommen sei. Er sei fünf Tage im Krankenhaus gewesen und danach zu Hause mit verschriebenen Medikamenten fünf bis sieben Tage weiterbehandelt worden. Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, dass er am 15. des Monats Juli oder August zur Armee gehen hätte müssen. Der Beschwerdeführer habe sich mit seinem 20. Geburtstag einen neuen Pass ausstellen lassen müssen. Probleme habe es im Zuge der Ausstellung des Passes keine gegeben. Nach Vorhalt der Zeitangaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Anhaltung und zum Spitalsaufenthalt, die mit einer Ausstellung des Passes am 13. Juli 2010, welche er selber vornehmen habe lassen, nicht in Einklang zu bringen seien, gab der Beschwerdeführer an, dass er im Juni mitgenommen worden sein müsse, er könne sich an die Daten nicht erinnern. Der Beschwerdeführer bejahte, alle Fluchtgründe genannt zu haben. Der Beschwerdeführer gab an, dass ihn der Vater und die restlichen Verwandten seiner Frau nicht am Leben lassen würden. Der Beschwerdeführer gab außerdem an, zu seinem in Österreich befindlichen Onkel eine normale Beziehung zu haben. Es bestehe keine finanzielle Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer habe sich in einem Judoverein angemeldet und wolle ab April einen Deutschkurs besuchen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 21. September 2010 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

I. 2. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 15. Februar 2011 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde am 23. Februar 2011 die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben. In der Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass das Bundesasylamt die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes und zur Wahrung des Parteiengehörs missachtet habe. Der Beschwerdeführer verwies auf seine bisher gemachten Angaben und die Beschwerde seiner Ehefrau. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er wegen seiner Eheschließung im Juli 2010 angehalten worden sei. Es gebe eine allgemeine Wehrpflicht, im Fall des Beschwerdeführers sei es allerdings wegen des Onkels seiner Frau zu einer gewaltsamen Anhaltung gekommen. Der Beschwerdeführer sei seiner Wehrpflicht nicht nachgekommen, um nicht gegen sein eigenes Volk kämpfen zu müssen. Um einen Ersatzdienst habe er sich nicht bemüht, dies sei in der Praxis keine adäquate Alternative. Der Beschwerdeführer kündigte die Vorlage von Beweismitteln für die gegen ihn getätigten Gewaltanwendungen an. Der Beschwerdeführer führte zur allgemeinen Sicherheitslage aus, dass Gewalt und illegales Vorgehen von Seiten der Behörden keine Seltenheit in Tschetschenien seien und es Morde und spurloses Verschwinden von Menschen gebe und verwies auf die von der belangten Behörde herangezogenen Berichte. Der Beschwerdeführer gab an, dass er im Falle einer Rückkehr Verfolgungshandlungen seitens der Verwandten seiner Ehefrau ausgesetzt sein würde. Der Vater und der Onkel seiner Frau seien mächtige Personen. Der Beschwerdeführer sei einer Verfolgungsgefahr wegen seiner Heirat ausgesetzt, welche unter Art. 9 Abs. 2 der StatusRL zu subsumieren sei. Die Verfolgungshandlungen würden vom Onkel und Vater seiner Frau, welche mit Kadyrow zusammenarbeiten würden, und damit von staatlicher Seite ausgehen. Der Beschwerdeführer könne keinen staatlichen Schutz erwarten. Die Ehefrau und das Kind des Beschwerdeführers seien auch nicht sicher vor Gewalt und Angriffen gegen Leib und Leben. Die Ausweisung der Familie würde daher gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Die Ausweisung des Beschwerdeführers verstoße gegen Art. 8 EMRK, die Interessenabwägung hätte zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen müssen. In Österreich würden die Tante und der Onkel des Beschwerdeführers jeweils mit Familie leben. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz, in eventu die ersatzlose Behebung des Spruchpunktes betreffend die Ausweisung oder die Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz.

 

Mit Beschwerdeergänzung vom 24. Februar 2011 brachte der Beschwerdeführer einen psychiatrischen Befund, ausgestellt von Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, OMEGA, Verein für Opfer von Gewalt & Menschenrechtsverletzungen, am 24. Februar 2011. Demnach leidet der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einem Zustand nach Schulterverletzung rechts und Gastritis. Der Beschwerdeführer erhalte pflanzliche Beruhigungsmittel und ein namentlich nicht genanntes Medikament gegen Gastritis. Die Verhandlungsfähigkeit sei in vollem Umfang erhalten.

 

Die Beschwerde vom 23. Februar 2011 langte am 11. März 2011 beim Asylgerichtshof ein und wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren in Anwendung der Geschäftsverteilung dem nunmehr vorsitzenden Richter zugeteilt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und den im Verfahren vor dem Bundesasylamt herangezogenen Hintergrundberichten zur aktuellen und für dieses Verfahren relevanten Lage in der Russischen Föderation wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Seine Identität steht fest. Er befindet sich seit 21. September 2010 in Österreich.

 

Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit in seinem Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt und droht eine solche auch im Falle einer allfälligen Rückkehr nicht. Ihm droht zum Entscheidungszeitpunkt in seinem Herkunftsstaat auch weder eine unmenschliche Behandlung oder unverhältnismäßige Strafe noch die Todesstrafe bzw. eine sonstige individuelle Gefahr.

 

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und nimmt pflanzliche Beruhigungsmittel ein. Er leidet an Gastritis, welche medikamentös behandelt wird. Der Beschwerdeführer leidet damit an keiner Erkrankung, die einer Rückführung entgegensteht. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er befindet sich seit rund einem halben Jahr mit seiner Familie in Österreich. Seine weiteren Angehörigen befinden sich nach wie vor in der Russischen Föderation. Er verfügt über keine hinreichend intensiven sozialen oder wirtschaftlichen Bindungen in bzw. zu Österreich. Zu seinen in Österreich befindlichen Verwandten besteht kein wie immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis.

 

In der Russischen Föderation besteht die Möglichkeit psychische Erkrankungen - unter anderem auch schwere und chronische posttraumatische Belastungsstörungen - zu behandeln bzw. therapieren zu lassen.

 

Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation wird unter Heranziehung der Feststellungen des Bundesasylamtes Folgendes festgehalten:

 

Politik/Wahlen

 

Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Föderationssubjekte der Russischen Föderation. Ihre historisch verwurzelten Unabhängigkeitsbestrebungen führten in jüngster Geschichte zu zwei Kriegen mit dem föderalen Zentrum Russland. Nach dem Kollaps der Sowjetunion rief der kurz zuvor gewählte Präsident Dschochar Dudajew 1991 die Unabhängigkeit Tschetscheniens aus. 1994 entsandte Russland Kräfte zur Zerschlagung der Unabhängigkeitsbewegung, der erste Tschetschenienkrieg begann. Dieser endete 1996 mit einem Waffenstillstandsabkommen, und einer de facto Unabhängigkeit der Teilrepublik unter Präsident Aslan Maschadow. Im Dezember 1999 begann vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Situation in und um Tschetschenien mit dem erneuten Einmarsch russischer Truppen der zweite Tschetschenienkrieg. Im Jahr 2000 wurde Achmad Kadyrow zum Chef der russischen Verwaltungsbehörde der Republik ernannt. Eine neue, nach einem Referendum im März 2003 verabschiedete Verfassung gesteht Tschetschenien mehr Autonomie zu, die Stellung der Republik als integraler Teil Russlands wurde jedoch ausdrücklich betont. Achmad Kadyrow wurde zum Präsidenten gewählt, im Jahr darauf wurde er durch einen Bombenanschlag ermordet.

 

2006 wurde sein Sohn Ramsan Kadyrow zum Premierminister, 2007 per Dekret zum Präsidenten Republik Tschetschenien ernannt.

 

Zwischen 2005 und 2007 wurden einige hochrangige Rebellenführer, wie Aslan Maschadow, Abdul Halim Sadullajew und Schamil Bassajew zum Teil unter Mitwirken russischer Kräfte getötet.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010 / BBC News: Regions and territories: Chechnya, Stand 09.10.2010, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/2565049.stm, Zugriff 07.12.2010 / CIA World Factbook: Russia, Stand 24.11.2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 07.12.2010)

 

Seit Anfang September 2010 nennt sich Ramsan Kadyrow nicht mehr "Präsident", sondern "Oberhaupt" der Republik Tschetschenien.

 

(Quelle: Ria Novosti: Kadyrow ist kein Präsident mehr, 02.09.2010, http://de.rian.ru/politics/20100902/257211253.html, Zugriff 09.12.2010)

 

Das tschetschenische Parlament hatte sich im Juni 2008 selbst aufgelöst. Bei den darauffolgenden Parlamentswahlen im Oktober 2008 traten sieben Parteien an, 589.687 Wähler waren registriert. Die Kreml-Partei "Einiges Russland" erhielt rund 85% der Wählerstimmen. Die Wahlbeteiligung lag Kadyrow zufolge bei beinahe 100%.

 

(Quelle: Radio Free Europe/Radio Liberty: Chechnya Prepares For Pre-Term, And Pre-Determined, Parliamentary Elections, 11.10.2009, http://www.rferl.org/Content/Chechnya_Prepares_ For_PreTerm_And_PreDetermined_Parliamentary_Elections/1328987.html, Zugriff 09.12.2010 / Ria Novosti: Kremlin-backed party leads in local polls - preliminary results, 13.10.2008, http://en.rian.ru/russia/20081013/117699476.html, Zugriff 09.12.2010)

 

Am 11.10.2009 fanden in Russland Kommunalwahlen statt. Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat russlandweit klar gewonnen, die Opposition beklagte massive Wahlfälschungen und Behinderungen. Erstmals seit Zusammenbruch der Sowjetunion fanden auch in Tschetschenien Kommunalwahlen statt, die Wahlen verliefen friedlich. In Grosny wurde der amtierende Bürgermeister Muslim Chutschijew mit 87% der Wählerstimmen wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung soll in der Hauptstadt bei 91,48% gelegen haben, in Tschetschenien insgesamt bei 86%. Einer Korrespondentin von Gazeta.ru zufolge, die als Wahlbeobachterin für die Kommunistische Partei in Grosny tätig war, ist die tatsächliche Wahlbeteiligung in ihrem Wahllokal erheblich unter den offiziellen Angaben gelegen.

 

(Quelle: The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor Volume 6 - Issue 187, 13.10.2009 / Die Presse: Russland Regierungspartei dominiert Regionalwahlen, 12.10.2009, http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/514362/index.do?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do, Zugriff 09.12.2010)

 

Im Jänner 2010 wurde Tschetschenien mit fünf Republiken des Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Nordossetien-Alanien, Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien) und dem Gebiet Stawropol aus dem Föderationskreis Südrussland herausgelöst und administrativ in einer kleineren Einheit, dem Föderationskreis Nordkaukasus, zusammengefasst. Zum präsidentiellen Gesandten wurde Alexandr Chloponin ernannt.

 

(Quelle: RFE/RL: Chechen Legislators Target Federal Envoy, 02.04.2010,

http://www.rferl.org/content/Chechen_Legislators_Target_Federal_Envoy/2001071.html, Zugriff 09.12.2010 / The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor Volume 7 - Issue 68, 08.04.2010)

 

In Tschetschenien hat Präsident Ramsan Kadyrow ein repressives, stark auf seine Person zugeschnittenes Regime etabliert. Betätigungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft sind auf ein Minimum reduziert. Trotz deutlicher Wiederaufbauerfolge ist die ökonomische Lage in Tschetschenien desolat, es gibt wenig Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des staatlichen Sektors.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Der Personenkult um Ramsan Kadyrow breitete sich in den letzten Jahren immer mehr aus. Seine Portraits und Transparente hängen in nahezu allen Straßen Tschetscheniens, Fanclubs wurden gegründet, es gibt zahlreiche Filme und Sendungen über ihn.

 

(Quelle: The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly, Volume X - Issue 10, 13.03.2009)

 

Konflikt und allgemeine Sicherheitslage

 

Präsident Medwedew erklärte am 16. April 2009 den seit zehn Jahren andauernden "Antiterrorkampf" in Tschetschenien offiziell für beendet. Seit der Regierung und Präsidentschaft Ramsan Kadyrows sind erhebliche Zeichen der Normalisierung festzustellen, jedoch finden noch weiterhin kleinere Kämpfe zwischen Rebellen und regionalen sowie föderalen Sicherheitskräften statt. Bei den aktiven Rebellen haben islamistische Kräfte die Oberhand gewonnen, die die Errichtung eines "Kaukasischen Emirates" im gesamten Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo-Tscherkessien, Gebiet Stawropol) anstreben und ihre Aktivitäten immer mehr in die Nachbarrepubliken, insbesondere Inguschetien und Dagestan, verlagert haben. Eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist noch nicht eingetreten. Im August und September 2009 kam es zu zwei Selbstmordanschlägen in Grozny. Seit 1999 forderte der Konflikt erhebliche Opfer: u. a. 10.000 - 20.000 getötete Zivilisten (belastbare Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial"), 5.000 bis 7.000 getötete und ca. 18.000 verletzte Angehörige der Sicherheitskräfte (Zahlen des Verteidigungsministeriums, die teilweise widersprüchlich sind).

 

Nach zwei Jahren mit deutlichen Fortschritten sowohl bei der Sicherheits- als auch bei der Menschenrechtslage hat sich die Situation in beiden Bereichen in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt wieder verschlechtert. Berichtet wird von verstärktem Zulauf zu den in der Republik aktiven Rebellengruppen und erhöhter Anschlagstätigkeit (im gesamten Nordkaukasus soll es nach Angaben des FSB 600 - 700 aktive Rebellen geben). Nach glaubhaften Angaben von Menschenrechts-NRO haben die Behörden in einigen Fällen mit dem Abbrennen der Wohnhäuser der Familien von Personen, die sich den Rebellen angeschlossen haben, reagiert. Wieder angestiegen sind auch die Entführungszahlen: Memorial hat für die erste Jahreshälfte 2009 74 Entführungsfälle registriert (Gesamtjahr 2008: 42). Die Entführungen werden größtenteils den (v.a. republikinternen) Sicherheitskräften zugeschrieben. Weiterhin werden zahlreiche Fälle von Folter gemeldet. Unter Anwendung von Folter erlangte Geständnisse werden nach belastbaren Erkenntnissen von Memorial - auch außerhalb Tschetscheniens - regelmäßig in Gerichtsverfahren als Grundlage von Verurteilungen genutzt.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Die für eine Einschätzung der Situation bedeutsamen Entwicklungen in Tschetschenien betreffen vor allem den signifikanten Rückgang militärischer Aktivitäten, sowohl was deren Intensität als auch deren Umfang betrifft, sowie die allgemeine Verbesserung der Sicherheitslage. Groß angelegte Militäraktionen wurden tatsächlich beendet, die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen ist über die Jahre hinweg deutlich gesunken, und der allgemeine Umfang sowie die Intensität des Konfliktes sind rückläufig.

 

Dieser Umstand ermöglichte den teilweisen Rückzug russischer Truppen aus Tschetschenien. Die fortgesetzten Kämpfe beschränken sich hauptsächlich auf die spärlich bevölkerte Bergregion im Süden Tschetscheniens und können nicht mehr als wahllos bezeichnet werden. Die noch stattfindenden militärischen Aktivitäten führen zu keiner Vertreibung der Zivilbevölkerung. Die Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage verbunden mit den bereits erfolgten und laufenden föderalen und lokalen Wiederaufbauprogrammen ermöglichte die Rückkehr Binnenvertriebener in ihre Häuser. Auch wenn die Zahl der Binnenvertriebenen nach wie vor sehr hoch ist (79.000), schätzt UNHCR, dass seit dem Jahr 2002 Zehntausende nach Hause zurückkehren konnten.

 

(Quelle: UNHCR: Hinweise des UNHCR zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Asylsuchenden aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien, 07.04.2009)

 

Einer Aussage des stellvertretenden Generalstaatsanwaltes des Föderationskreises Nordkaukasus, Iwan Sydoruk, im Oktober 2010 zufolge sind 2010 254 der insgesamt 352 extremistischen Verbrechen im Nordkaukasus in Tschetschenien begangen worden. Dies widerspricht Behauptungen von Republikschef Ramsan Kadyrow oder Premierminister Wladimir Putin. Obwohl es im August 2010 zu einem Rebellenangriff auf Kadyrows Heimatort Zenteroi, im Oktober 2010 zu einem Rebellenangriff auf das tschetschenische Parlament, sowie zu zahlreichen kleineren Anschlägen kam, gibt die tschetschenische Polizei an, dass es 2010 zu keinen Terrorakten in Tschetschenien gekommen sei.

 

(Quelle: The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 219, 08.12.2010 / The Moscow Times: Chechnya Is More Violent Than Reported, 29.10.2010, http://www.themoscowtimes.com/columns//article/chechnya-is-more-violent-than-reported/421363.html, Zugriff 09.12.2010)

 

Die Sicherheitslage im gesamten Nordkaukasus hat sich über den Sommer 2009 verschlechtert, darunter auch in Tschetschenien. In Tschetschenien kam es zu einem Anstieg an Selbstmordattentaten, die sich primär gegen staatliche Einrichtungen und deren Vertreter richteten. Auch gemäßigte islamische Würdenträger werden gezielt Opfer von Mordanschlägen. Inwieweit die derzeitige Widerstandsbewegung von der lokalen Bevölkerung unterstützt wird kann nicht gesagt werden.

 

(Quelle: The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 6, Issue 204, 05.11.2009 / NZZ: Der Nordkaukasus driftet von Moskau weg, 28.9.2009;

http://www.nzz.ch/nachrichten/international/der_nordkaukasus_driftet_von_moskau_weg_1.3692101.html?printview=true, Zugriff 09.12.2010)

 

Entführungen laut Memorial: 2005: 325; 2006: 187; 2007: 35; 2008:

42; 2009:93. Die NRO weist bei diesen Zahlen darauf hin, dass sie lediglich rund ein Drittel des tschetschenischen Territoriums beobachtet.

 

(Quelle: Länderanalysen.de: Russian Analytical Digest 70/09 - Chechnya After the Cancellation of Counter-Terrorist Operations, 21.12.2009 / Memorial Human Rights Center: Entführungen, spurloses Verschwinden, Tschetschenen im Strafvollzug, sabotierte Verbrechensaufklärung, die Wohnsituation der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, 2010)

 

Die Anzahl an extralegalen Tötungen und Fällen von Verschwundenen stieg 2009 merklich an, ebenso wie die Anzahl an Angriffen auf Exekutivbedienstete. Die Anzahl an durch Rebellen getötete Zivilisten und Soldaten stieg 2009 an. Trotz des Endes der ATO kam es über den Sommer 2009 zu einem Anstieg an Gewalt. Sowohl föderale Kräfte als auch ihre Opponenten verwenden weiterhin Antipersonenminen. Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando Ramsan Kadyrows spielten eine zunehmende Rolle bei Entführungen, zum Teil in gemeinsamen Operationen mit den föderalen Kräften. Die Sicherheitskräfte sind Menschenrechtsorganisationen zufolge auch in Fälle von "Verschwinden" involviert.

 

(Quelle: U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 - Russia, 11.03.2010)

 

Im September 2008 begannen Menschenrechtsorganisationen und internationale Medien über eine Brandstiftungs-Kampagne der tschetschenischen Regierung in einigen Dörfern, um die Familien vermeintlicher Rebellen zu bestrafen. In vielen Fällen wurde erklärt, dass die Heime zur Bestrafung zerstört worden wären. Ramsan Kadyrow und der Bürgermeister von Grosny, Muslim Chutschijew sprachen explizit Drohungen aus. 2009 gab es zahlreiche Berichte über solche Fälle von Brandstiftung, jedoch ist über deren Ausmaß nichts Genaues bekannt.

 

Föderale und lokale Sicherheitskräfte, sowie die Privatmiliz von Ramsan Kadyrow, setzten Familien vermeintlicher Rebellen Repressalien aus, und begingen auch andere Missbräuche. Föderale und tschetschenische Kräfte waren Berichten zufolge in die Entführung von Verwandten von Rebellen involviert.

 

(Quelle: U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 - Russia, 11.03.2010 / Caucasian Knot: Week in the Caucasus: review of main events of April 5-11, 12.04.2010, http://chechnya.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/13071/, Zugriff 09.12.2010 / Human Rights Watch: What Your Children Do Will Touch Upon You, Juli 2009 / BBC News: Chechen Problem Far from Over, 16.04.2009, http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7974652.stm, Zugriff 09.12.2010 / Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor Volume 6, Issue 191, 19.10.2009)

 

Zwischen Juli 2008 und Juli 2009 kam es zu rund 30 Fällen von Haus-Niederbrennungen, vermutlich durch tschetschenische Exekutivbehörden. Für gewöhnlich handelt es sich um Familien, deren Söhne oder Neffen vermeintlich in der Rebellenbewegung aktiv sind. Vor der Brandstiftung wurden die Familien meist von Behörden oder der Exekutive unter Druck gesetzt und bedroht, um ihre Familienangehörigen zur Aufgabe zu überreden. Bislang wurde niemand für die Brandstiftungen zur Rechenschaft gezogen. Seit Sommer 2009 erhielt Human Rights Watch weitere Berichte über Haus-Niederbrennungen, zuletzt im März 2010 in Schali.

 

(Quelle: Human Rights Watch: Human Rights in Russia Hearing May 6, 2010, 06.05.2010)

 

Memorial berichtet regelmäßig über Fälle, in denen Eltern und Verwandte vermeintlicher Rebellen in Tschetschenien ungesetzlich festgenommen würden, und von Sicherheitskräften bedroht und dazu angehalten, ihre Kinder zu einer Heimkehr zu bewegen, bzw. ihre Unterstützung für die Rebellenbewegung zuzugeben.

 

(Quelle: Caucasian Knot: HRC "Memorial": Chechen power agents use militants' relatives as "live shield", 09.09.2010, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/14373/, Zugriff 15.12.2010 / Caucasian Knot: Power agents forced resident of Chechnya to confess of links with liquidated militant, rights defenders say, 27.08.2010, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/14267/, Zugriff 15.12.2010)

 

In den ersten sechs Monaten 2010 wurden in Tschetschenien über 100 Personen festgenommen, die wegen der Mithilfe der Extremisten angeklagt werden.

 

(Quelle: Ria Novosti: Kämpfe im Kaukasus: Putin bietet Terroristen Amnestie an - "Nesawissimaja Gaseta", 15.07.2010, http://de.rian.ru/safety/20100715/127115044.html, Zugriff 09.12.2010)

 

Es gibt Fälle, in denen Familienmitglieder erfolgreich in andere Teile der Russischen Föderation zogen. Eine besondere Bedrohung gilt des Weiteren für Personen, die durch Opposition zur Regierung von Kadyrow die Aufmerksamkeit der lokalen Behörden auf sich ziehen.

 

Ehemalige Kämpfer und deren Familienmitglieder sind im Allgemeinen nicht einer besonderen Bedrohung ausgesetzt, vor allem weil ein überwiegender Teil von ihnen heute für Kadyrow arbeitet. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Personen die Rebellen während des ersten Tschetschenienkrieges nicht-militärisch/logistisch unterstützt haben verfolgt werden. Bei Personen, die die Rebellen während des zweiten Krieges oder aktuell unterstützt haben, könnte es sein, dass sie in einer gefährdeten Lage sind. Dies müsste im Einzelfall untersucht werden.

 

(Quelle: Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009 / Dr. Mikhail Roshchin - Institute for Eastern Studies, Vortrag für AsylGH am BMI, 26.03.2009)

 

Personen, die eine Klage beim EGMR in Strassburg eingebracht haben, können in Gefahr sein, viele der Personen leben aber trotz einer eingebrachten Klage unbehelligt in Tschetschenien oder anderen Teilen Russlands.

 

Der Moskau Helsinki Gruppe zufolge könne auch Muslime, die für Wahhabiten gehalten werden oder solche sind, gefährdet sein. Zudem geht die Gruppe davon aus, dass jene Personen, die Probleme mit Kadyrov haben, auch in anderen Teilen der Russischen Föderation gefährdet sind.

 

(Quelle: Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009)

 

Menschenrechtsaktivisten, die sich aktiv mit vergangenen und aktuellen Problemen in Tschetschenien auseinandersetzen bzw. diese aufzeigen zu versuchen, sind ebenfalls einer Bedrohung ausgesetzt. Es kam in den letzten Jahren zu mehreren Todesfällen.

 

(Quelle: UNHCR: Hinweise des UNHCR zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Asylsuchenden aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien, 07.04.2009 / Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009 / Amnesty International: Rule without law:

Human rights violations in the North Caucasus, 30.06.2009 / U.S.

Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 - Russia, 11.03.2010)

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in den Jahren seit 2007 deutlich verbessert. Einige Indizien hierfür liefern die offiziellen, belastbaren Statistiken: Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Das laufende föderale Hilfsprogramm zum Aufbau Tschetscheniens sieht 111 Mrd. Rubel (2,5 Mrd. ¿) für die Jahre 2008-2011 vor. Damit sind die Staatsausgaben in Tschetschenien pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des Südlichen Föderalen Bezirks.

 

Wichtigstes soziales Problem ist die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN waren 2008 ca. 80% der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügen über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (in Höhe von 2,25 USD/Tag). Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industrie überwiegend zerstört ist. Minen verhindern die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Geld wird mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient; zahlreiche Familien leben von Geldern, die ein Ernährer aus dem Ausland schickt.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Im Jänner 2010 galten 43% der tschetschenischen Bevölkerung nach Definition der ILO als arbeitslos.

 

(Quelle: Universität Bremen - Forschungsstelle Osteuropa: Russlandanalysen Nr. 200, 07.05.2010)

 

Die Methoden der Russischen Föderation, die Arbeitslosigkeit zu berechnen, entsprechen nicht den Standards der ILO. In Russland werden nur offiziell gemeldete Personen auch als arbeitslos gezählt. Die tatsächliche Arbeitslosenrate dürfte höher als 60% liegen.

 

Im November 2010 kam es zu Massenprotesten von Arbeitern der staatlichen Baufirma Spetsstroi, nachdem sie ihre Löhne vier Monate nicht ausbezahlt bekommen hatten.

 

Sogar Gegner Kadyrows geben zu, dass der Wiederaufbau von Grosny, Gudermes und anderen Städten voranschreitet. Der Großteil des Geldes hierfür kam aus Moskau. Die zunehmenden Schwierigkeiten in der eigenen Wirtschaft und den Budgets, und vermutlich auch aufgrund politischer Überlegungen, wurde die ursprünglich geplante Finanzhilfe für Tschetschenien für 2010 um 5% (100 Millionen US$) gekürzt. Das Budget Tschetscheniens lag 2010 bei offiziell 1,3 Millionen Einwohnern bei über 18 Milliarden US$ (zum Vergleich:

jenes von Dagestan lag bei offiziell 2,7 Millionen Einwohnern bei weniger als 1,6 Milliarden US$). Bis November waren in Tschetschenien 2010 19.500 m2 Wohnfläche gebaut worden (Dagestan: 154.800 m2).

 

(Quelle: The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 202, 08.11.2010)

 

Die Chancengleichheit ist durch die Korruption und die Zerstörung der Wirtschaft während des Krieges eingeschränkt. Bewohner die Arbeit finden arbeiten zumeist bei der lokalen Polizei, in der Verwaltung, dem Öl- oder Bausektor, oder in kleinen Unternehmen. Trotz der zahlreichen Probleme hat sich die wirtschaftliche Situation durch die Wiederaufbaumaßnahmen von Kadyrow verbessert, lokale Geschäftsaktivitäten erholen sich. Die meisten der ethnischen Tschetschenen, die während des Krieges geflüchtet sind, sind bereits wieder nach Hause zurückgekehrt, obwohl viele von ihnen unter schlechten Wohnbedingungen leben.

 

(Quelle: Freedom House, Freedom in the World 2009: Chechnya (Russia), 16.07.2009)

 

In Tschetschenien ist ein im Verhältnis zu anderen Regionen der Russischen Föderation übermäßig hoher Anteil der Bevölkerung im semi-formalen und informellen Sektor tätig. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2008 ist jedoch bereits ein Anstieg an legalen Kleinunternehmen zu beobachten. Dem föderalen Statistikamt zufolge waren zwischen Februar und November 2002 49,2% der Bevölkerung im informellen Sektor tätig, und bezogen einen Großteil ihres Einkommens aus diesen Tätigkeiten. Des Weiteren sind die so genannten "Arbeiten im Haushalt" - Produktion entweder für den Eigenverbrauch oder zum Verkauf auf dem Markt - weit verbreitet. Diese Art der Beschäftigung steht den föderalen Statistiken zufolge in Tschetschenien an dritter Stelle.

 

(Quelle: IOM - International Organistion for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

 

Obwohl sich die humanitäre Situation in den letzten Jahren schrittweise verbessert hat und es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kam, bleibt die Realität für viele Menschen hart. Jedoch handelt es sich im Nordkaukasus derzeit trotz dem Anstieg an Gewalt um keinen umfangreichen [Anm.: im Original large-scale] humanitären Notfall.

 

International Medical Corps führt im Kaukasus seit vier Jahren Aktivitäten zur Einkommensförderung [income-generating activities] durch. Teilnehmer müssen einen Geschäftsplan aufstellen, der dann mithilfe der NRO (gefördert durch Gelder der Europäischen Kommission/ECHO) umgesetzt wird. Bislang konnten so 370 kleine Unternehmen starten. Für 2010 ist geplant 160 Projekte zu unterstützen. In anderen Projekten werden Familien etwa durch den Ankauf von Geräten beim Aufbau kleiner Unternehmen unterstützt.

 

(Quelle: International Medical Corps: Stitching Broken Dreams, 31.12.2009, http://www.imcworldwide.org/Page.aspx?pid=1014, Zugriff 14.12.2010 / International Medical Corps: International Medical Corps Helps Small Business in Chechnya, Stimulates Local Economy, 08.06.2010,

http://www.internationalmedicalcorps.org/Page.aspx?pid=1412, Zugriff 14.12.2010 / International Medical Corps: Empowering Rural Populations in North Caucasus to Foster Self Reliance, 18.08.2010, http://www.internationalmedicalcorps.org/Page.aspx?pid=1696, Zugriff 14.12.2010)

 

Pensionen und andere sozialstaatliche Leistungen werden ausbezahlt, es besteht jedoch das System des "otkat", was bedeutet, dass auf jeder erdenklichen Ebene Geld "verschwindet", weshalb der Empfänger im Endeffekt immer viel weniger bekommt als ihm zustünde.

 

(Quelle: Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009)

 

Es gibt Probleme mit dem Sozialversicherungssystem. Diese bestehen nicht nur für Menschen aus dem Nordkaukasus, sondern für alle Bewohner der Russischen Föderation.

 

(Quelle: Dr. Mikhail Roshchin - Insitute for Eastern Studies, Vortrag für AsylGH am BMI, 26.03.2009)

 

Laut IOM stellen sozialstaatliche Leistungen einen beträchtlichen Teil des Einkommens eines durchschnittlichen tschetschenischen Haushaltes, insbesondere bei den schwächsten sozialen Gruppen, dar. Abhängig von der Lage der Familie machten 2008 staatliche Unterstützungsleistungen bis zu einem Drittel der Haushaltseinkommen aus. Das Subsistenzminimum lag im ersten Quartal 2009 bei 4.630 Rubel.

 

Während das Sozialversicherungssystem (Pensionen, Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit) föderal reguliert wird, werden die meisten der beitragsfreien Leistungen ("leistungsabhängige" Beihilfen beispielsweise für Invalide, Jugendliche, Obdachlose, Kindergeld) regional umgesetzt. Die durchschnittliche Höhe dieser Unterstützungsleistungen belief sich 2008 auf 300 Rubel.

 

Leistungsabhängige Beihilfen wurden 2008 an insgesamt 134.647 Personen ausgezahlt, die drei größten Gruppen waren die folgenden:

68.200 Invalide, 33.350 behinderte/kranke Kinder, 28.605 Kriegsveteranen.

 

Dem russischen Pensionsfonds zufolge betrug in den ersten drei Monaten des Jahres 2009 die Höhe einer durchschnittlichen monatlichen Pension in Tschetschenien 4.159 Rubel. Insgesamt waren 2008 in Tschetschenien 268.000 Personen als Pensionisten gemeldet.

 

Arbeitslosengeld wurde Ende 2008 von 298.000 Personen beantragt. Zu dieser Zeit kamen beinahe 3.500 Arbeitssuchende auf eine freie Stelle im Staatsdienst. Beinahe die Hälfte der registrierten Arbeitslosen erhielt Arbeitslosengeld. Die Untergrenze des Arbeitslosengeldes liegt bei 850 Rubel, die Obergrenze bei 4.900.

 

(Quelle: IOM - International Organistion for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

 

Seit ihrer Einführung im Jänner 2007 wurden bis Oktober 2010 in Tschetschenien 63.412 Zertifikate für das "Mutterschaftskapital" ausgestellt. Anspruch auf ein Zertifikat haben Familien, die ein zweites Kind bekommen (bzw. ein drittes oder weiteres Kind, wenn der Anspruch auf das Geld noch nicht eingelöst wurde). Das Recht auf eine solche Unterstützung wird, unabhängig von der Anzahl der Kinder, nur einmal gewährt. Inhaber solcher Zertifikate erhalten, unabhängig vom Geburtstag des Kindes, einen Pauschalbetrag von 12.000 Rubel. Das weitere "Mutterschaftskapital", dessen Höhe 2010

343.378 Rubel betrug, wird nicht bar ausbezahlt, sondern kann in drei Hauptgebieten investiert werden: Verbesserung der Wohnbedingungen, Bildung des Kindes, oder Anlegen einer staatlichen Frauenpension. Die Geldsumme kann erst verwendet werden, wenn das Kind drei Jahre alt wird. Seit Jänner 2009 kann das Geld unabhängig vom Alter des Kindes auch zur Hypothekenrückzahlung verwendet werden. Einige Zertifikatsinhaber gaben an, dass sie diese aber lieber verkaufen würden. Der Durchschnittspreis für ein Mutterschaftskapital-Zertifikat beträgt rund 100.000 Rubel.

 

(Quelle: Caucasian Knot: In Chechnya, over 63,000 families received maternity capital certificates, 01.10.2010, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/14679/, Zugriff 15.12.2010 / IOM: Information on Return and Reintegration in the Countries of Origin - IRRICO II; Russian Federation, 13.11.2009 / Ria Novosti:

Use of maternity capital to pay mortgages must become norm - Medvedev, 30.11.2010,

http://en.rian.ru/russia/20101130/161559607.html, Zugriff 15.12.2010)

 

Medizinische Versorgung

 

Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - waren medizinische Einrichtungen weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Nach Angaben von UNDP entspricht die Dichte der Polikliniken in einigen Bezirken nur 20% des russischen Durchschnitts. Dabei treten einige stressbedingte Krankheiten laut tschetschenischem Gesundheitsministerium 10 - 15mal häufiger auf als vor dem Krieg. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung dank internationaler Hilfe inzwischen aber ein Niveau erreicht haben, das dem durchschnittlichen Standard in der Russischen Föderation entspricht. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Das medizinische Versorgungssystem in Tschetschenien wurde weitgehend zerstört. In Anbetracht dessen ist der derzeitige Stand der medizinischen Versorgung aber mittlerweile wieder besser. Es gibt Krankenhäuser, aber es fehlt aufgrund der Auswanderung der Intelligenzija an qualifiziertem Personal.

 

Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist sehr einfach. Aufgrund des Krieges gibt es viele behinderte Menschen. Viele von ihnen reisen für eine gute Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation, insbesondere nach Vladikavkaz. Die Kosten hierfür sind selbst zu übernehmen, da die medizinische Versorgung (mit Ausnahme der Ersten Hilfe) nur in jener Region kostenlos ist, in der man registriert ist.

 

(Quelle: Dr. Mikhail Roshchin - Insitute for Eastern Studies, Vortrag für AsylGH am BMI, 26.03.2009 / Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009)

 

Insbesondere seit 2006 zeigen sich im Gesundheitssektor erste Anzeichen einer Erholung. Diese Erholung ist an verschiedenen Kennzahlen ersichtlich: Auf 10.000 Einwohner kamen im Jahr 2007 73,2 Krankenhausbetten, 22,5 Ärzte, sowie 66,7 weiteres medizinisches Personal. 2007 gab es insgesamt 62 Krankenhäuser, 79 ambulant behandelnde Polykliniken, 185 Stellen für ärztliche Betreuung/Geburtshilfe, und fünf Zentren für ansteckende Krankheiten.

 

Trotz dieser bedeutenden Fortschritte zeigt der regionale und landesweite Vergleich, dass Tschetschenien lediglich mit den anderen nordkaukasischen Republiken gleichauf ist, sich im Bereich dieser Kennzahlen aber stark unter dem landesweiten Durchschnitt bewegt. Die medizinische Grundversorgung - hierzu gehören u. a. Notfallhilfe, Dienste der Polykliniken und Kinderimpfungen - sind wieder auf dem Vorkriegsniveau. Bei fachlichen, hochtechnologischen Behandlungen und hochqualifizierter medizinischer Versorgung gibt es einen deutlichen Mangel an moderner Ausrüstung und hochqualifiziertem Personal. Der Wertverlust bei medizinischen hochtechnologischen Geräten beträgt laut Gesundheitsministerium 80%, in Krankenhäusern fehlt es an 50% des benötigten höheren medizinischen Personals.

 

(Quelle: IOM - International Organistion for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

 

Politische Maßnahmen, um die Situation zu bessern, wurden insofern getroffen, als dass die Quoten für Studenten in medizinischen Instituten erhöht wurden, außerdem wurde die fachspezifische Gesundheitsversorgung weiter saniert.

 

Die Gesundheitsversorgung stellt einen der Schwerpunkte des "Zielprogramms für den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau 2008-2011" dar. Dieses Programm umfasste: - direkte finanzielle Unterstützung für medizinisches Personal; - zur Verfügung stellen von diagnostischen Geräten für Ambulanzen, andere ambulante Dienste und Polykliniken; - Impfprogramme mit besonderem Schwerpunkt auf Kinderimpfungen; - medizinische Versorgung in der Schwangerschaft und Zulieferungen. Größere Teile der Geldmittel werden für - Notfallmaßnahmen für Tuberkulosebehandlungen, - insulare Diabetesdiagnose, -behandlung und -prävention, - den Wiederaufbau und der Entwicklung der Onkologie, - Notfallmaßnahmen für HIV/AIDS Prävention, - Impfung und Prävention von Infektionskrankheiten, sowie für komplexe Maßnahmen gegen Drogenmissbrauch aufgewendet.

 

Bereits 2002 bis 2006 waren im Rahmen zweier Programme föderale und lokale Mittel in das Gesundheitswesen investiert worden: Hier wurde zum einen besonderes Augenmerk auf den Wiederaufbau der Infrastruktur für medizinische Grundversorgung gelegt. Zum anderen wurde die Mutter-Kind-Gesundheit unterstützt: öffentliche Impfaktionen wurden durchgeführt, 70 Ärzte und Kinderärzte besuchten Schulungen. Ein dritter Schwerpunkt lag auf der psychosozialen Rehabilitierung und medizinischen Unterstützung von Opfern des Konflikts. Für ein Programm zur sozialen Unterstützung von Invaliden wurden etwas mehr als 310 Millionen Rubel zur Verfügung gestellt. Besonderes Gewicht wurde auf die Zielgruppe der Kinder und jungen Invalide gelegt.

 

(Quelle: IOM - International Organistion for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

 

Apotheken befinden sich unter anderem in Nadtrechnoe, Lenina Straße 33; in Urus-Martan, Sojetskaja Straße 65; in Shetkovskaja, Sowjetskaja Straße 35; in Kurtschaloj, Sowjetskaja Straße 2; in Noschaj-Jurt, Kadyrova Straße 10; in Grosny, Bezirk 12.

 

Ärztliche - auch fachärztliche - Versorgung ist in den flächendeckend vorhandenen Polikliniken, also auch in Grosny, kostenlos möglich.

 

(Quelle: Anfragebeantwortung durch den VB für die Russische Föderation, per Email an AGH am 25.09.2009)

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Ebenso liegen dem Auswärtigen Amt keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange der Tschetschenien-Konflikt nicht endgültig gelöst ist, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

 

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Die Anzahl freiwilliger tschetschenischer Rückkehrer aus Europa in die Russische Föderation ist 2008 signifikant angestiegen: 2008 kehrten in den ersten zehn Monaten 1.196 Personen zurück (Hiervon 173 aus Österreich), während es zwischen 2003 und 2007 insgesamt

1.485 Personen waren. Hierbei handelt es sich allerdings nur um mit der Unterstützung der IOM (International Organisation for Migration) zurückgekehrte Personen, die tatsächliche Gesamtzahl ist vermutlich viel höher. 75% der Rückkehrer 2008 kehrten nach Tschetschenien zurück 17% gingen nach Dagestan, 3% nach Inguschetien. Laut IOM hätten die Rückkehrer keine Bedenken in Bezug auf die Sicherheitslage, andererseits würden sie nicht zurückkehren. Jedoch müsste hier eine individuelle Prüfung vorgenommen werden, da eine mögliche Gefährdung von individuellen Gegebenheiten abhängt. IOM unterstützt Rückkehrer etwa durch berufsbildende Maßnahmen, beim Aufbau kleiner Unternehmen, medizinische Versorgung und Wohnbedürfnissen.

 

Tschetschenen kehren derzeit aus Moskau und anderen Teilen der Russischen Föderation nach Tschetschenien zurück.

 

(Quelle: Office for Foreigners (Poland)/CEDOCA, Documentation and Research Centre - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium)/Staatendokumentation des Bundesasylamtes (Austria): FFM Moscow 2008, 10.09.2009)

 

Wehrdienst

 

Die Bedingungen des Wehrdienstes (2007 noch zunächst 24, dann 18 Monate; seit Einberufung 1.4.2008 12 Monate) sind hart. Die allgemeine Wehrpflicht besteht für Männer zwischen 18 und 28 Jahren. Wehrpflichtige erhalten zur Zeit ca. 40 Euro Monatssold plus standort- und gefahrenbedingte Zulagen. Wehrpflichtige müssen grundsätzlich sieben Tage in der Woche Dienst leisten. Die Militärstaatsanwaltschaft berichtet häufiger über Bestechungs- und Korruptionsfälle mit dem Ziel des Freikaufs vom Wehrdienst.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 04.04.2010)

 

Zwischen Jänner und März 2010 wurden rund 7.000 Wehrpflichtige vom Militärkommissariat der Republik Tschetschenien erfasst. Im August 2010 wurden 100 Rekruten in das Sonderbataillon "Sewer" ("Nord") der Internen Truppen des Russischen Innenministeriums in Tschetschenien aufgenommen. Dem Militärkommissariat der Republik zufolge ist dies die erste "echte" Einberufung seit 20 Jahren: Seit 1992 seien Tschetschenen nicht zu regulärem Dienst einberufen worden, sondern versahen nur gelegentlich Dienst in Büros der Militärkommandantur und anderen Unterabteilungen. Dies seien aber keine Einberufungen im eigentlichen Sinne des Wortes gewesen.

 

(Quelle: Caucasian Knot: Chechnya calls recruits to military service, 14.08.2010,

http://chechnya.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/14102/, Zugriff 13.12.2010 / Accord: Anfragebeantwortung a-7387, 01.10.2010 / Accord: Anfragebeantwortung a-7349, 12.08.2010)

 

Wehrersatzdienst

 

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wird durch Art. 59 Abs. 3 der russischen Verfassung garantiert. Die Bestimmung sieht einen Ersatzdienst für den Fall vor, dass der Wehrdienst dem Gewissen und der religiösen Überzeugung eines Wehrpflichtigen widerspricht. Seit 2004 ist zudem ein "Gesetz über den alternativen Zivildienst" in Kraft. Der Ersatzdienst dauert seit der Frühjahrseinberufung 2008 18 bis 21 Monate (Wehrdienst 12 Monate), abhängig von der Qualifikation des Wehrpflichtigen und der Art der Dienststelle. Der Ersatzdienst soll in der Regel bei einem staatlichen Dienst (z.B. in Kliniken, Feuerwehr, Innendienst) abgeleistet werden. Nach Ang

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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