TE UVS Steiermark 2010/10/13 30.12-26/2010

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2010
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn J L, vertreten durch Dr. B G, Rechtsanwalt, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Mürzzuschlag vom 04.05.2010, GZ.: BHMZ-15.1-1134/2008, betreffend Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung dem Grunde nach keine Folge gegeben.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung Folge gegeben und die Geldstrafen nach § 19 VStG wie folgt herabgesetzt:

 

1.)

und 2.) Übertretung: insgesamt ? 70,00               (12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

3.)

und 4.) Übertretung: insgesamt ? 30,00              (6 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

 

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag zum Verfahren der ersten Instanz auf ? 10,00. Dem Berufungswerber wird aufgetragen, die Geldstrafen und den Kostenbeitrag binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

 

Die Untersuchungskosten der Ö A Gh E GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung Gr, werden mit ? 100,00 bestimmt. Der Berufungswerber hat die Untersuchungskosten nach § 71 Abs 3 LMSVG binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Der Spruch des Straferkenntnissses wird im Sachverhalt betreffend die 1.) bis 4.) Übertretung wie folgt präzisiert: Es wird ausgesprochen, dass Herr J L die Übertretungen als verantwortlicher Beauftragter der Ho Kommanditgesellschaft, Filiale Hb, zu verantworten hat.

 

Der übrige Spruch bleibt unverändert.

Text

Die erstinstanzliche Behörde warf dem nunmehrigen Berufungswerber mit Straferkenntnis folgende vier Übertretungen vor:

 

1. Übertretung

Zeit: 03.12.2007, 11:29 Uhr (Probenentnahme)

Ort: Ho KG Filiale , W, M-Hb, Produkt: Probe A 427/07 Apfelringe getrocknet

 

Sie haben als Verantwortlicher des Lebensmittelunternehmens Ho KG, T, Hr S, am 03.12.2007 in der Ho KG Filiale , W, M-Hb, das angeführte Produkt in Verkehr gebracht, obwohl sich bei einer Untersuchung bei der Ö A Gh E GmbH folgendes Gutachten vom 12.12.2007 ergab:

Laut dem angeführten Gutachten wies die Lebensmittelprobe mit der Bezeichnung Apfelringe getrocknet aufgrund zu langer Lagerung, organoleptische Fehler (alter, unreiner Geschmack einiger Stücke) auf. Das Produkt war somit aufgrund seiner organoleptischen Eigenschaften als für den menschlichen Verzehr ungeeignet und daher als nicht sicher gem. Art. 14 Abs. 2b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zu beurteilen. Da die fehlerhaften Stücke visuell nicht erkennbar waren  war die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit der gesamten Lebensmittelprobe nicht gewährleistet.

Obwohl es verboten ist derartige Produkte in Verkehr zu bringen, wurde dieses in Verkehr gebracht.

 

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 5 Abs. 5 Zif. 2 Lebenmittelsicherheits- u. Verbraucherschutzgesetz (LMSVG)i.V.m. § 5 Abs. 1 Zif. 1 LMSVG i.V.m. Verordung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002

Geldstrafe: ? 70,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

Gemäß: § 90 Abs. 1 Zif. 1 LMSVG

 

2. Übertretung:

Zeit: 03.12.2007; 11:33 Uhr (Probenentnahme)

Ort: Ho KG Filiale, W, M-Hb, Produkt: Probe A 428/07 Apfelringe getrocknet

 

Laut dem angeführten Gutachten wies die Lebensmittelprobe mit der Bezeichnung Apfelringe getrocknet aufgrund zu langer Lagerung, organoleptische Fehler (alter, unreiner Geschmack einiger Stücke) auf. Das Produkt war somit aufgrund seiner organoleptischen Eigenschaften als für den menschlichen Verzehr ungeeignet und daher als nicht sicher gem. Art 14 Abs. 2b der Verordnung (EG) 178/2002 zu beurteilen. Da die fehlerhaften Stücke visuell nicht erkennbar waren, war die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit der gesamten Lebensmittelprobe nicht gewährleistet.

Obwohl er verboten ist derartige Produkte in Verkehr zu bringen , wurde dieses in Verkehr gebracht.

 

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 5 Abs. 2 Zif. 2 Lebensmittelsicherheits- u. Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Zif. 1 LMSVG i.V.m. Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002

Geldstrafe: ? 70,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

Gemäß: § 90 Abs. 1 Zif. 1 LMSVG

 

3. Übertretung:

Zeit: 03.12.2007; 11:29 Uhr (Probenentnahme)

Ort: Ho KG Filiale, W, M-Hb, Produkt: Probe A 427/07 Apfelringe getrocknet

Sie haben als Verantwortlicher der Firma Ho KG Filiale, W, M-Hb folgende Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zu verantworten:

Das Produkt Probe A 427/07 Apfelringe getrocknet wurde durch Feilhalten im Verkaufsraum des Geschäfts in M-Hb, W, in Verkehr gebracht, obwohl festgestellt wurde , dass die Mindesthaltbarkeitsfrist abgelaufen war und dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht war.

Mindesthaltbarkeitsfrist abgelaufen am: 20.10.2007

 

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 90 Abs. 3 Zif. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 LMSVG i.V.m. § 9 Abs. 2 Lebensmittelkennzeichnungs VO, BGBl. 72/93

Geldstrafe: ? 30,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 6 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

Gemäß: § 90 Abs. 3 Zif. 2 Lebensmittelsicherheits- u. Verbraucherschutzgesetz 2006

 

4. Übertretung:

Zeit: 03.12.2007; 11:33 Uhr

Ort: Ho KG Filiale, W, M-Hb, Produkt: Probe A 428/07 Apfelringe getrocknet

Sie haben als Verantwortlicher der Firma Ho KG Filiale, W, M-Hb, folgende Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zu verantworten:

Das Produkt Probe A 428/07 Apfelringe getrocknet wurde durch Feilhalten im Verkaufsraum des Geschäftes in M-Hb, W, in Verkehr gebracht, obwohl festgestellt wurde, dass die Mindesthaltbarkeitsfrist abgelaufen war und dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht war.

Mindesthaltbarkeitsfrist abgelaufen am: 20.11.2007

 

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 6 Abs. 1 LMSVG i.V.m. § 9 Abs. 2 Lebensmittelkennzeichnungs VO BGBl. 72/93

Geldstrafe: ? 30,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 6 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe)

Gemäß: § 90 Abs. 3 Zif. 2 Lebensmittelsicherheits- u. Verbraucherschutzgesetz 2006

 

Nach § 71 Abs 3 LMSVG auferlegte die erstinstanzliche Behörde dem Beschuldigten auch die Untersuchungskosten in Höhe von ? 167,50.

In der Begründung schilderte die erstinstanzliche Behörde den Gang des Verfahrens, wobei der Inhalt einzelner Urkunden wörtlich wiedergegeben wurde. Sie nahm die Übertretungen auf Grund der Anzeige, der Gutachten samt Fotos und der ergänzenden Stellungnahmen in Zusammenhalt mit den Aussagen des Beschuldigten (Anm.: Dieser wurde nicht vernommen) als erwiesen an. Zum bestrittenen Verschulden werde angemerkt, dass das Vorbringen die Behörde nicht habe überzeugen können, dass der Beschuldigte die Taten nicht begangen habe bzw. kein Verschulden trage. Zur subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass der Beschuldigte nur die unsubstantiierte Angabe gemacht habe, dass ihn kein Verschulden treffe, weshalb Fahrlässigkeit angenommen werde. Zum Schutz der Konsumenten vor gesundheitlicher Gefährdung müssten lückenlose Kontrollen der Waren vor jeder Öffnung einer Filiale und vor Anbot der Waren durchgeführt werden. Bei Überschreitung der Mindesthaltbarkeitsfrist von mehreren Wochen könne nicht mehr von geringfügigem Verschulden gesprochen werden. Eingehend auf das Vorbringen, es dürfe nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen werden, führte die Behörde aus, dass der Beschuldigte an zwei verschiedenen Produkten zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen verwirklicht habe, die für sich selbst verschiedene selbstständige Taten darstellten, die unter einander nicht ausschließende Strafdrohungen fielen und bei denen die Strafen nebeneinander zu verhängen seien. Dass die Übertretungen vom selben Täter mit gleichem Verschulden begangen worden seien, sei rechtlich nicht von Relevanz. Unter den rechtlichen Ausführungen gab die erstinstanzliche Behörde die bezughabenden Bestimmungen des LMSVG und der LMKV wieder. Bei der Strafbemessung sei nichts als erschwerend und die bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen. Auch sei die bereits verstrichene Zeit bis zur Erlassung des Straferkenntnisses als mildernd gewertet worden.

 

Dagegen richtet sich die mit folgender Begründung erhobene Berufung des Beschuldigten: Unrichtige rechtliche Beurteilung: Der Tatvorwurf, das Produkt habe organoleptische Fehler aufgewiesen, könne sich nur auf den Begriff Fäulnis, Verderb oder Zersetzung nach Artikel 14 Abs 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2008 beziehen. Ein objektiver Verderb sei im Prüfgutachten der Ages nicht festgestellt worden, da die Angabe der Prüforgane, einige Stücke des Produkts hätten einen alten bzw. unreinen Geschmack aufgewiesen, keinen rechtlich relevanten Tatvorwurf begründeten. Der Begriff Verderb sei bereits in der früheren Fassung des LMG verwendet und bei Neufassung um den Tatbestand der Kontamination erweitert worden. Der rechtlich als Verderb bezeichnete, für den menschlichen Verzehr inakzeptable Zustand sei jedenfalls objektiv zu verifizieren und durch bakteriologische, mikroskopische oder chemische Untersuchung nachzuweisen. Da der organoleptische Fehler nicht verifiziert worden sei, sei die objektive Tatseite nicht erfüllt. Da die beanstandeten organoleptischen Fehler visuell nicht erkennbar gewesen seien, könne dem Beschuldigten die gegenständliche Übertretung nicht vorgeworfen werden.

Nichtbeachtung des Doppelbestrafungsverbotes: Wenn die Behörde 4 Übertretungen mit verschiedenen Strafsätzen dem Straferkenntnis zu Grunde gelegt habe, widerspreche dies dem Doppelbestrafungsverbot nach Artikel 4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK. Die Übertretungen seien zum selben Zeitpunkt am selben Ort vom selben Täter begangen worden und bezögen sich auf das gleiche von der Behörde angenommene Verschulden, nämlich die unzureichende Kontrolle der Verkaufskiste mit Trockenobst im Zeitraum vor der Probenziehung. Alle 4 Übertretungen hätten dieselbe Ursache. Es handle sich nicht um zwei verschiedene, selbstständige Taten, die zeitlich nacheinander erfolgt wären. Es liege keine Tatmehrheit, sondern Tateinheit vor. Die Deliktstatbestände des LMSVG umfassten jene der LMKV mit, der Unwert des einen Delikts sei von der Strafdrohung gegen das andere Delikt mitumfasst bzw. konsumiert.

Mangelndes Verschulden des Einschreiters: Auf Grund des von ihm eingerichteten Kontrollsystems treffe ihn kein Verschulden. Er sei Filialleiter und für den räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens im Sinn des § 9 Abs 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt. Im Zusammenhang mit der von ihm zugegebenen Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums treffe ihn aus folgenden Gründen kein Verschulden: Er habe in seiner Filiale ein umfangreiches Sicherheits- und Kontrollsystem eingerichtet, das verhindere, dass Lebensmittel im Verkaufsraum feilgehalten werden, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen sei. Schon bei Anlieferung des Produkts an die Filiale mit LKW werde die Ware nur dann übernommen, wenn eine Sichtkontrolle ergebe, dass sie sich in einwandfreiem Zustand befinde und die Resthaltbarkeitsdauer nach Lieferung eingehalten sei. Sie betrage im Fall des gegenständlichen Produkts 5 Monate. Die Ware werde dann allenfalls im Lager der Filiale zwischengelagert, bis das Einschlichten in den Verkaufsraum erfolge. Beim Verbringen des Produkts vom Lagerraum in den Verkaufsraum werde eine weitere genaue Sichtkontrolle vorgenommen. Sowohl beim Einschlichten in den Verkaufsraum als auch beim Um- und Nachschlichten erfolgten immer wieder Sichtkontrollen, sodass gewährleistet sei, dass sich nur einwandfreie Produkte mit ausreichend großer Zeitspanne bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums im Verkaufsraum befinden. Wieso die Apfelringe sich trotz des Sicherheits- und Kontrollsystems im Verkaufsraum befunden hätten, sei für den Einschreiter gänzlich unverständlich. Das Produkt werde normalerweise innerhalb von ein bis zwei Wochen verkauft, weshalb auch die letzten Stücke einer Verkaufskiste beim Verkauf noch viereinhalb Monate bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums haben. Da das Produkt regelmäßig stark umgesetzt werde, gelange es üblicherweise nie auch nur in die Nähe des Ablaufdatums. Es solle nicht unerwähnt bleiben, dass im Herbst 2007 in der gegenständlichen Filiale ein neuer Lehrling aufgenommen worden sei. Es gehöre zu den Grundsätzen, Produkte vor dem Wiedereinschlichten auf allfällige Mängel und auf das Mindesthaltbarkeitsdatum zu überprüfen. Möglicherweise könne dies vom neu eingestellten Lehrling übersehen worden sein und beim Nachschlichten neuer Kisten die unten gefundenen Packungen wieder oben aufgelegt worden sein. Wie und durch wen die Packungen in den Verkaufsraum gelangt seien, sei nicht mehr eruierbar. Wegen der großen Anzahl von ca. 800 verschiedenen Lebensmitteln sei es nicht möglich, jede einzelne Packung jedes einzelnen Produkts permanent zu überprüfen. Der Beschuldigte müsse sich auf seine Mitarbeiter verlassen können, habe deshalb das Kontrollsystem eingerichtet, schule sämtliche Mitarbeiter ständig und überprüfe die Einhaltung mittels Stichproben. Der Mangel betreffend die 1.) und 2.) Übertretung sei besonders schwer wahrnehmbar gewesen, da die Apfelringe optisch völlig in Ordnung gewesen seien. Nur bei Überprüfung des Mindesthaltbarkeitsdatums wäre zu erkennen gewesen, dass es bereits abgelaufen war. Es sei in der Praxis nicht durchführbar, das Mindesthaltbarkeitsdatum jedes einzelnen Produkts mehrmals täglich zu überprüfen. Der konkret anwendbare Sorgfaltsmaßstab sei vom Einschreiter eingehalten worden, der alles ihm Mögliche getan habe und den kein Verschulden treffe.

Rechtsanspruch auf ein Absehen von weiterer Verfolgung im Sinn des § 21 Abs 1 VStG: Selbst bei Annahme eines Verschuldens sei dieses als äußerst gering zu bezeichnen, da es nur darin liegen könne, dass die beanstandeten Packungen oben auf in die Verkaufskiste gelangt seien. Es könne nicht gesagt werden, wie die Packungen in den Verkaufsraum gelangt seien. Dass sie mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum die ganze Zeit in der Verkaufsschütte gewesen seien, sei auf Grund der regelmäßigen Kontrollen nicht möglich. Überdies seien die Folgen unbedeutend, weil die Ware ohnedies nicht an den Verbraucher gelangt sei. Spätestens bei der Kasse als letzte Kontrollstelle wäre verhindert worden, dass das Produkt verkauft wird. Wäre auch dies übersehen worden, hätte der Konsument das dafür bezahlte Geld zurückerhalten oder eine frische Packung bekommen.

 

Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 12.10.2010, bei der der Berufungswerber als Partei und Ju Hr, Mitarbeiterin der Ho KG - Filiale und DI Dr. Jh Lü, Ages, als Zeugen vernommen wurden, gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark zu folgenden Feststellungen:

Der Berufungswerber wurde am 19.11.1999 von der Ho Kommanditgesellschaft zum verantwortlichen Beauftragten für den Dienstort M-Hb, W, bestellt hinsichtlich (unter anderem) der Einhaltung der Bestimmungen betreffend Inverkehrbringung von Waren, wobei die in der Urkunde aufgezählten Ausnahmen auf den Berufungsfall nicht zutreffen. Am 03.12.2007 wurden in der genannten Filiale an der Adresse M, W, Apfelringe getrocknet aus China zum Verkauf bereitgehalten, darunter eine Packung mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 20.10.2007 und drei Packungen mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 20.11.2007. Die von einem Organ der Lebensmittelaufsicht des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung genommenen Proben dieser Waren wurden vom Institut für Lebensmitteluntersuchung Gr der Ö A Gh E GmbH getrennt nach Ablaufdatum untersucht und begutachtet, wobei der Geschmack einiger Stücke beider Proben von drei Testern unabhängig voneinander als alt und unrein bewertet wurde. Ein Verderb ist nicht die zwingende Folge bei Überschreitung eines Mindesthaltbarkeitsdatums, da viele Lebensmittel länger haltbar sind.

Der  03.12.2007 fiel in einen ein- bis zweiwöchigen Krankenstand des an Grippe erkrankten Berufungswerbers, der während dessen durch seine Stellvertreterin R D in der Filialleitung vertreten wurde. In der Filiale Hb der Ho KG wurden damals 9 bis 10 Mitarbeiter beschäftigt, darunter der am 30.08.2007 neu eingetretene Lehrling Ju Hr, die von Anfang an für die normalen Arbeitsgänge und zu Kontrolltätigkeiten herangezogen wurde. Apfelringe getrocknet wurden üblicher Weise per LKW in Kartons zusammen mit anderen Trockenfrüchten (Marille, Kokos, Banane ...) angeliefert und in dieser Filiale überhaupt nur ein halbes bis ein dreiviertel Jahr lang angeboten. Bei Anlieferung gab es keine regelmäßige Sichtkontrolle, sondern es wurden nur einzelne Packungen angeschaut. Eine Lieferung umfasste ca. 30 Packungen mit den genannten 5 bis 6 Sorten Trockenfrüchte, darunter jeweils 6 bis 8 Packungen Apfelringe. Die gelieferten Kartons konnten für die Präsentation der Ware verwendet werden und wurden nach Anlieferung gleich ins Regal gestellt und zwar einerseits beim Obst, andererseits bei den Trockenfrüchten. Bei täglicher Bestellmöglichkeit erfolgte die Bestellung nach Bedarf ca. zwei Mal pro Woche, die Lieferung am zweiten Tag nach der Bestellung. Die verschiedenen Sorten von Trockenfrüchten wiesen verschiedene Mindesthaltbarkeitsdaten auf, die sich um bis zu einem Monat unterscheiden konnten. Bei Anlieferung wurde das Mindesthaltbarkeitsdatum nur bei einzelnen Packungen stichprobenmäßig geprüft und die Kartons mit den Trockenfrüchten erhielten die Wälzzahl 4, was bedeutete, dass die Ware spätestens binnen 4 Wochen verkauft sein musste. Kartons, in denen sich Apfelringe befanden, wurden bei jeder Lieferung gewälzt, d.h. die im Regal befindlichen Kartons  wurden nach vorne und die neuen nach hinten geschlichtet. Bei dieser Gelegenheit wurde das Mindesthaltbarkeitsdatum kontrolliert. Dessen Kontrolle erfolgte dann nicht mehr täglich, sondern noch beim sogenannten Abschachteln, bei dem leere bzw. fast leere Kartons weggeräumt und die restlichen Packungen aus den letztgenannten heraus genommen und in neue Kartons gelegt wurden. Jeder Mitarbeiter der Filiale machte jede Arbeit einschließlich  Kontrolle des Mindesthaltbarkeitsdatums.

 

Beweiswürdigung:

 

Die Probenziehung und damit das Inverkehrbringen der Ware am 03.12.2007 ergeben sich aus den beiden Probenbegleitschreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Lebensmittelaufsicht, je vom 03.12.2007. Dass einige Stücke der getrockneten Apfelringe bei beiden Proben alt und unrein schmeckten, geht aus den beiden Gutachten der Ages, Institut für Lebensmitteluntersuchung Gr, je vom 10.12.2007, Auftrags-Nr.: 07094259 und 07094249, hervor. Die Feststellung, dass das Ergebnis von drei voneinander unabhängigen Prüfern festgestellt wurde, beruht auf der Aussage des als Zeugen vernommenen Gutachters DI Dr. Jh Lü, der sich dabei auf die im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Stellungnahme vom 20.04.2009 bezog. Hingegen war die in der Berufung verlangte bakteriologische, mikroskopische und chemische Untersuchung nicht erforderlich.

Die Feststellungen zum Kontrollsystem ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Berufungswerbers und der Zeugin Ju Hr.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Zur 1.) und 2.) Übertretung:

 

Die verletzten Bestimmungen wurden im erstinstanzlichen Bescheid ausreichend dargestellt und im Spruch des Straferkenntnisses zutreffend angeführt. Da beide Proben bei einigen Stücken einen alten und unreinen Geschmack aufwiesen und die Waren aus diesem Grund nicht mehr für den Verzehr geeignet bzw. genussuntauglich waren, liegt eine Verletzung des  § 5 Abs 5 Z 2 iVm § 5 Abs 1 Z 1 LMSVG vor.

Zum Vorbringen, die Verhängung von 4 Strafen verstoße gegen das Doppelbestrafungsverbot:

 

§ 22 VStG (Zusammentreffen von strafbaren Handlungen) bestimmt:

Hat jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen."

Mehrere Tathandlungen entbehren unter Umständen der Selbstständigkeit und können nur als Teile eines von einem einheitlichen Vorsatz umfassten Gesamtkonzepts begriffen werden. Dies ist nur bei Vorsatzdelikten möglich und dann der Fall, wenn die Einzelhandlungen in Folge ihres erkennbaren zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhangs sowie in Folge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände als Einheit anzusehen sind. In einem solchen Fall sind die Einzelhandlungen nicht als eine Mehrheit von Delikten zu ahnden, die Gesamtheit der Einzelhandlungen bildet vielmehr ein einziges, sogenanntes fortgesetztes Delikt (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Fn 3 zu § 22 VStG). Die 1.) und 2.) Übertretung sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich in beiden Fällen um das Produkt Apfelringe getrocknet handelte, das in derselben Filiale am selben Tag zum Verkauf bereitgehalten wurde, wobei gesagt werden kann, dass dies mit dem gleichen Vorsatz erfolgte und ein zeitlicher, örtlicher und sachlicher Zusammenhang und Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände gegeben ist, weshalb ein fortgesetztes Delikt vorliegt.

 

Zur 3.) und 4.) Übertretung:

 

Auch diesbezüglich hat die erstinstanzliche Behörde die verletzten Rechtsvorschriften in der Bescheidbegründung dargestellt und im Spruch zutreffend angeführt.

Die Ausführungen zum Fortsetzungszusammenhang bei der 1.) und 2.) Übertretung treffen auch auf die 3.) und 4.) Übertretung zu, weil der Geschmack bei beiden Proben laut Gutachten auf die gleiche Weise abwich. Es liegt somit auch in diesem Fall nur eine Übertretung vor.

 

Zum Berufungsvorbringen, dass die Deliktstatbestände des LMSVG jene der LMKV mitumfassten und der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt mitumfasst bzw. konsumiert sei, ist Folgendes auszuführen:

Eintätiges Zusammentreffen bzw. Idealkonkurrenz liegt nur dann vor, wenn die Tathandlung  unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt bzw. wenn trotz der Bestrafung wegen eines Deliktstatbestands die Bestrafung wegen des anderen Deliktstatbestands geboten ist. Trifft dies nicht zu, liegt in Wahrheit Konkurrenz nicht vor. Von den Möglichkeiten der Scheinkonkurrenz: Subsidiarität, Spezialität, Konsumtion, könnte nach Lage des Falles nur eine Konsumtion in Frage kommen, d.h. es müsste der Fall vorliegen, dass ein Deliktstatbestand regelmäßig nicht anders als auf die Weise verwirklicht werden kann, dass gleichzeitig auch gegen eine andere Strafdrohung verstoßen wird. In diesem Fall hätte der erste Deliktstatbestand auch das im zweiten Deliktstatbestand typisierte Unrecht erfasst, sodass die Anwendung des ersten Deliktstatbestandes jene des zweiten Deliktstatbestandes ausschließt (Walter/Thienel, aaO, Seite 410). Wie sich aus den Feststellungen, die auf der Zeugenaussage des DI Dr. Jh Lü beruhen, ergibt, führt eine Überschreitung eines Mindesthaltbarkeitsdatums nicht zwingend dazu, dass die Ware verdorben ist. Wenn daher bei den Proben das Mindesthaltbarkeitsdatum um zwei bzw. sechs Wochen überschritten war, als die Waren in Verkehr gebracht wurden, hatte das nicht zwingend zur Folge, dass sie auch verdorben waren. Die 3.) und 4.) Übertretung sind daher durch die 1.) und 2.) Übertretung (nunmehr 1. Übertretung) nicht konsumiert.

 

Zum Verschulden:

Da es sich im Berufungsfall um Ungehorsamsdelikte handelt, hat der Täter im Sinn des § 5 Abs 1 VStG glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, widrigenfalls ohne Weiteres Fahrlässigkeit angenommen werden kann.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat das Berufungsvorbringen zum Kontrollsystem in der vom Berufungswerber geleiteten Filiale durch Vernehmung des Berufungswerbers und der Zeugin Ju Hr einer Prüfung unterzogen. Die Feststellungen zeigen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum bei Anlieferung nur bei einzelnen Packungen und genauer  erst beim Wälzen (dem Einordnen eines neu gelieferten Kartons) und beim Abschachteln (dem Entfernen leerer oder fast leerer Kartons, wobei im letztgenannten Fall die restliche Ware in den neuen Karton gelegt wurde) kontrolliert wurde. Wenn bei Lieferung ein Karton mit der sogenannten Wälzzahl versehen wurde (der Anzahl der Wochen, binnen welcher die Ware verkauft sein musste), bedeutet dies, dass eine einheitliche Wälzzahl auf einem Karton angebracht wurde, in dem sich Trockenfrüchte befanden, deren Mindesthaltbarkeitsdatum um bis zu einen Monat verschieden sein konnte, was die Überprüfung erschwerte und eine mögliche Fehlerquelle darstellte. Eine weitere Schwäche des Kontrollsystems liegt darin, dass beim Abschachteln fast leerer Kartons Packungen in einen neuen Karton gelegt wurden, der erst zu einem späteren Zeitpunkt verkauft sein musste. Dazu kommt, dass jeder der 9 bis 10 Filialmitarbeiter in gleicher Weise mit der Kontrolle der Mindesthaltbarkeitsdaten befasst und die Verantwortung auf viele Personen verteilt war, was deren Überwachung durch die Filialleitung erschwerte. Der Berufungswerber wurde nach eigener Aussage zwar regelmäßig von der Regionalvertretungsleiterin geschult und hat seinerseits seine Mitarbeiter regelmäßig geschult, es liegt aber keine Aussage und auch kein Vorbringen dahingehend vor, dass der Berufungswerber die Einhaltung seiner Weisungen hinsichtlich Kontrolle der Mindesthaltbarkeitsdaten überwacht hätte, wozu er nach der Judikatur verpflichtet gewesen wäre (VwGH 2008/10/0169 v. 24.04.2010). Daher hat er ein entsprechendes Verschulden zu verantworten.

 

Strafbemessung:

 

Die im Berufungsfall anzuwendenden Strafsätze nach § 90 Abs 1 Z 3 LMSVG und § 90 Abs 3 Z 2 LMSVG reichen jeweils bis ? 20.000,00 (bei Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe). Die Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde zur Strafbemessung sind dahin zu ergänzen, dass der Berufungswerber keine Angabe zu seinem Einkommen gemacht, aber die Einschätzung seines monatlichen Einkommens mit ? 2.500,00 als zu hoch bezeichnet hat. Er ist Hälfteeigentümer einer Eigentumswohnung und besitzt einen Seat Alhambra, Baujahr 2010. Die Verhängung einer einzigen Strafe für die 1.) und 2.) Übertretung wegen Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes und einer weiteren Strafe für die 3.) und 4.) Übertretung aus demselben Grund bedeutet im Ergebnis eine Strafherabsetzung, die damit zu begründen ist, dass es sich jeweils um einheitliche Tatvorgänge handelte und dass unzulässige Inverkehrbringen von Trockenfrüchten mit verschiedenen Mindesthaltbarkeitsdaten den Unrechtsgehalt nicht signifikant vergrößert. Auf Grund der Strafherabsetzung entfällt ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren (§ 65 VStG).

Dem Antrag auf Absehen von einer Bestrafung nach § 21 Abs 1 VStG ist nicht nachzukommen, weil das Verschulden nicht geringfügig ist und der Unrechts- und Schuldgehalt somit nicht untypisch geringer ist als bei derartigen Taten sonst, und das Vorliegen unbedeutender Folgen für sich ein Absehen von einer Bestrafung nicht rechtfertigt, da beide Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG vorliegen müssen.

 

§ 71 Abs 3 LMSVG bestimmt:

Im Verwaltungsstrafverfahren ist im Straferkenntnis der zum Kostenersatz verpflichteten Partei der Ersatz der Kosten an die Agentur oder an die jeweilige Untersuchungsanstalt der Länder vorzuschreiben.

Zu § 45 Abs 2 LMG 1975 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (09.03.1981, 1444/79), dass der Ersatz der Kosten einer Stellungnahme einer Untersuchungsanstalt nicht vorgesehen und auch dem AVG und dem VStG eine solche Bestimmung nicht zu entnehmen sei. Da § 71 Abs 3 LMSVG § 45 Abs 1 LMG 1975 sinngemäß beibehalten hat (Blass u.a. LMR3, § 71 LMSVG, Rz 1) und es sich bei dem als amtliches Untersuchungszeugnis bzw. Gutachten bezeichneten Schreiben der Ages vom 20.04.2009 im erstinstanzlichen Verfahren lediglich um eine Stellungnahme handelt, ist der Ersatz der hierfür geltend gemachten Kosten im Betrag von ? 67,50 dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen.

 

Der Spruch war dahin zu präzisieren, dass der Berufungswerber verantwortlicher Beauftragter der Ho Kommanditgesellschaft hinsichtlich der Filiale Hb war.

 

Der Berufung ist somit dem Grunde nach keine Folge zu geben, wohl aber hinsichtlich der Strafhöhe.

Schlagworte
Lebensmittel; Kennzeichnung; Mindesthaltbarkeitsfrist; Verzehr; ungeeignet; Kumulation; Konsumtion
Zuletzt aktualisiert am
11.03.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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