TE UVS Steiermark 2010/11/12 20.3-14/2010

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Veröffentlicht am 12.11.2010
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des Ha Hb, geb. am, vertreten durch Dr. A P, Rechtsanwältin in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

 

Die Beschwerde wegen der Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers am 17. August 2010, von ca. 10:45 Uhr bis 11:15 Uhr, durch Organe der Bundespolizeidirektion Graz, wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67 a Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 2 Abs 1 Z 3 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, § 35 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) und §§ 2 und 4 Waffengebrauchsgesetz (WaffenGG)

 

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für Inneres) gemäß § 79 a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 2008/456, einen mit ? 887,20 bestimmten Kostenaufwand binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 03. September 2010 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bei einer Anhaltung keinen Ausweis bzw. Führerschein bei sich hatte und danach im Rahmen der Festnahme und Anhaltung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und im Recht keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wurde.

Es wurde beantragt, dass der Beschwerdeführer durch seine Festnahme um ca. 10:20 Uhr am 17.08.2010 durch Organe der Bundespolizeidirektion Graz im Kreisverkehr der Alten Poststraße / Graz und seine nachfolgende Anhaltung bis 11:15 Uhr des gleichen Tages im Wachzimmer Eggenberg in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und dadurch, dass er bei seiner Festnahme gewalttätigen Übergriffen durch Organe der Bundespolizeidirektion Graz im Recht keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art. 3 ERMK) sowie in seinem Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der §§ 35 36 VwStG festgenommen und angehalten zu werden, verletzt worden  sei. Desweiteren wurde beantragt die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer zuzusprechen.

Als Beilagen wurde die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Graz, zu  GZ.: 22 St 167/10k - 1, vom 01. September 2010, die Ambulanzkarte des Unfallkrankenhauses Graz vom 17. August 2010 und der Zulassungsschein des Pkws, Kennzeichen, angeschlossen.

 

2. Die Bundespoliziedirektion Graz legte am 01. Oktober 2010 die Gegenschrift vor und führte im Wesentlichen aus, dass die Festnahme des Beschwerdeführers die Rechtsgrundlage in § 35 Z 1 VStG finde. Der Beschwerdeführer sei mehrmals aufgefordert worden aus dem Fahrzeug zu steigen, er habe sich nicht ausweisen können und sei daher zu Recht festgenommen worden. Nach Wegfall des Festnahmegrundes sei die Anhaltung sofort aufgehoben worden.

Es wurde der Antrag gestellt, auf Grund des rechtskonformen Einschreitens der Polizeibeamten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Beigeschlossen wurde der Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Graz vom 29. August 2010, GZ.: B6/64167/2010-OSW, sowie die Verwaltungsstrafanzeige des Stadtpolizeikommandos Graz, Polizeiinspektion E, vom 12. September 2010, GZ.: 64252/1/2010 SCH.

 

II.1. Auf Grund des Akteninhaltes, sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers, der Zeugen Ma Mk, Dr. Pe S, BI Ho Sch, Insp. Ph Ab und Insp. St Gg in der Verhandlung am 09. November 2010, geht der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer KFZ-Werkstätte und unternahm am 17. August 2010 mit seinem Mechaniker, Ma Mk, eine Probefahrt. Hiebei benützte er das Fahrzeug eines Kunden, nämlich einen Audi A6, mit dem Kennzeichen. Beim Befahren des Kreisverkehrs in 8020 Graz, Alte Poststraße-Reininghausstraße-Friedhofgasse, bekam der Beschwerdeführer von BI Sch, der in der Mitte des Kreisverkehrs stand, ein Haltezeichen mit der Hand nach oben und wies der Polizist mit der zweiten Hand in Richtung Fahrbahnrand, wo der Beschwerdeführer sein Fahrzeug anhalten sollte. Da für den Beschwerdeführer bei der vom Polizisten hingewiesenen Stelle nicht genügend Platz zum Anhalten seines Fahrzeuges gegeben war, verließ dieser den Kreisverkehr und fuhr unmittelbar daraufhin wieder in den Kreisverkehr zurück, wobei er nunmehr genügend Platz vorfand, um sein Fahrzeug anzuhalten.

Sodann kam BI Sch zum Beschwerdeführer und verlangte den Führerschein und Zulassungsschein. Der Beschwerdeführer händigte sofort den Zulassungsschein aus und erklärte, dass er keinen Führerschein mit hätte. Auch die Frage des Polizisten, ob er eine Kreditkarte oder E-Card mit sich führe, die seinen Namen beinhalte, verneinte der Beschwerdeführer. Zudem wurde der Beifahrer Mk vom Polizisten gefragt, ob er sich ausweisen könne und wurde dies ebenfalls verneint. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer von BI Sch aufgefordert aus dem Fahrzeug auszusteigen und ihm den Fahrzeugschlüssel zu geben. Der Beschwerdeführer antwortete, er steige sicher nicht aus und gab auch seine Fahrzeugschlüssel nicht her. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer drei- bis viermal vom Polizisten aufgefordert das Fahrzeug zu verlassen, jedoch ohne Erfolg. Zwischenzeitig kamen auch die beiden anderen Polizisten, die ebenfalls Verkehrsüberwachungsdienst versahen, zum Fahrzeug, nämlich Insp. Ab, der sich vor das Fahrzeug stellte, damit der Beschwerdeführer nicht wegfahren könne und Insp. Gg die vorerst an der Beifahrerseite stand. Der Beschwerdeführer erklärte auch gegenüber BI Sch, dass er deshalb nicht aussteigen könne, da er eine Meniskusoperation gehabt hätte.

Da der Beschwerdeführer die mehrmaligen Aufforderungen, das Fahrzeug zu verlassen negierte, wurde von BI Sch die Festnahme nach § 35 Z 1 VStG ausgesprochen und der Beschwerdeführer wiederum aufgefordert auszusteigen. Der Beschwerdeführer antwortete darauf, dass der Polizist warten solle, da er jetzt telefoniere und wurde ihm von BI Sch mitgeteilt, dass dies günstig sei und er dem Legitimationszeugen mitteilen solle, dass dieser zur Polizeiinspektion E kommen solle, da auch sie dort hinfahren würden. Nachdem der Beschwerdeführer nicht ausstieg, hatte BI Sch die Fahrzeugtür geöffnet und forderte ihn nochmals auf auszusteigen, wobei er androhte, dass er ihn sonst an den Armen herausziehen werde. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung wiederum nicht nachkam, erfasste BI Sch den Beschwerdeführer am linken Unterarm mit den Händen und wollte ihn aus dem Fahrzeug ziehen. Dies gelang nicht, da sich der Beschwerdeführer mit beiden Händen am Lenkrad festklammerte und auch die Füße in den Fahrzeuginnenraum verspreizte. In weiterer Folge kam Insp. Gg zur Hilfe, die hiebei den Beschwerdeführer auf Grund seines Widerstandes am linken Oberarm packte, jedoch auch unter ihrer Beihilfe konnte der Beschwerdeführer auf Grund seines Widerstandes nicht aus dem Fahrzeug gezogen werden. In weiterer Folge fasste BI Sch den Beschwerdeführer bei seinem Leiberl und im Schulter- bzw. Nackenbereich und erklärte dem Beschwerdeführer, dass er mit Gewalt ziehen werde und es möglich sein könne, dass das Leiberl reißen werde. Danach zog BI Sch wie angedroht, an und erklärte der Beschwerdeführer aus dem Fahrzeug auszusteigen. Daraufhin wurde vom Polizeibeamten von der Gewaltanwendung abgesehen und stieg der Beschwerdeführer aus dem Fahrzeug.

In weiterer Folge ging der Beschwerdeführer normalen Schrittes zum Dienstfahrzeug - der Beschwerdeführer ging ohnedies während der gesamten Amtshandlung normal - und wurde aufgefordert sein Fahrzeug zu verschließen. Der Beifahrer Mk blieb beim Fahrzeug und wurde der Beschwerdeführer mit dem Dienstfahrzeug in die Polizeiinspektion E geführt. Dort absolvierte er einen Alkotest der 0,0 Promille ergab und wurden die Daten aufgenommen. Auch wurde ihm Gelegenheit geboten, dass er seine Mutter vom Diensttelefon anrufen konnte, die sodann mit dem Beifahrer, den sie beim Fahrzeug des Beschwerdeführers abholte, in der Polizeiinspektion E erschien und die Identität des Beschwerdeführers bestätigte. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer sofort aus der Haft entlassen und auf die Frage von Seiten der Polizei, ob er Beschwerden hätte, erklärte er, dass er Nackenschmerzen hätte. Auch wurde der Beschwerdeführer zwischenzeitig von Insp. Gg angesprochen, die angab, dass sie ihn von einem Verkehrsunfall im Jahr 2008 kenne, wobei Insp. Gg den Beschwerdeführer zuvor nicht wissentlich gekannt hat.

 

Letztendlich verließ der Beschwerdeführer, nachdem ihm gesagt wurde, dass der Polizeiarzt ca eine Stunde brauchen würde, die Polizeiinspektion und begab sich ins UKH, wo eine Nackenzerrung diagnostiziert wurde. Eine derartige Diagnose stützt sich ausschließlich auf die subjektiven Beschwerdeangaben des Beschwerdeführers, eine Rötung im Nackenbereich war nicht ersichtlich. Derartige Verletzungen treten laut Dr. S, den behandelnden Arzt im UKH, dann auf, wenn jemand mit der Hand am Nacken genommen wird und sich die Person gegen das Ziehen mit der Hand wehrt bzw. wenn man dem Ruck mit der Hand nicht nachgibt und somit bereits eine minimale Kraftanstrengung eine Nackenzerrung hervorruft (Tangential-verschiebung der Wirbelkörper findet statt). Durch den Versuch des gewaltsamen Herausziehens des Beschwerdeführers und den damit erfolgten Griff im Nackenbereich des Beschwerdeführers, könnte eine derartige Verletzung entstanden sein.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich im Wesentlichen auf die Aussagen der Zeugen Ma Mk, BI Horst Sch, Insp. Ph Ab und Insp. St Gg. Außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer sich nicht ausweisen konnte und auch der Beifahrer Mk laut seinen Angaben, als auch den Angaben von BI Sch, gefragt wurde, ob er sich ausweisen könne. Erst danach kam es zum Ausspruch der Festnahme. Dass der Beschwerdeführer auf Grund mehrmaliger Aufforderung das Fahrzeug nicht verlassen hat, wurde von sämtlichen anwesenden Zeugen bestätigt, selbst der Beschwerdeführer gab an der Aufforderung, das Fahrzeug zu verlassen, nicht nachgekommen zu sein, sondern er wollte telefonieren. Bei einer weiteren Aufforderung gab der Beschwerdeführer an, dass er deshalb der lauten Aufforderung von BI Sch das Fahrzeug zu verlassen nicht gefolgt sei, da er mit dem Meniskus ein Problem hätte und nicht sofort aus dem Fahrzeug springen könne. Der Beschwerdeführer räumt auch selbst ein, dass er sich beim Lenkrad mit den Händen verkeilte und erst nachdem BI Sch ihn im Nackenbereich mit der rechten Hand und mit der anderen am T-Shirt nahm, freiwillig ausstieg. Sodann stimmen die Aussagen sämtlicher Beteiligter überein, dass der Beschwerdeführer freiwillig in das Dienstfahrzeug stieg und in die Polizeiinspektion E gebracht wurde, wonach er telefonisch seine Mutter verständigte, die dann, nachdem sie sich auswies, seine Identität bestätigte. Der Beschwerdeführer wurde auch unmittelbar darauf aus der Haft entlassen und begab sich ins UKH Graz, wo der Zeuge Dr. S eine Nackenzerrung beim Beschwerdeführer diagnostizierte, die mit der geschilderten Gewaltanwendung als Ursache durchaus nachvollziehbar war. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ist es nachvollziehbar, dass bei der gegenüber dem Beschwerdeführer angewendeten Gewalt um ihn zum Aussteigen zu bewegen, sein Leiberl eingerissen wurde. Ob der Beschwerdeführer beim Verlassen der Polizeiinspektion, als ihm die Möglichkeit gegeben wurde die Strafe zu bezahlen, ? 50,00 auf den Tisch hinterlegte und hierüber keinen Beleg erhalten hat, ist für den zu beurteilenden Sachverhalt ohne Relevanz. Ebenfalls die Behauptung des Beschwerdeführers, dass Insp. Gg mit ihm am Rücksitz des Dienstfahrzeuges Platz genommen habe, ihr Knie gehoben hat und es für ihn den Eindruck einer Abwehrstellung hervorgerufen hat, da damit keine Gewaltanwendung verbunden war. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht aber auch fest, dass Insp. Gg den Beschwerdeführer nicht sogleich namentlich kannte, sondern erst im Rahmen der weiteren Erhebung, insbesondere in der Polizeiinspektion E in Erfahrung brachte, dass sie ihn bereits von einem Verkehrsunfall im Jahr 2008 in Erinnerung hatte.

 

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

 

1. Die Beschwerde über die Amtshandlung am 17. August 2010 langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 10. September 2010 (Poststempel 06. September 2010) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da sich der Vorfall im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ereignete.

 

Gemäß § 67 a Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

2. Gemäß Art. 2 Abs 1 Z 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988, über den Schutz der persönlichen Freiheit, darf die persönliche Freiheit einen Menschen in folgenden Fällen auf gesetzlich vorgeschriebenen Weise entzogen werden: Z 3 zum Zweck einer Vorführung vor die zuständige Behörde, wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.

Gemäß § 35 Z 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, außer in gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor der Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

 

Klargestellt wird, dass es sich bei der Amtshandlung (Festnahme nach § 35 VStG) um eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelte (VfGH 05.12.2001, B216/00 u.a.).

 

Im Zuge der Anhaltung des Beschwerdeführers bestand der Verdacht einer Übertretung nach § 97 Abs 4 Straßenverkehrsordnung (Nichtanhaltung trotz Zeichen eines Organes der Straßenaufsicht) und § 37 Abs 1 iVm § 14 Abs 1 Z 1 Führerscheingesetz (Nichtmitführen des Führerscheines), welcher auch in eine Anzeige des Stadtpolizeikommandos Graz, Polizeiinspektion E, vom 12. September 2010, GZ.: 64252/1/2010 SCH, mündete. Der zumindest nachvollziehbare Verdacht dieser beiden Verwaltungsübertretungen wurden von BI Sch im Zuge der Anhaltung in nachvollziehbarer Weise festgestellt. Außerstreit steht, dass der Beschwerdeführer dem anhaltenden Organ unbekannt war, sich nicht ausweisen konnte und auch die Identität nicht feststellbar war, da er weder eine E-Card, eine Kreditkarte mit seinem Namen, noch der Beifahrer Mk sich ausweisen konnte. Soweit die Zeugin Insp. Gg den Beschwerdeführer von einem Vorfall vom Jahr 2008 kannte, wurde dies ihr erst im Zuge der weiteren Erhebungen in der Polizeiinspektion E bewusst und war somit der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Anhaltung ihr ebenfalls unbekannt. Auf den Verdacht der Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs 3 d Z 1 iVm § 106 Abs 2 Kraftfahrgesetz 1967 braucht hier nicht mehr näher eingegangen zu werden, da der Beschwerdeführer zwei andere - oben genannte - Verwaltungsübertretungen für das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gesetzt hat. Der Ausspruch der Festnahme durch BI Sch war somit rechtmäßig.

 

Wenn der Beschwerdeführer einwendet, dass er sich bei der Amtshandlung gewundert hat, dass das Nichtmitführen des Führerscheines bzw. der Verdacht einer Nichtanhaltung (der Beschwerdeführer kam unmittelbar danach wieder zum Anhalteort zurück) bereits zu einer Festnahme führen kann, wird auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, der bei ähnlichen Fällen - hier eine Übertretung nach § 76 Abs 1 StVO - bereits einen Haftgrund gesehen hat (VfSlg 10229/1984). Dass BI Sch vor Ort dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit gab, jemand anzurufen, damit er als Identitätszeuge zum Anhalteort kommt, lag im Ermessen des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

 

Eine derartige Vorgehensweise zieht nicht die Rechtswidrigkeit der Festnahme nach sich, da ein derartiges Abwarten eines mittels Telefons herbeigerufenen Identitätszeugen sicherlich nicht die im Gesetz vorgesehene sofortige Feststellbarkeit der Identität gewährleistet. Die Festnahme des Beschwerdeführers findet auch im Art. 2 Abs 1 Z 3 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit Deckung, da der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes von Verwaltungsübertretungen, bei der er auf frischer Tat betreten wird zum Zwecke der Vorführung festgenommen wurde, um die Strafverfolgung zu sichern.

 

Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Gemäß § 36 Abs 2 VStG ist bei der Festnahme und Anhaltung unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen. Für die Anhaltung gilt § 53 c Abs 1 und 2 sinngemäß; das Erfordernis genügenden Tageslichtes kann jedoch entfallen, sofern ausreichende künstliche Beleuchtung vorhanden ist.

Gemäß Abs 3 ist dem Festgenommenen ohne unnötigen Aufschub zu gestatten, einen Angehörigen oder eine sonstige Person seines Vertrauens und einen Rechtsbeistand zu verständigen; über dieses Recht ist der Festgenommene zu belehren. Bestehen gegen eine Verständigung durch den Festgenommenen selbst Bedenken, so hat die Behörde die Verständigung vorzunehmen.

 

Gemäß § 2 Z 3 WaffenGG dürfen Organe der Bundespolizei und der Gemeindewachkörper in Ausübung des Dienstes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme von Dienstwaffen Gebrauch machen.

 

Gemäß § 4 WaffenGG ist der Waffengebrauch nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren, ungeeignet erscheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben.

 

Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass der Beschwerdeführer nach Ausspruch der Festnahme mehrmals aufgefordert wurde aus dem Fahrzeug zu steigen und dieser Aufforderung nicht nachkam, obwohl ihm auch Zwang angedroht wurde. Der Beschwerdeführer wollte telefonieren bzw gab vor auf Grund einer Meniskusoperation nicht aussteigen zu können und kam somit dem Befehl auszusteigen nicht nach. Der Beschwerdeführer musste somit mit Anwendung körperlicher Gewalt rechnen und war gegenüber dem sich widerstrebenden Beschwerdeführer - er verkeilte die Hände im Lenkrad und spreizte seine Beine im Fahrzeuginnenraum - die Anwendung von Körpergewalt zulässig. Das Ziehen des Beschwerdeführers am Ober- bzw. Unterarm und in weiterer Folge an seiner Kleidung bzw im Nackenbereich war sicherlich verhältnismäßig, um den beabsichtigten Erfolg, nämlich das Verlassen des Fahrzeuges zu erreichen. Dass sich der Beschwerdeführer hiebei eine Nackenzerrung zugezogen hat bzw. sein Leiberl beschädigt wurde, ist wohl seinem Verhalten zuzuschreiben, da er sich bewusst dem Befehl, das Fahrzeug zu verlassen, widersetzte, obwohl zu dem Zeitpunkt bereits die Verhaftung ausgesprochen war und Gewalt angedroht wurde. Wenn der Beschwerdeführer bei einer derartigen Vorgangsweise eine Verletzung des Art. 3 EMRK sieht, kann ihm nicht gefolgt werden, da gerade das Handeln des Organes der öffentlichen Sicherheit notwendig war um den beabsichtigten Erfolg, nämlich das Verlassen des Fahrzeuges, zu gewährleisten. Das Herausziehen aus dem Fahrzeug mit Körperkraft war sicherlich das gelindeste Mittel und zum angestrebten Erfolg verhältnismäßig. Nachdem der Beschwerdeführer das Fahrzeug verlassen hatte, wurden ihm auch keine Handfesseln angelegt und hatte er auch in der Polizeiinspektion E die Möglichkeit erhalten einen Angehörigen - seine Mutter - zu verständigen. Nachdem die Identität des Beschwerdeführers geklärt war, wurde er auch - wie er selbst angibt - sofort freigelassen. Somit lag keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vor und entsprach die Festnahme auch den Anforderungen des § 36 VStG.

 

VI. Als Kosten wurden gemäß § 79 a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 2008/456, dem Bund ein Betrag von ? 887,20 zugesprochen. Dem Bund gebührt ? 57,40 als Vorlageaufwand, ? 368,80 als Schriftsatzaufwand und ? 461,00 als Verhandlungsaufwand.

Schlagworte
Festnahme; Lenker; Gewaltanwendung; telefonieren; Verhältnismäßigkeit; abwarten
Zuletzt aktualisiert am
11.03.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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