TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/13 99/18/0330

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2001
beobachten
merken

Index

DE-22 Zivilprozess Deutschland;
15 Rechtsüberleitung Unabhängigkeitserklärung Übergangsrecht
Rechtsbereinigung;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

EheGDV 04te §24 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
R-ÜG §2;
ZPO-D §328;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der P O (vormals: K), (geboren am 1. November 1968), vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. August 1999, Zl. SD 303/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. August 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin befinde sich auf Grund erteilter Aufenthaltsbewilligungen rechtmäßig im Bundesgebiet. Am 17. Juni 1998 habe sie einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Sie habe ihrem Antrag die Ehe mit W. K. zu Grunde gelegt, ihren Familienstand mit "verheiratet" angegeben und dem Antrag nicht nur eine Kopie der Heiratsurkunde, sondern auch des Reisepasses des Ehegatten und dessen Staatsbürgerschaftsnachweises sowie die Kopie eines Meldezettels beigelegt. Da sie jedoch an einer anderen Anschrift wohnhaft gewesen sei, seien polizeiliche Erhebungen eingeleitet worden, in deren Rahmen sich herausgestellt habe, dass die Ehe bereits am 14. Oktober 1996 in Rumänien rechtskräftig geschieden worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dazu behauptet, dass sie die Scheidung in Rumänien mangels gesetzlicher Voraussetzungen für nichtig erachtet hätte.

Mit Bescheid vom 6. Juli 1999 habe das Bundesministerium für Justiz rechtskräftig festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung der Beschwerdeführerin gegeben seien. Ihrem Einwand stünden daher sowohl die Rechtskraft des Scheidungsurteils als auch die Anerkennung durch das Bundesministerium für Justiz entgegen. Die Beschwerdeführerin habe somit einer Behörde bzw. deren Organen gegenüber zur Erlangung eines Aufenthaltstitels falsche Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse gemacht. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass der im § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Dieses Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet eines geordneten Fremdenwesens in erheblichem Ausmaß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Die Beschwerdeführerin lebe laut ihren Angaben seit fünf Jahren im Bundesgebiet. Sie sei geschieden, familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Ferner sei sie Mutter zweier Kinder aus erster Ehe, die jedoch beim ehemaligen Ehegatten wohnten. Auf Grund ihres fünfjährigen inländischen Aufenthalts sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privatleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels die Fremdenpolizeibehörde über wesentliche Voraussetzungen zu täuschen versucht habe, lasse sie ihre Geringschätzung der für sie wesentlichen Rechtsvorschriften erkennen. Die solcherart bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die gegenständliche Maßnahme als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erweise.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen gewesen. Zu berücksichtigen sei jedoch auch gewesen, dass sie laut Versicherungsdatenauskunft der österreichischen Sozialversicherung seit 5. September 1998 keiner angemeldeten Beschäftigung mehr nachgehe und seit 29. Oktober 1998 über keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mehr verfüge. Das insgesamt der Beschwerdeführerin zuzusprechende Ausmaß an Integration erweise sich daher als nicht besonders ausgeprägt. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf ihre Lebenssituation wögen keinesfalls schwerer als das in ihrem Fehlverhalten gegründete öffentliche Interesse an ihrem Verlassen des Bundesgebietes. Das Aufenthaltsverbot erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen. Da sonst keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegebenen gewesen seien, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

2. Die Beschwerde wendet sich weder gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend den Inhalt (Angaben und vorgelegte Urkunden) des von der Beschwerdeführerin am 17. Juni 1998 gestellten Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und auch nicht gegen die Bescheidausführungen, dass deren Ehe mit W. K. am 14. Oktober 1996 in Rumänien rechtskräftig geschieden worden sei, noch bestreitet sie, dass im Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. Juli 1999 festgestellt worden sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung der Beschwerdeführerin gegeben wären. Sie bringt jedoch vor, dass im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 17. Juni 1998 ihre Ehe nach österreichischem Recht aufrecht gewesen sei, weshalb sie in ihrem Antrag völlig zutreffend ihren Familienstand mit "verheiratet" angegeben habe.

3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

3.1. Gemäß Abs. 1 des mit "Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen" überschriebenen § 24 der - auf österreichische Verhältnisse umzustellenden und als österreichische Rechtsvorschrift auf der Stufe eines (einfachen) Bundesgesetzes in der österreichischen Rechtsordnung weiterhin in Geltung stehenden (§ 2 R-ÜG; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 94/19/1419, mwN) - Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz - 4. DVEheG, dRGBl. 1941 I 654, sind u. a. Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe dem Bande nach (oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes) geschieden ist, in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind. Dabei ist § 328 der dZPO (idF im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 24 der 4. DVEheG gemäß § 2 R-ÜG) sinngemäß anzuwenden. Trifft der Bundesminister für Justiz eine derartige Feststellung, so ist diese für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend.

3.2. Aus dem klaren Wortlaut des § 24 Abs. 1 leg. cit. ("Entscheidungen ... sind in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, ...") ist abzuleiten, dass eine in dieser Gesetzesbestimmung genannte ausländische Entscheidung nach österreichischem Recht erst ab der Feststellung des Vorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen durch den Bundesminister für Justiz, somit erst ab Erlassung dieses Feststellungsbescheides, wirksam ist. Dies bedeutet, dass die Beschwerdeführerin bei Stellung ihres Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung am 17. Juni 1998 nach österreichischem Recht (noch) mit W. K. verheiratet war, sodass darin, dass sie in diesem Antrag ihren Familienstand mit "verheiratet" bezeichnete und auf ihre Ehe mit W. K. Bezug nahm, keine unrichtigen Angaben im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erblickt werden können.

3.3. Demzufolge erfüllt das im angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten nicht den in der vorzitierten Bestimmung umschriebenen Tatbestand.

4. Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999180330.X00

Im RIS seit

26.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten