TE UVS Niederösterreich 2008/12/03 Senat-AB-08-2040

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Veröffentlicht am 03.12.2008
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, keine Folge gegeben.

Text

Am 8. Mai 2008 stellte der Berufungswerber einen Asylantrag und wurde am selben Tag in die Grundversorgung des Bundes aufgenommen. Am 22. September 2008 gegen 14.30 Uhr kam es ? nach übereinstimmenden Schilderungen des Berufungswerbers auf der einen und des Bundesasylamtes auf der anderen Seite ? zu einem kurzfristigen Ausfall des Zugangscomputersystems, sodass vorübergehend kein Asylwerber die Betreuungsstelle betreten oder verlassen konnte. Obwohl sich eine Warteschlange bildete, wollte der Berufungswerber die Betreuungsstelle betreten, jedoch nicht warten. Zunächst drängte sich der Berufungswerber vor und wurde von den Mitarbeitern der Firma **-W. in die Schranken gewiesen bzw. zum Warten ersucht. Darauf habe er ? den Schilderungen der **-W. zufolge ? ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt, habe das Wachpersonal beschimpft, die Lagerpapiere zum Torposten geworfen und habe das Lager betreten.

 

Mit den Vorfällen konfrontiert gab der Berufungswerber gegenüber dem Bundesasylamt an, den Tschetschenischdolmetsch abzulehnen. Er fordere eine russische Dolmetscherin (!). Über Vorhalt, dass für diesen Fall eine bescheidmäßige Entlassung ausgesprochen würde, hielt er fest, dass ihm dies egal sei und er zurück nach Polen abgeschoben werden könne.

 

In seiner Berufung stellte der Berufungswerber sein Verhalten grundsätzlich nicht in Abrede, hielt jedoch fest, sich aufgrund schwerer körperlicher Probleme so verhalten zu haben, da er einmal für ein halbes Jahr gelähmt gewesen sei und seither immer noch ständig Schmerzen habe. Nach etwa einer Stunde Wartezeit habe er ? seines Erachtens verständlicherweise ? die Nerven verloren und entsprechend reagiert. Er habe dem Wachpersonal nur mitgeteilt, sich im Haus Nr. 15 aufzuhalten, wobei dies offenbar aufgrund der Sprachunkenntnis des Wachpersonals offenbar als Beschimpfung aufgefasst worden sei. Bei ihrer Entscheidung habe die Erstbehörde im Übrigen nicht berücksichtigt, dass der Berufungswerber an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leide, wobei sich aus dem diesbezüglichen Gutachten ergäbe, dass er daran gehindert sei, seine Interessen im Verfahren wahrzunehmen. Es sei daher nachvollziehbar, dass derartige Vorfälle, wie sie sich am Eingang der Betreuungsstelle ereignet hätten, dazu geeignet seien, ein entsprechendes Verhalten durch den Berufungswerber hervorzurufen. Angesichts dessen sei von einer geringen Schuld auszugehen und erscheine die Entlassung unverhältnismäßig. Den Tschetschenischdolmetsch habe er abgelehnt, da er von seinen tschetschenischen Verfolgern geflohen sei und ihm daher nicht zugemutet werden könne, einen tschetschenischen Dolmetscher zur Seite gestellt zu bekommen. Er hätte Zweifel an der Unbefangenheit desselben gehabt. Im Übrigen handle es sich beim gegenständlichen Vorfall um den einzigen, mutwilligen Verstoß gegen die Hausordnung, wobei der Berufungswerber lediglich verbal aggressiv gewesen sei. Er habe durch sein Verhalten weder jemanden verletzt noch auf andere Art und Weise die Sicherheit von Personen gefährdet, sondern habe lediglich nach Hause gehen wollen. Auch sei zu erwarten, dass sich der psychische Zustand weiter verschlechtere und er im Übrigen nach dem vorliegenden Gutachten ohnehin besachwaltert werden müsse. Entgegen den Ausführungen in der Berufung ist dem vorliegenden Gutachten zu entnehmen, dass trotz der entsprechenden Befunde nicht gesagt sei, dass ein Sachwalter nötig sei, sondern nur Hilfestellung bei Einhaltung von Terminen zu gewähren sei. Die Ausführungen in der Berufung lassen sich daher auf dieses Gutachten nicht gründen.

 

Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde ist der Berufungswerber unentschuldigt nicht erschienen.

 

Die Berufungsbehörde stellt dazu fest:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde grundsätzlich, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist  berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 GVG-Bund kann die Versorgung von Asylwerbern und sonstigen Fremden gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung von der Behörde eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden, wenn die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtung (§ 5) fortgesetzt oder nachhaltig gefährdet wird. Als grobe Verstöße gegen die Hausordnung sind dabei ? der ratio legis entsprechend ? solche zu verstehen, die geeignet sind, das Zusammenleben der Betreuten erheblich zu stören oder sonst die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Betreuungseinrichtung erheblich zu erschweren.

 

Gemäß Punkt 1. der Hausordnung für die Betreuungseinrichtungen des Bundes ist den zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Anweisungen des Personals der Betreuungseinrichtung Folge zu leisten. Nach Punkt 11 der genannten Hausordnung darf Betreuungseinrichtung nur bei offiziellen Eingängen betreten und verlassen werden.

 

Im konkreten Fall ist zunächst davon auszugehen, dass der Berufungswerber ? im Übrigen unstrittig ? entsprechenden Anordnungen des Betreuungspersonals, sich bis zur Wiederinbetriebnahme des Computerzugangsystems zu gedulden, keine Folge leistete. Vielmehr steht unstrittig fest, dass er sich im Bereich der Wartenden zunächst vorgedrängt und in weiterer Folge, ohne die Erlaubnis zum Zutritt abzuwarten, die Betreuungseinrichtung betreten hat. Unstrittig ist ferner, dass er dies in einer Art und Weise tat, die zum einen auf eine (auch von ihm zugestandene) Aggressivität des Berufungswerbers, zum anderen auf die Gleichgültigkeit gegenüber entsprechenden Anordnungen des Betreuungspersonals schließen lassen. Ein derartiges Verhalten ist dabei aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles (mehrere betreuten Personen in derselben Lage) geeignet, die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Betreuungseinrichtung massiv zu gefährden bzw. zu erschweren, zumal die Autorität bzw. Anordnungsbefugnis des Betreuungspersonals im Rahmen der Zutrittskontrolle nicht nur in Frage gestellt, sondern im Ergebnis negiert wird. Gerade die Akzeptanz der Anordnungen des Betreuungspersonals ist aber unabdingbare Voraussetzung  für eine halbwegs in geordneten Bahnen verlaufende Unterbringung einer erheblichen Zahl von Menschen auf relativ engem Raum.

 

Erweisen sich daher Maßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 4 GVG-Bund der Sache nach als gerechtfertigt, so ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob allenfalls Verhältnismäßigkeitsüberlegungen gegen einen Ausschluss aus der Grundversorgung des Bundes sprechen bzw. das Auslangen gefunden werden kann. In diesem Zusammenhang kann nun nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber sein diesbezügliches Verhalten nicht nur nicht bedauert, sondern es mit Argumenten zu rechtfertigen versucht, die ihm im Ergebnis jedes vergleichbare Fehlverhalten gestatten würden. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass der Berufungswerber nicht zuletzt mit Betonung darauf, dass sein Verhalten angesichts der Umstände verständlich gewesen sei, die ?Schuld? nicht bei sich selbst, sondern beim Betreuungspersonal sucht. Im Hinblick darauf, dass der Berufungswerber unentschuldigt zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde nicht erschienen ist und auch anlässlich seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt nicht die Möglichkeit ergriff, sein Verhalten zu erklären, ist unter Zugrundelegung der diesbezüglichen vorliegenden Angaben des Berufungswerbers ? in erster Linie in der Berufung ? davon auszugehen, dass mit einem gelinderen Mittel (etwa dem Entzug des Taschengelds oder dgl.) im Hinblick auf das zugestandene Verhalten des Berufungswerber auf der einen Seite sowie die aus seinen Stellungnahmen ersichtliche Gleichgültigkeit gegenüber der Hausordnung, entsprechenden, das Zusammenleben in der Betreuungsstelle regelnden Bestimmungen sowie Anweisungen des Betreuungspersonals auf der anderen Seite nicht das Auslangen gefunden werden kann, sondern mit einem Entzug der Grundversorgung vorzugehen war.

Zuletzt aktualisiert am
28.10.2009
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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