RS Vwgh 2009/3/5 2007/16/0064

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Veröffentlicht am 05.03.2009
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Index

24/01 Strafgesetzbuch
25/01 Strafprozess
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

FinStrG §138 Abs2 litd;
FinStrG §162 Abs1 litd;
FinStrG §162 Abs2;
FinStrG §23 Abs5;
StGB §38;
StPO 1975 §260;
StPO 1975 §283 Abs2;
StPO 1975 §400 Abs2;

Rechtssatz

Der unabhängige Finanzsenat führt aus, eine Vorhaft werde erst im Vollzug berücksichtigt und wirke sich erst dabei in der Rechtssphäre des Bestraften aus. Allein durch den Umstand, dass im Spruch des Erkenntnisses und der Berufungsentscheidung der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft unterblieben sei, würden die rechtlichen Interessen des Bestraften noch nicht berührt. Die genannte Behörde vernachlässigt dabei, dass § 162 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 iVm § 138 Abs. 2 lit. d FinStrG ausdrücklich anordnen, dass der Spruch eines Erkenntnisses die Anrechnung einer Vorhaft zu enthalten hat. Die im gerichtlichen Strafverfahren vorgesehene Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur des Unterbleibens oder eines Fehlers der Anrechnung von Zeiten einer Vorhaft (§ 400 Abs. 2 StPO; vgl. ausführlich Lässig in Wiener Kommentar StPO17, Rz 5 bis 7 zu § 400) ist im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren nicht vorgesehen. Die Anrechnung der Vorhaft wird in § 260 StPO als notwendiger Bestandteil des Urteilsspruchs nicht erwähnt, weshalb die Anrechnung im gerichtlichen Strafverfahren auch als Ausspruch sui generis und nicht als Teil des Strafausspruches gesehen wird, jedoch im Fall einer Aufhebung des Strafausspruches dessen Schicksal teilt (vgl. Flora in Wiener Kommentar StGB47, Rz 30 zu § 38). Auch aus dem Umstand, dass das Unterbleiben der oder ein Fehler bei der Anrechnung von Zeiten einer Vorhaft kein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (mehr) ist (vgl. Ratz in Wiener Kommentar StPO8, Rz 5 zu § 283) und dass eine unterbliebene oder fehlerhafte Anrechnung einer Vorhaft mit Berufung nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die Berufung zugleich aus anderen Gründen ergriffen wird (§ 283 Abs. 2 StPO), könnte der unabhängige Finanzsenat seine Ansicht für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren nicht ableiten. Die vom unabhängigen Finanzsenat vertretene Auffassung, erst im Vollzug wirke sich das Unterbleiben einer Vorhaftanrechnung aus, mag insoweit zutreffen, als es eine administrative Angelegenheit im Strafvollzug darstellt, in welchem Umfang eine Vorhaft bei Vollstreckung mehrerer verhängter Strafen angerechnet wird, weshalb sich § 23 Abs. 5 letzter Satz FinStrG nur darauf bezieht. Im Straferkenntnis selbst ist lediglich die Vorhaftanrechnung als solche auszusprechen (vgl. Harbich in Dorazil/Harbich, FinStrG29, Anmerkung& 6 zu § 23 sowie die bei Dorazil/Harbich, FinStrG22, E 68 zu § 23 zitierte Rechtsprechung des OGH). Indem der unabhängige Finanzsenat es unterlassen hat, die in verwaltungsbehördlicher Verwahrung zugebrachte Zeit als Vorhaft anzurechnen, ohne dass diese Vorhaft auf eine andere Strafe angerechnet worden wäre, hat er seinen Bescheid hinsichtlich des Strafausspruchs mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. das zum insoweit vergleichbaren § 19a VStG ergangene hg. Erkenntnis vom 30. April 1992, 90/10/0039).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2007160064.X03

Im RIS seit

08.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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