TE Vfgh Beschluss 1998/6/24 G63/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.1998
beobachten
merken

Index

31 Bundeshaushalt
31/05 Förderungen, Zuschüsse, Fonds

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Gesundheits- und Sozialbereich-BeihilfenG
VfGG §62 Abs1
ASVG §355

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf (teilweise) Aufhebung des Gesundheits- und Sozialbereich-BeihilfenG mangels unmittelbaren Eingriffs aller Bestimmungen des Gesetzes in die Rechtssphäre des antragstellenden Arztes bzw infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides über die Leistung einer Ausgleichszahlung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit auf Art140 B-VG gestütztem Antrag begehrt der Antragsteller - ein Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ohne Kassenvertrag - mit näherer Begründung, das gesamte Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, BGBl. Nr. 746/1996, (im folgenden: GSBG), in eventu dessen §3 Abs1 als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Das GSBG räumt in seinem §1 den Trägern der Sozialversicherung, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, den Krankenfürsorgeeinrichtungen iSd §2 Abs1 Z2 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes und den Trägern des öffentlichen Fürsorgewesens einen Rechtsanspruch auf eine Beihilfe ein und trifft Anordnungen über die Berechnung dieser Beihilfe.

In seinem §2 regelt das GSBG den Anspruch von Kranken- und Kuranstalten auf eine Beihilfe. Der §3 Abs1 dieses Gesetzes hat den folgenden Wortlaut:

"§3. (1) Ärzte, Dentisten und sonstige Vertragspartner haben Anspruch auf einen Ausgleich, der sich nach den von den Sozialversicherungsträgern, den Krankenfürsorgeeinrichtungen und den von den Trägern des öffentlichen Fürsorgewesens gezahlten Entgelten für Leistungen im Sinne des §6 Abs1 Z19 UStG 1994 richtet."

§3 Abs2 GSBG gewährt Alten-, Behinderten- und Pflegeheimen, die bestimmte Umsätze bewirken, ebenfalls einen Anspruch auf einen Ausgleich. §3 Abs3 leg.cit. ermächtigt den Bundesminister für Finanzen dazu, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Verordnung die Ausgleichssätze aufgrund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen. In seinem §4 ordnet das GSBG folgendes an:

"§4. Für die Beihilfen und Ausgleichszahlungen gemäß §§1, 2 und 3 Abs2 und die Beträge gemäß §9 finden die für selbst zu berechnende Abgaben geltenden Bestimmungen der BAO sinngemäß Anwendung. Die Durchführung obliegt dem Bundesministerium für Finanzen. Für die Ausgleichszahlungen gemäß §3 Abs1 gelten sinngemäß die Verfahrensbestimmungen der §§352 ff. ASVG."

Die §§5-11 GSBG treffen Anordnungen hinsichtlich der Geltendmachung und Auszahlung der Beihilfen und Ausgleichszahlungen. §12 GSBG ordnet an, daß die Ausgleichszahlung für die in §3 genannten Unternehmer als Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehrbelastung gemäß §30 UStG 1994 gilt. Nach §13 GSBG kommt dem Bundesminister für Finanzen ein Einsichtsrecht in die für die Berechnung der Beihilfe relevanten Unterlagen zu. §14 GSBG schließt eine Kostenersatzpflicht des Bundesministers für Finanzen hinsichtlich bestimmter Verwaltungskosten aus, und §15 GSBG enthält die Vollzugsklausel.

1.3. Zur Antragslegitimation wird ausgeführt, daß §3 Abs1 GSBG lediglich Kassenvertragsärzten, nicht aber Wahlärzten wie dem Antragsteller einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gewähre. Durch diese Gesetzesstelle werde daher unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingegriffen. Die durch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes eingetretene Verschlechterung der umsatzsteuerrechtlichen Rechtsposition aller Ärzte sei einseitig für Kassenvertragsärzte durch das GSBG neutralisiert worden. Dabei handle es sich nicht bloß um eine Reflexwirkung auf die ökonomische Situation des Antragstellers.

Da es unmöglich sei, einen Bescheid zu erlangen oder auf dem Klagsweg den Verfassungsgerichtshof zu erreichen, sei die Antragslegitimation gegeben.

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988 und 14500/1996).

2.2.1. Mit seinem Vorbringen zur Antragslegitimation vermag der Antragsteller nicht darzutun, daß seine Rechtsposition durch das von ihm bekämpfte Gesetz unmittelbar betroffen wird. Er beschränkt sich in seinen Ausführungen auch lediglich auf die Bestimmung des §3 Abs1 GSBG und legt mit keinem Wort dar, inwieweit die anderen Vorschriften des Gesetzes, die Beihilfen und Ausgleichszahlungen für bestimmte Einrichtungen und Vertragspartner der Sozialversicherungsträger vorsehen und technische Fragen der Berechnung der Beihilfen, der Abwicklung ihrer Auszahlung und damit in Zusammenhang stehende Rechte des Bundesministers für Finanzen zum Gegenstand haben, in eine ihm gewährleistete Rechtssphäre eingreifen.

Da nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers keineswegs alle Bestimmungen des GSBG derart beschaffen sind, daß sie iSd Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bzw. des §62 Abs1 letzter Satz VerfGG unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreifen könnten, ist der Antrag insoweit, als mit ihm die Aufhebung des gesamten GSBG begehrt wird, zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 9620/1983, 12442/1990 und 14500/1996).

2.2.2. Auch hinsichtlich der in eventu angefochtenen Vorschrift des §3 Abs1 GSBG erweist sich der Antrag als unzulässig. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung überhaupt für den Antragsteller unmittelbare Wirksamkeit erlangt hat oder für ihn bloß ökonomische Reflexwirkungen (vgl. dazu zB VfSlg. 14274/1995 und 14463/1996) entfaltet. Es steht dem Antragsteller nämlich ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit des §3 Abs1 GSBG nach seiner Meinung zugefügten - Rechtsverletzung offen:

2.2.2.1. Wie sich aus dem letzten Satz des §4 GSBG ergibt, gelten für die Ausgleichszahlungen gemäß §3 Abs1 leg.cit. sinngemäß die Verfahrensbestimmungen der §§352 ff. ASVG. Da es sich um keine der in §354 ASVG aufgezählten Angelegenheiten (oLeistungssachenö) handelt und eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung deshalb nicht in Betracht kommt, weil das GSBG eine sinngemäße Anwendung auch der Bestimmungen des ASGG (über die sukzessive Kompetenz der Arbeits- und Sozialgerichte in solchen Angelegenheiten) nicht anordnet, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß es sich um eine den Verwaltungssachen im Sinne des §355 ASVG gleichzuhaltende Rechtssache handelt.

2.2.2.2. Der Antragsteller verfügt demnach über die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialversicherungsträger einen Antrag auf Leistung einer Ausgleichszahlung zu stellen, einen bescheidmäßigen Abspruch darüber zu erwirken und - gegebenenfalls - nach Erschöpfung des für das Verfahren in Verwaltungssachen in Abschnitt III des siebenten Teils des ASVG vorgesehenen Instanzenzuges den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

3. Der Antrag war daher insgesamt mangels Legitimation zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung geschehen konnte.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Finanzverfassung, Zuschüsse (Finanzausgleich), Gesundheitswesen, Sozialversicherung, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G63.1998

Dokumentnummer

JFT_10019376_98G00063_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten