TE OGH 2009/2/24 9ObA174/08s

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Veröffentlicht am 24.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian K*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen 3.402,24 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. September 2008, GZ 12 Ra 57/08a-12, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Mai 2008, GZ 32 Cga 6/08p-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 16. 8. 2006 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigte Kläger erlitt am 21. 8. 2006 einen Arbeitsunfall und ist seither durchgehend arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete am 27. 10. 2006 durch Arbeitgeberkündigung. Der Kläger war bis 21. 10. 2007 im Krankenstand und bezieht seit 22. 10. 2007 den Pensionsvorschuss auf die von ihm beantragte Invaliditätspension.

Der Kläger begehrt nunmehr unter Berufung auf § 5 EFZG Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 16. 8. bis 11. 10. 2007. Mit Beginn des (fiktiven) neuen Arbeitsjahrs sei ein neuer Fortzahlungsanspruch für 8 Wochen entstanden.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis sei lange vor dem Ende des laufenden Arbeitsjahrs und erst nach Ablauf des aufgrund des Arbeitsunfalls bestehenden Anspruchs auf Entgeltfortzahlung gekündigt worden. Der gesetzliche Fortzahlungsanspruch habe somit nicht in ein neues Arbeitsjahr hineingereicht, sodass lange nach wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein neuer Entgeltanspruch entstanden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Falle einer nicht bloß vorübergehenden, sondern - wie hier - über ein Jahr durchgehend andauernden Arbeitsunfähigkeit nach tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne kein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch mehr entstehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Kläger stütze seine Rechtsauffassung zum einen auf die Entscheidung 9 ObA 115/05k, die aber keinen Arbeitsunfall, sondern einen - im EFZG grundlegend anders geregelten - Entgeltfortzahlungsanspruch nach krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung zum Gegenstand habe und daher von vornherein keine Rückschlüsse auf die hier zu treffende Entscheidung erlaube. Zum anderen stütze sich der Kläger auf die Entscheidung 9 ObA 13/06m. Diese Entscheidung, die einen Arbeitsunfall betreffe, stehe im Widerspruch zu einer älteren Vorentscheidung (Arb 9475) und sei im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Ob diese Kritik beachtlich sei, könne dahingestellt bleiben, weil der hier zu beurteilende besondere Sachverhalt - Beendigung des Arbeitsverhältnisses 10 Monate (!) vor Beginn des (fiktiven) neuen Arbeitsjahrs; völliges Fehlen eines Bands zum ehemaligen Arbeitgeber - nur im Sinn der Entscheidung Arb 9475 und damit im Sinn der Verneinung des Entstehens eines neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruchs gelöst werden könne.

Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf die nicht einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Verfahrensentscheidend ist die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der durch einen Arbeitsunfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert wurde, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat (§ 2 Abs 5 erster Halbsatz EFZG) und dessen Entgeltfortzahlungsanspruch in einem Arbeitsjahr ausgeschöpft wurde, bei andauernder Arbeitsverhinderung wegen des Arbeitsunfalls im neuen Arbeitsjahr einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch in der sich aus § 2 Abs 5 EFZG ergebenden Höhe hat.

Dazu vertrat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 52/76 (SZ 49/80 = Arb 9475) die Auffassung, dass im Fall eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit der Beginn eines neuen Arbeitsjahrs keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründe. Als wesentlich wurde hervorgehoben, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten grundsätzlich auf das Ereignis, nicht aber auf das Arbeitsjahr, abstelle.

Zum fortdauernden Krankenstand vertrat der Oberste Gerichtshof zunächst ebenfalls die Auffassung (8 ObA 2132/96d = SZ 70/76 = DRdA 1998/4 [krit Pfeil]), dass der Beginn eines neuen Arbeitsjahrs keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen durchgehender Arbeitsverhinderung durch Unglücksfall oder Berufskrankheit auslöse. Unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 8 ObA 2132/96d gelangte der Oberste Gerichtshof aber in der Entscheidung 8 ObA 163/98y (ZAS 1999/18 [zust Pernkopf]) und nach Auseinandersetzung mit der von einem Teil der Lehre geübten Kritik an der Vorentscheidung 8 ObA 2132/96d zum Ergebnis, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) nach dem Gesetzeswortlaut und den Materialien auf das Arbeitsjahr abstelle. Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahrs entstehe auch bei einem ununterbrochenen Krankenstand ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch. Gehe man unter Beachtung der Materialien von der Systematik des Gesetzes aus, wonach für die Entgeltfortzahlung infolge Krankheit oder Unglücksfall nicht auf die Dauer der einzelnen Arbeitsverhinderung, sondern nur darauf abgestellt werde, ob im betreffenden Arbeitsjahr das Höchstausmaß an Entgeltfortzahlung bereits ausgeschöpft sei, dann spreche dieses „Kontingentsystem" dafür, dass unabhängig von der Dauer der Arbeitsverhinderung im vorangegangenen Jahr mit Beginn des neuen Arbeitsjahrs ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehe. Diese Rechtsauffassung wurde in der Folge in drei weiteren Entscheidungen (RIS-Justiz RS0111429) bekräftigt. Die genannten Entscheidungen betrafen ausschließlich Fälle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, nicht aber den hier zu beurteilenden, in § 2 Abs 5 EFZG geregelten Fall der Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit.

Mit letzterer Bestimmung beschäftigt sich die bereits von den Vorinstanzen zitierte Entscheidung 9 ObA 13/06m (ecolex 2006/403 = ZAS 2006/165). Unter Hinweis auf sonst bestehende Wertungswidersprüche wurde die zitierte Rechtsprechung zur Erkrankung auch auf Arbeitsunfälle bzw Berufskrankheiten übertragen. Die Entscheidung gelangte daher zum Ergebnis, dass auch bei einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit mit dem Beginn eines neuen Arbeitsjahrs jedenfalls ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe.

Die mit dieser Entscheidung vorgenommene Übertragung der neueren Rechtsprechung zu § 2 Abs 1 und 4 EFZG auf Arbeitsunfälle ist allerdings in der Lehre auf überwiegende Kritik gestoßen (s die ausführliche Darstellung des Meinungsstands in 8 ObA 44/08s).

In der eben zitierten Entscheidung 8 ObA 44/08s, die erst nach der Entscheidung der zweiten Instanz ergangen ist, hat sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Kritik der Lehre eingehend auseinandergesetzt und ist nach neuerlicher Überprüfung der maßgebenden Rechtsfragen von der in 9 ObA 13/06m vertretenen Rechtsauffassung wieder abgegangen. Mit eingehender Begründung vertrat der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch des § 2 Abs 5 EFZG, der sich auf den Anlassfall bezieht, bei durchgehender Dienstverhinderung wegen eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit auch dann mit der sich aus § 2 Abs 5 Satz 1 und 2 EFZG ergebenden Höhe begrenzt ist, wenn die Dienstverhinderung in das neue Arbeitsjahr hinreicht. Für die Anwendung des § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG, der einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch im neuen Arbeitsjahr bei wiederholter Arbeitsverhinderung gewährt, ist vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit zwischenzeitig wieder aufgenommen hat (s dazu ausführlich 8 ObA 44/08s).

Dieser überzeugend begründeten Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Damit ist dem Begehren des Klägers die Grundlage entzogen, sodass der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Ein ERV-Zuschlag in Höhe von 3,60 EUR gebührt nach § 23a RATG nur für „das Verfahren einleitende" Schriftsätze; der Beklagten ist daher für ihre Revisionsbeantwortung nur ein Zuschlag in der Höhe von 1,80 EUR zuzusprechen.

Textnummer

E90194

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00174.08S.0224.000

Im RIS seit

26.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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