TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/19 2001/17/0038

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Veröffentlicht am 19.03.2001
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BAO §281 Abs1;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
LAO Stmk 1963 §211 Abs1;
LAO Stmk 1963 §70 Abs2;
LAO Stmk 1963 §70 Abs3 lita;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §35 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/17/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden 1. des JF und

2. der VF, beide in T, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. September 2000, Zl. 7-488-32/00-1, betreffend Vorstellung i.A. "Aussetzung" eines Verfahrens betreffend Kanalisationsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde T), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit einem auf § 9 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 und auf die Müllabfuhrordnung der im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Gemeinde gestützten Bescheid vom 22. September 1997 sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aus, dass den Beschwerdeführern für ihre im Abfuhrbereich gelegene Liegenschaft eine Mülltonne mit 80 l Fassungsvermögen zugeteilt werde.

Einer gegen diesen Bescheid vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juni 1998 keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, welche mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. November 1998 als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer am 21. Dezember 1998 die zur hg. Zl. 98/07/0191 protokollierte Beschwerde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. September 1999 schrieb dieser den Beschwerdeführern mit Rechtswirksamkeit ab 1. Oktober 1999 eine jährlich zu entrichtende Abfallbeseitigungsgebühr von S 888,80 vor.

Gegen diesen Bescheid erhob nach der sich aus den Beilagen zur Beschwerde ergebenden Aktenlage lediglich der Erstbeschwerdeführer Berufung.

Am 6. März 2000 erließ der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gegen die Beschwerdeführer einen Bescheid mit nachstehendem Spruch:

"Gemäß § 211 der Steiermärkischen Landes-Abgabenordnung (LAO) i. d.g.F. bzw. § 94 a Stmk. Gemeindeordnung i.d.g.F. wird das Verfahren betreffend den Abgabenbescheid über die Müllabfuhrgebühren:

Bescheid vom 6.9.1999, StNr. 101 076 00/03-07,

     bis zur Rechtskraft des Verfahrens über die

Müllgefäßzuteilung ausgesetzt."

     Begründend führte die Berufungsbehörde aus, der Gemeinderat

der mitbeteiligten Gemeinde habe mit Bescheid vom 23. Juni 1998 der Berufung gegen den Bescheid ihres Bürgermeisters vom 22. September 1997 betreffend die Zuteilung eines Müllgefäßes nicht stattgegeben. Mit Bescheid vom 10. November 1998 sei die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen worden. Daraufhin habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde am 6. September 1999 einen Abgabenbescheid betreffend die Müllabfuhrgebühr erlassen. Am 9. September 1999 sei eine Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangt, aus welcher hervorgehe, dass der Vorstellungsbescheid vom 10. November 1998 vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogen worden sei. Die Frage der Gefäßzuteilung sei damit noch nicht geklärt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Tillmitsch vom 6. März 2000 als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen die Rechtsauffassung, die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Aussetzung des Berufungsverfahrens durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde sei gemäß § 211 Abs. 1 Stmk LAO gerechtfertigt gewesen, zumal - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung - ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren zur hg. Zl. 98/07/0191 noch nicht ergangen sei.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 115/1967 (im Folgenden: Stmk GdO), kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben. Gemäß § 94 Abs. 5 Stmk GdO hat die Vorstellungsbehörde den mit Vorstellung bekämpften Bescheid der Gemeindebehörde aufzuheben, wenn durch ihn Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden. Die letztgenannte Bestimmung räumt dem Vorstellungswerber daher ein subjektives Recht auf Aufhebung des letztinstanzlichen, in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung ergangenen Bescheides der Gemeindebehörde ein, wenn ihn dieser Bescheid seinerseits in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Der von den Beschwerdeführern mit Vorstellung bekämpfte Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. März 2000 hat nun das (offenbar gemeint: Berufungs-)Verfahren gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. September 1999, und zwar ausdrücklich "bis zur Rechtskraft des Verfahrens über die Müllgefäßzuteilung" ausgesetzt.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat aber gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. September 1999 keine Berufung erhoben. Insoweit die Berufungsbehörde daher mit Bescheid vom 6. März 2000 ein Berufungsverfahren in Ansehung der Zweitbeschwerdeführerin ausgesetzt hat, ging diese Verfügung mangels Anhängigkeit eines Berufungsverfahrens hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, welches Gegenstand einer solchen Aussetzung hätte sein können, ins Leere.

Nichts anderes gilt aber auch für die Aussetzung des Verfahrens über die vom Erstbeschwerdeführer tatsächlich eingebrachte Berufung. Nach dem unzweideutigen Spruch des Bescheides vom 6. März 2000 erfolgte nämlich die Aussetzung bis zur Rechtskraft des Verfahrens über die Müllgefäßzuteilung. Dabei verkannte die Berufungsbehörde aber, dass die gegenüber dem Erstbeschwerdeführer erfolgte Müllgefäßzuteilung bereits durch die Erlassung ihres Bescheides vom 23. Juni 1998 rechtskräftig erfolgt war. Die gegen diesen letztinstanzlichen Gemeinderatsbescheid erhobene Vorstellung sowie die gegen die abweisliche Vorstellungsentscheidung erhobene Beschwerde des Erstbeschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof haben an der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über die Müllgefäßzuteilung durch die zweitinstanzliche Gemeindebehörde nichts geändert. Eine aufschiebende Wirkung wurde nicht zuerkannt.

Zwar ist aus der Begründung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. März 2000 zu entnehmen, dass diese Behörde dem Begriff der Rechtskraft eine falsche Bedeutung zumisst und ihn offenbar mit einem Rechtszustand verwechselt, in dem feststeht, dass der letztinstanzliche Gemeindebescheid auch durch eine in einem weiteren Rechtsgang ergehende Vorstellungsentscheidung nicht mehr aufgehoben werden kann; diese Begründungselemente bewirkten jedoch keine Aussetzung des Verwaltungsverfahrens bis zum Eintritt des zuletzt genannten Rechtszustandes:

Lässt nämlich der Spruch eines Bescheides für sich allein beurteilt keine Zweifel an seinem Inhalt offen, dann kann die beigegebene Begründung nicht als Auslegungsbehelf für den Inhalt des Spruches herangezogen werden (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 49 und 52 zu § 59 AVG, sowie Stoll, BAO I, 920).

Stellte vorliegendenfalls aber der Spruch des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. März 2000 für die Beendigung der Aussetzung ausdrücklich auf das Vorliegen der Rechtskraft des Verfahrens über die Müllgefäßzuteilung ab, so erlaubt die abweichende Begründung keine Auslegung dahingehend, dass die Aussetzungswirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen sollte. Da aber schon im Zeitpunkt der Erlassung des Aussetzungsbescheides selbst das Verfahren über die Müllgefäßzuteilung an den Erstbeschwerdeführer rechtskräftig erledigt war, bewirkte dieser Bescheid in Wahrheit keine Aussetzung des Verfahrens über die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. September 1999.

Damit konnte der Erstbeschwerdeführer aber - ebenso wie die Zweitbeschwerdeführerin - durch den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. März 2000 in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Unterbleiben der Aussetzung eines Verfahrens über eine von ihm erhobene Berufung nicht verletzt sein. Die Vorstellungsbehörde hätte daher die Vorstellung der Beschwerdeführer bereits mangels Vorliegens einer Rechtsverletzungsmöglichkeit zurückzuweisen gehabt. Indem sie stattdessen die Vorstellungen abwies, verletzte sie die Beschwerdeführer allerdings nicht in ihrem subjektiv öffentlichen Recht auf Aufhebung eines subjektive Rechte des Vorstellungswerbers verletzenden Bescheides eines Gemeindeorganes durch die Vorstellungsbehörde.

Da schon der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit entfiel auch die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages durch Einholung einer Anwaltsunterschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zl. 97/19/1556).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 19. März 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Mängelbehebung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001170038.X00

Im RIS seit

31.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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