TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 B15 304451-2/2009

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

B15 304.451 - 2/2009/4E

 

E R K E N N T N I S

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG) iVm § 66 Abs.4 AVG 1991 durch die Richterin Dr. Ulrike Wintersberger als Vorsitzende und den Richter Mag. Harald Perl als Beisitzer im Beisein des Schriftführers Mag. Gregor Breier über die Beschwerde des S.S., Staatsangehörigkeit: Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.02.2009, Zahl: 09 00.912 EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Der Beschwerdeführer (BF) gelangte ca. am 19.03.2006 - damals noch als serbischer Staatsbürger - von Prizren kommend illegal gemeinsam mit seinen Eltern auf einem LKW nach Österreich und stellte am selben Tag den ersten von insgesamt 2 Asylanträgen.

 

Am Tag seiner illegalen Einreise wurde der BF von der Polizei Traiskirchen zu den Umständen und Beweggründen seiner Ausreise befragt. Im Zuge dieses Gespräches gab der BF zu Protokoll, dass er Goraner sei und einen Reisepass besitze, aber derzeit nicht angeben könne, wo sich dieser befinde. Seine Eltern und er hätten in seiner Heimat infolge ihrer Volksgruppenzugehörigkeiten (seine Mutter sei Montenegrinerin und spreche Serbisch; sein Vater stamme aus dem Kosovo) Probleme gehabt. Er sei auch mehrmals von Albanern misshandelt worden, weswegen er oft von seinem Vater zur Schule gebracht und wieder von dort abgeholt worden sei.

 

Im Zuge einer weiteren Niederschrift vor der EAST Ost vom 22.03.2006 gab der BF Folgendes an:

 

Die Angaben vom 19.03.2006 wurden vom BF bestätigt. Weiters besitze er 3 Tanten in Schweden, sonst würden sich allerdings keine Verwandten des BF in der EU aufhalten. Welche Reiseroute er mit seinen Eltern von Kosovo nach Österreich genommen hätte, könne er nicht sagen.

 

Schon in der Schule sei er ständig von albanischen Kindern diskriminiert, gehänselt, geschlagen und sogar schwer verletzt worden. Der Polizei habe er dies nie gemeldet, da man ihn in diesem Fall umbringen hätte wollen.

 

Am 20.07.2006 wurde der BF vom Bundesasylamt Außenstelle Eisenstadt einvernommen. Zu seinem Reisepass befragt, gab der BF erneut an, nicht zu wissen, wo er sich befinde.

 

Näher zu seinen Fluchtmotiven befragt, gab er an, seit dem Ende des Krieges in seiner Heimat Probleme mit Albanern gehabt zu haben. Man habe ihn aufgrund seiner serbischen Sprache für einen Serben gehalten und ihn auch regelmäßig verprügelt. Dies hätte schon während seiner Schulzeit stattgefunden. U.a. hätte man ihm die Nase und einen Arm gebrochen und Zähne ausgeschlagen. Sein Vater habe infolgedessen begonnen, ihn dann zur Schule zu bringen und von dort wieder abzuholen. Der letzte Übergriff habe ca. 1-2 Wochen vor seiner Ausreise stattgefunden. Zwischen 2002 und 2006 sei er auch telefonisch mit Ermordung bedroht worden. Anzeige habe er allerdings wegen dieser Vorfälle nie erstattet, da dies einem Freund, der ähnliche Probleme im Kosovo gehabt habe, absolut nichts gebracht hätte.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 01.08.2006 den 1. Antrag auf internationalen Schutz vom 19.03.2006 gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen und dem BF den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I), gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien, Provinz Kosovo, nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien in die Provinz Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2006 brachte der BF mit Schreiben vom 14.08.2006 Berufung ein.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 23.11.2006, GZ 304.451-C1/E1-XV/54/06 wurde die Berufung des BF vom 14.08.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2006, Zl. 06 03.150-BAE gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und

 

10 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

 

Mit Beschluss vom 11.12.2008 hat der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 23.11.2006 abgelehnt.

 

Den zweiten Asylantrag stellte der BF am 23.01.2009. Im Zuge einer Niederschrift vor der Polizei Traiskirchen vom selben Tag wurde dem BF erneut die Möglichkeit gegeben, zu seinen Fluchtgründen Stellung zu nehmen.

 

Seine letzte Wohnadresse sei die Stadt Prizren gewesen. Wie schon im Zuge seines ersten Asylverfahrens konnte der BF auch dieses Mal nicht angeben, wo sich sein Reisepass befinde.

 

Als Grund für seine Ausreise aus dem Kosovo im Jahr 2006 gab der BF erneut die Probleme mit Albanern infolge der ethnischen Herkunft seiner Eltern und seiner eigenen Person an. Sein Vater - verstorben im Dezember 2008 - habe infolge seiner Herkunft als einziger einen persönlichen Bezug zum Kosovo gehabt. Seine Mutter sei Montenegrinerin und er selbst Goraner, was es ihm unmöglich mache, ein normales Leben im Kosovo zu führen.

 

In einer Niederschrift vor der Erstaufnahmestelle Ost vom 04.02.2009 gab der BF an, 3 Tanten in Schweden und 3 oder 4 weitschichtig verwandte Cousins in Österreich zu haben. Zu zwei der Cousins habe er Kontakt.

 

Als einzige neue - zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens noch nicht existente - Fluchtgründe führte der BF die Krankheit seiner Mutter (sie sei bei einem Psychotherapeuten in Behandlung), seinen eigenen sich verschlechternden Gesundheitszustand und das kürzliche Ableben seines Vaters an. Seit dem Tod seines Vaters leide er an schweren Depressionen.

 

In einem Gutachten des Univ. Prof. Dr. W. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Neurologie, Psychiatrie, Kinderneuropsychiatrie und gerichtliche Medizin von Februar 2009 wurde die Vermutung geäußert, dass schon vor dem frühen Ableben des Vaters des BF eine posttraumatische Belastungsstörung bestanden haben könnte, allerdings nicht im behandlungspflichtigen Ausmaß. Seit dem Tod des Vaters leidet der BF nach Ansicht von Univ. Prof. Dr. W. L. allerdings an einer schweren Depression, sei akut krank und hochgradig behandlungsbedürftig. Er sei nicht haftfähig und kann krankheitshalber nicht in den Kosovo zurückgebracht werden.

 

In einem weiteren medizinischen Gutachten von Dr. I. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin von Februar 2009 wird ausgeführt, dass die aktuelle depressive Stimmung des BF in erster Linie durch das Ableben des 48jährigen Vaters des BF ausgelöst worden sein dürfte. Ob hinter dieser Anpassungsstörung eine andere Störung liegt, könne derzeit nicht sicher gesagt werden, da die Trauersymptomatik deutlich im Vordergrund steht und auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des Vaters und dieser Symptomatik besteht.

 

Es kann insgesamt kein Hinweis auf eine sonstige Traumafolgestörung gefunden werden.

 

Eine unerwünschte Überstellung führt erfahrungsgemäß zu einer zumindest vorübergehenden Verschlechterung der Symptomatik.

 

Mit Bescheid der Erstaufnahmestelle-Ost vom 12.02.2009, GZ 09 00.912 EAST-Ost wurde der 2. Asylantrag des BF vom 23.01.2009 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I) und der BF gem. § 10 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien-Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt II).

 

Begründend führte die 1.Instanz in dieser Entscheidung grob zusammengefasst aus, dass der BF nichts Neues vorgebracht habe und sich seit seinem 1. Asylantrag durchgehend in Österreich aufhalte.

 

Im Verfahren habe sich kein Hinweis ergeben, dass der BF an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leidet.

 

Die Situation in seiner Heimat Serbien bzw. im Kosovo habe sich nicht geändert im Sinne von verschlechtert, im Gegenteil - der Kosovo sei mittlerweile unabhängig geworden.

 

Der BF verfüge in Österreich über keine sozialen oder familiären Bindungen. Auch müsse der BF in seiner Heimat mit keiner mit Art. 3 EMRK in Widerspruch stehenden Situation rechnen.

 

Dem Vorbringen des BF im Zuge des ersten Asylverfahrens wurde von den Asylbehörden schon damals kein Asylrelevanz zuerkannt, was auch zur Folge habe, dass auch im 2. Asylverfahren davon ausgegangen wird, dass die bereits früher erwähnten Punkte keinen neuen Sachverhalt darstellen.

 

Die im gegenständlichen Asylverfahren angeführten, neu hinzugetretenen Umstände (Ableben des Vaters, medizinische Behandlung der Mutter und des BF) seien von ihrer Intensität her nicht geeignet, einen Aufenthaltstitel für den BF zu begründen.

 

Den vom Bundesasylamt der Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage für Goraner im Kosovo dergestalt sei, dass es zwar gelegentlich zu Belästigungen/Diskriminierungen kommen könne, aber eine asylrelevante Intensität werde dadurch nicht erreicht. Im Allgemeinen sei effektiver Schutz durch die Sicherheitskräfte gewährleistet.

 

Eine Behandlung von leicht traumatisierten Personen sei im Rahmen von Gruppentherapien, eine komplette Behandlung traumatisierter Personen sei allerdings oft nur eingeschränkt möglich. Dies hierfür erforderliche medizinische Personal stünde auch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung (Stand Dezember 2007).

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 25.02.2009 Beschwerde erhoben und mit Schreiben vom 03.03.2009 eine Nachreichung zur Beschwerdevorlage übermittelt. Kritisiert wird von Seiten des BF in erster Linie, dass die Erstbehörde keine Ermittlungsschritte getätigt hat um das Vorgebrachte auf seine Relevanz (u.a. im Sinne der EMRK) zu prüfen (betreffend Sicherheitslage im Kosovo, Situation der Goraner im Kosovo, Integration in Österreich, Bestehen eines Familienlebens, strafrechtliche Unbescholtenheit). V.a. aber wird auch auf die gesundheitliche Beeinträchtigung des BF und die vorliegenden medizinischen Gutachten hingewiesen, die einen Rücktransport des BF in den Kosovo zum jetzigen Zeitpunkt als bedenklich bzw. nicht tragbar erachten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Zur Zuständigkeit des Asylgerichtshofs:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) hat der Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 seine Tätigkeit aufgenommen. Gleichzeitig ist das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft getreten.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung (AsylG 2005) entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;

 

wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide aufgrund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Über die gegenständliche Beschwerde hat demnach der Asylgerichtshof, und zwar gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

Der Asylgerichtshof geht in Übereinstimmung mit den österreichischen Höchstgerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass bei einer Ausweisung auch Art. 3 EMRK beachtlich ist (vgl. VfGH v. 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9, und die darin wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; vom 29.09.2007, B 328/07 und B 1150/07; VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der vorliegende Sachverhalt hat sich im Sinne des § 41 Abs. 3 letzter Satz AsylG 2005 als mangelhaft erwiesen, weshalb der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben war.

 

2. Zum Sachverhalt:

 

Auch der Asylgerichtshof ist der Auffassung, dass vom BF kein neuer, asylrelevanter Sachverhalt vorgebracht wurde, der eine Asylgewährung rechtfertigen würde.

 

Allerdings müssen im Bereich der erstinstanzlichen Entscheidung grobe Verfahrensmängel dahingehend festgestellt werden, dass es trotz der vorliegenden medizinischen Gutachten keinerlei Auseinandersetzung mit deren Inhalt und daraus resultierend mit dem möglichen Erfordernis von subsidiärem Schutz gegeben hat, weswegen auch die Ausweisung gemäß

 

§ 10 AsylG 2005 nach Würdigung aller zur Verfügung stehenden Unterlagen neuerlich zu beurteilen sein wird.

 

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesasylamt u. a. folgende Feststellung getroffen: "Im Verfahren haben sich keine Hinweise ergeben, dass Sie an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leiden."

 

In der Beweiswürdigung finden sich zudem folgende Ausführungen: "Die Feststellungen zu Ihrem Gesundheitszustand ergibt sich aus den gutachterlichen Befundungen von Dr. med. I. H. und Univ. Prof. Dr. W. L., die als Sachverständigengutachten anzusehen sind."

 

Offensichtlich war der ersten Instanz die Existenz beider Gutachten bekannt, jedoch hat man sich mit dem Inhalt dieser medizinischen Expertisen in keinster Weise auseinandergesetzt, was v.a. in der Nachreichung zur Beschwerdevorlage vom 03.03.2009 zu Recht kritisiert wird.

 

Das Gutachten von Dr. med. I. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin von Februar 2009 besagt zusammengefasst, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass hinter der nun aufgrund des Todes des Vaters bestehenden Anpassungsstörung eine andere Störung liegt, da die Trauersymptomatik deutlich im Vordergrund steht und auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des Vaters und dieser Symptomatik besteht. Eine unerwünschte Überstellung führt erfahrungsgemäß zu einer zumindest vorübergehenden Verschlechterung der Symptomatik.

 

Das Gutachten von Univ. Prof. Dr. W. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Neurologie, Psychiatrie, Kinderneuropsychiatrie und gerichtliche Medizin von Februar 2009 beinhaltet die Kernaussage, dass vermutlich schon vor dem Tod des Vaters eine posttraumatische Belastungsstörung - allerdings nicht im behandlungspflichtigen Ausmaß - bestanden habe. Seit dem Ableben des Vaters leide der BF an einer schweren Depression. Derzeit sei der BF akut krank und hochgradig behandlungsbedürftig. Er sei nicht haftfähig und kann krankheitshalber nicht zurückgebracht werden.

 

Beide Gutachten tendieren in ihrer Aussage somit in die Richtung, dass der BF sehr wohl ernsthafte gesundheitliche Probleme hat und eine Rücküberstellung in seine Heimat zumindest (!) eine Verschlechterung seines Zustandes zur Folge hätte, wenn nicht sogar aus derzeitiger Sicht unzumutbar ist.

 

Die erste Instanz hat sich in keinster Weise mit diesen Sachverständigenmeinungen auseinandergesetzt und sie inhaltlich auch nicht der Entscheidung vom 12.02.2009 zugrunde gelegt, was einen erheblichen Verfahrensmangel darstellt. Die ledigliche Erwähnung der Expertisen im Bescheid vom 12.02.2009 kann dem Anspruch einer ausreichenden Bescheidbegründung jedenfalls nicht genügen.

 

Zudem beinhalten die vom Bundesasylamt im Bescheid vom 12.02.2009 selbst zitierten Länderinformationen u.a. (Seiten 38ff des Bescheides) folgende Informationen:

 

"Eine komplette Behandlung traumatisierter Personen sei oft nur eingeschränkt möglich" ...

 

"Es gäbe zwar entsprechendes Personal für die Behandlung von PTBS, allerdings immer noch nicht in ausreichender Anzahl".

 

Die Erstbehörde wird im fortgesetzten Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden haben, auch wenn aufgrund der vorhandenen Angaben des Beschwerdeführers zu eigenen Asylgründen mit einem negativen Ausgang zur Erlangung des Status des Asylberechtigten zu rechnen ist. Da der Sachverhalt mangelhaft ermittelt wurde, ist es v.a. im Hinblick auf Art. 3 EMRK seitens des Bundesasylamtes unbedingt erforderlich, sich eingehend sowohl mit dem Gesundheitszustand des BF, den vorliegenden medizinischen Gutachten, als auch mit der tatsächlichen medizinischen Versorgungslage und den Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo auseinanderzusetzen, notfalls unter Einholung weiterer, aktueller Sachverständigenmeinungen. In weiterer Folge wird eine Ausweisungsprüfung mit allen für und gegen eine Verletzung von Art. 8 EMRK sprechenden Argumenten durchzuführen sein. Die Ergebnisse wird das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren den Feststellungen zu Grunde zu legen und dem Beschwerdeführer im Rahmen einer weiteren Einvernahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG vorzuhalten haben. Das Bundesasylamt wird dem BF die Möglichkeit zu geben haben, dazu Stellung zu nehmen, sowie seine Ermittlungsergebnisse einem neuerlichen Bescheid zugrunde legen müssen.

 

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.02.2009, GZ. 09 00.912-EAST Ost war somit gemäß § 41 Abs. 3 3. Satz AsylG 2005 zu beheben. Damit gilt das Asylverfahren gemäß

 

§ 41 Abs. 3 2. Satz als zugelassen. Diese Zulassung steht einer späteren Zurückweisung nicht entgegen.

 

Die vom Gesetzgeber angeordnete Verbindung der Entscheidung über die Zuständigkeit für den Asylantrag mit der Ausweisungsentscheidung (§ 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) hatte spruchgemäß zur Zurückverweisung der gesamten Angelegenheit an das Bundesasylamt zu führen.

 

Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 1. Satz AsylG 2005 Abstand genommen werden.

 

Da der angefochtene Bescheid innerhalb der in § 36 Abs. 4 iVm § 37 Abs. 1 AsylG 2005 vorgesehenen 7-tägigen Frist behoben wird, erübrigt sich eine Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
20.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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