TE OGH 2009/2/3 6R10/09x

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Veröffentlicht am 03.02.2009
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Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Moser als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Hildegard Egle und Dr. Eva-Maria Mayrbäurl in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg zu FN ***** eingetragenen E***** GmbH mit dem Sitz in der politischen Gemeinde S***** und der Geschäftsanschrift *****, wegen Verhängung einer Zwangsstrafe, über den Rekurs der Geschäftsführer 1. G***** E*****, *****, und 2. A***** E*****, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 17.12.2008, 24 Fr 4755/08p-5, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Text

B e g r ü n d u n g:

Am 10.7.2008 reichten die jeweils selbständig vertretungs- befugten Geschäftsführer der E***** GmbH den Jahresabschluss zum 31.12.2007 fristgerecht in Papierform ein.

Mit Beschluss vom 11.7.2008 forderte das Erstgericht die Geschäftsführer der E***** GmbH auf, die Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschlussstichtag des in Papierform eingereichten Jahresabschlusses binnen 14 Tagen mitzuteilen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der Jahresabschluss bei Überschreiten der Umsatzerlöse von € 70.000,-- lediglich elektronisch eingebracht werden könne.

Mit Eingabe vom 28.7.2008 teilten die Geschäftsführer mit, dass sich die Umsatzerlöse der E***** GmbH für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2007 auf € 78.078,47 beliefen.

Mit Beschluss vom 27.10.2008 forderte das Erstgericht die Geschäftsführer unter Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von jeweils € 200,-- auf, binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses den lediglich in Papierform eingebrachten Jahresabschluss elektronisch einzureichen oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe.

Nachdem dieser Aufforderung nicht entsprochen worden war, verhängte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss über die Geschäftsführer die angedrohten Zwangsstrafen von jeweils € 200,--. Gleichzeitig erging neuerlich die Aufforderung, dem Auftrag zur elektronischen Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2007 binnen 2 Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses nachzukommen. Andernfalls werde eine weitere Zwangsstrafe in Höhe von jeweils €

300,-- verhängt und dieser Beschluss in der Ediktsdatei sowie im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Geschäftsführer mit dem Antrag auf Aufhebung der jeweils verhängten Zwangsstrafe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1.1. Gemäß § 55 AußStrG ist im vorliegenden amtswegigen Verfahren in umfassender rechtlicher Beurteilung Folgendes wahrzunehmen:

Nach dem auf Einreichungen von Jahresabschlüssen für am 31.12.2007 endende Geschäftsjahre anzuwendenden, in Umsetzung der Änderungsrichtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003, L 221/13, geänderten § 277 Abs 6 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 sind Jahresabschlüsse elektronisch einzureichen und in die Datenbank des Firmenbuchs (§ 29 FBG) aufzunehmen. Überschreiten die Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag des einzureichenden Jahresabschlusses einen Betrag von € 70.000,-- nicht, kann der Jahresabschluss auch in Papierform eingereicht werden. Die Umsatzerlöse sind gleichzeitig mit der Einreichung bekannt zu geben. Nach dem - unverändert gebliebenen - § 283 Abs 1 UGB sind die Geschäftsführer - unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften - zur Befolgung unter anderem des § 277 UGB vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu €

3.600,-- anzuhalten. Nach § 283 Abs 4 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 sind verhängte Zwangsstrafen auch dann zu vollstrecken, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist.

1.2. Dem Erwägungsgrund (6) der der Änderung des § 277 Abs 6 UGB zugrunde liegenden Richtlinie 2003/58/EG zufolge sollten Gesellschaften im Zusammenhang mit der angestrebten Modernisierung unbeschadet der grundlegenden Anforderungen und vorgeschriebenen Formalitäten des einzelstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die erforderlichen Urkunden und Angaben auf Papier oder in elektronischer Form einzureichen. Nach Art 3 (2) dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten den Gesellschaften aller oder bestimmter Rechtsformen die Einreichung aller oder eines Teils der betreffenden Urkunden und Angaben in elektronischer Form vorschreiben.

1.3. Auf der Grundlage der in Rede stehenden Änderungsrichtlinie zum elektronischen Rechtsverkehr, die die Einreichung aller Urkunden und Angaben in elektronischer Form ausdrücklich zulässt, wurde der elektronische Rechtsverkehr für die Einreichung der Jahresabschlüsse ab dem Geschäftsjahr 2007 in § 277 Abs 6 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 zwingend vorgesehen. Kleinere Gesellschaften mit einem Jahresumsatz bis zu € 70.000,-- wurden jedoch von dieser Verpflichtung ausgenommen. In § 283 Abs 4 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 als für die Durchsetzung der Pflicht zur Vorlage der Jahresabschlüsse einschlägige Sonderbestimmung wurde der repressive Charakter der Zwangsstrafen bestätigt (vgl. EB zur RV, 1427 der XXII. GP zu §§ 277 und 283 UGB).

1.4. Nach dem Wortlaut des in § 283 Abs 1 UGB enthaltenen allgemeinen Verweises auf § 277 UGB wäre auch die Einreichung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft, deren Umsatzerlöse € 70.000,-- überstiegen, in elektronischer Form im Falle einer Einreichung desselben lediglich in Papierform in gleicher Weise durch Verhängung von Zwangsstrafen erzwingbar wie die Offenlegung des Jahresabschlusses an sich.

1.5. Dem steht in richtlinienkonformer teleologischer Gesetzesauslegung Folgendes entgegen:

Aufgrund der Änderungsrichtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003 wurden dem § 283 UGB lediglich die Absätze 3 und 4 hinzugefügt. § 277 Abs 7 idF vor der Änderungsrichtlinie sah die Einreichung des Jahresabschlusses fakultativ in elektronischer Form vor. Hinsichtlich des unter anderem allgemein auf § 277 UGB verweisenden § 283 Abs 1 UGB erfolgte hingegen - trotz des geänderten Absatzes 6 des § 277 UGB - keine Änderung.

Bei der Frage nach dem Zweck einer Rechtsnorm ist primär davon auszugehen, dass ein Gesetz den Zweck hat, praktisch angewendet zu werden, und dass der Gesetzgeber beabsichtigte, vernünftig zu handeln (Fasching in Fasching, Zivilprozessgesetze² I Einl Rz 94; 16 Ok 20/04; 16 Ok 1/05).

Der Zweck des nach § 283 UGB in Bezug auf § 277 UGB vorgesehenen Zwangsstrafverfahrens liegt darin, eine nicht fristgerechte Offenlegung des Jahresabschlusses zu sanktionieren und dadurch die gesetzlichen Vertreter von Gesellschaften zur fristgerechten Offenlegung des Jahresabschlusses zu verhalten. Auch nach Art 6 der Richtlinie 2003/58/EG sollen die Mitgliedstaaten geeignete Maßregeln lediglich für den Fall androhen, dass die in der Richtlinie vorgeschriebene Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen unterbleibt. Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht darin, Dritte, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen oder kennen können, zu informieren (6 Ob 20/08x). Aus der Frist von 9 Monaten in § 277 Abs 1 UGB ergibt sich, dass diese Information möglichst zeitnah zu erfolgen hat. Die Erreichung dieses Zweckes wird in einem Fall wie dem vorliegenden, wo ein zur Aufnahme in die Urkundensammlung geeigneter Jahresabschluss vorliegt, durch die Zwischenschaltung eines Verbesserungs- und eines Zwangsstrafverfahrens - möglicherweise erheblich - verzögert.

Ein derartiges Ergebnis kann dem Gesetzgeber vernünftigerweise nicht unterstellt werden, zumal eine dadurch bedingte Verzögerung der Offenlegung des Jahresabschlusses dem Zweck des § 283 Abs 1 UGB nicht nur widerspricht, sondern auch entgegen wirkt.

1.6. Gegen die Anwendung des § 283 Abs 1 UGB auf § 277 Abs 6 idF BGBl I Nr. 103/2006 spricht im Übrigen die Rechtsprechung zum mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz für Notare, Rechtsanwälte und Ziviltechniker 2006 (BRÄG 2006), BGBl I Nr 164/2005, neu eingefügten, am 1.7.2007 in Kraft getretenen und mit der hier in Rede stehenden Bestimmung vergleichbaren § 89c Abs 5 GOG. Dieser sieht in Verbindung mit § 11 Abs 1a ERV 2006 idF BGBl II Nr. 130/2007 für Rechtsanwälte und Notare bei Eingaben, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, eine entsprechende Vorgangsweise verpflichtend vor, außer es mangelt im Einzelfall an den konkreten technischen Möglichkeiten. Der Mangel dieser Möglichkeiten ist vom einbringenden Rechtsanwalt oder Notar bereits in der nicht im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe glaubhaft zu machen.

Das bedeutet, dass neben der generellen Verpflichtung für Rechtsanwälte und Notare, sich des elektronischen Rechtsverkehrs zu bedienen, bis zur Erlassung einer neuen Verordnung die Möglichkeit besteht, Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren wie bisher in Papierform vorzulegen, wenn im Einzelfall glaubhaft gemacht wird, dass die konkreten technischen Möglichkeiten für den elektronischen Rechtsverkehr noch nicht bestehen. Trotz der für Rechtsanwälte und Notare geltenden Verpflichtung besteht daneben somit noch die Möglichkeit der Einbringung der Eingaben und Urkunden in der bisherigen Form, sodass das Gebot an den Rechtsanwalt oder Notar, im Einzelfall glaubhaft zu machen, dass für ihn die konkreten technischen Möglichkeiten noch nicht bestehen, eine reine Ordnungsvorschrift ist, deren Nichterfüllung keinen eine Erledigung hindernden Form- oder Inhaltsmangel darstellt (5 Ob 227/08f). Auch begründet der Umstand, dass die Revision anstatt im elektronischen Rechtsverkehr auf dem Postweg eingebracht wird, trotz der fehlenden Glaubhaftmachung im Sinne des § 11 Abs 1a ERV 2006 jedenfalls keinen die Erledigung des Rechtsmittels hindernden Form- oder Inhaltsmangel, der durch Einleitung von Verbesserungsmaßnahmen wahrzunehmen wäre (2 Ob 251/07m).

Ebenso wie § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I Nr. 164/2005 sieht § 277 Abs 6 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 die Einreichung des Jahresabschlusses in elektronischer Form zwar verpflichtend vor, allerdings besteht daneben noch die Möglichkeit der Einreichung des Jahresabschlusses in Papierform, wenn die Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag des einzureichenden Jahresabschlusses einen Betrag von € 70.000,-- nicht überschreiten. Angesichts dieser noch bestehenden Möglichkeit ist § 277 Abs 6 idF BGBl I Nr. 103/2006 - wie auch § 89c Abs 5 GOG in Verbindung mit § 11 Abs 1a ERV 2006 - als reine Ordnungsvorschrift zu qualifizieren.

Die Einreichung des Jahresabschlusses in Papierform anstatt in elektronischer Form bildet somit auch keinen die Aufnahme des Jahresabschlusses in die Urkundensammlung hindernden Form- oder Inhaltsmangel, welcher durch Einleitung von Verbesserungsmaßnahmen wahrzunehmen wäre. Wenn aber bereits Verbesserungsmaßnahmen nicht angezeigt sind, dann kann die Einreichung des Jahresabschlusses in elektronischer Form erst recht nicht im Wege des § 283 Abs 1 UGB erzwungen werden.

1.7. Nach Ansicht des Rekursgerichtes ist daher im Falle eines zwar entgegen der Formvorschrift des § 277 Abs 6 UGB idF BGBl I Nr. 103/2006 in Papierform, aber fristgerecht eingereichten, materiell und formell in die Urkundensammlung aufnahmefähigen Jahresabschlusses die nochmalige Einreichung in elektronischer Form im Wege des § 283 UGB - trotz des in dieser Bestimmung enthaltenen allgemeinen Verweises auf § 277 UGB - nicht erzwingbar, da eine derartige Absicht einem vernünftigen Gesetzgeber bei teleologischer Interpretation dieser Bestimmung nicht unterstellt werden kann. Die Einreichung des Jahresabschlusses in Papierform anstatt in elektronischer Form bildet keinen die Aufnahme des Jahresabschlusses in die Urkundensammlung hindernden Form- oder Inhaltsmangel.

In Stattgabe des Rekurses ist daher der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben, ohne dass auf das Rekursvorbringen einzugehen war.

Oberlandesgericht Linz, Abt. 6,

Anmerkung

EL001096R10.09x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2009:00600R00010.09X.0203.000

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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