TE Vwgh Erkenntnis 2009/2/27 2008/17/0169

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Veröffentlicht am 27.02.2009
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Index

24/02 Jugendgerichtsbarkeit;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

JGG §37 Abs2 idF 1993/526;
JGG §37;
SPG RichtlinienV 1993 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des MW in D, vertreten durch die Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 2. September 2008, Zl. UVS-429-005/E1-2006, betreffend Nichtzulassung der Beiziehung einer Person als Vertrauensperson, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seinem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 24. November 2006 erhob der Beschwerdeführer Richtlinienbeschwerde, in welcher er vorbrachte, er habe sich am 20. November 2006 "freiwillig" zu einer Anhörung in einer Strafsache nach dem SMG zur Dienststelle der Stadtpolizei Dornbirn begeben. Dort sei er darüber belehrt worden, dass er eine Vertrauensperson oder einen Rechtsanwalt beiziehen könne. Als der Beschwerdeführer erklärt habe, er wolle Bernhard A, einen Sozialarbeiter in Hohenems, beiziehen, sei ihm beschieden worden, dass dies nicht möglich sei, weil dieser nicht als Vertrauensperson gelte. Da er sich in seinem Recht, zur Vernehmung eine Vertrauensperson beizuziehen, verletzt erachte, stelle der Beschwerdeführer den Antrag auf Feststellung dieser Rechtsverletzung sowie auf Kostenersatz.

Die belangte Behörde übermittelte diesen Schriftsatz an das Amt der Stadt Dornbirn als zuständige Behörde.

Der Bürgermeister der Stadt Dornbirn teilte dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom 10. Jänner 2007 mit, es liege keine Rechtsverletzung im Sinne des § 89 SPG vor, weil es sich bei Bernhard A nicht um eine Vertrauensperson im Sinne des § 37 JGG gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 17. Jänner 2007 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung durch die belangte Behörde. Er führte dabei aus, der Kreis der Vertrauenspersonen sei nicht auf die in § 37 Abs. 2 JGG genannten Personen beschränkt. Es könnten auch andere Personen, die ein Vertrauensverhältnis zum Verdächtigen besäßen, an der Vernehmung teilnehmen.

Aus Anlass dieses Verfahrens richtete die belangte Behörde an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 89 Abs. 4 und 5 SPG als verfassungswidrig bzw. die Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993, als gesetzwidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2008, G 26/07, V 26/07, wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge der belangten Behörde ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Richtlinienbeschwerde als unbegründet ab. Dem Beschwerdeführer wurde ein Kostenersatz in Höhe von EUR 495,60 auferlegt. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, die Aufzählung der Vertrauenspersonen in § 37 Abs. 2 JGG sei taxativ. Der Beschuldigte sei somit in der Auswahl der Vertrauensperson auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, Bernhard A falle unter diesen Personenkreis. Selbst wenn man der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers folgen wollte, dass "auch andere Personen, die ein Vertrauensverhältnis zum Verdächtigen besitzen, an der Vernehmung teilnehmen könnten (Schroll in WK2, § 37 JGG, Rz 9)" führe dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Beschuldigte habe nämlich selbst in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angegeben, Bernhard A damals nicht gekannt zu haben. Es sei ihm lediglich ein paar Tage vor der gegenständlichen Einvernahme von einer Drogenberatungsstelle dessen Telefonnummer gegeben worden. Dabei sei ihm gesagt worden, er könne Bernhard A anrufen, wenn er zur Polizei müsse. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, Bernhard A habe "ein Vertrauensverhältnis zum Verdächtigen besessen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 37 Jugendgerichtsgesetz - JGG, BGBl. Nr. 599/1988 (Abs. 1 idF BGBl. I Nr. 19/2001 und Abs. 2 und 3 idF BGBl. Nr. 526/1993), lautet:

"Beiziehung einer Person des Vertrauens

§ 37. (1) Der Befragung eines Jugendlichen zur Sache durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und seiner förmlichen Vernehmung durch die Sicherheitsbehörde oder das Gericht ist auf Verlangen des Jugendlichen eine Vertrauensperson beizuziehen. Über dieses Recht ist der Jugendliche so rechtzeitig zu belehren, dass ihm dessen Ausübung ermöglicht wird, spätestens jedoch vor Beginn der Befragung oder Vernehmung, im Fall der Festnahme bei dieser oder unmittelbar danach. Erforderlichenfalls ist die Befragung oder Vernehmung bis zum Eintreffen der Vertrauensperson aufzuschieben, so lange das mit dem Zweck der Befragung oder Vernehmung vereinbar ist, es sei denn, dass damit eine unangemesse Verlängerung einer Anhaltung verbunden wäre.

(2) Als Vertrauensperson des Jugendlichen kommen sein gesetzlicher Vertreter, ein Erziehungsberechtigter, ein Angehöriger, ein Lehrer, ein Erzieher oder ein Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers, der Jugendgerichtshilfe oder der Bewährungshilfe in Betracht.

(3) Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden, wer der Mitwirkung an der strafbaren Handlung verdächtig oder am Verfahren beteiligt ist."

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 89 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 (Abs. 5 idF BGBl. I Nr. 201/1996), lauten:

"(1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, dass ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

...

(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

(5) In Verfahren gemäß Abs. 4 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g und 79a AVG sowie § 88 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder."

Die Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV), BGBl. Nr. 266/1993, lautet (auszugsweise):

"Auf Grund des § 31 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, wird … verordnet:

Informationspflichten

§ 8. (1) Sofern das Gesetz einem Menschen ein Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes einräumt, haben ihn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Recht in Kenntnis zu setzen

1.

…;

2.

sobald abzusehen ist, dass die Amtshandlung länger

als eine Stunde dauern wird.

…"

Strittig ist ausschließlich, ob der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, dass ihm bei der polizeilichen Einvernahme die Beiziehung des Bernhard A als Vertrauensperson verwehrt wurde. Dabei gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon aus, dass der Sozialarbeiter Bernhard A in Bezug zum Beschwerdeführer nicht in einer der in § 37 JGG ausdrücklich genannten Beziehung (z. B. als ein Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers) stand.

Der Beschwerdeführer vertritt auch in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, die Aufzählung jener Personen, welche als Vertrauensperson gelten können, sei in § 37 JGG lediglich demonstrativ, sodass auch andere Personen, die ein Vertrauensverhältnis zum Verdächtigen besäßen, an der Vernehmung teilnehmen könnten.

Diese Auffassung findet aber im Wortlaut der genannten gesetzlichen Bestimmung keine Stütze. Dieser enthält nämlich keinen wie immer gearteten Hinweis auf eine bloß beispielhafte Aufzählung der dort genannten Personen.

Die Entstehungsgeschichte der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung führt vielmehr zur gegenteiligen Deutung der Bestimmung. Während die Stammfassung des § 37 JGG (BGBl. Nr. 599/1988) als Vertrauenspersonen nur den gesetzlichen Vertreter, einen Erziehungsberechtigter oder einen Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers, der Jugendgerichtshilfe oder der Bewährungshilfe vorsah, hat das Strafprozessänderungsgesetz 1993, BGBl. Nr. 526/1993, den genannten Personenkreis ausdrücklich erweitert. Seither kann auch ein Angehöriger, ein Lehrer oder ein Erzieher als Vertrauensperson beigezogen werden. In den Materialien (vgl. den Bericht des Justizausschusses, 1157 BlgNR 18. GP 18) wird die Erweiterung des Kreises der als Vertrauenspersonen in Betracht kommenden Bezugspersonen damit begründet, dass vorher die letztgenannten Personen (vor der Novelle) nicht hätten beigezogen werden dürfen.

Auch dies macht deutlich, dass der Gesetzgeber von einer taxativen Aufzählung dieses Personenkreises ausgegangen ist (so auch Maleczky, Jugenstrafrecht3, 41, und Jesionek, Jugendgerichtsgesetz 1988, 191). Andernfalls hätte es einer Ergänzung nicht bedurft. Der Gesetzgeber hätte entweder keinen Handlungsbedarf dafür gesehen oder sich allenfalls zur Klarstellung auf die Einfügung des Wortes "insbesondere" beschränken können. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Auffassung von Schroll im Wiener Kommentar zum StGB2, Rz 9 zu § 37 JGG, - auf welche die Beschwerde ausdrücklich hinweist -, wonach die Aufzählung in § 37 JGG lediglich nach der ursprünglichen Gesetzesintention eine taxative gewesen sei. Anhaltspunkte, aus welchen auf eine Änderung der "Gesetzesintention" geschlossen werden könnte, werden weder in der Beschwerde noch die genannten Literaturstelle angeführt.

Es kann somit nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die Behörde die Auffassung vertreten hat, dass Bernhard A in Bezug zum Beschwerdeführer nicht als Vertrauensperson iSd § 37 JGG anzusehen ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Februar 2009

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008170169.X00

Im RIS seit

08.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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