TE Vwgh Erkenntnis 2009/2/27 2008/17/0151

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Veröffentlicht am 27.02.2009
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Auskunftspflicht;
3 Finanzrecht Geldrecht Währungsrecht Kreditrecht;
37/02 Kreditwesen;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
AVG §17;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art10 Abs1 Z5;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
FMABG 2001 §1 Abs1;
FMABG 2001 §14 Abs2;
FMABG 2001 §22 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der E. E AG in M, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom 3. Juli 2008, Zl. FMA-SO0001/0002-LAW/2008, betreffend Auskunfterteilung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die beschwerdeführende Partei stellte am 13. Februar 2008 einen Antrag auf Auskunft an die belangte Behörde. Sie begründete diesen Antrag damit, sie habe im Dezember 2006 von der M-Bank über 1 Million Zertifikate der M-Limited erworben und dafür einen zweistelligen "Euro Millionenbetrag" gezahlt. Laut Zeitungsberichten und den Informationen der Limited habe diese ohne entsprechende vorherige Mitteilung an die Zertifikatinhaber weit über 10 % der an der Börse Wien notierenden Zertifikate im Zeitraum von April bis August 2007 über die M-Bank zurückgekauft. Auf Grund der Medienberichte könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Vorgang von der M-Bank oder einer näher genannten Privatperson gesteuert worden sei.

Das Verhalten der M-Limited und der M-Bank sowie der "entsprechenden Vorstände" lege eine Verletzung der österreichischen Kapitalmarktvorschriften (welche auf Grund der Notierung der Zertifikate in Wien im Wesentlichen auch auf die M-Limited - trotz deren Registrierung in Jersey - anwendbar seien) und des "allgemeinen Zivilrechtes" nahe. Insbesondere würden Marktmanipulation, die Verletzung der "Ad-Hoc Publizität", Unterlassung der Meldung des Verdachtes des Marktmissbrauchs und allenfalls Missbrauch von Insiderinformationen angesprochen. Der Antragstellerin sei jedenfalls durch den jähen Kurssturz der M-Limited Zertifikate, verursacht durch das Hervorkommen des nicht öffentlich bekannt gemachten Zertifikatrückkaufes und die Nichterholung der Kurse auf Grund dieses Vorfalls und weitgehend wirkungsloser Absichtserklärungen der M-Limited sowie der näher genannten Privatperson ein substantieller Schaden entstanden, der einen zweistelligen "Euro Millionenbetrag" erreichen könnte.

Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrte die beschwerdeführende Partei daher, ihr folgende Informationen zu erteilen:

1. Ermittelt die FMA gegen directors der M-Limited, die Vorstände der M-Bank oder die näher genannte Privatperson im Zusammenhang mit § 48c Börsegesetz (Marktmanipulation)?

2. Ermittelt die FMA gegen die Vorstände der Bank bzw. die näher genannte Privatperson im Zusammenhang mit Anstiftung/Beihilfe zu § 48c Börsegesetz?

3. Ermittelt die FMA gegen die M-Limited im Zusammenhang mit § 48d Abs. 1 Börsegesetz (Ad-Hoc Publizität)?

4. Ermittelt die FMA gegen die Bank im Zusammenhang mit § 48d Abs. 9 Börsegesetz (unterlassene Verdachtsmeldung)?

5. Gibt es im Zusammenhang mit Zertifikaten der M-Limited Ermittlungen betreffend § 48b Börsegesetz (Missbrauch von Insiderinformationen)?

6. Auf welchem Rechtsverstoß basieren die Strafbescheide der FMA gegen directors der M-Limited und der Bank?

7. Kann in diese Strafbescheide bei der FMA Einsicht genommen werden?

8. Gibt es im Zusammenhang mit Zertifikaten der M-Limited noch Ermittlungen der FMA basierend auf Rechtsverstößen gegen das Börsegesetz oder Wertpapieraufsichtsgesetz, die im obigen noch nicht benannt wurden (wenn ja kann der Rechtsverstoß und der allfällige Verletzer der Rechtsvorschrift namentlich genannt werden)?

9. Haben die Untersuchungen der FMA Indizien für eine Bevorzugung (z.B. frühere Information vom Rückkaufprogramm bzw. bessere Preise) von bestimmten Verkäufern im Rahmen des oben erwähnten Zertifikatrückkaufprogramms der M-Limited ergeben (wenn ja, um wieviele Zertifikate handelt es sich, wer hat die Bevorzugung gewährt bzw. können die Namen der Verkäufer genannt werden)?

10. Haben die Untersuchungen der FMA Indizien für einen Zusammenhang des Zertifikatrückkaufprogramms mit den Börsegängen zweier weiterer genannter Limiteds im Jahre 2007 ergeben?

11. Können zu allfälligen Indizien nach Punkt 10 kurze beschreibende Angaben gemacht werden?

12. Haben die Untersuchungen der FMA Indizien ergeben, dass der Entwurf und Plan des Rückkaufprogramms in Wien durch die Bank, Vorstände der Bank oder die näher genannte Privatperson erfolgte?

13. Können zu allfälligen Indizien nach Punkt 12 kurze beschreibende Angaben gemacht werden?

14. Kann in eines der allenfalls bestätigten Verfahren bei der FMA Akteneinsicht genommen werden?

Weiters stellte die beschwerdeführende Partei den Antrag auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz bei gänzlicher oder teilweiser Versagung der Erteilung von Informationen.

1.2. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2008 wurde dem Antrag auf Erteilung von Auskunft vom 13. Februar 2008 nicht Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Fragen 1 bis 6 und 8 bis 13 beträfen Angelegenheiten, die dem Amtsgeheimnis unterlägen. Aus diesem Grunde sei eine Auskunft dazu nicht möglich. Im Zusammenhang mit den im Auskunftsersuchen genannten Personen und Unternehmen seien - wie durch die Medienberichterstattung allgemein bekannt sei - Ermittlungen und Verfahren bei der FMA und bei anderen Behörden anhängig; es stehe daher auch das in Art. 20 Abs. 3 B-VG genannte Interesse zur Vorbereitung von Entscheidungen einer Auskunftserteilung entgegen.

Ein Interesse der beschwerdeführenden (antragstellenden) Partei zur Durchsetzung allfälliger Schäden vor den Zivilgerichten könne das Interesse der Parteien der Verfahren an einer Geheimhaltung nicht überwiegen. Es handle sich auch nicht um Fragen, an deren Beantwortung ein Interesse der Allgemeinheit bestünde. Weiters sei festzuhalten, dass zur Beantwortung der Fragen umfangreiche Ausarbeitungen erforderlich wären, da sie nicht mit bloßer Bejahung oder Verneinung zu beantworten wären. Manche (Anm.: nicht näher genannte) Fragen zielten auf die Auskunft hinsichtlich der Absichten der FMA ab. Die Fragen seien auch nicht allgemeiner Natur, sie seien vielmehr teilweise so detailliert, dass sie auf die Gewährung von Akteneinsicht hinauslaufen würden, die jedoch nur den Parteien eines Verfahrens zustünde. Auch aus diesen Gründen sei dem Auskunftsbegehren nicht stattzugeben gewesen.

Zu den Fragen 7 und 14 sei noch festzuhalten, dass das Recht auf Akteneinsicht nur den Parteien eines Verwaltungsverfahrens zustehe; die antragstellende (beschwerdeführende) Partei lege nicht dar (und es ergebe sich auch aus den der FMA vorliegenden Informationen nicht), dass sie Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren der FMA hätte und ihr daher das Recht auf Akteneinsicht zustünde. Eine Akteneinsicht durch die Antragstellerin komme daher nicht in Frage.

1.3. Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof (zur Gänze) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

Die §§ 1, 2 und 4 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987 (in der Folge: AuskunftspflichtG), die §§ 2 und 4 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, lauten wie folgt:

"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

§ 2. Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht.

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist."

Grundlage der Einrichtung und Tätigkeit der belangten Behörde ist das Bundesgesetz über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz - FMABG), BGBl. I Nr. 97/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008. Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes wird unter der Bezeichnung "Finanzmarktaufsichtsbehörde" (FMA) zur Durchführung der Bankenaufsicht, der Versicherungsaufsicht, der Wertpapieraufsicht und der Pensionskassenaufsicht eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet. Diese ist in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.

Gemäß § 14 Abs. 2 FMABG sind die Arbeitnehmer der FMA über alle ihnen ausschließlich aus ihren dienstlichen Tätigkeiten bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, den sie über solche Tatsachen nicht eine behördliche Mitteilung zu machen haben, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Organe der FMA und ihre Arbeitnehmer unterliegen ferner der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses als Amtsgeheimnis gemäß § 38 Abs. 1 BWG. Die Entbindung von Arbeitnehmern der FMA von der Verschwiegenheitspflicht obliegt dem Vorstand der FMA; § 46 Abs. 2, 3 und 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979, sind anzuwenden.

Nach § 16 Abs. 1 leg. cit. hat der Bundesminister für Finanzen die Aufsicht über die FMA dahin auszuüben, dass die FMA die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt, bei Besorgung ihrer Aufgaben die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt und ihren Aufgabenbereich nicht überschreitet.

Nach § 22 Abs. 2 FMABG ist gegen Bescheide der FMA, ausgenommen im Verwaltungsstrafverfahren, keine Berufung zulässig.

Nach § 22 Abs. 4 leg. cit. hat die FMA Unterlagen und Aufzeichnungen von allgemeiner oder grundsätzlicher Bedeutung dauernd aufzubewahren. Der dauernden Aufbewahrungspflicht unterliegen jedenfalls die von ihr erlassenen Bescheide. Sonstige Unterlagen oder Aufzeichnungen sind mindestens sieben Jahre aufzubewahren. Diese Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem 1. bei Dauerrechtsverhältnissen das Rechtsverhältnis geendet hat; 2. in den übrigen Fällen die FMA letztmalig in der betreffenden Angelegenheit tätig gewesen ist.

2.1.2. Die belangte Behörde ist nach den soeben wiedergegebenen Rechtsgrundlagen somit eine Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit die Aufgaben der Bundesverwaltung (vgl. Art. 10 Abs. 1 Z. 5 B-VG) vollzieht. Damit erscheint zumindest fraglich, ob das Auskunftspflichtgesetz (des Bundes), dem kompetenzmäßig der organisatorische Organbegriff des zweiten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B-VG (vgl. dazu näher etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2002/08/0253 = VwSlg. 16.787 A/2005) zu Grunde liegt, anzuwenden ist. Die Beantwortung dieser Frage ist hier jedoch nicht entscheidungswesentlich: Wie etwa Perthold-Stoitzner, Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane2 (1998) 82 ff dargelegt hat, knüpft Art. 20 Abs. 4 B-VG mit der Wendung "alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe" in Satz eins nicht an einen organisatorischen, sondern an einen funktionellen Organbegriff an. Damit werden nicht nur Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften zuzurechnen sind und Verwaltungsaufgaben besorgen, zur Auskunftserteilung verpflichtet, sondern auch solche, die ohne organisatorisch in die Verwaltungsorganisation eingegliedert zu sein, mit der Besorgung von Verwaltungsaufgaben betraut sind, zur Auskunftserteilung nach Art. 20 Abs. 4 B-VG verpflichtet. Perthold-Stoitzner zählt (aaO, 90) dazu etwa auch die österreichische Nationalbank. Der Verwaltungsgerichtshof geht in diesem Zusammenhang mit der Lehre (vgl. wiederum Perthold-Stoitzner, aaO 88 f; Wieser in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, B-VG, Art. 20/4 Rz 16 und Hengstschläger/Leeb, Verfahrensrechtliche Fragen der Auskunftspflicht gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG, JBl. 2003, 269 (272)) davon aus, dass eine "systematische Reduktion" des ersten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B-VG insbesondere wegen des erschließbaren Willens des historischen Gesetzgebers nicht in Betracht kommt. Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher der von der zitierten Literatur überzeugend erarbeiteten Lösung dieses demnach auftretenden Lückenfüllungsproblems dahin, es sei davon auszugehen, dass dann, wenn der einfache (hier:) Bundesgesetzgeber erkannt hätte, dass er auch für die beliehenen und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts eine Regelung zu treffen gehabt hätte, er von dieser (durch Analogie anzunehmenden) Kompetenz auch Gebrauch gemacht und, da Art. 20 Abs. 4 B-VG die größtmögliche Einheitlichkeit der Vorschrift über die Auskunftspflicht zum Ziel hat, für diese die gleichen Regelungen getroffen hätte.

Diese Erwägungen haben für den Beschwerdefall zur Folge, dass die Regelungen des Auskunftspflichtgesetzes (des Bundes) jedenfalls (zumindest durch Analogie) auf Auskunftsbegehren, die an die FMA gerichtet werden, anzuwenden sind.

2.1.3. Das Auskunftspflichtgesetz des Bundes ordnet in § 4 an, dass auf Antrag des Auskunftswerbers ein Bescheid zu erlassen ist, wenn die Auskunft nicht erteilt wird, ohne darauf einzugehen, wer zur Erlassung dieses Bescheides zuständig ist. Entsprechend der dargestellten Konzeption der Auskunftspflicht ist der Bescheid von jenem Organ zu erlassen, von dem die Auskunft begehrt wurde und das daher über die Rechtmäßigkeit des Begehrens zu befinden hat, bevor es sich für oder gegen die Erteilung der Auskunft entscheidet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2002/08/0253).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft der Instanzenzug in Angelegenheiten der Auskunftserteilung an den organisatorischen Aufbau der Behörden an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2000/01/0274, mwN). Wie bereits dargelegt (oben Punkt 2.1.2.) ist die FMA auf Grund ihrer Einrichtung als selbstständige öffentlich rechtliche Anstalt, der gegenüber der Bundesminister für Finanzen kein Weisungsrecht hat, nicht in den organisatorischen Aufbau der Bundesverwaltung im Bereich des Bundesministeriums für Finanzen eingegliedert. Dem entspricht auch der Ausschluss einer Berufung gegen Bescheide der belangten Behörde (ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen), mit dem ein Rechtszug an eine andere Behörde (hier dem Bundesminister für Finanzen) ausgeschlossen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof geht demzufolge davon aus, dass der meritorischen Behandlung der vorliegenden Beschwerde das Hindernis der Nichterschöpfung des Instanzenzuges nicht entgegen steht.

2.2. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung von Auskünften weitgehend damit begründet, der Auskunftserteilung stünde das Amtsgeheimnis entgegen.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet dies und führt vor dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich - zusammengefasst - aus, die belangte Behörde habe die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Interessenabwägung unrichtig - nämlich zu ungunsten der Allgemeinheit und der beschwerdeführenden Partei als möglicherweise geschädigtem Anleger - vorgenommen.

Die die FMA betreffende Verpflichtung zur Verschwiegenheit ist auf einfach gesetzlicher Ebene näher in dem bereits zitierten § 14 Abs. 2 FMAG geregelt (vgl. überdies Art. 20 Abs. 3 B-VG).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1990, Zl. 89/17/0028 = VwSlg. 6553 F/1990 und vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0201 = VwSlg. 13663 A/1992) hat die um Auskunft ersuchte Behörde zu beurteilen, ob und inwieweit eine Verpflichtung zur Amtverschwiegenheit dem Auskunftsbegehren entgegen steht. Sie hat somit die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen. Dabei ist der Begriff "Parteien" im weitesten Sinn zu verstehen und umfasst alle Personen, die aus irgendeinem Anlass mit Behörden in Berührung kommen; als "Partei" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG (und auch des § 14 Abs. 2 FMAG), auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, ist somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen ist, anzusehen.

Die um Auskunft ersuchte Behörde trifft die Pflicht zur ausreichenden Feststellung des Sachverhaltes, der die Beurteilung der Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien ermöglicht, wobei das Parteiengehör zu gewähren ist, und die Pflicht zu einer gesetzmäßigen Begründung ihrer Entscheidung.

Dieser Begründungspflicht hat die belangte Behörde, wie die beschwerdeführende Partei zurecht geltend macht, im Beschwerdefall nicht ausreichend entsprochen.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt dabei nicht, dass die Wahrung der Amtverschwiegenheit mit dem Erfordernis einer ausreichenden Feststellung des relevanten Sachverhaltes, im Zusammenhang mit der Gewährung des Parteiengehörs und einer gesetzmäßigen Begründung, warum das Gebot zur Amtsverschwiegenheit der Auskunftserteilung widerstreite, zu Schwierigkeiten führen kann; der Gesetzgeber hat diese Schwierigkeiten allerdings in Kauf genommen.

Um dem Zweck der Amtsverschwiegenheit zu entsprechen, dürfen die Anforderungen an die Bescheidbegründung daher im vorliegenden Zusammenhang nicht überspannt werden. Insbesondere erfordert es eine gesetzmäßige Bescheidbegründung weder, dass der nach Auffassung der um Auskunft ersuchten Behörde von der Amtsverschwiegenheit betroffene Sachverhalt in der Bescheidbegründung dargelegt, noch, dass auf eine solche Art individualisiert werde, dass der geheimzuhaltende Sachverhalt aus der Bescheidbegründung mit Hilfe von dem Auskunftswerber zugänglichen Schlussfolgerungen ermittelt werden kann; derartige Anforderungen an die Begründung eines die Auskunft wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen verweigernden Bescheides würde das Gebot der Amtverschwiegenheit im konkreten Fall inhaltsleer machen (vgl. das zit. hg. Erkenntnis Zl. 91/01/0201).

Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde zunächst nur ausgeführt, dass im Zusammenhang mit den im Auskunftsersuchen genannten Personen und Unternehmen - wie durch die Medienberichterstattung allgemein bekannt sei - Ermittlungen und Verfahren bei der FMA und bei anderen Behörden anhängig seien; es stehe daher das Interesse zur Vorbereitung von Entscheidungen einer Auskunftserteilung entgegen. Damit hat allerdings die belangte Behörde der dargelegten Begründungspflicht nicht entsprochen: Der Begründung kann nämlich nicht entnommen werden, warum - abstrakt gesehen - eine Auskunftserteilung die Vorbereitung von Entscheidungen in möglicherweise anhängigen Verfahren hindern sollte.

Aber auch soweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf beruft, ein Interesse der beschwerdeführenden Partei zur Durchsetzung allfälliger Schäden vor den Zivilgerichten könne das Interesse der Parteien (allfällig anhängiger) Verfahren an der Geheimhaltung nicht überwiegen bzw. die bloße Behauptung, es handle sich nicht um Fragen, an deren Beantwortung ein Interesse der Allgemeinheit bestünde, vermögen diese Hinweise allein der dargelegten Begründungspflicht nicht zu entsprechen (zu einem aus dem Datenschutz abgeleiteten Interesse der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens an Geheimhaltung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2007/04/0105; zur rechtswidrigen Verweigerung einer Auskunft allein mit der Begründung, dass diese "im wirtschaftlichen Wettbewerb benötigt würde" vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0131).

Auch ist nicht zu erkennen, welche der Fragen nach Ansicht der belangten Behörde umfangreiche Ausarbeitungen erforderten, die der Behörde nicht zuzumuten wären oder welche der Fragen auf eine Auskunft hinsichtlich der Absichten der belangten Behörde abzielten.

Soweit sich die belangte Behörde schließlich im angefochtenen Bescheid noch darauf beruft, dass die Fragen (offenbar insbesondere auch die Fragen 7 und 14) im Ergebnis auf eine Akteneinsicht hinaus liefen, so hat diesbezüglich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2004/12/0151, ausgeführt, dass durch Art. 20 Abs. 4 B-VG die Verwaltungsorgane nicht verpflichtet wären, jedermann Einsicht im Verwaltungsverfahren betreffende Akten zu gewähren; die Auskunftspflicht umfasse aber sehr wohl die Verpflichtung, Wissenserklärungen über Informationen, die in den Unterlagen der Behörde und Akten betreffend Verwaltungsverfahren enthalten seien, weiter zu geben.

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid - die Begründung des angefochtenen Bescheides unterscheidet diesbezüglich nicht nach einzelnen Fragen - wegen Prävalieren der Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 27. Februar 2009

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008170151.X00

Im RIS seit

08.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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