TE Vwgh Erkenntnis 2009/2/26 2008/05/0185

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Veröffentlicht am 26.02.2009
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Index

L37123 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1451;
ABGB §1468;
GebrauchsabgabeG NÖ 1973 §1 Abs1;
GebrauchsabgabeG NÖ 1973 §1 Abs2;
GebrauchsabgabeG NÖ 1973 §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dr. O H, Rechtsanwalt in 3922 Großschönau, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Juli 2008, Zl. IVW3- BE-3091201/007-2008, betreffend Entfernungsauftrag nach dem NÖ Gebrauchsabgabegesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Großschönau), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. Juni 2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 6 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 aufgetragen, die auf dem öffentlichen Gut Grundstück Nr. 1479/1, KG Thaures, entlang der dem Beschwerdeführer gehörigen Grundstücke Nr. 30/2 und Nr. 26 versetzten Rundholzzaunsäulen und den auf diesem Grundstück gelagerten Schotter zu entfernen.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Dezember 2007 als unbegründet abgewiesen, die Erfüllungsfrist neu festgesetzt. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, die von der beauftragten Vermessungskanzlei durchgeführte Rekonstruktion der Grundstücksgrenzen habe ergeben, dass die vom Beschwerdeführer errichteten Rundholzzaunsäulen auf öffentlichem Gut (Bankett einer Gemeindestraße) stünden und er auch Schotter auf diesem Grundstück abgelagert habe. Die Voraussetzungen für die behauptete Ersitzung lägen nicht vor. Eine Gebrauchserlaubnis könne nur über Antrag erteilt werden. Die vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen gingen über den Gemeingebrauch hinaus; dies ergebe sich eindeutig aus dem Tarif des NÖ Gebrauchsabgabegesetzes (Tarif Teil A Z 1: Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten und dergleichen, wenn die Lagerung die Dauer von drei Tagen übersteigt; Tarif Teil B Z 30: Einfriedungen und Ähnliches).

In der dagegen erhobenen Vorstellung bemängelte der Beschwerdeführer das von den Gemeindebehörden durchgeführte Ermittlungsverfahren. Schon das regelmäßige Mähen eines Grundstückes reiche als Ersitzungshandlung aus. Die mitbeteiligte Marktgemeinde habe ihr Eigentum am gegenständlichen Grundstücksteil schon seit langer Zeit aufgegeben. Die Rundholzsäulen befänden sich nicht auf öffentlichem Grund. Für die Holzsäulen bestehe keine Gebrauchsabgabepflicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1) und gemäß § 61 Abs. 2 NÖ Gemeindeordnung der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis hinsichtlich der Rundholzsäulen und des abgelagerten Schotters als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2).

Zur behaupteten Befangenheit des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde führte die belangte Behörde aus, die Mitwirkung eines befangenen Organes bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides werde durch eine Berufungsentscheidung eines unbefangenen Organs gegenstandslos. Streitigkeiten über Eigentumsrechte bzw. Servitutsrechte an einem öffentlichen Grundstück seien von den Gerichten zu entscheiden. Die behauptete Ersitzung sei somit nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Auf Grund der von einem sachverständigen Ziviltechniker durchgeführten Grenzrekonstruktion sei davon auszugehen, dass sich die streitgegenständlichen Holzsäulen sowie der Schotter auf öffentlichem Gut befänden. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls seit 13. März 2007 Kenntnis von der durchgeführten Grenzrekonstruktion. Er habe von der rechtswidrigen Nutzung des öffentlichen Grundes Kenntnis gehabt, zumal er selbst angeboten habe, die streitgegenständlichen Grundstücksteile zum ortsüblichen Preis der mitbeteiligten Marktgemeinde abzukaufen. Eine allenfalls gegebene Verletzung des Parteiengehörs durch die Behörde erster Instanz sei im Berufungsverfahren saniert worden. Die Gemeindebehörden seien nicht verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zur Antragstellung auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis aufzufordern. Der Antrag auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis wäre an den Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde zu richten gewesen. Der diesbezügliche an die belangte Behörde gerichtete Antrag sei daher unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Gebrauchsabgabegesetzes 1973 haben folgenden Wortlaut:

"§ 1

Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll.

(2) Die im angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde (Abs. 1) gehen über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus.

(3) Wenn eine Gebrauchsart im Sinne des Abs. 2 in einem geringeren als dem angegebenen Umfang in Anspruch genommen werden soll, bedarf der geringere Umfang keiner Gebrauchserlaubnis.

(4) ...

§ 2

Erteilung der Gebrauchserlaubnis

(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig.

...

§ 6

Beseitigung von Einrichtungen bei unerlaubtem Gebrauch

Die Gemeinde ist berechtigt, den Besitzer von Einrichtungen, durch die ein im § 1 umschriebener Gebrauch ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis ausgeübt wird, durch Bescheid zu verpflichten, diese Einrichtungen binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen.

...

...

§ 16

Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde

Die Gemeinde hat ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben

mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im

eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

...

Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgabe

Teil A

Einmalige Gebrauchsabgaben

1. Für die Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten und dergleichen, wenn die Lagerung die Dauer von drei Tagen übersteigt

...

Teil B

Jahresabgaben für begonnenes Abgabenjahr

(...)

5. für Stützmauern, Pfeiler, Gebäudesockel, Risalte, Tormauern, einzelne Säulen oder Pfeiler oder andere vom Boden aufgehenden Bauteile, soferne sie mindestens 15 cm über die Straßenfluchtlinie vorspringen,

..."

Gemäß § 1 Abs. 1 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll. Entscheidend ist nach dem Gesetzeswortlaut allein der Umstand, dass der öffentliche Grund im Gemeindegebiet liegt; für die Bewilligungspflicht kommt es nicht darauf an, welche Art öffentlicher Grund vorliegt. Durch § 1 Abs. 2 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 ist klargestellt, dass die im angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde über die widmungsgemäßen Zwecke hinaus gehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/05/0043, VwSlg 15.835/A).

Lagerung von Schotter auf öffentlichem Grund erfüllt den im Teil A Z. 1 des dem NÖ Gebrauchsabgabegesetzes 1973 angeschlossenen Tarifes normierten Tatbestand. Es handelt sich hierbei um eine Art des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde, für die eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken ist. Das Aufstellen von Säulen auf öffentlichem Grund in der Gemeinde ist gemäß Teil B Z. 8 des genannten Tarifes gebrauchsabgabepflichtig und daher ebenfalls nur dann gestattet, wenn vorher eine Gebrauchserlaubnis eingeholt worden ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die von den Gemeindebehörden festgestellte Nutzung des öffentlichen Grundes erfordere keine Gebrauchserlaubnis, trifft daher nicht zu. Im Verfahren vor den Gemeindebehörden hat der Beschwerdeführer nicht bestritten, dass er die ihm im beschwerdegegenständlichen Entfernungsauftrag zur Last gelegten Gebrauchshandlungen auf öffentlichem Grund ohne Gebrauchserlaubnis ausgeübt hat. Auch in der Vorstellung wird die Feststellung, dass die Rundholzzaunsäulen auf öffentlichem Grund errichtet worden sind, nicht substantiiert bekämpft. Die Verwaltungsakten bieten keinen Anhaltspunkt, an der Richtigkeit der von den Gemeindebehörden getroffenen Feststellungen zu zweifeln. Der auf § 6 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 gestützte Beseitigungsauftrag war daher gerechtfertigt.

Die belangte Behörde verkennt zwar die Rechtslage, wenn sie im angefochtenen Bescheid ausführt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Ersitzung an den von ihm genutzten Grundstücksteilen am öffentlichen Gut "nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens" sei. Die Ersitzung ist der Erwerb eines Rechtes durch qualifizierten Besitz während der gesetzlich bestimmten Zeit. Sie führt zu einem originären Rechtserwerb, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert. Der Ersitzende erwirbt schon nach dem Ablauf der Ersitzungszeit Eigentum. Seine Eintragung im Grundbuch hat daher bloß deklaratorische Bedeutung (vgl. Koziol-Welser, Bürgerliches Recht13 I 337 f und 362). Ein Beseitigungsauftrag nach § 6 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 kann aber nur erlassen werden, wenn öffentlicher Grund in der Gemeinde ohne die erforderliche Gebrauchserlaubnis genutzt wird. Hätte der Beschwerdeführer, wie von ihm im Verfahren vor den Gemeindebehörden behauptet, den Grund bereits ersessen, lägen somit die Voraussetzungen für die Erlassung des Beseitigungsauftrages nicht vor.

Die verfehlte Rechtsansicht der belangten Behörde führt im Beschwerdefall jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil es gemäß § 61 NÖ Gemeindeordnung 1973 Aufgabe der belangten Behörde war zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde in seinen Rechten verletzt wurde. Die Berufungsbehörde hat sich in ihrem Bescheid mit der Frage der Ersitzung des vom Beschwerdeführer in Gebrauch genommenen öffentlichen Grundes auseinander gesetzt und festgestellt, dass der Beschwerdeführer Kenntnis davon hatte, dass er öffentlichen Grund nutzt und ein Kaufansuchen an die mitbeteiligte Marktgemeinde gerichtet hat. Für die Annahme der Ersitzung fehlte dem Beschwerdeführer somit die auch für die uneigentliche Ersitzung zu fordernde Redlichkeit (vgl. hiezu Koziol-Welser, a.a.O. Seiten 262 und 339).

Gemäß § 16 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 hat die Gemeinde die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Zutreffend ging daher die belangte Behörde davon aus, dass sie für die inhaltliche Erledigung eines Antrages auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nicht zuständig ist.

Insoweit der Beschwerdeführer auch vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt, der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde wäre befangen gewesen, ist auf die zutreffenden Ausführungen der Behörden zu verweisen, dass die Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung erster Instanz durch eine Berufungsentscheidung unbefangener Organe für das Verfahren nicht mehr relevant ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2007/07/0004).

Die behauptete Rechtsverletzung liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Februar 2009

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008050185.X00

Im RIS seit

31.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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