TE Vwgh Erkenntnis 2009/1/29 2008/10/0332

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Veröffentlicht am 29.01.2009
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Index

10/10 Grundrechte;
70/05 Schulpflicht;

Norm

SchPflG 1985 §1 Abs1;
SchPflG 1985 §11 Abs1;
SchPflG 1985 §11 Abs2;
SchPflG 1985 §11 Abs3;
SchPflG 1985 §11 Abs4;
SchPflG 1985 §2;
SchPflG 1985 §3;
SchPflG 1985 §5;
SchPflG 1985 §7 ;
SchPflG 1985 §7 Abs1;
SchPflG 1985 §7;
StGG Art17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der MMag. B S in Graz, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 16. Oktober 2008, Zl. IVSa/39/3-2008, betreffend Teilnahme am häuslichen Unterricht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 16. Oktober 2008 gegenüber der beschwerdeführenden Partei ausgesprochen, dass die Teilnahme ihres Kindes S S, geboren am 3. November 2002, am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2008/09 untersagt werde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Teilnahme am häuslichen Unterricht knüpfe an die bestehende Schulpflicht an, S S werde aber erst mit 1. September 2009 schulpflichtig. Eine Teilnahme am häuslichen Unterricht komme daher erst ab diesem Zeitpunkt in Betracht. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, um vorzeitige Aufnahme des Kindes in die erste Schulstufe einer Volksschule anzusuchen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe des Abschnittes I.

Die allgemeine Schulpflicht beginnt gemäß § 2 Schulpflichtgesetz mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz dauert die allgemeine Schulpflicht neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz wird die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen von im Einzelnen genannten Schularten erfüllt.

Die allgemeine Schulpflicht kann gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz auch durch Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern dieser Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen der Polytechnische Lehrgang - mindestens gleichwertig ist.

Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz die Teilnahme eines Kindes am häuslichen Unterricht dem Bezirksschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Bezirksschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monats ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 3 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist. Gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates kann Berufung an den Landesschulrat erhoben werden; gegen die Entscheidung des Landesschulrates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Der zureichende Erfolg des häuslichen Unterrichts ist gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Bezirksschulrat anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, sind gemäß § 7 Abs. 1 Schulpflichtgesetz auf Ansuchen ihrer Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zum Anfang des Schuljahres in die erste Schulstufe aufzunehmen, wenn sie bis zum Ende des laufenden Schuljahres das sechste Lebensjahr vollenden und schulreif sind.

Der vorzeitige Schulbesuch wird gemäß § 7 Abs. 10 Schulpflichtgesetz in die Dauer der allgemeinen Schulpflicht eingerechnet, wenn er nicht gemäß Abs. 8 eingestellt worden ist.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, eine Teilnahme am häuslichen Unterricht komme nur insoweit in Betracht, als damit die allgemeine Schulpflicht erfüllt werde. Sei ein Kind daher noch nicht schulpflichtig, könne es im Sinne des § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz am häuslichen Unterricht nicht teilnehmen.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde habe ihr Ansuchen, ihrem Sohn S S, geboren am 3. November 2002, im Schuljahre 2008/2009 die Erlaubnis zum häuslichen Unterricht zu erteilen, abgelehnt. Die belangte Behörde habe dabei verkannt, dass das Schulpflichtgesetz keine Grundlage für eine Differenzierung zwischen der vorzeitigen Aufnahme in die Volksschule und der Erteilung häuslichen Unterrichts vorsehe, weil es in beiden Fällen um die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht gehe. Das Schulpflichtgesetz sehe nicht vor, dass mit der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht vor Vollendung des sechsten Lebensjahres nur durch vorzeitige Aufnahme an der Volksschule begonnen werden könne. Die Auffassung der belangten Behörde, dass lediglich schulpflichtige Kinder häuslich unterrichtet werden dürften, sei gleichheitswidrig und unzulässig. Hoch begabte Kinder, die bereits vor Vollendung des sechsten Lebensjahres schulreif seien, aber nicht die Möglichkeit hätten, eine Volksschule vorzeitig zu besuchen, würden ungerechtfertigt benachteiligt. Im Übrigen bedürften auch Kinder im häuslichen Unterricht der begleitenden Kontrolle des Vorliegens der Schulreife und der sozialen Kompetenz; dies sei durch das "Gleichwertigkeitsgebot" des Schulpflichtgesetzes sichergestellt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es dem Gesetzgeber im Grunde des Art. 17 Staatsgrundgesetz 1867 verwehrt ist, die Erteilung häuslichen Unterrichts irgendwelchen Beschränkungen zu unterwerfen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1954, VfSlg. 2670/1954). Die Regelungen des Schulpflichtgesetzes beziehen sich daher ausschließlich auf die Frage, ob ein Kind durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht bereits seine Schulpflicht erfüllt, oder ob es dazu des Besuches einer allgemeinen Pflichtschule bedarf.

Nun beginnt die allgemeine Schulpflicht - wie dargelegt - ab dem der Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September. Ein Kind, welches das sechste Lebensjahr erst nach dem 1. September vollendet, ist im betreffenden Schuljahr daher nicht schulpflichtig.

Dies gilt für alle Kinder, also auch für jene, die im Sinne des § 7 Schulpflichtgesetz vorzeitig in die Volksschule aufgenommen werden. Durch die vorzeitige Aufnahme in die Volksschule werden sie nicht schulpflichtig, wenn auch gemäß § 7 Abs. 9 Schulpflichtgesetz für sie die gleichen Bestimmungen gelten wie für schulpflichtige Kinder. Allerdings ist ihnen die vor Eintritt der Schulpflicht in der Volksschule absolvierte Zeit des Schulbesuches in die Dauer der allgemeinen Schulpflicht einzurechnen, wenn der vorzeitige Schulbesuch nicht gemäß Abs. 8 "eingestellt worden ist".

Eine entsprechende Regelung, derzufolge Zeiten, in denen einem Kind vor Erreichung der Schulpflicht häuslicher Unterricht erteilt wurde, in die Dauer der allgemeinen Schulpflicht einzurechnen wären, sieht das Gesetz nicht vor; häuslicher Unterricht vor Erreichung der Schulpflicht ist auf die Dauer der allgemeinen Schulpflicht daher nicht anzurechnen. Eine solche Regelung wäre im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht geboten, weil häuslicher Unterricht eine eigene Form der Bildungsvermittlung darstellt, die den Regelungen über die schulische Ausbildung nicht unterworfen ist (vgl. auch den die beschwerdeführende Partei betreffenden Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2008, B 1954/08).

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid der Sache nach zum Ausdruck gebracht, dass ein dem S S vor Eintritt der Schulpflicht erteilter häuslicher Unterricht auf die Dauer der allgemeinen Schulpflicht nicht anzurechnen ist. Dies ist nach dem Gesagten nicht rechtswidrig.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde zeigt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2009

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008100332.X00

Im RIS seit

22.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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