TE Vwgh Beschluss 2001/3/28 2001/13/0041

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Veröffentlicht am 28.03.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.jur. Mag. (FH) Schärf, in der Beschwerdesache der U AG in W, vertreten durch Fellner Brandl Wratzfeld, Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien I., Wipplingerstraße 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. November 1999, Zl. RV/347-11/07/99, betreffend Körperschaftsteuer 1998, über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages an den Verfassungsgerichtshof auf Abtretung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss vom 11. Oktober 2000, B 2057/99, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der bei ihm eingebrachten Beschwerde, die keinen Abtretungsantrag enthielt, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab.

Mit einem am 21. Dezember 2000 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehrte die Beschwerdeführerin vom Verfassungsgerichtshof die Abtretung ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG und stellte gleichzeitig den Antrag, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Abtretungsantrages nach § 87 Abs. 3 VfGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wobei sie ihr Wiedereinsetzungsbegehren mit folgendem, durch "eidesstättige Erklärungen" dreier Mitarbeiter der Kanzlei der sie vertretenden Rechtsanwaltspartnerschaft untermauertem Vorbringen begründete:

Der Verfassungsgerichtshof habe über die Ablehnung der Behandlung der erhobenen Beschwerde in einem gemeinsamen Beschluss mit sechs weiteren Fällen entschieden, welcher Beschluss der Beschwerdeführerin am 29. November 2000 zugestellt worden sei. Am 12. Dezember 2000 sei die einschreitende Rechtsanwaltspartnerschaft beauftragt worden, die Abtretung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zu beantragen. Es habe die einschreitende Rechtsanwaltspartnerschaft am 13. Dezember 2000 innerhalb eines Tages gleichzeitig sechs derartige Anträge auf Abtretung einbringen müssen. Diese Anträge seien gemeinsam vorbereitet und von einem näher genannten Rechtsanwalt unterfertigt worden. Alle sechs Anträge hätten sich gemeinsam in einer Unterschriftenmappe befunden, wobei darauf geachtet worden sei, dass jeder einzelne Antrag leicht erkennbar in einem eigenen Fach dieser Unterschriftenmappe oberhalb des betroffenen Aktes gelegen sei. Die Sekretärin, eine einwandfrei und zuverlässig arbeitende und intensiv eingeschulte Mitarbeiterin, der ein zu einer Fristversäumung führendes Versehen noch nie unterlaufen sei, habe die Unterschriftenmappe übernommen und die Anweisung erhalten, alle Anträge durch einen Boten beim Verfassungsgerichtshof zu übergeben. Die Sekretärin habe daraufhin die separat in der Unterschriftenmappe liegenden Anträge mit der Unterschriftenmappe an den Boten mit dem Auftrag übergeben, die Anträge beim Verfassungsgerichtshof persönlich zu überreichen. Der Bote, ein zuverlässig und einwandfrei arbeitender Mitarbeiter, der als Student die Konsequenzen einer Fristversäumung einzuschätzen wisse, sei die Mappe durchgegangen, habe ihr fünf Anträge entnommen und damit irrtümlich gemeint, der Unterschriftenmappe alle Anträge entnommen zu haben. Während diese fünf Anträge vom Boten persönlich beim Verfassungsgerichtshof überreicht worden seien, sei jedoch gerade der Antrag der Beschwerdeführerin auf Abtretung der Beschwerde in der Unterschriftenmappe verblieben, was dem Boten erst am 14. Dezember 2000 bei der Übergabe der Mappe an das Sekretariat aufgefallen sei. Die - im Einzelnen näher dargestellte - Kanzleiorganisation im Betrieb der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin schaffe eine mehrfache Absicherung gegen das Versäumen von Fristen. Dass bei der Übergabe von sechs fristgebundenen Anträgen von einer verlässlichen Kanzleikraft an einen stets genau arbeitenden Boten ein Schriftstück aus Versehen in einer Unterschriftenmappe verbleibe, sei auch durch die durchdachte und mehrfach abgesicherte Organisation in der Kanzlei der einschreitenden Rechtsanwaltspartnerschaft nicht mit absoluter Sicherheit zu vermeiden. Es habe ein derartiges Vorkommnis seit Bestehen der Kanzlei kein einziges Mal gegeben, wie auch sonst in der Kanzleigeschichte noch nie eine Frist versäumt worden sei.

Mit Beschluss vom 7. Februar 2001, B 2057/99, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde ohne Erledigung dieses Wiedereinsetzungsantrages dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab, wobei er die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag und damit über die Rechtzeitigkeit der abgetretenen Beschwerde ausdrücklich dem Verwaltungsgerichtshof überließ.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem im Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Februar 2001, B 2057/99, zitierten Beschluss vom 13. September 1994, 94/14/0126, 0127, ausgesprochen hat, betrifft der Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Abtretungsfrist des § 87 Abs. 3 VfGG die Rechtzeitigkeit der sukzessiv an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, was zur Folge hat, dass ein solcher Wiedereinsetzungsantrag mangels Erledigung durch den Verfassungsgerichtshof auch als ein an den Verwaltungsgerichtshof gerichteter Antrag zu behandeln und demgemäß vom Verwaltungsgerichtshof zu erledigen ist.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachte Versehen, welches zur Versäumung der Frist zur Stellung des Abtretungsantrages geführt hat, ist als ein solches zu beurteilen, an welchem dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein Verschulden mehr als minderen Grades nicht angelastet werden kann. Es gleicht mit der vorliegenden Fallkonstellation jenen Fällen unterlaufener Kuvertierungsfehler verlässlicher Mitarbeiter von Parteienvertretern, in denen der Gerichtshof das Unterlaufen solcher Kuvertierungsfehler als geeigneten Grund anzusehen pflegt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 19. März 1997, 97/13/0034, vom 9. April 1997, 97/13/0055, und vom 16. September 1999, 99/07/0124).

Dem Antrag war deshalb stattzugeben.

Wien, am 28. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001130041.X00

Im RIS seit

19.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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