TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/28 E2 312776-1/2008

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Veröffentlicht am 28.07.2008
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Spruch

E2 312.776-1/2008-11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde der U.Z., geb. 00.00.1984, StA. Russische Förderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.05.2007, FZ. 06 08.900-BAG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 AsylG 2005 stattgegeben und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass U.Z. kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF1 U.M., BF2 U.Z., BF3 U.N.) stellten am 25.08.2006 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet von Österreich am 24.08.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Verfahren gegen die BW wurden aufgrund des familiären Zusammenhangs verbunden und unter einem geführt.

 

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheide vom 25.05.2007, Zahlen: 06 08.899-BAG (U.M.), 06 08.900-BAG (U.Z.) und 06 08.901-BAG (U.N.) den jeweiligen Antrag auf internationalen Schutz der BF gem. § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte des Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I); darüber hinaus erkannte es aber den Antragstellern gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte den Antragstellern eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 24.05.2008 (Spruchpunkt III.).

 

3. Gegen Spruchpunkt I der bezeichneten Bescheide, zugestellt am 29.05.2007, richten sich die fristgerecht eingebrachten: Beschwerden vom 04.06.2007.

 

4. Der Asylgerichtshof - zum gegebenen Zeitpunkt noch: Unabhängiger Bundesasylsenat - führte in der Sache der BF am 11.03.2008 (OZ 9Z) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF; sowie deren gewillkürter Vertreter Dr. Gerhard MORY und ein Dolmetscher für die russische Sprache teilnahmen. Ein geladener Vertreter des Bundesasylamtes ist zur öffentlichen mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht erschienen.

 

II. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten;

 

Einvernahme der BF1 und BF2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof (vormals: Unabhängigen Bundesasylsenat);

 

Einsichtnahme in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion der BF sowie deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung:

 

Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe zum Thema "Nordkaukasus - Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien und Nordossetien", Jänner 2007

 

APA- Bericht vom 18.09.2007

 

Erkenntnisse des Bundesasylamtes für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration zur Russischen Förderation - Tschetschenienkonflikt - Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion - Oktober 2007

 

Bericht des auswärtigen Amtes Berlin vom 13.01.2008 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Förderation mit Stand Dezember 2007

 

Zugriff auf die Homepage von "Dagestannews" am 10.03.2008, Keywords vom 07.03.2007 bis 02.03.2008 (Auflistung von Anschlägen und sicherheitsrelevanten Ereignissen, vor allem in Dagestan)

 

III. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2.1. Zur Person der BF:

 

Die BF (Eltern mit minderjährigem Sohn) sind Staatsangehörige der Russischen Förderation, zur Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig und stammen aus der unmittelbar an Tschetschenien angrenzenden russischen Teilrepublik Dagestan. Die BF 1 und 2 haben 2004 geheiratet und lebten seither bis zu ihrer Ausreise in einer gemeinsamen Wohnung in der Nähe von K., im Heimatdorf des BF1, O., ca. 15 Kilometer von K. entfernt. Im Juni 2006 haben sie ohne im Besitz von Reisedokumenten zu sein, gemeinsam Dagestan verlassen und sind nach Österreich gereist, wo sie am 24.08.2006 illegal einreisten und einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

 

Die BF konnten mehrere Krankenhausaufenthalte in Dagestan dokumentieren. So befand sich die BF 2 vom 00.00. bis 00.00.2004 auf einer gynäkologischen Station eines Krankenhauses in stationärer Behandlung, vom 00.00.2004 bis 00.00.2005 beim Familienplanungszentrum in K. in ambulanter Behandlung und vom 00. bis 00.00.2005 auf eine neurologischen Station (Diagnose: Schädelhirntrauma) in stationärer Behandlung. Der BF 1 befand sich am 00.00.2005 in einem Krankenhaus in K. und vom 00.00. bis 00.00.2006 wegen einer Nierenerkrankung ebenfalls in einem Krankenhaus in K..

 

Während ihres Aufenthaltes in Österreich hatte die BF 2 mehrere ärztliche Untersuchungen und Behandlungen wie aus folgenden Unterlagen hervorgeht:

 

Arztbrief über stationären Aufenthalt im Landesklinikum B. vom 00.00.2006 bis 00.00.2006 mit der Diagnose: Dissoziativer Stupor, Anpassungsstörung (ängstlich depressive Reaktion), hochgradiger V.(erdacht) a.(uf) PTSD, Cervikalsyndrom mit Cephalea, Zustand nach Schädelhirntrauma durch Misshandlung (Beilage 1 zur Verhandlungsschrift OZ 9Z);

 

CT des Gehirnschädels im Landesklinikum B. am 00.00.2006 mit unauffälligem Ergebnis (Beilage 2 zur Verhandlungsschrift OZ 9Z);

 

stationärer Aufenthalt vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 im Allgemeinen Krankenhaus V., geburtshilfliche Abteilung, mit der Diagnose:

Cephalea (mutmaßlich analgetika-induzierter Kopfschmerz) bzw. Migräne mit Aura, Schwangerschaft (III, SSW 19/5), anamnestisch:

Zustand für körperliche Misshandlung vor einigen Jahren (Beilage 3 zur Verhandlungsschrift OZ 9Z);

 

Fachärztlicher Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Dr. G.F. nach Untersuchung am 15.02.2007 mit der Diagnose: Depressive Angststörung F43.21 (Beilage 4 zur Verhandlungsschrift OZ 9Z)

 

Fachärztlicher Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Dr. G.F. nach Untersuchung am 22.05.2007 mit der Diagnose: Depressive Angststörung F43.21 (Beilage 5 zur Verhandlungsschrift OZ 9Z)

 

2.2. Zum Asylvorbringen der BF:

 

Bereits einige Wochen nach der Eheschließung 2004 hat eine erste Hausdurchsuchung in der Wohnung der BF stattgefunden. Die dagestanischen "OMON"-Leute hatten dem BF 1 zur Last gelegt, einen Tag zuvor Widerstandskämpfern geholfen zu haben, indem er seinen Schwager mit einem Freund bei sich übernachten ließ. Im August 2004 ist der BF 1 von "Kadyrov"-Leuten festgenommen und ihm von diesen unterstellt worden, dass er an Kriegshandlungen teilgenommen hätte. Bei dieser Festnahme hat man den BF 1 schwer misshandelt und danach verletzt in das Krankenhaus von K. gebracht. Zum Zeitpunkt der Festnahme des BF 1 war die BF 2 schwanger. Da bei der Festnahme des BF 1 auch die BF2 von den Sicherheitsorganen durch Schläge mit einem Gewehr schwer misshandelt wurde, hat diese ein Monat später eine "Fehlgeburt" erlitten. Das Kind sei im Mutterleib abgestorben.

 

In der Folge sind die BF noch mehrmals von Sicherheitskräften der Russischen Förderation, aber auch von dagestanisch- tschetschnischen Sicherheitskräften bzw. gemischten Sicherheitskräften zu Hause aufgesucht, misshandelt und der BF1 außerdem noch einmal festgenommen worden. Bei den Anhaltungen wurde er von den Sicherheitsorganen geschlagen und verletzt. Der Ehemann der Schwester des BF 1 hat im ersten Tschetschenien-Krieg als Widerstandskämpfer gekämpft, dessen Freund werde die Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag anlässlich einer Militärparade zur Last gelegt. Da der BF 1 sie einmal in seiner Wohnung übernachten ließ, wird er der Unterstützung von Widerstandskämpfern verdächtigt.

 

Das Vorbringen ist - wie in der Beweiswürdigung noch näher darzustellen sein wird - glaubwürdig. Folglich ist die Feststellung zu treffen, dass die BF ihr Heimatland aus Gründen verlassen haben, die in der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tschetschenen bzw. in einer ihnen unterstellten politischen Gesinnung - nämlich der Unterstützung des tschetschenischen Widerstandes gegen die Zentralmacht der russischen Föderation - liegen.

 

2.3. Zur Lage in der Russischen Föderation im Allgemeinen bzw. in Dagestan im Besonderen werden die o. a. Länderberichte herangezogen und der Entscheidung als Feststellungen zu Grunde gelegt, wobei sich folgendes ergibt:

 

Die Sicherheitslage in Dagestan ist derzeit schlechter als jene in Tschetschenien. Der Konflikt zwischen den ursprünglichen Streitparteien (Russische Föderation vs. Unabhängigkeitsbestrebungen des tschetschenischen Volkes in der Teilrepublik Tschetschenien) hat sich über die Grenzen von Tschetschenien hinaus auf die angrenzenden Teilrepubliken, wie etwa Inguschetien, Kabardino-Balkarien und vor allem auch Dagestan ausgeweitet. In Dagestan muss von separatistischen Bestrebungen und Aktivitäten insbesondere aber auch von einer allgemein instabilen Sicherheitslage gesprochen werden, von der einerseits die Rechtsorgane der Republik stark betroffen sind, da von verschiedensten Untergrundgruppierungen, teilweise auch mit religiösem ("wahabitischen") Hintergrund zahlreiche Anschläge gegen sie verübt werden. Andererseits wird aber aufgrund der Reaktionen der Sicherheitsorgane auf die Anschläge auch die Zivilbevölkerung sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt seitens der Sicherheitsorgane zu umfangreichen Menschenrechtsverletzungen und wahrscheinlich auch kriminellen Straftaten, die mangels geeigneter Strukturen und fehlenden Willens der Regierung wohl kaum zu einer Aufklärung geschweige denn zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt dazu in dem o. zit. Bericht aus: "Dagestan ist die Kaukasusrepublik mit den meisten interethnischen Konflikten. Dazu kommen gravierende soziale und ökonomische Probleme. Die Arbeitslosigkeit beispielsweise liegt bei über 30 Prozent. Die Ausbreitung der bewaffneten Auseinandersetzungen über die tschetschenischen Grenzen hinaus hat - was vor diesem Hintergrund verständlich ist - vor allem in Richtung Dagestan statt gefunden. Mittlerweile weist Dagestan mehr Gewaltakte auf als Tschetschenien. Hinter den meisten Anschlägen stecken tschetschenische Separatisten, zusammen mit lokalen Handlangern. Diese sind häufig Mitglieder der so genannten Dschamaats - in sich geschlossener militanter islamischer Gemeinden, die der wahhabitischen Glaubensrichtung angehören. Diese extremistischen Organisationen sind mit dem tschetschenischen Untergrund verbunden und werden von diesem auch koordiniert. Allein 2005 wurden in Dagestan 113 Anschläge verübt, bei denen 59 Polizisten, Militärangehörige und Beamte getötet sowie 112 verwundet wurden. Außerdem starben dabei 12 Zivilpersonen; 47 weitere wurden verletzt. Grosse Teile der Bevölkerung Dagestans sind nicht nur verängstigt, sondern auch verärgert über die weit verbreitete Korruption in ihrer Republik und machen ihrem Zorn immer öfter in Demonstrationen Luft, die von den Sicherheitskräften nicht selten mit Gewalt beendet werden. Die DemonstrantInnen protestieren konkret gegen die undurchsichtige, illegale und unfaire Umverteilung des Bodens in den vergangenen Jahren sowie gegen die Unterschlagung von Steuergeldern. Der im Februar 2006 eingesetzte Präsident und ehemalige Sowjetbeamte Muchu Aliev hat zwar einen ehrenhaften Ruf, aber wenig Handhabe gegen die korrupten Beamten. In naher Zukunft werden die gewaltsamen Proteste tendenziell weiter zunehmen, stehen doch im März 2007 in Dagestan Parlamentswahlen an"

 

Aber auch andere Beobachter der Lage wie das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder das Auswärtige Amt in Berlin kommen zu ähnlichen Ergebnissen (siehe dazu die im Einzelnen oben angeführten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Quellen). Der Asylgerichtshof legt diese Erkenntnisse seiner Entscheidung zu Grunde. Gegendarstellungen liegen nicht vor.

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1. Gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/83/EG über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt es zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 vom 30.09.2004, (der durch § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG direkt in das AsylG übernommen wurde) wird festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten es als Pflicht des Antragstellers betrachten können, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Wenden die Mitgliedsstaaten diesen Grundsatz an und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese nach Abs. 5 keines Nachweises, wenn

 

der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

 

alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen; und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht im Widerspruch stehen;

 

der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

 

die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

 

3.2. Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus deren Angaben, aus dem vom BF 1 vorgelegten nationalen Führerschein und dem von der BF 2 vorgelegten Studentenausweis sowie der Heiratsurkunde. Sonstige Personaldokumente, insbesondere Reisepässe wurden von den BF nicht vorgelegt. Internationale Reisepässe hätten sie ohnehin nie besessen und die Inlandspässe seien den BF von den russischen Soldaten im Zuge einer Hausdurchsuchung abgenommen worden.

 

3.3. Die Angaben der BF zu den fluchtauslösenden Gründen sind im gesamten Asylverfahren in etwa gleich geblieben und weichen nicht wesentlich von einander ab. Vor dem Hintergrund der in der Berufungsverhandlung erörterten Länder- und Medienberichte ist das Vorbringen nachvollziehbar und plausibel. Auch das Bundesasylamt hat das Vorbringen bereits im erstinstanzlichen Verfahren grundsätzlich für glaubwürdig erachtet. Gemessen an den eingangs zu Punkt 3 erwähnten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, bestehen nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens für den Unabhängigen Bundesasylsenat keine Gründe, die Darstellung der BF in Zweifel zu ziehen. Trotz einiger in der Berufungsverhandlung zu Tage getretenen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Ausführungen der BF kann das geschilderte Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen die BF nicht von der Hand gewiesen werden. Dies äußert sich vor allem in den dokumentierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der BF, deren Entstehungsgeschichte sehr wahrscheinlich mit dem Einschreiten der Sicherheitsorgane in Zusammenhang steht. Ein in Dagestan durchaus mögliches, rigoroses und überschießendes Vorgehen der Sicherheitsorgane wiederum ist in den Länderberichten dokumentiert. Davon ausgehend nimmt der Unabhängige Bundesasylsenat an, dass die BF tatsächlich unter massivem Druck stehen, so dass Verwechslungen und Ungenauigkeiten bei der Wiedergabe von Daten und Erzählung von Ereignissen möglich erscheinen und deshalb nicht unbedingt auf ein bewusste Falschdarstellung zu schließen ist. Diese Ermittlungsergebnis wird auch durch den persönlichen Eindruck, den die BF in der Berufungsverhandlung vermittelten, gestützt.

 

3.4. Die Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation bzw. in Dagestan, zur dortigen Sicherheitslage und Rückkehrsituation stützen sich auf aus der internationalen Berichterstattung allgemein bekannte Tatsachen sowie auf die zitierten aktuellen Quellen. Die Parteien des Verfahrens sind den in der Berufungsverhandlung erörterten Feststellungen nicht entgegengetreten. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der mit der internationalen Berichterstattung übereinstimmenden Inhalte besteht für die Berufungsbehörde kein Grund, die Richtigkeit der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen.

 

IV. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter zu führen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

2. Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG stellen Familienangehörige (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigen zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status eines des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Absatz 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Absatz 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 2 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

3. Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, ist die BF 2 Ehegattin des BF 1 und Mutter des BF 3, denen mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates gleichen Datums, Zahl: 312.775 und

312.824 Asyl gewährt wurde. Da somit dem Ehegatten der BF 2 Asyl gewährt wurde, war der BF 2 gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 4 AsylG Asyl zu gewähren.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Folglich war spruchgemäß zu entscheiden

Schlagworte
Bürgerkrieg, Familienverfahren, gesamte Staatsgebiet, gesundheitliche Beeinträchtigung, Kollaboration, Misshandlung, politische Gesinnung, Sicherheitslage, Volksgruppenzugehörigkeit, Widerstandskämpfer
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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