TE Vwgh Beschluss 2001/3/29 2000/20/0214

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Veröffentlicht am 29.03.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der GK in Graz, geboren am 1. Jänner 1968, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den unabhängigen Bundesasylsenat wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 21. September 1999 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die ihren Asylantrag abweisende Entscheidung des Bundesasylamtes vom 12. Februar 1999 als verspätet zurückgewiesen. Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden der Beschwerdeführerin die für die Annahme der Verspätung maßgeblichen Umstände vorgehalten, insbesondere die Tatsache, dass die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides mangels unverzüglicher Mitteilung einer neuen Abgabestelle durch Hinterlegung ohne Zustellversuch erfolgt sei. Der Beschwerdeführerin wurde dazu eine Äußerungsmöglichkeit binnen 14 Tagen eingeräumt. In ihrer fristgerechten "Stellungnahme bzgl. Verspäteter Einbringung der Berufung" vom 27. August 1999 stellte die Beschwerdeführerin ihre jeweiligen Aufenthaltsorte seit Einbringung des Asylantrages dar. Die oftmaligen Wohnsitzwechsel seien durch die Behörden veranlasst worden, sodass die Beschwerdeführerin davon ausgegangen sei, ihre Adresse sei dem Bundesasylamt bekannt. Da sie nicht Englisch spreche, sondern nur "Twi", hätten ihr auch keine weiteren Informationen gegeben werden können. Sie denke, dass der Fehler nicht bei ihr liege, sondern "dass Traiskirchen meine Aufnahme in die diversen Bundesbetreuungsquartiere nicht weitergeleitet hat".

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1999 wurde die Beschwerde gegen den eingangs erwähnten Bescheid der belangten Behörde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin zeige mit dem Hinweis, die Stellungnahme vom 27. August 1999 sei als Wiedereinsetzungsantrag nach § 71 AVG zu qualifizieren, deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde selbst bei Vorliegen eines Wiedereinsetzungsantrages nicht gehindert gewesen wäre, die Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde vom 18. Mai 2000, verbessert mit Schriftsatz vom 24. Juli 2000, macht die Beschwerdeführerin geltend, der unabhängigen Bundesasylsenat sei seiner Verpflichtung gemäß § 73 Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Monaten über die als Wiedereinsetzungsantrag anzusehende Stellungnahme vom 27. August 1999 zu entscheiden, nicht nachgekommen. Es werde daher der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge über diesen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG in der Sache selbst stattgebend erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass für die Beurteilung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben kann, ob die erwähnte Stellungnahme tatsächlich (auch) als Wiedereinsetzungsantrag zu qualifizieren ist und/oder ob es insoweit einer Klarstellung bedurft hätte bzw. bedarf (zur Auslegung und zur notwendigen Verbesserung mehrdeutiger Anbringen siehe etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 13 AVG abgedruckten hg. Entscheidungen Nr. 37 ff und 54 f). Selbst wenn man nämlich zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, die Ausführungen in der Stellungnahme vom 27. August 1999 seien als Wiedereinsetzungsantrag zu behandeln und darüber sei zu entscheiden, erweist sich die vorliegende Säumnisbeschwerde als unzulässig. Zur Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist gemäß §§ 71 Abs. 4 in Verbindung mit 63 Abs. 5 AVG, die nach § 23 AsylG 1997 mangels besonderer Bestimmungen in diesem Gesetz im Asylverfahren anzuwenden sind, die erstinstanzliche Behörde zuständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0454). Die Zuständigkeit und damit die Pflicht zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag liegt daher bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, also beim Bundesasylamt, und ist mangels bisher gestellten Devolutionsantrages nicht auf den unabhängigen Bundesasylsenat übergegangen. Voraussetzung für die Geltendmachung einer Säumnis dieser Behörde mit Beschwerde nach Art. 132 B-VG wäre aber, dass der unabhängige Bundesasylsenat, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht von einer Partei angerufen wurde und nicht binnen sechs Monaten entschieden hat. Das ist nicht der Fall, sodass sich die Säumnisbeschwerde mangels Verletzung einer Entscheidungspflicht als unzulässig erweist.

Nun hat zwar der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, ausgesprochen, dass ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann berechtigt ist, wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung bestehen kann. Jede Partei des Verwaltungsverfahrens hat nämlich Anspruch auf Erlassung eines Bescheides auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages vorliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 2000/07/0026). Im Sinne dieser Ausführungen käme im vorliegenden Fall die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde wegen deren Unzuständigkeit in Betracht. Doch ist der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung im Ergebnis zu folgen, dass der in Rede stehenden Stellungnahme - auf den erst aus der Säumnisbeschwerde erkennbaren Standpunkt, die belangte Behörde habe über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, kommt es dabei nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0293) -

mangels diesbezüglicher konkreter Anhaltspunkte nicht unterstellt werden kann, sie richte sich, wenn sie schon einen Wiedereinsetzungsantrag darstellen soll, an eine unzuständige Behörde. Der belangten Behörde ist daher auch insoweit keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorzuwerfen. Die Weiterleitung an die zuständige Behörde gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat der unabhängige Bundesasylsenat aber mittlerweile (mit Verfügung vom 26. Juli 2000) - offenbar in Reaktion auf den Beschwerdeinhalt- ohnehin vorgenommen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die vorliegende Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.418/1994.

Wien, am 29. März 2001

Schlagworte

Allgemein Anrufung der obersten Behörde Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Besondere Rechtsgebiete Diverses Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200214.X00

Im RIS seit

06.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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