TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/30 97/02/0140

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Veröffentlicht am 30.03.2001
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Index

L00159 Unabhängiger Verwaltungssenat Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §62;
KFG 1967 §64 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
UVSG Wr 1990 §9 Abs5 idF 1996/004;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §51e Abs5 idF 1995/620 impl;
VStG §51e Abs7 idF 1998/I/158 impl;
VStG §51e Abs7 idF 1998/I/158;
VStG §51h Abs4 idF 1995/620;
VStG §51i Abs4 idF 1995/620;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/02/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Rechtsanwalt in Wien 22, St. Wendelinplatz 6, gegen die beiden Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. Jänner 1997, 1. Zl. UVS- 03/P/47/04460/96, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, und 2. Zl. UVS-03/V/47/00318/96, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der zu 1. zitierte angefochtene Bescheid (Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960) wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Hingegen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen den zu 2. zitierten angefochtenen Bescheid richtet (Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967), als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 5. März 1994 um 9.30 Uhr an einem näher umschriebenen Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und

1. die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erheblich überschritten sowie 2. das Kraftfahrzeug gelenkt, ohne im Besitze einer gültigen Lenkerberechtigung der Gruppe "B" zu sein. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1. nach § 52 lit. a Z. 10a StVO und zu 2. nach § 64 Abs. 1 KFG begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen und zwar zu 1. S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) und zu 2. S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Wochen) verhängt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit zwei Bescheiden der belangten Behörde vom 24. Jänner 1997, und zwar - wie sich aus den schriftlichen Ausfertigungen ergibt - hinsichtlich der Übertretung der StVO durch ein Einzelmitglied des unabhängigen Verwaltungssenates und hinsichtlich der Übertretung des KFG durch eine Kammer, keine Folge gegeben.

Gegen diese beiden Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Zum angefochtenen Bescheid betreffend Übertretung der StVO:

Der Beschwerdeführer rügt u.a., anlässlich der am 24. Jänner 1997 gemeinsamen Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde (vgl. § 51e Abs. 5 VStG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998) - durch die für die Erledigung der Berufung wegen Übertretung des KFG zuständige Kammer und das für die Erledigung der Berufung wegen Übertretung der StVO zuständige Einzelmitglied - seien beide Berufungsbescheide von derselben Person, nämlich vom Vorsitzenden der Kammer, der gleichzeitig auch Verhandlungsleiter gewesen sei, verkündet worden. Die Verkündung des Berufungsbescheides in Hinsicht auf die Übertretung der StVO sei daher durch ein unzuständiges Organ erfolgt. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht:

§ 51e Abs. 5 VStG (nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 158/1998 neue Absatzbezeichnung 7) lautet:

"Die gemeinsame Durchführung der Verhandlung in verschiedenen Verfahren ist zulässig, wenn dies auf Grund des sachlichen Zusammenhangs der den Verfahren zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen zweckmäßig ist. Die Entscheidung über die gemeinsame Durchführung ist von den zuständigen Organen des unabhängigen Verwaltungssenats einvernehmlich zu treffen. Die die Verhandlung betreffenden Anordnungen und Entscheidungen sind im Falle der gemeinsamen Durchführung einer Verhandlung in Verfahren, die einerseits in die Zuständigkeit einer Kammer fallen, andererseits in die Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds, von der Kammer zu treffen, in Verfahren, die in die Zuständigkeit verschiedener Kammern oder verschiedener einzelner Mitglieder fallen, von dem in der Geschäftsordnung des unabhängigen Verwaltungssenats für diesen Fall bestimmten Organ. Die Leitung der Verhandlung obliegt dem nach landesrechtlichen Vorschriften zuständigen Organ."

Die belangte Behörde verweist in der Gegenschrift zunächst im Zusammenhang mit dem soeben zitierten letzten Satz des § 51e Abs. 5 VStG auf § 9 Abs. 5 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (LGBl. Nr. 53/1990 idF der Novelle 4/1996), wonach bei gemeinsamer Durchführung der Verhandlung in Verwaltungsstrafverfahren, die einerseits in die Zuständigkeit einer Kammer, andererseits in die Zuständigkeit eines Einzelmitgliedes fallen, die Leitung der Verhandlung dem Kammervorsitzenden obliegt. Aus dem vorliegenden Protokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 24. Jänner 1997 sei - so die belangte Behörde - klar ersichtlich, dass die über die genannten Verfahren absprechenden Berufungsbescheide getrennt verkündet worden seien; hinsichtlich des "Einzelverfahrens" vom Kammervorsitzenden in seiner Funktion als "Verhandlungsleiter" der zusammengezogenen Verhandlung, hinsichtlich des Kammerverfahrens in seiner Funktion als Vorsitzender der Kammer. Auch aus dem diesbezüglichen Beratungsprotokoll sei klar ersichtlich, dass seitens der Kammer ausschließlich über das "Kammerdelikt" beraten und abgesprochen worden sei, wodurch konkludent feststehe, dass über das "Einzeldelikt" das zuständige Einzelmitglied entschieden habe.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag allerdings die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Kammervorsitzende sei in seiner Eigenschaft als "Verhandlungsleiter" auch für die mündliche Verkündung jenes Berufungsbescheides, der durch das Einzelmitglied zu erlassen war, zuständig gewesen, nicht zu teilen. Zutreffend weisen Walter-Thienel (in: Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1995, Seite 120) im Zusammenhang mit dem durch die VStG-Novelle BGBl. Nr. 620/1995 neu geschaffenen § 51e Abs. 5 VStG darauf hin, die gemeinsame Durchführung der Verhandlung erstrecke sich insbesondere nicht auf die Entscheidungskompetenz; es finde also keine vollständige Verfahrenskonzentration bei einem Entscheidungsorgan statt. Dies entspreche auch der Systematik des VStG und AVG bezüglich des "UVS-Verfahrens": In diesem sei die Verhandlung nach dem Abschluss der Beweisaufnahme zu schließen; Beratung, Abstimmung und allfällige Bescheidverkündung seien nicht mehr Bestandteil der Verhandlung.

Daraus folgt, dass der Kammervorsitzende aus seiner Kompetenz für die Verhandlungsleitung nicht die Zuständigkeit ableiten konnte, auch die mündliche Verkündung jenes Bescheides vorzunehmen, für dessen Erlassung das Einzelmitglied zuständig war. Diese mündliche Verkündung erweist sich sohin als rechtswidrig.

Entgegen der weiteren Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift wurde der Beschwerdeführer dadurch sehr wohl in einem Recht verletzt, knüpfen sich doch an eine derartige mündliche Verkündung - wodurch der Bescheid rechtlich existent geworden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/02/0298) - eine Reihe von Rechtswirkungen (vgl. etwa in Hinsicht auf die Verjährungsfristen die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 922, zitierte hg. Vorjudikatur) und wäre dies auch mit dem Grundsatz der festen Geschäftsverteilung (vgl. näher Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, Seite 65) nicht vereinbar. Diese Rechtswidrigkeit der mündlichen Verkündung des Berufungsbescheides (betreffend die Übertretung der StVO) belastet dessen - insoweit eine Einheit bildende - schriftliche Ausfertigung trotz des Umstandes, dass diese vom betreffenden Einzelmitglied unterfertigt wurde, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass in das weitere, diesen Bescheid betreffende Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Zum angefochtenen Bescheid betreffend Übertretung des KFG:

Der Beschwerdeführer rügt allein die Strafbemessung. Diese ist jedoch nicht als rechtswidrig zu erkennen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung dieses Bescheides darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer drei einschlägige Vorstrafen vorweist, wobei hier Geldstrafen in der Höhe von S 3.000,--, S 10.000,-- und S 15.000,-- verhängt wurden. Weiters habe der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt; Milderungsgründe seien keine hervorgekommen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers musste die belangte Behörde die von ihm ins Treffen geführten Milderungsgründe nicht als solche anerkennen: Ob der Beschwerdeführer die in Rede stehende Fahrt über Ersuchen des Zulassungsbesitzers unternommen hat, ist ebenso wenig ein Milderungsgrund wie, dass es sich angeblich um eine "kurze" Fahrt gehandelt haben soll und keine anderen Verkehrsteilnehmer (konkret) gefährdet worden seien. Auch musste die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer behauptete "Wohlverhalten seit Begehung der Übertretung" nicht als mildernd werten, weil dem nicht die vom Beschwerdeführer zugedachte Bedeutung zukommt (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall das hg. Erkenntnis vom 26.  Mai 1993, Zl. 92/03/0008).

Selbst unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einkommens- und Vermögenslosigkeit vermag der Verwaltungsgerichtshof die Überschreitung des der belangten Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes keineswegs zu erkennen (vgl. den im Beschwerdefall in Betracht kommenden Strafrahmen des § 134 Abs. 1 KFG); insbesondere hat die belangte Behörde zu Recht spezialpräventive Überlegungen hervorgehoben. Der Beschwerdeführer übersieht mit seinem Vorbringen, dass die vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretung streng zu ahnden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 1989, Zl. 85/18/0298).

Die Beschwerde erweist sich sohin in Ansehung dieses Bescheides als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1, VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Hinsichtlich der Halbierung der Ansätze wird auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zlen. 92/02/0081, 0082, verwiesen

Wien, am 30. März 2001

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenBesondere RechtsgebieteErschwerende und mildernde Umstände AllgemeinErschwerende und mildernde Umstände Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997020140.X00

Im RIS seit

20.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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