TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/30 2000/02/0195

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Veröffentlicht am 30.03.2001
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
StGB §34 Abs1 Z3;
StVO 1960 §42 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs2a;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Nibelungengasse 1/3/46, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. Juni 2000, Zl. VwSen-106868/9/Sch/Rd, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 25. Juli 1999 um ca. 12.30 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Sattelkraftfahrzeug auf der Pyhrnautobahn A9 und auf der Pyhrnpaß Bundesstraße B 138 bei Strkm 30,200 im Gemeindegebiet von Schlierbach in Richtung Kirchdorf/Krems gelenkt, wobei er als Lenker dieses Sattelkraftfahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t an diesem Sonntag innerhalb von 0.00 bis 22.00 Uhr Straßen mit öffentlichem Verkehr verbotenermaßen befahren habe, wobei keine gesetzliche Ausnahme "im Sinne des § 42 StVO udgl." vorgelegen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 2a StVO 1960 begangen; es wurde eine Geldstrafe von S 3.000,--

(Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft wie auch im Verwaltungsstrafverfahren die objektive Tatseite nicht. Er steht jedoch auf dem Standpunkt, dass eine im Auftrag des Dienstgebers durchgeführte "Demonstrationsfahrt zur Mobilisierung der Öffentlichkeit und der verantwortlichen Politiker ..., um durch vernünftige, verständliche und überwachbare Verkehrsvorschriften zu mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen (insb. im Hinblick auf den Schwerverkehr) beizutragen", eine andere verschuldensrechtliche Beurteilung als von der belangten Behörde vorgenommen, gebiete. Er habe die "nach dem äußeren Tatbild strafbare Verwaltungsübertretung nicht aus eigenem Antrieb, sondern in Erfüllung eines dienstlichen Auftrages vorgenommen". Sein Vorsatz sei jedenfalls nicht darauf gerichtet gewesen, eine Verwaltungsübertretung iS des Buchstabens der StVO zu begehen, sondern eindeutig darauf, "durch eine 'Demonstration', nämlich das Fahren mit einem mit einer Gefahrguttafel gekennzeichneten leeren LKW, einen Missstand der Verkehrsgesetzgebung aufzuzeigen", weil die Exekutive mit der Überwachung der "unübersichtlichen und kaum vollziehbaren Beschränkungen für den Schwerverkehr" überfordert sei. Es habe sich um eine "öffentlichkeitswirksame" Aktion des ÖAMTC in Zusammenarbeit mit dem ORF gehandelt.

Insoweit der Beschwerdeführer zunächst als Verfahrensmangel rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, die "beiden im ÖAMTC für diese öffentlichkeitswirksame Aktion Verantwortlichen" trotz Antrages zur Beweisführung über den Zweck der Aktion und dem davon ableitbaren "Verschuldensmaßstab" einzuvernehmen, so verkennt er, dass dieser Zweck der Aktion von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurde. Werden Beweistatsachen aber als wahr unterstellt, so ist ein darüber durchzuführendes Ermittlungsverfahren entbehrlich (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 302, E 28a, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Sollte das Vorbringen des Beschwerdeführer derart zu verstehen sein, dass er das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes oder von Notstand behauptet (konkret wird bei der Rüge der Strafbemessung das Vorliegen einer einem "rechtfertigenden Notstand nahekommenden Situation" ausgeführt), ist ihm zu entgegnen, dass verkehrspolitische Zielsetzungen keinen von der Rechtsordnung anerkannten Rechtfertigungsgrund bilden. Die Strafbarkeit gesetzwidrigen Verhaltens wird daher nicht schon durch die Berufung darauf ausgeschlossen, das Verhalten sei "verkehrspolitisch" motiviert. Auch eine Notstandssituation ist aus den unten zu § 34 Abs. 1 Z. 11 StGB folgenden Erwägungen nicht zu erkennen.

Der Beschwerdeführer tritt der Strafbemessung anscheinend mit der Annahme entgegen, es sei ihm entgegen der Ansicht der belangten Behörde, welche von vorsätzlicher Tatbegehung ausgeht, nur fahrlässige Tatbegehung vorzuwerfen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers lassen jedoch nicht erkennen, warum die Wertung der belangten Behörde unrichtig sein sollte. Denn die belangte Behörde begründete, der Beschwerdeführer habe "massiv vorsätzliches Verhalten" deshalb zu verantworten, weil es bei dieser Fahrt "ja geradezu darum" gegangen sei, "eine Verwaltungsübertretung zu begehen und auf die Betretung auf frischer Tat hinzuwirken".

Im gegenständlichen Verfahren ist kein Hinweis dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer mit dem "dienstlichen Auftrag" zur Begehung von Verwaltungsübertretungen (siehe auch die zu § 34 Abs. 1 Z.4 StGB folgenden Ausführungen) nicht einverstanden gewesen sei. Es erübrigt sich demnach eine Prüfung, ob er diesen dienstlichen Auftrag etwa hätte erfolgreich verweigern können bzw. ob ihm eine Weigerung zumutbar gewesen wäre.

Ein weiteres Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft § 21 VStG. Wie die belangte Behörde richtig ausführt, wurde § 100 Abs. 5 StVO, wonach bei Verwaltungsübertretungen ua gemäß § 99 Abs. 2a StVO § 21 VStG keine Anwendung findet, vom Verfassungsgerichtshof erst mit Wirkung des Ablaufes des 31. Dezember 2000 aufgehoben und ist daher, weil es sich beim gegenständlichen Fall um keinen Anlassfall handelt, hier anzuwenden (vgl. Art. 140 Abs. 7 B-VG).

Des Weiteren fordert der Beschwerdeführer im Hinblick auf (den hier grundsätzlich in Betracht kommenden) § 20 VStG die Anwendung der in § 34 Abs. 1 Z. 3, Z. 4, Z. 11 und Z. 13 Strafgesetzbuch enthaltenen Milderungsgründe.

Zu § 34 Abs. 1 Z. 3 StGB (achtenswerte Beweggründe) ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, dass nur solche Beweggründe als achtenswert anzuerkennen sind, die auch einem rechtstreuen Menschen die Begehung einer strafbaren Handlung nahelegen (vgl. Leukauf-Steininger, Komm3, § 34 RN 8). Es ist aber keineswegs naheliegend, zur Verhinderung "viel künftigen Leides" die (mangelnde) Effizienz von Normen bzw. deren Kontrolle gerade durch deren Übertretung darzulegen.

Der Anwendung des Milderungsgrundes gemäß § 34 Abs. 1 Z. 4 StGB (Tatbegehung unter Einwirkung eines Dritten oder aus Furcht oder Gehorsam) steht entgegen, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst ausführt, er sei bereit gewesen, durch seine "Mithilfe bei der 'Demonstrationsfahrt' viel künftiges Leid durch Unfälle bei Gefahrguttransportern zu verhindern", es sei "wohl selbstverständlich" gewesen, dass er sich mit diesen Zielen "voll identifizieren" habe können. Damit beruhte letztlich aber die Begehung der Verwaltungsübertretungen wesentlich auf einer eigenen Willensentscheidung des Beschwerdeführers. Dafür, dass er aus "Furcht oder Gehorsam" vor seinem Dienstgeber gehandelt habe, bietet sich kein Anhaltspunkt.

Der Beschwerdeführer erblickt den Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z. 11 StBG (Begehung der Tat unter Umständen, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen) darin, dass ein "deutlich höherwertiges Rechtsgut (der Verkehrssicherheit dienende vollziehbare LKW-Bestimmungen) auf Kosten eines weniger wertvollen (eine einzige Fahrt trotz LKW-Fahrverbotes an einem Sonntag) 'gerettet' (hier im Sinne von positiv beeinflusst) werden soll", weshalb sein Verhalten einem rechtfertigenden Notstand "ziemlich nahe" komme. Der Beschwerdeführer übersieht, dass unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden kann, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Seite 124, E 7 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die abstrakte Gefährdung durch nicht "der Verkehrssicherheit dienende vollziehbare LKW-Bestimmungen" kommt einer Gefahr gemäß dieser Definition in keiner Weise nahe.

Die geforderte Anwendung des Milderungsgrundes gemäß § 34 Abs. 1 Z. 13 StGB (Nichteintritt eines Schaden bzw. bloßer Versuch) scheitert gemäß der ständigen Rechtsprechung daran, dass bei Ungehorsamsdelikten (wie im gegenständlichen Fall vorliegend) der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs. 2 VStG) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommt (vlg. zB das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0184 mwN).

Es kann daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde von einer Anwendung des § 20 VStG Abstand genommen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. März 2001

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020195.X00

Im RIS seit

20.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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