TE AsylGH Beschluss 2008/08/29 C5 313663-1/2008

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Veröffentlicht am 29.08.2008
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Spruch

313.663-1-X/47/2007/8Z

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Vorsitzenden und die Richterin Mag. PUTZER als Beisitzerin über die Beschwerde des Herrn S.N., geb. 00.00.1975, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.7.2007, 07 04.462-EAST Ost, beschlossen:

 

Der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.6.2008, Zahl:

313.663-1/2E-X/47/07, wird gemäß § 68 Abs. 2 AVG iVm § 23 AsylGHG aufgehoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 14.5.2007 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet), nachdem er zuvor am 2.5.2007 schriftlich um Asyl angesucht hatte.

 

Am 4.7.2007 - zwei Tage vor seiner letzten Einvernahme - langte beim Bundesasylamt eine Vollmacht ein, die auf einen Verein und gleichzeitig auf einen Rechtsanwalt, den Obmann des Vereins, lautete.

 

Mit Bescheid vom 12.7.2007, 07 04.462-EASt Ost, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge: AsylG), ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG erkannte es ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II); gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wies es ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III).

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13.7.2007 per Telefax zu Handen des Vereins, dem er Vollmacht erteilt hatte, sowie in der Folge am 18.7.2007 ihm selbst durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 27.7.2007 Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat.

 

1.2. Mit Bescheid vom 17.6.2008, 313.663-1/2E-X/47/07, wies der unabhängige Bundesasylsenat diese Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte er ua. aus:

 

"In der Adresse des Bescheides findet sich zwar der Vermerk ¿Vertreten durch:' mit dem Namen des Vereins, dem der Berufungswerber Vollmacht erteilt hatte; die Sendung, deren Inhalt der Bescheid war, wurde jedoch an den Berufungswerber selbst adressiert und am 18.7.2007 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt. [...]

 

Das Bundesasylamt hat keine förmliche Zustellverfügung (iSd § 5 ZustG) getroffen, sondern im Bescheidkonzept den Berufungswerber und den erwähnten Verein, auf dem Umschlag der Sendung, die den Bescheid enthielt, dagegen den Berufungswerber als Zustellempfänger genannt. Aus der Darstellung [...] ergibt sich aber, dass der Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigten zuzustellen gewesen wäre. [...]

 

Der Asylbescheid ist daher nicht rechtswirksam erlassen worden."

 

1.3. Nachdem dieser Bescheid zugestellt worden war, wies das Bundesasylamt in einem Telefonat mit dem Asylgerichtshof darauf hin, dass der Bescheid des Bundesasylamtes dem Beschwerdeführer durchaus zu Handen jenes Vereins zugestellt worden sei, dem er Vollmacht erteilt hatte. Der Asylgerichtshof nahm nochmals Einsicht in den Akt des Bundesasylamtes und kam zu einem Ergebnis, das in einem Aktenvermerk des seinerzeit zuständigen Mitglieds des unabhängigen Bundesasylsenates wie folgt dargestellt wird:

 

"Am 4.7.2008 langte beim Bundesasylamt eine Vollmacht vom selben Tag ein (AS 97), die auf den Verein MIVE03 und auf RA Dr. Binder (den Obmann des Vereins) lautete. Als Faxnummer ist im Stempel des Vereins die Nummer XY angegeben. Von dieser Faxnummer (vollständig XY) aus ist diese Vollmacht auch an das Bundesasylamt übermittelt worden.

 

Mit 13.7.2007 ist ein "Telefax" des Bundesasylamtes datiert (AS 105), das an den Berufungswerber, vertreten durch den Verein MIVE03, adressiert ist. Als Faxnummer (offenbar des Vereins) wird hier die Nummer XX genannt. Von mehreren zur Auswahl stehenden Kästchen ist jenes mit der Bezeichnung "Zur Kenntnisnahme" angekreuzt; auf der Seite findet sich oben der Stempel "Von Akteneinsicht auszunehmen". Weiters findet sich im Akt ein "Sendebericht" (AS 183) mit eben diesem "Telefax" (dabei ist der untere Teil des Blattes, wie üblich, weggeschnitten, sodaß die Kästchen nicht mehr sichtbar sind). Das Telefax ist offenbar an die Nummer XY gegangen, obwohl bei der Adresse - wie erwähnt - als Faxnummer des Vereins die Nummer XX angeführt ist. Auch dieses Blatt trägt den Vermerk "Von Akteneinsicht auszunehmen".

 

Sodann findet sich im Akt ein Rückschein, danach ist der Bescheid des Bundesasylamtes dem Berufungswerber an seiner Wohnanschrift zugestellt worden, und zwar nach zwei Zustellversuchen vom 16.7.2007 und vom 17.7.2007 durch Hinterlegung beim Postamt am 18.7.2007. Am 27.7.2007 langte beim Bundesasylamt die Berufung ein, in der es heißt, der angefochtene Bescheid sei am 13.7.2007 zugestellt worden.

 

Daraus ergibt sich insgesamt, daß der angefochtene Bescheid am 13.7.2007 per Telefax an den Verein zugestellt worden ist, und zwar an der Faxnummer, die der Verein selbst angegeben hatte. Irreführend war erstens, daß sich auf eben dieser Faxnachricht eine andere Faxnummer dieses Vereins befand, sodaß ich meinte, das Fax sei an jemand anderen gegangen (zB an die Fremdenpolizeibehörde), und zweitens der Vermerk "Von Akteneinsicht auszunehmen", der bei einer Nachricht an den Berufungswerber doch recht eigenartig wirkt. Aus diesen Gründen bin ich bei der Abfassung des Bescheides vom 17.6.2008 in den Irrtum verfallen anzunehmen, daß der Bescheid nur an den Berufungswerber selbst zugestellt worden sei. Daß er an den Verein zugestellt worden sein dürfte, geht auch aus der Zustellangabe in der Berufung hervor."

 

1.4. Dementsprechend teilte der Asylgerichtshof mit Schreiben vom 31.7.2008 den Parteien des seinerzeitigen Berufungsverfahrens mit, eine Durchsicht des Aktes habe nunmehr ergeben, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.7.2007 am 13.7.2007 dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden sein dürfte. Die Parteien wurden eingeladen, sich binnen 14 Tagen dazu und zu der Möglichkeit zu äußern, den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufzuheben.

 

Das Bundesasylamt trat in einem Schreiben vom 7.8.2008 der Ansicht bei, dass sein Bescheid am 13.7.2007 per Telefax dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden sei. Auch der Beschwerdeführer äußerte sich am 14.8.2008 in diese Richtung und führte aus, es bestehe kein Einwand dagegen, den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates aus dem Rechtsbestand zu eliminieren.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1.1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG zu führen.

 

2.1.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. (Deshalb wird hier der Einfachheit halber vom "Beschwerdeführer" gesprochen.) Gemäß § 68 Abs. 2 AVG kann ein Bescheid, aus dem niemandem ein Recht erwachsen ist, vom unabhängigen Verwaltungssenat, der ihn erlassen hat, von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden. Die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung kann nichts anderes bedeuten, als dass der Asylgerichtshof eine Entscheidung (Erkenntnis oder Beschluss), die er erlassen hat und aus der niemandem ein Recht erwachsen ist, von Amts wegen aufheben oder abändern kann.

 

2.1.2. Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes zur Erlassung einer Entscheidung nach § 68 Abs. 2 AVG stützt sich auf § 61 AsylG. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG ist der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden, dieses Gericht hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen. Das vorliegende Verfahren war am 1.7.2008 nicht anhängig, da es durch den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.6.2008 abgeschlossen worden war. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass er dennoch - in analoger Anwendung dieser Bestimmung - zuständig ist, den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 68 Abs. 2 AVG iVm § 23 AsylGHG so aufzuheben oder abzuändern, wie ihm dies nach dieser Bestimmung gegenüber einer Entscheidung des Asylgerichtshofes selbst zukommt. Wäre dies anders, so bliebe eine Lücke, weil es dann unmöglich wäre, Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates nach § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben oder abzuändern, wenn die Notwendigkeit dazu erst nach dem 30.6.2008 auftritt, während dies vorher ebenso möglich war wie es seither - gegenüber Entscheidungen des Asylgerichtshofes - möglich ist. Dies kann dem Gesetzgeber nicht als gewollt unterstellt werden.

 

2.2. Aus dem oben wiedergegebenen Aktenvermerk (vgl. Pt. 1.3) ergibt sich, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.7.2007 dem Beschwerdeführer wirksam zugestellt worden ist. Der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.6.2008 ist daher insoweit mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Aus diesem Bescheid sind dem Beschwerdeführer keine Rechte erwachsen, da damit seine Berufung zurückgewiesen worden ist (VwGH 2.3.1995, 94/19/0433 - keine Rechtsverletzung durch einen Bescheid, mit dem die Berufungsbehörde gemäß § 68 Abs. 2 AVG ihren eigenen Bescheid aufhebt, mit dem sie eine Berufung mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung zurückgewiesen hatte). Dem Bundesasylamt - der zweiten Partei des Berufungsverfahrens - konnten aus diesem Bescheid keine Rechte (iSd § 68 Abs. 2 AVG) erwachsen, da ihm als Formalpartei nur prozessuale Rechte zukommen (VwGH 22.3.1993, 93/10/0033). Daher sind aus diesem Bescheid niemandem Rechte erwachsen.

 

Bliebe dieser Bescheid im Rechtsbestand, so müsste das Bundesasylamt auf der Grundlage der Bescheidannahmen das Verfahren fortführen und letztlich einen Bescheid zustellen oder das Verfahren sonst in irgendeiner Weise in der Verwaltungsinstanz beenden, obwohl der ursprüngliche Bescheid wirksam erlassen worden ist. Um dies zu vermeiden und da aus dem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates niemandem Rechte erwachsen sind, ist es zweckmäßig, diesen Bescheid aus dem Rechtsbestand zu entfernen. Dafür bietet § 68 Abs. 2 AVG iVm § 23 AsylGHG die Handhabe.

 

2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Über die - nunmehr als Beschwerde zu behandelnde - Berufung vom 27.7.2007, die mit der Erlassung dieser Entscheidung wieder anhängig wird, wird (vom zuständigen Senat des Asylgerichtshofes) gesondert entschieden werden.

Schlagworte
Bescheidqualität, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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