TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/03 D13 318801-1/2008

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Veröffentlicht am 03.09.2008
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Spruch

D13 318801-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der G.T., geb. 00.00.1985, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.03.2008, FZ. 07 12.207-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und G.T. gemäß § 3 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass G.T. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Georgien, reiste am 26.12.2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.12.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Daraufhin wurde sie zunächst am 28.12.2007 von der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt und am 09.01.2008 sowie am 04.03.2008 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die georgische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich befragt.

 

Ihr damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 25.03.2008, FZ. 07 12.207-BAW, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

Am 20.03.2008 legte die Beschwerdeführerin ein Diplom der Shota Rustaveli Theatre and Film University, einen Zulassungsbrief der Wirtschaftsuniversität Wien sowie drei Laborbefunde vom 07.03.2008 und einen Röntgenbefund vom 13.03.2008 vor.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 25.03.2008, FZ. 07 12.207-BAW, den Antrag auf internationalen Schutz der Asylwerberin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Asylwerberin den Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde der Asylwerberin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III wurde die Asylwerberin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen.

 

In der Begründung führte das Bundesasylamt aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei in sich, aber auch zur allgemeinen Lage in Georgien widersprüchlich sowie auch grundsätzlich nicht plausibel nachvollziehbar. Zentrales Vorbringen der Beschwerdeführerin sei, dass sie aufgrund der politischen Tätigkeit ihres Vaters, seit dessen Ausreise im Jahr 2004 ständig Drohanrufe von der "Regierung" bekommen habe; abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin zu den Anrufern keine näheren Angaben habe machen können und nur von der "Regierung" gesprochen habe, sei wohl grundsätzlich keineswegs nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin, die angegeben habe, immerhin mehr als drei Jahre ständig bedroht worden zu sein, erst im Jahr 2007 ebenfalls aus Georgien ausgereist sei und als Begründung lediglich angegeben habe, vorher kein Visum bekommen zu haben. Bei tatsächlichem Vorliegen der genannten Bedrohungssituation wäre eine Ausreise der Beschwerdeführerin schon früher - und nicht erst nach Beendigung des Studiums - zu erwarten gewesen. Wäre an der Beschwerdeführerin tatsächlich ein so großes Interesse - und zwar wie von ihr behauptet von Regierungsseite - gegeben sein, so wäre auch zu erwarten gewesen, dass man sich nicht bloß jahrelanger Drohanrufe bedient hätte und man der Beschwerdeführerin auch nicht im Juni 2007 offenbar problemlos einen Personalausweis ausgestellt hätte. Die Beschwerdeführerin habe auch angegeben, selbst nicht politisch tätig zu sein oder gewesen zu sein und habe auch keine Angaben über die politischen Tätigkeiten ihres Vaters machen können. Es sei somit keinesfalls klar, warum gerade an ihr ein derart gesteigertes Interesse bestehen sollte. Der Vater der Beschwerdeführerin habe in seinem Verfahren auch angegeben, dass er die angeblich von der Regierung gesuchten Unterlagen an die Arbeiterpartei weitergegeben hätte und sich diese nun im Archiv der Partei befänden. Widersprüche hätten sich auch im Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihre Arbeitssuche und der Schilderung ihrer Fluchtgründe ergeben. Es sei auch nicht plausibel, dass die Schwester der Beschwerdeführerin weiterhin unbehelligt in Georgien leben könne, wenn angeblich ein derartiges Interesse an ihrem Vater bestehe. Letztlich sei auch auf die angeführte Länderfeststellung zu verweisen, wonach weder Mitglieder der Aghordzineba noch der Arbeiterpartei mit politisch motivierten Verfolgungshandlungen zu rechnen hätten.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Beschwerde erhoben und ihre bereits getätigten Angaben wiederholt. Sie führte dazu aus, die Begründung des Bundesasylamtes sei nicht schlüssig. Sie sei erst aus Georgien geflüchtet, als ein weiteres Verbleiben für sie unerträglich geworden sei. Dies sei - wie sich aus ihrem Vorbringen in allen niederschriftlichen Befragungen ergebe - der Fall gewesen, als sie an der Demonstration im November 2007 gegen Saakaschwili teilgenommen habe, die mit Tränengas auseinander getrieben worden sei, wonach sie ins Spital gebracht worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass sie schon zuvor versucht habe, auf legalem Weg auszureisen, was daran gescheitert sei, dass sie kein Visum bekommen habe. Als das beschriebene Maß an Unerträglichkeit erreicht gewesen sei, sei sie illegal geflüchtet. Sie habe wahrheitsgemäß angegeben, dass sie (abgesehen von der erwähnten Demonstration) nicht politisch tätig gewesen sei und auch über kein politisches Wissen verfüge - ihre Vater habe sie über seine eigenen politische Tätigkeit stets im Unklaren gelassen.

 

Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, ihre Angaben zu ihrer Bewerbung bei der Zeitung Georgian Times seien keineswegs widersprüchlich sondern habe sie angegeben, dass sie nie für diese Zeitung gearbeitet habe, sondern sich lediglich um eine Stelle als Journalistin beworben habe. Die Behörde werfe ihr auch vor, sie habe in ihrer Einvernahme am 04.03.2008 nichts davon erwähnt, dass sie bei der Auflösung der Demonstration durch Tränengas verletzt worden sei und habe erst auf Vorhalt habe sie erneut den erwähnten Vorfall behauptet. Die Beschwerdeführerin führte hierzu aus, sie habe ihre Ausführungen zu dem Beginn ihrer Probleme im Jahr 2004 begonnen und danach viele, teils unzusammenhängende Fragen der Behörde der Reihe nach beantwortet und wäre, wenn man sie in freier Rede hätte erzählen lassen, auch zu den aktuellen Fluchtgründen gekommen. Bevor ihr das möglich gewesen sei, sei der erwähnte "Vorhalt" gekommen, zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Befragung noch in vollem Gang gewesen. Es sei auch nicht unlogisch, dass die Beschwerdeführerin als Tochter nichts über die politische Tätigkeit ihres Vaters angeben könne. Die Geheimpolizei wisse dies sehr wohl und sei daher in der Lage, Druck auf potentielle Arbeitgeber auszuüben. Dass die belangte Behörde ihr vorwerfe, dass ihre Schwester "noch" in Ruhe gelassen worden sei, empfinde sie als geschmacklos, nicht zuletzt angesichts ihres niederschriftlichen Vorbringens, dass der Mann ihrer Schwester vor kurzem unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sei.

 

Am 19.08.2008 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie ihr rechtsfreundlicher Vertreter teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll 4Z), sowie der Vater der Beschwerdeführerin, G.G., geb. 00.00.1954, als Zeuge befragt wurde. Das Bundesasylamt verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Georgien und wurde am 00.00.1985 in I. geboren. Sie besuchte von 1992 bis 2003 in Tiflis die Grundschule und von 2004 bis 2007 die Universität und besitzt ein Diplom als PR Managerin der Shota Rustaveli Theatre and Film University.

 

Die Eltern und der Bruder der Beschwerdeführerin leben seit 2004 in Österreich und besitzen den Status von Asylberechtigten. Eine Schwester der Beschwerdeführerin lebt noch in Tiflis bei der Familie ihres verstorbenen Ehemannes.

 

Der Vater der Beschwerdeführerin ist bereits seit dem Jahr 1998 politisch aktiv und wurde im Jahr 2004 von uniformierten Polizisten massiv unter Druck gesetzt, Dokumente seiner Partei herauszugeben. Nachdem er mehrmals geschlagen wurde, flüchtete er nach Österreich und hat den Status eines anerkannten Flüchtlings.

 

Seine in Georgien zurückgelassene Tochter wurde trotz der Abreise ihres Vaters ebenfalls (unter anderem durch Telefonanrufe) massiv mit dem Leben bedroht und konnte daher Ihre Wohnung aus Angst kaum mehr verlassen. Ein mehrmaliger Wechsel der Telefonnummer brachte keine Abhilfe. Ihr Universitätsstudium konnte sie nur durch einen Fernlehrgang beenden. Weiters musste sie mehrmals den Wohnort wechseln, um ihren Aufenthaltsort zu verschleiern.

 

2007 nahm die Beschwerdeführerin an einer Demonstration teil und wurde durch einen Tränengas- und Wasserwerfereinsatz an den Augen verletzt. Die anonymen Drohungen vermehrten sich seither.

 

Die politische Vergangenheit ihres Vaters stellte sich auch bei der Arbeitsplatzsuche als unüberwindliches Problem dar.

 

Bedingt durch diese Lebensumstände kam es bei der Berufungswerberin zu stressbedingten gesundheitlichen Problemen.

 

Zu der Situation in Georgien wird folgendes festgestellt:

 

Georgien hat, nachdem es in den ersten Jahren seiner Unabhängigkeit beachtliche Fortschritte auf dem Weg zum demokratischen Rechtstaat erzielt hatte, mit der ¿Rosenrevolution' vom November 2003 ein neues Kapitel seiner staatlichen Entwicklung aufgeschlagen. Nach den von Wahlbetrug und administrativen Fehlern belasteten Parlamentswahlen vom 2. November 2003 und einer Protestwelle, die teilweise mehrere zehntausende Georgier auf die Straßen brachte, trat Präsident Schewardnadse bei der konstituierenden Sitzung der Parlaments am 23. November 2003 zurück. Nach der Interimsregierung unter der Parlamentsvorsitzenden und Oppositionsführerin Nino Burdschadnadse fanden am 4. Januar 2004 Präsidentschaftswahlen statt, die von den internationalen Beobachtern als weitgehend fair und demokratisch, wenn auch nicht fehlerfrei beurteilt wurden. Oppositionsführer Michail Saakaschwili wurde mit 96 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Ein Ergebnis, das vor dem Hintergrund der Revolution und der Tatsache, dass es keinen gewichtigen Gegenkandidaten gab, als im wesentlichen glaubwürdig erschien. Am 25. Januar 2004 trat Präsident Saakaschwili sein Amt an und rief für den 28. März zu erneuten Parlamentsneuwahlen auf, da bereits kurz nach den Unruhen das Oberste Gericht Georgiens den per Verhältniswahlrecht ermittelten Teil des Parlamentswahlergebnisses vom 2. November für ungültig erklärt hatte. Die Nachwahl fand ebenfalls unter verbesserten Standards, vergleichbar der Januarwahl, statt und brachte dem Regierungsblock Saakaschwilis eine Dreiviertelmehrheit im Parlament (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 5).

 

In der Zeit seit der "Rosenrevolution" sind dem Auswärtigen Amt keine staatlichen Repressionen gegen bestimmte Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung bekannt geworden. Sondereinsätze in Tiflis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung jedoch zeigten aus menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Sicht problematisches Vorgehen gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen. Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sowie die Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Verfassung verankert und unterliegen in Georgien seit den Parlamentswahlen 2003 grundsätzlich keinen Einschränkungen. Während die Versammlungsfreiheit im Allgemeinen gewährleistet ist, wurden in der Vergangenheit mehrfach private und öffentliche Zusammenkünfte religiöser Minderheiten durch religiöse Eiferer (mitunter gewaltsam und unter passiver oder aktiver Beteiligung von Sicherheitsorganen) verhindert oder aufgelöst. Auch nicht genehmigte Versammlungen werden inzwischen jedoch strikt aufgelöst, auch unter Einsatz teils unangemessener Gewalt (so z.B. Einsatz von Spezialeinheiten in der Nacht des 30. Juli 2005 in der Tifliser Innenstadt gegen friedliche Demonstranten, am 19. und 24. Mai 2005 in Kutaissi, am 14. März 2005 im Dorf Tscheladidi und am 9. August 2005 vor der Regierungskanzlei in Tiflis. Bei den Demonstrationen ging es zumeist um die Verbesserung der Stromversorgung oder um Kompensationen für beschädigte Häuser).

 

Presse- und Meinungsfreiheit sind im Allgemeinen gewährleistet, in Georgien sind eine Vielzahl von Print- und elektronischen Medien tätig. Fälle von Drohungen und Gewaltanwendungen gegen Journalisten wurden im Jahr 2005 vermehrt berichtet. Seit der "Rosenrevolution" häufen sich Erkenntnisse über Einflussnahmen auf und Selbstzensur in den

 

Medien, vor allem. den elektronischen Massenmedien. Die Einflussnahme erfolgt entweder direkt aus dem Regierungsapparat oder aus der Regierung nahe stehenden Kreisen. Auch haben 2005 mehrer Verschiebungen in der Eigentümerstruktur großer Medien stattgefunden. Die neuen Inhaber stehen sehr oft Mitgliedern der Regierung nahe oder sind mit ihnen verwandt. Dennoch gibt es in Georgien eine - zumal im regionalen Vergleich - lebendige Zivilgesellschaft (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 7f).

 

Angesichts der allgemein noch mangelnden Transparenz und Rechtsstaatlichkeit der Strafverfolgung kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten im Strafverfahren oder im Strafvollzug schlechter behandelt werden als orthodoxe ethnische Georgier (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 10).

 

Mit Ausnahme der Übergriffe auf religiöse Minderheiten sind dem Auswärtigen Amt seit Anfang 2004 keine durch den georgischen Staat tolerierten oder geförderten Repressionen Dritter bekannt geworden (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 11).

 

Georgische Exilgruppen in Deutschland sind nicht bekannt. Es sind auch keine Fälle von repressiven staatlichen Maßnahmen gegen georgische Staatsangehörige wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland bekannt (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 13).

 

Die seit Februar 1995 nicht mehr vollstreckte Todesstrafe

 

wurde durch Beschluss des georgischen Parlaments vom 11. November 1997 abgeschafft (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 14).

 

Nach georgischem Recht ist es nicht strafbar, aus einem anderen Land ausgewiesen oder abgeschoben zu werden. Auch die Stellung von Asylanträgen im Ausland wird nicht strafrechtlich verfolgt (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 18).

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist insgesamt gewährleistet. Dazu trägt die humanitäre Hilfe der internationalen Geberorganisationen bei, die auf besonders betroffene Bevölkerungsgruppen (Vertriebene aus den inner-georgischen Konfliktgebieten, Waisen, Behinderte, allein stehende Rentner, Alleinerziehende) zielt. Staatliche Unterstützungsprogramme gibt es vor allem für Vertriebene aus Abchasien und Südossetien, die sich - in Notunterkünften untergebracht - häufig in einer besonders schwierigen Lage befinden.

 

Bis ca. Mitte 2005 kam es zu Verhaftungen von Personen aus dem politischen und wirtschaftlichen Umfeld der alten Regierung, denen Korruption, Steuervergehen oder Amtsmissbrauch zur Last gelegt wurde, ohne dass es in jedem Einzelfall zu einem

 

Gerichtsverfahren gekommen wäre. Vielmehr konnten sich die Beschuldigten durch ¿Rückerstattung' veruntreuter Gelder freikaufen, wobei die Höhe der Beträge frei geschätzt bzw. ausgehandelt wurde. Diese Aktionen fanden häufig unter intensiver Medienbeteiligung, aber ohne erkennbare gesetzliche Grundlage statt. Dieses Vorgehen wurde weitgehend eingestellt, auch die extrabudgetären Fonds, in die die damit erwirtschafteten Gelder flossen, sollen aufgelöst worden sein. Dennoch war 2005 immer wieder der Eindruck entstanden, dass

 

die Regierung oder einzelne Behörden auf der Grundlage subjektiver Entscheidungen Druck ausüben. So wurden einzelne Geschäftsleute von der Finanzpolizei (einer Steuerfahndung mit

 

großer Machtfülle) heimgesucht, ihre Geschäfte tage- oder wochenlang geschlossen und überprüft. Oft soll es seitens der Geschäftsleute zu finanziellen Zugeständnissen außerhalb einer nachgewiesenen Steuerschuld gekommen sein. Hier, wie auch bei Verhaftungen wird offensichtlich selektiv verfahren.

 

Human Rights Watch zufolge hat es 2002 vier Fälle von "Verschwinden lassen" gegeben: Dabei handelt es sich um drei Männer arabischer Herkunft, die nach ihrer Festnahme durch eine Militäreinheit im April nicht wieder aufgetaucht sein sollen, sowie einen tschetschenischen Flüchtling, der im September aus der Untersuchungshaft verschwunden sei. Ein weiterer seit Februar 2003 vermisster tschetschenischer Flüchtling war bis Jahresende nicht wieder aufgetaucht. Mitte Februar 2004 "verschwanden" Aussagen von Familienangehörigen zufolge zwei Männer tschetschenischer Herkunft, die zuvor in Georgien Haftstrafen wegen illegalen Grenzübertritts sowie illegalen Waffenbesitzes verbüßt hatten. Medienberichten zufolge sind die beiden Männer wenige Tage später von russischen Grenzbehörden bei dem Versuch des illegalen Grenzübertritts festgenommen worden. Einige georgische Menschenrechtsaktivisten haben hierzu die Vermutung einer widerrechtlichen Auslieferung an Russland geäußert. Es gibt allerdings Verdachtsmomente, dass die georgischen Behörden in Einzelfällen Übergriffe und Verschleppungen durch russische Dienste gegen in Georgien lebende Tschetschenen zugelassen haben (s. III.6.). In diesem Zusammenhang sind auch unklare Todesfälle im Zusammenhang mit Verhörmaßnahmen und Polizeigewahrsam zu nennen. Hier sind im Laufe des Jahres 2004 drei Fälle bekannt geworden, die alle in der ersten Jahreshälfte lagen (2003 lt. Bericht des U.S. State Departments noch 37 Fälle, 2005 keine Todesfälle in Polizeigewahrsam).

 

Das georgische Gesundheitswesen befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Lage. Sie ist durch ständig erweiterte Behandlungsmöglichkeiten gekennzeichnet, die aber häufig nur gegen kostendeckende Bezahlung erhältlich und damit für zahlreiche Georgierinnen und Georgier kaum verfügbar sind. Eine kostenlose medizinische Behandlung ist nu in bestimmten Fällen (u.a. Geburten, Krebs, psychiatrische Behandlung in schweren Fällen, Tuberkulosebehandlung, Lebensbedrohung) möglich. Auch die Finanzierung dieser kostenlosen Behandlungsprogramme ist angesichts der großen Finanzprobleme des Staates nicht immer gesichert. Einige Krankenhäuser, die mit internationaler humanitärer Hilfe unterstützt werden, behandeln besonders bedürftige Patienten kostenlos. Gleiches gilt für einzelne besonders engagierte Ärzte. In Tiflis und anderen größeren Städten existieren Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können.

 

In sechs über das Land verteilten Krankenhäusern sind Plätze für die psychiatrische Behandlung von bis zu 1.000 chronisch kranken Patienten vorhanden. Chronische Erkrankungen aus dem Bereich der inneren Medizin können - ggf. nach Einstellung in speziellen Zentren in Tiflis - in den größeren Städten (Batumi, Kutaissi, Telawi) grundsätzlich behandelt werden. Die Standards in den Tiflisser Krankenhäusern sind in der Regel höher als in den übrigen Städten, so dass zahlungskräftige Patienten eine Behandlung in Tiflis vorziehen. Allerdings sind 2005 größere Investitionsvorhaben angelaufen, um künftig auch die Grundversorgung in Westgeorgien über ein großes Krankenhaus in Kutaissi grundlegend zu verbessern. Krebserkrankungen bei Kindern werden nur in Tiflis behandelt. Die genannten Behandlungsmöglichkeiten werden im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens angeboten. Parallel dazu wurden mittlerweile zahlreiche private klinische Einrichtungen geschaffen, in denen - allerdings zu für die meisten Georgier unerschwinglichen Preisen - eine nahezu westlichem Standard angemessene Behandlung erfolgt (Auswärtiges Amt vom 24.04.2006, Seite 17f).

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die sie im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgericht tätigte, lässt sich ein klares Bild konstruieren, nachdem die Aussagen glaubwürdig und in sich schlüssig sind. Scheinbare bestehende Widersprüche wurden von der Beschwerdeführerin sowohl in der mündlichen Verhandlung wie auch bereits im Zuge Ihrer als Berufungsschrift eingebrachte Beschwerde aufgeklärt, auf welche vollinhaltlich verwiesen wird. Die beweiswürdigenden Ausführungen der Erstbehörde sind im Kontext dieses Gesamteindruckes daher nicht plausibel. Beispielhaft sei hier der durch die Erstbehörde vorgebrachte Widerspruch hinsichtlich des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses bei der Zeitung "Georgian Times" angeführt, welcher bei Vergleich der Einvernahmen vom 9.1.2008 und vom 4.3.2008 mehr als vage ist. Angesichts der Anordnung der Fragen während der Einvernahme beim Bundesasylamt Wien kann weiters nicht geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin die Begebenheiten im Zuge der gegenst. Demonstration nur nach Vorhalt erwähnt hätte (andernfalls gar nicht vorgebracht hätte) und daher unglaubwürdig sei. Als letztes Beispiel sei an dieser Stelle erwähnt, dass aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführerin ein Personalausweis ausgestellt wurde, nicht gefolgert werden kann, dass die gegenst. Bedrohungen bzw. das Interesse regierungsnaher Kreise nicht existent gewesen sein könnten.

 

Zur Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin trägt auch bei, dass sie bei einigen Fragen durchaus nicht in einer Weise antwortet, wie es einem konstruierten Vorbringen entsprechen würde. So etwa wenn Sie angibt, keine Informationen über eine Verfolgung ihrer Schwester zu haben (was wohl daran liegen dürfte, dass die Schwester der Beschwerdeführerin nicht mehr in einem Familienverband mit der Familie der Beschwerdeführerin lebt).

 

Durch die Vorfälle im Zuge des russisch- georgischen Konfliktes im August 2008 ist die gegenwärtige Lage in den Konfliktgebieten unübersichtlich. Da dieser Konflikt aber hinsichtlich des gegenständlichen Falles von sekundärer Bedeutung ist, wurde auf die gegenständlich aktuelle Länderfeststellung im Verfahren betreffend den Vater der Beschwerdeführerin (GZ 266.497/0/4E-VIII/23/05) zurückgegriffen.

 

Rechtlich ergibt sich daraus:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Dem Vorbringen folgend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin aus den von Ihr vorgebrachten Gründen im Heimatland weiterhin gefährdet ist und sich daher in einem Angst- bzw. Furchtzustand befindet, der aus Sicht eines vernünftigen Drittens objektivierbar ist Die Bedrohungslage ist zudem aktuell und weist die vom Gesetz geforderte Intensität auf.

 

Der Beschwerdeführerin war daher Asyl aus dem in der GFK genannten Grund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (nämlich ihrer Familie, vgl. dazu auch VwGH 19.12.2001; 98/20/0312; VwGH 14.1.2003, 2001/01/0508; VwGH 17.9.2003, 2000/20/0317) zu gewähren.

 

Hervorzuheben ist - wenn auch nicht entscheidungsrelevant - dass die Beschwerdeführerin in Österreich und im Heimatland unbescholten ist.

 

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen, auf Grund eines Asylantrages oder auf Grund eines Asylerstreckungsantrages Asyl gewährt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
aktuelle Bedrohung, Familienverband, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, Misshandlung, politische Aktivität, soziale Gruppe
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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