TE Vfgh Beschluss 1998/6/24 G88/98, KI-2/98

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Veröffentlicht am 24.06.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs1 litb
VfGG §46 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen Verfassungsgerichtshof und Arbeits- und Sozialgericht Wien mangels Identität der Sache; Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Eventualantrags infolge Zurückziehung des Antrags

Spruch

Der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes wird zurückgewiesen.

Das Verfahren hinsichtlich des Eventualantrages wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

1.1. Gestützt auf Art138 Abs1 lita (gemeint offenkundig: litb) B-VG und §46 Abs1 VerfGG begehrt der anwaltlich vertretene Einschreiter mit Schriftsatz vom 23. April 1998 unter Verzeichnung von Kosten die Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Arbeits- und Sozialgericht Wien. Außerdem stellt er ohne ein Wort der Begründung den Eventualantrag, "die Bestimmung des §132 (2) GSVG bzw. die entsprechenden Bestimmungen des GSVG und des ASVG aufzuheben."

1.2. Zum Hauptantrag wird begründend vorgebracht, daß der Antragsteller eine Alterspension nach dem ASVG beziehe. Obwohl er nach dem Erreichen des 65. Lebensjahres weiter Pflichtbeiträge nach dem GSVG bezahlt, weitere 180 Versicherungsmonate erworben und die Wartezeit erfüllt habe, sei sein Antrag auf Zuerkennung einer weiteren Alterspension von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit Bescheid abgelehnt worden. Dagegen habe er eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebracht. Im Zuge des gerichtlichen Verfahrens habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 14. April 1994, 10 ObS 2315/96f, vorgelegt, in dem dieser in einer die Untergerichte bindenden Weise ausgesprochen habe, daß der Versicherungsfall des Alters nur einmal eintreten könne, weshalb für Beiträge, die nach Erreichung des Anfallsalters geleistet werden, keine zusätzliche Alterspension nach dem GSVG mehr zustehe.

Der Verfassungsgerichtshof habe hingegen in seinem Erkenntnis VfSlg. 12739/1991 entschieden, "dem Erwerb einer (weiteren) Alterspension (nach dem GSVG) stünde aber nur der aufrechte Fortbestand einer (weiteren) Pflichtversicherung im Wege, nicht die bereits zuerkannte Alterspension (nach dem ASVG)." Es liege demnach ein Kompetenzkonflikt vor.

1.3. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 1998 wurde der "Eventualantrag auf Aufhebung" zurückgezogen. Insoweit war das Verfahren daher einzustellen.

2.1. Gemäß Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Kompetenzkonflikte "zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten", wobei der Verfassungsgerichtshof im Verhältnis zu den ordentlichen Gerichten ein "anderes Gericht" iSd zitierten Verfassungsvorschrift ist (VfSlg. 2084/1950, 3348/1958, 6672/1972).

   Ein solcher Kompetenzkonflikt kann entweder ein bejahender

(positiver) sein, der dadurch entsteht, daß "ein ordentliches und

ein anderes Gericht ... die Entscheidung derselben Sache in

Anspruch genommen haben" (§43 Abs1 VerfGG), oder ein

verneinender (negativer), der dadurch entsteht, daß "in derselben

Sache ... ein ordentliches Gericht und ein anderes Gericht ...

die Zuständigkeit abgelehnt haben" (§46 Abs1 VerfGG). Eine Voraussetzung für das Bestehen sowohl eines bejahenden als auch eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen einem ordentlichen Gericht und dem Verfassungsgerichtshof ist demnach, daß der Gegenstand der Verfahren vor den beiden Gerichten "derselbe" ist, daß Identität der Sache vorliegt (vgl. zB VfSlg. 1720/1948, 9415/1982 und 11925/1988 zum bejahenden und VfSlg. 6082/1969, 9962/1984 und 14176/1995 zum verneinenden Kompetenzkonflikt).

2.2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das insofern nicht eindeutige Begehren des Antragstellers auf die Entscheidung eines bejahenden oder eines verneinenden Kompetenzkonfliktes gerichtet ist, da ein Kompetenzkonflikt schon aus dem Grunde fehlender Identität der Sache nicht vorliegt: Gegenstand des Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien ist das Begehren des Antragstellers auf Zuerkennung einer Alterspension nach dem GSVG. Einen solchen Anspruch hat er vor dem Verfassungsgerichtshof nie geltend gemacht. Auch ist über einen solchen mit dem im Antrag bezogenen Erkenntnis VfSlg. 12739/1991 nicht abgesprochen worden. Dieses betraf vielmehr die Beschwerde einer vom Antragsteller verschiedenen Person gegen einen Bescheid betreffend ihre Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung.

Da somit mangels Identität der Sache ein Kompetenzkonflikt nicht vorliegt, war der Antrag wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 9060/1981 und 9962/1984).

3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und Z3 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G88.1998

Dokumentnummer

JFT_10019376_98G00088_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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