TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/30 E10 264719-2/2008

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Veröffentlicht am 30.09.2008
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Spruch

E10 264.719-2/2008-8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann Leitner als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard Engel als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des K.A., geb. am 00.00.1988, StA.: Armenien (vertreten durch: Rechtsanwalt Mag. László Szabó), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ.05 05.690-BAS , in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, brachte am 21.04.2005 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Der BF brachte vor, in der UdSSR, aserbaidschanische SSR geboren zu sein, der armenischen Volksgruppe anzugehören und in der Russischen Föderation aufgewachsen zu sein, die er wegen der dortigen Probleme, die ihm als einem "Schwarzen" erwuchsen verließ.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom28.01.2008, Zahl:05 05.690-BAS, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. April 2007, Zahl 264.719/0/1E-VII/19/05 wurde der oa. Bescheid nach dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten Berufung gem. § 66 (2) AVG behoben, weil seitens des Bundesasylamtes die Staatsangehörigkeit des BF nicht ausreichend erhoben wurde.

 

Den Umstand, dass der BF die armenische Staatsbürgerschaft besitzen soll, leitete das Bundesasylamt offensichtlich aus Art. 10 des armenischen Staatsbürgerschaftsgesetzes ab.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 11.02.2008 innerhalb offener Frist neuerlich Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Wie bereits erwähnt, ging das Bundesasylamt offensichtlich unter Heranziehung des Art. 10 Z 3 des armen. StBG davon aus, dass der BF die armenische Staatsbürgerschaft besitzt.

 

Art. 10 (3) des armen. StBG lautet (engl. Arbeitsübersetzung, Quelle: www. legislationline.org, Zugriff am 29.10.2008):

 

"Article 10. Recognizing the Citizenship of the Republic of Armenia

 

As citizens of the Republic of Armenia are recognized:

 

1. citizens of the former SSRA living permanently in the Republic of Armenia who have not acquired citizenship of another country before the Constitution came into effect or have renounced it in a year-time starting with the day of the present law taking effect.

 

2. people having no citizenship and living permanently in the Republic of Armenia during the recent 3 years before the present law came into effect or citizens of the former USSR who are not foreign citizens, who within a year after the day of taking the present law effect apply for acquiring the citizenship of the Republic of Armenia.

 

3. citizens of the former SSRA living abroad since September 21, 1991 who have not acquired citizenship of another country, as well citizens of the former SSRA, of Armenian nationality who lived abroad until then and have not acquired citizenship of another country and have been registered in the Consulate before the present law came into effect."

 

Im gegenständlichen Fall deutet nichts darauf hin, dass der BF jemals Bürger der armenischen SSR war, weshalb nach ho. Ansicht die Anwendung des Art. 10 z 3 leg.cit ausscheidet und auch kein anderer die armenische Staatsbürgerschaft auslösender Tatbestand hervorkam, eine Auffassung die das Bundesasylamt offensichtlich auch in seiner Stellungnahme vom 12.9.2008 teilt.

 

Den Angaben des BF folgend ist davon auszugehen, dass der BF in der aserbaidschanischen SSR im Jahre 1988 geboren wurde, seit 1990, also zum Zeitpunkt des Zerfalles der UdSSR jedoch in der RSFSR (dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation) lebte, weshalb eine Prüfung der Staatsbürgerschaft der RF naheliegt.

 

In Bezug auf das Staatsbürgerschaftsrecht der Russischen Föderation wird einerseits auf das Föderationsgesetz Nr. 62-FZ vom 31.5.2002 über die russische Staatsbürgerschaft (veröffentlicht in englischer Version unter www.legislationline.org) und auszugesweise auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesasylamtes an den Unabhängigen Bundesasylsenat vom 7.5.2008 verwiesen. Diese Anfragebeantwortung wird auszugsweise wie folgt wieder gegeben:

 

"...

 

1. Kann bei einer Person, welche sich von 1986 bis 2001 auf dem Territorium der heutigen Russischen Föderation aufhielt, davon ausgegangen werden, dass sie die russische Staatsangehörigkeit besitzt?

 

Diese Frage kann in dieser Formulierung nicht beantwortet werden. Es können nur Informationen zum aktuellen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz zur Verfügung gestellt werden.

 

Lammich, Siegfried, Das Staatsangehörigkeitsrecht Georgiens, der Ukraine und der

 

Russischen Föderation, Freiburg, 14. 11.2006

 

I. .Regelung der originären Übernahme in die Staatsbürgerschaft nach Zerfall der UdSSR

 

Die originäre Übernahme in die Statsbürgerschaft nach dem 1991 erfolgten Zerfall der UdSSR regelten:

 

-

In der Russischen Föderation - das Gesetz über die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation vom 28. 11. 1991 (ersetzt durch das zur Zeit geltende StA Gesetz vom 31 Mai 2002 zuletzt geändert durch G. v. 11.1.2006))

 

-

 

Bis zum Inkrafttreten der oben genannten Gesetze, gab es in allen diesen Ländern die einheitliche sowjetische Staatsbürgerschaft. Auf Grund der oben genannten Gesetze erlangten die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes von Gesetzes wegen (originäre Übernahme in die Staatsbürgerschaft):

 

c) in der Russischen Föderation - alle Staatsbürger der ehemaligen UdSSR, die am Tag des Inkrafttretens des StA-Gesetzes (28. 11. 1991) ständig auf dem Territorium der RSFSR gelebt haben, sofern sie nicht innerhalb eines Jahres nach diesem Tag erklärt haben, der Staatsbürgerschaft der RSFSR nicht angehören zu wollen.[Unterstreichung im Original nicht vorhanden]

 

II. Erwerb der Staatsbürgerschaft

 

Abgesehen von der o.g originären Übernahme in die Staatsbürgerschaft kann die Staatsbürgerschaft in allen drei hier berücksichtigten Ländern von Gesetzes wegen durch Geburt oder auf Antrag durch Einbürgerung (Naturalisierung) erlangt werden. Darüber hinaus verweisen die geltenden Staatsangehörigkeitsgesetze auf "andere" in den Gesetzen selbst oder in internationalen Verträgen vorgesehenen Gründe für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ( Staatsbürgerschaft von Findelkindern , von adoptierten Kindern u.a).

 

Die folgenden Ausführungen beschränken sich lediglich auf die "typischen" Formen des Erwebs (Geburt und Naturalisierung) der Staatsbürgerschaft.

 

1. Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Geburt (von Gesetzes wegen)

 

c) in der Russischen Föderation (Art. 12-13 des StAG von 2002)

 

-

unabhängig vom Geburtsort , wenn beide oder einer der Elternteile Staatsbürger der RF (Rusische Föderation) sind;

 

-

Unabhängig von Geburtsort, wenn beide Elternteile russische Staatsbürger

 

oder der einzige Elterteil Staatsbürger der Russischen Föderation,

 

-

Wenn einer der Elternteile die russische und der andere eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzt wenn das Kind auf dem Territorium der Russischen Föderation geboren worden ist oder wenn es andererenfalls staatenlos wäre,

 

-

Wenn beide seiner in der Russischen Föderation lebende Eltern Ausländer oder staatenlos sind und die Staaten denen die Eltern angehören dem Kind nicht seine Staatsbürgerschaft verleihen

 

-

Ein auf dem Gebiet der Russischen Föderation gefundenes Findelkind deren Eltern unbekannt sind, erhält die Staatsbürgerschaft der RF wenn die Eltern innerhalb von sechs Monaten nicht ermittelt werden

 

2. Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung (auf Antrag) Vorbemerkung: Bei den im folgenden genannten Bedingungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Einbürgerung) auf Antrag, handelt es sich lediglich um Rahmenbedingungen, von denen die Gesetze zum Teil wesentliche, dem Ermessen der zuständigen Behörden überlassene Ausnahmen zulassen.

 

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die in den Gesetzen genannten Rahmenbedingungen)

 

a) in der Russischen Föderation (Art. 13 ff des StAG von 2002) Die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation kann (auf Antrag) Ausländern oder Staatenlosen bei vorliegen folgender Voraussetzungen zuerkannt werden:

 

-

Volljährigkeit und Arbeitsfähigkeit des Bewerbers,

 

-

Ununterbrochener mindestens 5-jähriger Aufenthalt des Bewrebers auf dem

 

Territorium der Russischen Föderation,

 

-

Verpflichtung die Verfassung und die russischen Gesetze zu wahren,

 

-

Verzicht auf die die ausländische Staatsbürgerschaft,

 

-

Kenntnis der russischen Sprache.

 

Das Gesetz formuliert mehrere Situationen (dies betrifft vor allem ehemalige Bürger der UdSSR, die in einem anderen (als Russland) auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR entstandenen Staat leben).

 

..."

 

Die oa. Ausführungen legen daher nahe, dass der BF StA der Russischen Föderation sein könnte, was jedoch noch näher zu ermitteln sein wird.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der AsylGH [Berufungsbehörde] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084 zur Anwendbarkeit von § 66 (2) AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat). Eine kassatorische Entscheidung darf vom AsylGH nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das erkennende Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i. S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, welches sich auf den Unabhängigen Bundesasylsenat bezog und aufgrund der identischen Interessenslage in Bezug auf den AsylGH ebenfalls seine Gültigkeit hat, führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BFs und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten im bereits erörterten nachzuholen.

 

Im gegenständlichen Fall sind eingehende Erhebungen zur Staatsangehörigkeit des BFs unerlässlich, wozu es einer weiteren Befragung und einer Erörterung der dortigen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage anhand aktueller Quellen bedarf. Jedenfalls dürfte feststehen, dass der BF nicht Staatsbürger von Armenien ist. Es liegt nahe, dass dieser die russische Staatsbürgergeschaft besitzen könnte, wofür der bisherige Lebensweg des BF und seine bisherigen gewöhnlichen Aufenthalte sprechen.

 

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch den BF ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es dem BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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