TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/02 D13 319640-1/2008

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Veröffentlicht am 02.10.2008
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Spruch

D13 319640-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde des mj. K.A., geb. 00.00.2004, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2008, FZ. 07 12.128-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. wird mj. K.A. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. wird mj. K.A. eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 01.10.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der minderjährige Beschwerdeführer, eine Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 27.12.2007 gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag durch seine gesetzliche Vertreterin im Rahmen eines Familienverfahrens (§ 34 AsylG) einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des Asylwerbers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und dem Asylwerber den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers am 29.05.2008 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Ihrer Beschwerde legte sie die Kopie eines Arztbriefes des Universitätsklinikums Graz vom 29.01.2008 betreffend den Beschwerdeführer, sowie eines Arztbriefes der Kardiologie des Universitätsklinikums Graz vom 15.01.2008 und einer Übersetzung eines Auszuges eines Arztbriefes des Wissenschaftlichen Herz-Gefäß-Chirurgie-Zentrums Moskau, betreffend dessen Schwester vor.

 

In ihrer Beschwerde wiederholte die Mutter des Beschwerdeführers ihre bereits getätigten Angaben und wies auf die Erkrankungen der beiden Kinder hin. Sie führte weiter aus, es ergebe sich für sie ein Abschiebungshindernis, da aufgrund der gegenwärtigen Lage in der Russischen Föderation davon auszugehen sei, dass sie im Falle einer Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt sein würde. Die Mutter des Beschwerdeführers machte geltend, die Inanspruchnahme einer inländischen Fluchtalternative sei derzeit nicht möglich, und verwies zu diesem Vorbringen auf eine Dokumentation zur Situation in Tschetschenien des Mitgliedes des UBAS Dr. Nowak aus dem Jahr 2003, auf zwei Gutachten zur innerstaatlichen Fluchtalternative von November 2005 sowie April 2006, sowie auf zwei Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.03.2004 und vom 17.09.2003.

 

Zudem verwies die Mutter des Beschwerdeführers auf die angespannte wirtschaftliche und menschliche Situation der Binnenflüchtlinge, wodurch sie auf Grund des gänzlichen Fehlens einer tragfähigen Lebensgrundlage in eine aussichtslose Lage geraten würde und somit die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gegeben sei. Zudem greife ihre Ausweisung massiv in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben ein.

 

Laut telefonischer Auskunft des behandelnden Arztes des Beschwerdeführers sowie seiner Schwester vom 08.09.2008 bedürfen diese aufgrund ihrer Erkrankungen einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle. Der Beschwerderführer leide unter einer Schilddrüsenfehlfunktion, die neben einer voraussichtlich lebenslangen Dauermedikation ebenfalls einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle bedürfe. Seine Schwester K.H. müsse sich zwar nach scheinbar gelungener Operation am Herzen aus heutiger Sicht in nächster Zeit keinem weiteren Eingriff unterziehen. Eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle des weiteren Verlaufes sei, insbesondere zur Feststellung, ob weitere Eingriffe in Hinkunft notwendig werden, geboten.

 

Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und ist der minderjährige, unverheiratete Sohn des K.M. und der Z.B..

 

Im Rahmen ihrer Erstbefragung am 27.12.2007 durch die Polizeiinspektion Traiskirchen sowie in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.05.2008 gab die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers an, dass ihre Angaben zu ihren Fluchtgründen auch für ihre Kinder gelten würden und diese keine eigenen Fluchtgründe hätten.

 

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 16.05.2008, FZ. 07 12.126-BAG bzw. 07 12.125-BAG wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Eltern des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und den Asylwerbern den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde den Asylwerbern gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III wurden die Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Mit Erkenntnissen des Asylgerichthofes vom 02.10.2008, Zahlen D13 319642-1/2008/2E und D13 319638-1/2008/2E wurden die hiergegen erhobenen Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt I gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. als unbegründet abgewiesen.

 

Festgestellt wird weiters, dass der Beschwerdeführer unter einer connatalen Hypothyreose leidet, welche bisher nur unzureichend substituiert wurde. Es wurde daher im Universitätsklinikum Graz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde eine Hormonersatztherapie begonnen. Diese Schilddrüsenfehlfunktion bedarf einer voraussichtlich lebenslangen Dauermedikation sowie einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle.

 

Hinsichtlich der Länderfeststellungen zur Russischen Föderation wird auf die zutreffenden Darlegungen im erstinstanzlichen Bescheid (vgl. S. 7 bis S. 34 des Bescheides) verwiesen (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens VwGH vom 04.10.1995, 95/01/0045, VwGH vom 24.11.1999, 99/01/0280). Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Asylgerichtshof keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

 

Diese Feststellungen ergeben sich aus den Asylakten des minderjährigen Beschwerdeführers und seiner Eltern.

 

Die Feststellungen zu der Erkrankung des Beschwerdeführers gründen sich auf die Kopie eines Arztbriefes des Universitätsklinikums Graz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, vom 29.01.2008 (beiliegend im Akt der Mutter des Beschwerdeführers), sowie die telefonische Auskunft des behandelnden Arztes des Beschwerdeführers vom 05.09.2008 (vgl. Aktenvermerk vom 08.09.2008).

 

Die Feststellungen zur Situation in Tschetschenien stützen sich auf jene des erstinstanzlichen Bescheids und die dort angeführten Quellen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat dazu erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

ad I.

 

Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt, liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

 

gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder

 

2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem obzitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtssprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Der Beschwerdeführer ist der im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige unverheiratete Sohn des K.M. und der Z.B.. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl sind im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, da weder dem Vater noch der Mutter des Beschwerdeführers Asyl gewährt wurde.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

ad. II.

 

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

 

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).

 

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht.

 

§ 8 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

 

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.

 

Wie bereits oben ausgeführt ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Anhand der Länderberichte steht jedoch fest, dass eine ausreichende medizinische Behandlung der im Verfahren hervorgekommenen Erkrankung des Beschwerdeführers, welche bisher im Heimatland offenbar nicht ausreichend behandelt worden war, nicht gewährleistet werden kann, sodass es für den Beschwerdeführer unmöglich ist, im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien dort eine entsprechende medikamentöse Behandlung und fachärztliche Kontrolle seines Gesundheitszustandes zu erhalten.

 

Es kann daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus diesem Grund eine Gefahr im Sinne des Artikel 3 EMRK droht.

 

ad III.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gilt die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Der Asylgerichtshof hat dem Beschwerdeführer mit gegenständlichem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG zu erteilen war.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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