TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/20 2000/02/0232

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Veröffentlicht am 20.04.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art90 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §5;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Ottakringer Straße 57, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Mai 2000, Zl. UVS - 03/P/3/752/1999-43, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 1. Oktober 1997 um 5.20 Uhr in 1080 Wien, A-Straße 8, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt von 2,57 %o) in Betrieb genommen. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO verletzt. Es wurde eine Strafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) verhängt.

Begründend stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

"Am 1.10.1997 gegen 1.00 Uhr Früh besuchte der Berufungswerber den S Club im 1. Bezirk, da er dort mit seiner Freundin Frau Y verabredet war. Während er auf sie wartete trank er eine größere Menge Bier. Nachdem seine Freundin eingetroffen war unterhielten sie sich kurz und beabsichtigten dann zum Berufungswerber nach Hause zu fahren. Sie gingen zum Fahrzeug und Frau Y lenkte das Fahrzeug. In der Folge kam es zu einem Streit. Die Zeugin Y hielt das Fahrzeug bei der Kreuzung Auerspergstraße/Josefstädter Straße auf der Fahrbahn an, stieg aus um mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Dies erfolgte gegen 5.00 Uhr Früh. Der Berufungswerber wechselte auf den Fahrersitz und nahm das Fahrzeug, in der Absicht es selbst nach Hause zu lenken, in Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich auf Grund des vorangegangenen erheblichen Alkoholkonsums in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Bedingt durch die erhebliche Alkoholisierung und die Uhrzeit bedingte Übermüdung verfiel er kurz darauf in einen tiefen bewusstlosigkeitsähnlichen Schlaf.

Um 5.20 Uhr wurde der Berufungswerber von Polizeibeamten in diesem Zustand im Fahrzeug bei laufendem Motor, die rechte Hand auf dem Schaltknüppel liegend, auf dem Fahrersitz sitzend angetroffen. Er wies einen starken Geruch der Atemluft nach alkoholischen Getränken auf. Versuche, ihn durch Ansprechen oder Körperkontakt wach zu bekommen verliefen erfolglos. Der herbeigerufene Rettungsdienst verbrachte ihn in das W-Spital. Erstaufnahme, da eine sichere Diagnose durch den Rettungsarzt bezüglich einer eventuellen Erkrankung vor Ort nicht möglich war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Indem der Beschwerdeführer den oben dargestellten festgestellten Sachverhalt mit der Begründung bekämpft, er könne sich daran nicht erinnern, verkennt er, dass die belangte Behörde die Sachverhaltsfeststellungen nicht nur auf die Angaben des Beschwerdeführers gegründet hat, sondern auf die weiteren Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, wie insbesondere auf die Aussage der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugin Y und das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen.

Der Beschwerdeführer behauptet, keine Zustimmung zur Heranziehung bzw. Verwertung des Ergebnisses der Blutabnahme, welche in bewusstlosem Zustand erfolgt sei, gegeben zu haben. Die in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1999 erfolgte Zustimmung zur Verwertung der "medizinischen Unterlagen des W-Spitals" habe nicht die Blutabnahme umfasst, von welcher er nicht in Kenntnis gesetzt worden sei.

Der Beschwerdeführer übersieht, dass die Blutabnahme, welche zum Zeitpunkt der Aufnahme im W-Spital erfolgt und einen Blutalkoholwert von 2,57 %o ergeben hatte, nach Auskunft des W-Spitals (erstmalig vom 27. Oktober 1997, in der Folge durch weitere Beweisergebnisse bestätigt) aus "medizinischen Gründen (wegen Abklärung des bewusstseinsbeeinträchtigten Zustandsbildes)" erforderlich war. Der Beschwerdeführer sei von der Rettung "im bewusstseinsgetrübtem Zustand mit der Verdachtsdiagnose 'Intoxikation' an die Toxikologische Intensivstation eingeliefert" worden. Zur Abklärung der Vergiftungsursache sei dem "Patienten Blut zur Bestimmung des Alkohol- und Medikamentspiegels abgenommen" worden. Eine vorherige Aufklärung und Einholung des Einverständnisses sei "wegen der beeinträchtigten Bewusstseinslage nicht möglich" gewesen. Die Blutabnahme sei wegen der "erforderlichen Therapiemaßnahmen, die von der Ursachenabklärung" abhängig seien, "unbedingt erforderlich" gewesen (siehe die Anfragebeantwortung des W-Spitals vom 6. Mai 1998, gefertigt auch von dem zum Zeitpunkt der Spitalsaufnahme des Beschwerdeführers diensthabenden Arzt). Zu diesen Beweisergebnissen nahm der Beschwerdeführer erstmalig am 19. Dezember 1997 (sowie in der Folge jeweils zu den die Erstauskunft näher ausführenden weiteren Beweisergebnissen) Akteneinsicht und erstattete Stellungnahmen (wie zB zur genannten Anfragebeantwortung vom 6. Mai 1998 mit Schriftsatz vom 16. November 1998). Der Beschwerdeführer bezweifelte nicht, dass die Blutabnahme "aus medizinischen Gründen erfolgte". Diese Verfahrensergebnisse wurden in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1999 mit Zustimmung des Vertreters des Beschwerdeführers verlesen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer von der vorgenommenen Blutabnahme "nicht in Kenntnis gesetzt" worden sei. Die in der mündlichen Verhandlung vom 23.  Juni 1999 erteilte Zustimmung zur Verwertung "der medizinischen Unterlagen des W-Spitals" lässt nach ihrem objektiven Erklärungswert keinen Zweifel aufkommen, dass damit auch die Auswertung des Blutes umfasst ist. Aus rechtlichen Gründen erübrigt sich aber jedwede nähere Befassung mit diesem Thema sowie mit der Auswirkung des im späteren Verfahrensstadium erfolgten Widerrufs dieser Zustimmung:

Es ist zwar richtig, dass eine Blutabnahme nach § 5 StVO an Bewusstlosen nicht zulässig ist (vgl. zB das Erkenntnis des VfGH vom 6. Dezember 1988, B 1092/87 = VfSlg 11.923/1988). Das Verbot stützt sich einerseits darauf, dass die Blutabnahme "einen zwangsweisen Eingriff in die körperliche Integrität darstellt" (AB 240 BlgNR 9. GP, 3), andererseits auf ein auf Art. 90 Abs. 2 B-VG gestütztes (strikt verstandenes) Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung . Im gegenständlichen Fall stellt sich die Frage, ob ein Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverbot vorliegt, aber aus anderer Sicht. Denn die Erlangung des Beweismittels erfolgte ausschließlich zu medizinischen Zwecken; mit anderen Worten, die Blutabnahme zur Heilbehandlung hat mit einer durch irgendeine Vorschrift des § 5 StVO verbotenerweise erlangten Blutprobe nichts zu tun. Dadurch unterscheidet sich der gegenständliche Fall von demjenigen, welcher dem Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 27. November 1979, Slg. Nr. 9975/A, zu Grunde lag. Eine aus Gründen der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme samt Auswertung ist sohin keine unzulässige Verletzung der körperlichen Integrität und fällt auch nicht unter das Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung. Diesbezüglich ist der gegenständliche Fall mit jenem Ausgangsfall vergleichbar, hinsichtlich dessen in der Literatur (Öhlinger in "Die verfassungsrechtlichen Schranken der Blutabnahme gemäß § 5 Abs. 6 StVO", Festschrift Robert Dittrich, S. 773 ff) die Untersuchung von Blut, das ein Lenker an einem Unfallort aufgrund einer Verletzung hinterlassen hat, auf Alkoholgehalt als zulässig angesehen wird. Damit stand im Beschwerdefall einer Verwertung des Untersuchungsergebnisses, nicht zuletzt auch aufgrund des im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatzes der Unbegrenztheit der Beweismittel, kein rechtliches Hindernis im Wege.

Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, er habe sich anlässlich der Inbetriebnahme des Fahrzeuges in einem Zustand befunden, in welchem seine Fähigkeit bewusst zu handeln ausgeschlossen gewesen sei, ist er auf das psychiatrische Sachverständigengutachten sowie auf die Zeugenaussage Y (der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt ihres Aussteigens "völlig normal gesprochen" etc.) hinzuweisen, welche die belangte Behörde ihrer Beweiswürdigung zu Grunde gelegt hat.

In rechtlicher Sicht bekämpft der Beschwerdeführer, dass im gegenständlichen Fall unterstellt werde, er habe ein Fahrzeug, welches von einer dritten Person bereits in Betrieb genommen worden sei, neuerlich in Betrieb genommen. Diesbezüglich ist der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2001, Zl. 96/02/0232, hinzuweisen, wonach derjenige, welcher bei laufendem Motor den Fahrersitz einnimmt, das Fahrzeug "in Betrieb genommen" hat. Es kommt sohin - wie die belangte Behörde richtig ausführt - nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer den Motor selbst in Gang gesetzt hat oder sich bei bereits laufendem Motor auf den Fahrersitz gesetzt hat, weil der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen bei laufendem Motor auf dem Fahrersitz sitzend angetroffen wurde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 2001

Schlagworte

Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Blutabnahme Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020232.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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