TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 E12 267359-0/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

E12 267.359-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des E. alias M.A. alias A., geb. 00.00.1960 alias 00.00.1964, StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2005, FZ. 04 08.342-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Aserbaidschan und Angehöriger der dortigen armenischen Minderheit, stellte am 21.04.2004 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.

 

Mit Datum 01.06.2004 wurde sein Asylverfahren gemäß § 30 Abs. 1 Asylgesetz 1997 wegen Abwesenheit eingestellt.

 

Nach Fortsetzung des Verfahrens wurde er zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb hierauf verwiesen wird. Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er sei hin und wieder auf das Polizeirevier gebracht worden, weil er Armenier sei. Alle Armenier seien verdächtig und wurden einfach so auf das Revier gebracht, kontrolliert und eingeschüchtert. Zuletzt sei er von einer Spezialeinheit, die sich "Graue Wölfe" nannten mitgenommen worden; er sei beschimpft, geschlagen und aufgefordert worden, seinen Glauben zu wechseln.

 

Im Zuge der Einvernahmen hatte der Beschwerdeführer auch angegeben, er sei im September 2002 nach Deutschland eingereist und habe dort um Asyl angesucht, sei aber abgelehnt worden.

 

Vom BAA wurden diesbezügliche Dokumente aus Deutschland angefordert und liegen diese im Akt ein.

 

Der Asylantrag wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 22.12.2005, FZ. 04 08.342-BAT, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Aserbaidschan für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als glaubhaft und legte es der weiteren Beurteilung zu Grunde. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das BAA fest, dass das Vorbringen des BF keinesfalls eine Verfolgung im Sinne der GFK darstelle.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 02.01.2006 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (vgl. VwGH v. 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht, dem BF sei das Parteiengehör nicht gewährt worden, im Falle einer Gewährung wäre man aber zu einem anderen Ergebnis gelangt, der Sachverhalt sei mangelhaft ermittelt worden, er sei von den "grauen Wölfen" wegen seiner Religion verfolgt worden und habe von der Polizei keinen Schutz erhalten können, es bestehe in Aserbaidschan eine mittelbare Gruppenverfolgung von armenischen Volkszugehörigen und die armenische Minderheit werde in Aserbaidschan nach wie vor erheblich diskriminiert und erhalte keinen staatlichen Schutz; entgegen der Erstbehörde sei in seinem Fall eine Verfolgung in Sinne der Konvention gegeben.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:

 

1. Das BAA hatte - nach dem es das Vorbringen des BF für glaubhaft erachtete - keinen asylbegründenden Sachverhalt feststellen können. Der Bescheid leidet aber an mangelhafter Sachverhaltsermittlung und unschlüssiger Beweiswürdigung.

 

1.1. Der BF hatte Verfolgung durch die Spezialeinheit der "grauen Wölfe" behauptet. Diese hätten ihn mitgenommen, beschimpft und geschlagen; er sollte deren Glauben annehmen [Anm.: offensichtlich zum Islam übertreten]. Das BAA spricht hier von Verfolgung durch Privatpersonen. Zu dieser Beurteilung wurde aber der Sachverhalt zu unergiebig ermittelt. Das Wort Spezialeinheit sowie der Umstand, dass der BF angegeben hatte, seine Verfolger hätten zum Teil Militäruniformen getragen, spricht eher gegen Verfolgung durch Private, als vielmehr für Verfolgung durch staatliche Organe. Der Sachverhalt ist also insoweit ergänzungsbedürftig.

 

Sollte es sich hier dennoch um Private handeln, so hatte der BF jedenfalls Verfolgung aus einem asylrelevanten Motiv (aus religiösen Gründen - er sollte den Glauben der Verfolger annehmen) behauptet. In diesem Falle hätten Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob die (dortigen) staatlichen Maßnahmen im Ergebnis dazu führen, dass der Eintritt eines asylrechtlich relevante Intensität erreichenden Nachteils aus der von dritter Seite ausgehenden Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH, E v. 01.09.2005, Zl. 2005/20/0357).

 

1.2. Der BF hatte behauptet, er sei hin und wieder auf das Polizeirevier gebracht worden, weil er Armenier sei; alle Armenier seien verdächtig gewesen und einfach zum Revier gebracht, kontrolliert und eingeschüchtert worden. Damit hatte er aber Verfolgung durch staatliche Organe und zwar aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit behauptet. Diesbezüglich wurde der Sachverhalt wiederum nicht ausreichend ermittelt. Es wäre notwendig gewesen, entsprechend nachzufragen, auch um das Ausmaß der diesbezüglichen Intensität der Verfolgung zu ergründen. Ebenso wären entsprechende korrespondierende Feststellungen (über die dortigen Sicherheitslage, die Lage betreffend die Sicherheitsbehörden bzw. deren Organe) zu treffen gewesen.

 

1.3. Vom Bundesasylamt wurden auch keine ausreichenden Feststellungen zur wirtschaftlichen Lage, insbesondere zur Lage von rückehrenden Personen getroffen. Damit kann auch seine Rückkehrsituation nicht abschließend beurteilt werden. Dass die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers allein keine Rückschlüsse auf eine konkrete Gefährdung seiner Person zulasse, wird - ohne solche Feststellungen - zur reinen Spekulation.

 

1.4. Schließlich weist die Begründung zur Gegebenheit einer innerstaatlichen Fluchtalternative erhebliche Defizite auf. So wurde lediglich kryptisch angeführt, es sei nicht davon auszugehen, dass der BF auch in anderen Landesteilen von diesen einzelnen Personen zum Glaubensübertritt aufgefordert worden wäre, zumal nicht davon auszugehen sei, dass diese Personen derartiges Interesse am Glaubensübertritt des BF gehabt hätten, dass diese ihn in gesamt Aserbaidschan suchen würden. Bei der Verantwortung des BF auf die Frage nach einer innerstaatlichen Fluchtalternative, in einem anderen Teil Aserbaidschans wäre es noch schlimmer gewesen (in seinem Dorf habe man ihn wenigstens aus seiner Kindheit gekannt und sei er nicht von allen beschimpft worden) und mangels entsprechender Feststellungen zur diesbezüglichen Lage im Herkunftsland des BF erweist sich diese Annahme des BAA (das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative) wiederum als spekulativ.

 

1.5. Eine abschließende schlüssige Beurteilung des Vorbringens des BF wird erst nach Vervollständigung der Länderdokumentation möglich sein, da vorher das individuelle Vorbringen zum objektiven Sachverhalt laut Länderdokumentation nicht in Relation gesetzt werden kann.

 

1.6. Das Bundesasylamt erachtete das Vorbringen des BF als glaubwürdig, ließ eine diesbezügliche Begründung aber vermissen. Betrachtet man die Aussagen des BF in Deutschland und stellt sie jenen in Österreich gegenüber, ist eine klare Steigerung seines Vorbringens erkennbar. Er hatte in Österreich vorgebracht, von den "grauen Wölfen" mitgenommen, misshandelt und bedroht worden zu sein, in Deutschland ist der Niederschrift über seine Einvernahme hingegen nichts zu entnehmen, dass er misshandelt oder mitgenommen worden sei. In Deutschland sagte er niederschriftlich aus, dass er bedroht worden sei, umgebracht zu werden, wenn er seinen Glauben nicht wechsle, bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt hingegen gab er an, diesfalls habe man zu ihm gesagt, dass man ihn und seine Familie töten werde.

 

1.7. Die Aussagen des BF in Deutschland und Österreich sind zudem auch widersprüchlich. So hatte er beispielsweise in Österreich bei seiner Asylantragstellung völlig andere Daten zu seiner Person als in Deutschland angegeben und in Deutschland auf die Frage, ob er mit der aserbaidschanischen Polizei oder anderen aserbaidschanischen Behörden Probleme gehabt habe mit "nein" geantwortet (vgl. AS 113), in Österreich hingegen wiederholte Festnahmen durch die Polizei behauptet (vgl. AS 143).

 

Aus den angeführten Gründen ist die Beweiswürdigung der Erstbehörde - das Vorbringen des BF sei glaubhaft - nicht schlüssig.

 

Das Bundesasylamt hat es verabsäumt, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln und nachvollziehbar darzulegen, warum ganz konkret welcher Teil des Vorbringens aufgrund welcher Erwägung als glaubwürdig bzw. nicht glaubwürdig angenommen wird.

 

2. Im Beschwerde(Berufungs)schriftsatz rügt der BF die Nichtgewährung des Parteiengehörs und ist damit im Recht.

 

Es hätte einer Konfrontation der Partei mit dem amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Dem Berufungswerber wurde aber im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens weder mitgeteilt, wie die Behörde beabsichtige über seinen Asylantrag zu entscheiden, noch wurden ihm die entsprechenden Länderfeststellungen vorgehalten. Wenn das Ermittlungsergebnis dem Berufungswerber aber nicht vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht worden ist, so hatte er diesbezüglich keine Möglichkeit, sich insoweit dagegen zu äußern.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die genannten fehlenden Sachverhaltsermittlungen sowie die fehlenden Länderfeststellungen und die unschlüssige Beweiswürdigung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme des Berufungswerbers zu Folge hätte, welche wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes darstellen kann und von der Behörde amtswegig herbeizuschaffen sein wird.

 

Aufgrund der oa. Erwägungen ist letztlich festzustellen, dass das Bundesasylamt seine neuerliche Entscheidungsfindung auf im Sinne der oa. Ausführungen aktuelle und nachvollziehbare und umfassende Quellen zu stützen haben wird, deren nicht notorisch bekannten Teile dem Berufungswerber im Rahmen des Parteiengehörs zu Kenntnis zu bringen sein werden.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Da das gegenständliche Verfahren zu obgenanntem Zeitpunkt anhängig war, ist es sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idgF zu Ende zu führen.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH (vorher UBAS) ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat (jetzt AsylGH) - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BF und der Geschäftsverteilung des AsylGH für das Jahr 2008 eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt und gründen sich die Feststellungen des Bundesasylamtes zu seinem Fluchtvorbringen auf eine unschlüssige Beweiswürdigung. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten (incl. die fehlenden Länderfeststellungen) im bereits erörterten Umfang nachzuholen.

 

Enthält - wie im gegenständlichen Fall - der Bescheid eine nicht auf den sonstigen Inhalt abgestimmte schlüssige Beweiswürdigung, so führt dies in weiterer Folge dazu, dass auch die hierauf aufbauenden Feststellungen letztlich auf einem mangelhaften Verfahren fußen und das Ermittlungsverfahren in seiner Gesamtheit als mangelhaft anzusehen ist. Hätte das Bundesasylamt die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung erkannt, hätte es weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getätigt, wozu auch eine weitere Befragung des BF, bzw. eine Konfrontation des BF mit dem Ergebnis der Erhebungen erforderlich gewesen wäre.

 

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch den BF ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es dem BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern und ihm hinsichtlich der der Entscheidung zu Grunde liegenden Quellen das Parteiengehör zu gewähren haben. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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