TE AsylGH Beschluss 2008/10/09 A11 319643-1/2008

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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Spruch

A11 319.643-1/2008/2E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Vorsitzenden und den Richter Mag. Benda als Beisitzer über die Beschwerde des S.S., 00.00.1991 geb., StA. der Elfenbeinküste, gegen den "Bescheid" des Bundesasylamtes vom 21.5.2008, Zahl 07 08.467-BAG, beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger der Elfenbeinküste und am 13.9.2007 ins Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde in der Folge am 14.9.2007 einer Erstbefragung sowie am 19.9.2007 einer Einvernahme durch das Bundesasylamt unterzogen. Hinsichtlich seines Geburtsdatums behauptete der Asylwerber, dass er am 00.00.1991 geboren worden sei.

 

Da das Bundesasylamt aufgrund des Augenscheins von einem höheren Alter des Antragstellers ausging, wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten, konkret ein psychiatrisches Gutachten zur Fragestellung: "Kann eine Aussage getroffen werden, ob der Amtragsteller minderjährig bzw. volljährig ist?" eingeholt.

 

Der Gutachter Dr. L., FA für Psychiatrie und Neurologie, kommt in seinem Gutachten zu nachstehendem Ergebnis:

 

"Das Alter der körperlichen Ausreifung ist üblicherweise zwischen 18. und 21. Lebensjahr anzusetzen.

 

Seitens des körperlichen Aspektes ist die Pubertät und das Erreichen von zumindest 18. Lebensjahren als sehr wahrscheinlich anzusehen.

 

Auch seitens der psychosozialen Reifung ist dies als sehr wahrscheinlich anzusehen.

 

Daher ist insgesamt aufgrund der Zusammenschau der Befunde das Erreichen bzw. Überschreiten des 18. Lebensjahres als sehr wahrscheinlich anzusehen."

 

Das Bundesasylamt stellte in der Folge fest, dass der Antragsteller volljährig ist, wies mit Bescheid vom 21.5.2008, Zl. 07 08.467-BAG, den Asylantrag gem. §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 ab, und stellte diese Entscheidung - ausgehend von dessen Volljährigkeit - dem Asylwerber persönlich zu.

 

Gegen diesen "Bescheid" hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

§ 16 AsylG lautet wie folgt:

 

(1) Für den Eintritt der Handlungsfähigkeit nach diesem Bundesgesetz ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich.

 

(2) In Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt. Widerstreiten die Erklärungen beider Elternteile bei ehelichen Kindern, ist die zeitlich frühere Erklärung relevant; ein Berufungsverzicht kann nicht gegen den erklärten Willen eines Elternteils abgegeben werden. Die Vertretung für das uneheliche Kind kommt bei widerstreitenden Erklärungen der Elternteile der Mutter zu, soweit nicht der Vater alleine mit der Obsorge betraut ist. Ein Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt Anträge auf internationalen Schutz zu stellen.

 

(3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt, Anträge zu stellen und einzubringen. Gesetzlicher Vertreter für Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist mit Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz (§ 17 Abs. 2) der Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle, nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§ 19 Abs. 1) eines mündigen Minderjährigen, ist diese in seinem Beisein zu wiederholen.

 

(4) Entzieht sich der mündige Minderjährige dem Verfahren (§ 24 Abs. 1) oder lässt sich aus anderen Gründen nach Abs. 3 kein gesetzlicher Vertreter bestimmen, ist der Jugendwohlfahrtsträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, gesetzlicher Vertreter bis nach Abs. 3 wieder ein gesetzlicher Vertreter bestimmt wurde. Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzlicher Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs. 3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt.

 

(5) Bei einem unmündigen Minderjährigen, dessen Interessen von seinen gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, ist der Rechtsberater ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle gesetzlicher Vertreter. Solche Fremde dürfen nur im Beisein des Rechtsberaters befragt (§ 19 Abs. 1) werden. Im Übrigen gelten die Abs. 3 und 4.

 

Die Feststellung des Bundesasylamtes über die Volljährigkeit des Antragstellers (zum damaligen Entscheidungszeitpunkt) gründet auf dem Gutachten Dris. L., welches jedoch das Vorliegen der Volljährigkeit nur als "sehr wahrscheinlich" angibt, nicht jedoch mit Sicherheit ausweist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen mit der Frage der Altersbestimmung von Asylwerbern auseinandergesetzt und etwa in seinem Erkenntnis vom 16.4.2007, Zl. 2005/01/0463, u.a. ausgeführt:

 

"Der Verwaltungsgerichtshof verkennt weiters nicht, dass auch nach Einholung eines Sachverständigungsgutachtens im Einzelfall über das Alter (Volljährigkeit oder Minderjährigkeit) eines Asylwerbers nicht hinreichend gesicherte Aussagen bzw. eine Aussagesicherheit nur innerhalb einer Bandbreite möglich sind. In einem solchen Zweifelsfall wäre dann von dem vom Antragsteller (Asylwerber) angegebenen Geburtsdatum (Alter) auszugehen."

 

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur wäre in casu jedoch vom behaupteten Alter des Asylwerbers auszugehen gewesen, da das eingeholte SV-Gutachten letztlich auch die theoretische Möglichkeit offen lässt, dass der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt doch noch minderjährig gewesen sein kann. Die Wendung, dass "das Überschreiten des 18. Lebensjahres als sehr wahrscheinlich anzusehen ist" bedeutet nämlich zweifellos, dass diesbezüglich letztlich keine Sicherheit besteht. In diesem Zweifelsfall wäre sohin von dem vom Antragsteller angegebenen Geburtsdatum (Alter) auszugehen gewesen.

 

Für das erstinstanzliche Verfahren bedeutet dies in der Folge, dass sich die Zustellung des Bescheides vom 21.5.2008, Zl. 07 08.467-BAG, am 26.5.2008 an den Asylwerber persönlich (durch Hinterlegung beim Postamt) als unwirksam erweist, da - durch das Gebot im Zweifel von den Altersangaben des Antragstellers auszugehen - er zum Zeitpunkt der Zustellung das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat und somit minderjährig gewesen ist, sodass rechtswirksam nur seinem gesetzlichen Vertreter (oder allenfalls von diesem zur Vertretung des Asylwerbers bevollmächtigten Personen) zugestellt hätte werden können.

 

Letztlich liegen auch keine Hinweise dafür vor, dass der Zustellmangel bezüglich des erstinstanzlichen "Bescheides" durch tatsächliches Zukommen an den gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 9 ZustellG geheilt worden wäre.

 

Der Antrag des S.S. auf internationalen Schutz ist daher noch immer in erster Instanz anhängig!

 

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Berufungswerbers zur Folge. Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (siehe die in E 18 zu § 63 AVG zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², 1998).

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
gesetzlicher Vertreter, Minderjährigkeit, Zuständigkeitsmangel, Zustellmangel, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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