TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/16 E5 317742-1/2008

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Veröffentlicht am 16.10.2008
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Spruch

E5 317.742-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Grabner-Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. Habersack als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. AHORNER über die Beschwerde der D.H., geb. 00.00.1981, StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. ÖZTÜRK Tamer, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ. 06 12.456-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und D.H. gemäß §§ 3 iVm 34 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass D.H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1.Verfahrensgang:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei kurdischer Abstammung, stellte am 18.11.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde hiezu am 19.11.2006 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der GPI Schwechat Flughafen sowie am 28.11.2006 und am 10.09.2007 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich befragt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ. 06 12.456-BAL, wurde der Antrag auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt; in Spruchteil II wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt; unter einem wurde die Beschwerdeführerin in Spruchteil III des Bescheides unter Berufung auf § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Gegen diesen am 04.02.2008, nach einem erfolglosen Zustellversuch, beim dafür zuständigen Zustellpostamt hinterlegten Bescheid wurde mittels Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 15.02.2008 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben.

 

I.2. Sachverhalt:

 

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin türkische Staatsangehörige kurdischer Abstammung ist.

 

Sie ist die die Mutter des minderjährigen D.M., dem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, GZ. E5 317.743-1/2008-7E, der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Überdies ist sie die Ehegattin des D.C., welchem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.09.2008, GZ. B12 255.442-1/2008/11E, ebenfalls Asyl gewährt wurde.

 

I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides und des Bescheides des Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität der Beschwerdeführerin, ihrer illegalen Einreise und des Datums ihrer Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren in diesen Punkten glaubwürdige Angaben im Asylverfahren.

 

Was hingegen die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe betrifft, so ist Folgendes auszuführen:

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Das Bundesasylamt führt in diesem Zusammenhang aus, dass das Motiv der Ausreise der Beschwerdeführerin war, zu ihrem Ehegatten, welcher sich in Österreich aufhalte, zu gelangen. Die zweimaligen kurzfristigen Mitnahmen und Befragungen der Beschwerdeführerin bzw die Nachfragen zu Hause durch die Polizei werden vom Bundesasylamt nicht in Abrede gestellt, jedoch als nicht asylrelevant, weil nicht intensiv genug, gewertet.

 

Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist in diesem Zusammenhang folgendes festzuhalten: Die Beschwerdeführerin vermochte nicht darzulegen, dass die Befragungen eine GFK relevante Intensität erreicht haben, wurde doch nur apodiktisch ausgeführt, dass die Befragungen zweifellos die geforderte Intensität erreicht hätten. Dazu muss ergänzend angemerkt werden, dass diese Maßnahmen von ihrer Intensität her noch nicht als asylrelevant anzusehen sind, da allgemein kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen - nicht geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610).

 

Des Weiteren wird ausgeführt, dass auch die Beschwerdeführerin, genauso wie ihr Ehegatte, aufgrund einiger Familienangehöriger, welche Guerillakämpfer seien bzw im Gefängnis sitzen würden, somit die gesamte Familie D., einer Verfolgung in der Türkei ausgesetzt sei. Dazu ist auszuführen, dass der Grund für die Asylgewährung des Ehegatten der Beschwerdeführerin primär darin lag, dass er aufgrund seiner Nichtableistung seines Militärdienstes bei einer Rückkehr eine Anklage nach dem türkischen MilStGB zu erwarten habe und ihm bei einer Ableistung seines Wehrdienstes eine menschenunwürdige Behandlung drohe. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer einer Familie entstamme, die laut Sachverständigengutachten durch das türkische Militär bereits als "unvertrauenswürdig" eingestuft sei, vermöge sich hiebei als risikoerhöhend auszuwirken. Somit wurde für den Ehegatten der Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Familieneigenschaft festgestellt. Dies muss umso mehr für die Beschwerdeführerin selbst gelten, weshalb ihr aus diesem Grund kein Status einer Asylberechtigten zukommen kann.

 

Auch das Argument, dass die illegale Ausreise der Beschwerdeführerin zwangsläufig zu einer Inhaftierung führe, vermag daran nichts zu ändern, zumal dies keine Deckung in den vom Bundesasylamt herangezogenen Länderberichten findet, welchen in der Beschwerde mit keinem Wort entgegengetreten wurde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.1. Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.2.2. § 34 Abs. 1 AsylG lautet: Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von 1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigen zuerkannt worden ist; 2. einem Fremden, dem der Status eines des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder 3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Absatz 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Absatz 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

II.2.3. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das bestehende Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn in einem anderen Staat, nämlich insbesondere in ihrem Herkunftsstaat Türkei, möglich ist, war ihr aus diesem Grunde gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 4 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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