TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/20 2000/02/0305

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Veröffentlicht am 20.04.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der MR in M, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn und Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Badstraße 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 30. September 2000, Zl. Senat-MD-00-539, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 2000 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 28. August 1997 gegen 16.15 Uhr im Gemeindegebiet Tribuswinkel, auf dem Areal des in der Ebreichsdorfer Straße (= B 210) Nr. 9 situierten Landesgendarmeriekommandos für NÖ, Verkehrsabteilung, Außenstelle (in der Folge VAAST) Tribuswinkel, bis vor das Gendarmeriegebäude, als Lenkerin ein nach dem Kennzeichen näher bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und der Alkoholgehalt ihrer Atemluft 0,96 mg/l, somit mehr als 0,8 mg/l betragen habe. Sie habe eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen; es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass sie nicht vernommen worden sei und ihr das Recht des Parteiengehörs "gemäß § 52g und § 51 VStG und andere" genommen worden sei. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass sie im gesamten Verwaltungsstrafverfahren anwaltlich vertreten war, und ihr Vertreter mehrfach die Gelegenheit wahrgenommen hat, Akteneinsicht zu nehmen bzw. Stellungnahmen zu erstatten und auch in den von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlungsterminen zugegen war. Es gibt im Verwaltungsverfahren kein ausschließlich einem Beschuldigten persönlich zustehendes Recht auf Parteiengehör losgelöst von dem von ihrem gewillkürten Vertreter gewährten und wahrgenommenen Parteiengehör. Auch legt die Beschwerdeführerin zu ihrer weiteren Verfahrensrüge nicht dar, welche entscheidungsrelevanten, nicht aktenevidenten bzw. von ihrem Vertreter nicht vorgebrachten oder nicht vorbringbaren Aussagen durch ihre persönliche Vernehmung hervorgekommen wären.

Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, sie habe im Verfahren ausdrücklich angegeben, Eruktationen ("sprich erbrechen, geringfügiges Erbrechen in die Mundhöhle mit einem anschließenden schlucken müssen dieser Mageninhalte") gehabt und Medikamente eingenommen zu haben. Es wäre daher "Sache der Berufungsbehörde gewesen, einen medizinischen Sachverständigen beizuziehen, der dann das Auftreten von Eruktationen als Grundlage für eine Fehlmessung hätte feststellen können". Dass die Behauptung von Eruktationen nicht gegenüber den intervenierenden Gendarmeriebeamten abgegeben worden sei, sei "vollkommen klar und verständlich", weil ein solcher "unangenehmer" gesundheitlicher Zustand nicht gerne offengelegt werde. Die Eruktationen seien erst dem Vertreter im Verwaltungsstrafverfahren durch einen Zufall bekannt geworden, dieser habe sie der Behörde dargelegt.

Die belangte Behörde hat diesen Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, dass angesichts der "fehlenden einnahmezeitpunktmäßigen Konkretisierung der behaupteten Medikamenteneinnahme, des Fehlens konkreter Angaben (Intensität, Häufigkeit, Ursache, Zeitpunkte etc.) zur behaupteten Eruktation" sowie in sich widersprüchlicher Angaben zum eingenommenen Präparat (laut Angaben am Tattag: Aspirin; laut Berufungsschrift:

Aspirin C), abgesehen von der Unglaubwürdigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführerin, "kein, für eine medizinische Befund- und Gutachtenserstattung ausreichendes und eine solche geboten erscheinen lassendes, Tatsachenvorbringen" der Beschwerdeführerin vorliege, weshalb die beantragte Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises ziele.

Der belangten Behörde ist schon dahingehend zu folgen, dass für die Erstattung eines medizinischen Sachverhaltsgutachtens notwendige konkrete Angaben von der Beschwerdeführerin nicht gemacht wurden. Die Beschwerdeführerin übersieht auch, dass der Zeuge Insp. G.Z. in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2000 ausgesagt hat, dass sich die Beschwerdeführerin nicht dahingehend geäußert habe, Brechreiz zu haben und auch nicht von einem "Aufstoßen" gesprochen habe. Er selbst habe die Beschwerdeführer beobachtet, aber keine derartigen Beobachtungen getätigt. Dass die belangte Behörde die ungenauen Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Eruktationen auch als nicht glaubwürdig erachtete, ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen. Ein konkreter Einfluss der angeblich eingenommenen Medikamente auf die Untersuchung wurde nicht behauptet. Die Unterlassung der Einholung eines ärztlichen Gutachtens stellt somit keinen Verfahrensmangel dar.

Des Weiteren bekämpft die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich ihrer Lenkereigenschaft. Sie verweist dazu auf die durch im Akt erliegende Lichtbilder (es handelt sich um ein Lichtbild und eine davon angefertigte Kopie) ihrer Meinung nach bestätigte Behauptung, die Jalousien des Journaldienstraumes, von welchem aus der Meldungsleger ihre Lenkereigenschaft beobachtet haben wolle, seien zur Gänze geschlossen gewesen. Die Beschwerdeführerin vermisst diesbezüglich die Durchführung eines Lokalaugenscheines. Sie übersieht, dass das vom Journaldienstraum aufgenommene Lichtbild nicht vom Tattag stammt, sondern nach ihren eigenen Angaben an einem nicht näher bezeichneten Tag im September/Oktober 1997 aufgenommen wurde. Dieses Foto kann daher die jederzeit rasch veränderbare Situation der Stellung der Außenjalousie zur Tatzeit nicht belegen. Entscheidungsrelevanz kommt aber ausschließlich der tatzeitlichen Stellposition der vor dem Journaldienstraum befindlichen Jalousien sowie den von diesem Raum aus gegebenen Sichtverhältnissen zu. Dass die belangte Behörde zu den Angaben über die Sichtverhältnisse aus dem Journaldienstraum den Angaben des Meldungslegers folgte, ist nicht als unschlüssig zu erkennen. Wie die belangte Behörde in der Abweisung des Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines richtig ausführt, sind diese Sachverhaltselemente im Wege eines nahezu drei Jahre nach dem Tattag durchzuführenden Lokalaugenscheines nicht mehr feststellbar.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerdeführerin, ihr sei in der "Strafanzeige" ausschließlich der im Straferkenntnis inkriminierte Tatort "Ebreichsdorfer Straße 1-7" vorgehalten worden. Es sei lediglich unter Pkt. B, Beweismittel bzw. Führerscheinabnahme auch die Zufahrt auf das Areal des Gendarmeriepostenkommandos angegeben. Dies könne nicht als die Verfolgungsverjährung unterbrechender Vorhalt gewertet werden. Die belangte Behörde sei demnach nicht berechtigt gewesen, den Tatort in der nunmehrigen Weise in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufzunehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG insbesondere auch dar, wenn dem Vertreter des Beschuldigten die Anzeige, aus der sich der von der Behörde angenommene, die in Rede stehende Übertretung betreffende Sachverhalt ergibt, durch Akteneinsicht zur Kenntnis gebracht wird (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 924, e), wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr im Verwaltungsstrafverfahren ausgewiesener Vertreter am 14. November 1997 Akteneinsicht erhalten hat und zur schriftlichen Stellungnahme binnen vier Wochen aufgefordert wurde. Dieser Aufforderung wurde durch die "aufgetragene Stellungnahme" vom 27. November 1997, welche auf die Anzeige Bezug nimmt, nachgekommen. In der Anzeige ist zwar unter Darstellung der Tat vermerkt, dass der Lenkvorgang auf der Ebreichsdorfer Straße Nr. 1- 7 stattgefunden habe, jedoch findet sich des Weiteren in der Anzeige, dass die Beschwerdeführerin das Kfz "auf das Areal der VAAST Tribuswinkel, bis vor das Gendarmeriegebäude" gelenkt habe. An anderer Stelle ist enthalten, dass der Pkw von der Beschwerdeführerin durch das Eingangstor fahrend gelenkt worden sei und sie den Pkw rechts vom Hauseingang zum Journaldienstraum der VAAST Tribuswinkel abgestellt habe. Aus der Anzeige ergibt sich sohin als gesamte gefahrene Wegstrecke "auf der Ebreichsdorfer Straße Nr. 1-7, aus Richtung Baden in Richtung Oeynhausen bis zur Abstellung des Pkw's rechts vom Hauseingang des Gendarmeriegebäudes". Die zur Last gelegte Tat betraf sohin das Lenken über die gesamte in der Anzeige enthaltene Fahrtstrecke, weshalb die Berufungsbehörde berechtigt war, an Stelle des von der Behörde erster Instanz verwendeten Teiles der Fahrtstrecke einen anderen Teil der nach der Anzeige im Zuge einer einheitlichen Fahrt zurückgelegten Strecke als Tatort zu bezeichnen, ohne dass sie eine Auswechslung der Tat vornahm.

Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin, dass die Tatzeitangabe unrichtig sei und mit dem abgeführten Beweisverfahren im Widerspruch stehe, weil der Vorfall "weit vor

16.15 Uhr" erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass sie nach ihrer Stellungnahme vom 27. November 1997 angegeben hat, um ca. 15.30 Uhr einen Badeaufenthalt in Bad Fischau beendet zu haben, nach Rückkehr zum Parkplatz und Feststellung einer Beschädigung an ihrem Fahrzeug ihren Ehegatten angerufen habe, sich in der Folge mit ihm an einem Parkplatz an der B 21 getroffen habe, mit diesem weitergefahren sei, wobei sie sich zuerst Richtung Baden verfahren hätten und erst nach Rückfrage bei einer Tankstelle und darauf folgendem Umkehren "vor 16.00 Uhr" zum Autobahngendarmerieposten gelangt sei. Damit kann keine Rede davon sein, dass die Tat "weit vor 16.15 Uhr" begangen worden sei. Angesichts der relativ geringen uhrzeitmäßigen Schwankungsbreite entspricht die Bezeichnung der Tatzeit "gegen 16.15 Uhr" dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Die Tatzeit ist auch nicht als "mit dem abgeführten Beweisverfahren im Widerspruch" stehend anzusehen.

Zuletzt bringt die Beschwerdeführerin vor, der von der Berufungsbehörde umschriebene Tatort stelle keine "öffentliche Straße im Sinne des § 1 StVO dar".

Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gelten als Straßen mit öffentlichem Verkehr solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Der Begriff "öffentliche Straße" ist demnach nicht mit dem Begriff "Straße mit öffentlichem Verkehr" der StVO identisch. Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nie bestritten, dass der letzte, zur Bestrafung führende Teil der in der Anzeige beschriebenen Fahrtstrecke nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin leitet ihre Ansicht allein aus dem Berufungsbescheid ab. Im Berufungsbescheid ist zwar von einem "Einfahrtstor" die Rede, die belangte Behörde hat jedoch ausgeführt, dass "der Fahrzeug- und Fußgängerverkehr ... weder auf der Zufahrtsstraße noch auf dem VAAST-Areal auf einen bestimmten Personenkreis eingeschränkt" sei. Das bloße Vorhandensein eines Einfahrtstores ohne weitere Einfahrtsbeschränkung nimmt aber der Zufahrtsstraße zu einem Journaldienstgebäude einer der Allgemeinheit dienenden Einrichtung, wie dies auch eine Dienststelle der Autobahngendarmerie ist, nicht den Charakter als Straße mit öffentlichem Verkehr.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 2001

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüber Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Parteienvertreter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020305.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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