TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/17 E5 402552-1/2008

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Spruch

E5 402.552-1/2008-8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Grabner-Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. Habersack als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. AHORNER über die Beschwerde der K.G., geb. 00.00.1964, StA. Türkei, vertreten durch RAe Lehofer & Lehofer, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.10.2008, FZ. 08 10.266-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II des bekämpften Bescheides wird gemäß §§ 3 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. und IV. des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und Spruchpunkt III. und IV. ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1.Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei kurdischer Abstammung, reiste am 20.05.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde hiezu am 20.10.2008 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Traiskirchen erstbefragt. Am 22.10.2008 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.10.2008, FZ. 08 10.266-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen; in Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Gleichzeitig wurde in Spruchpunkt IV. einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei wiederholt durch türkische Polizisten verhaftet, angehalten und nach dem Aufenthaltsort ihres Ehegatten befragt worden, nicht glaubwürdig sei und deshalb mangels eines unter die GFK subsumierbaren Fluchtgrundes die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen sei. Weiters wurde festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen würden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei mangels einer glaubhaften Gefährdungssituation einer Gefahr ausgesetzt sei. Zu Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden konnten, welche den Schluss zulassen würden, dass durch die Ausweisung der Beschwerdeführerin auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde. In Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 20.05.2008 nach Österreich gekommen sei und erst am 20.10.2008 einen Asylantrag gestellt habe, zumal ihr die Verkennung der Rechtslage durch den gewillkürten Vertreter, nämlich dass eine schriftliche Antragstellung keinerlei Rechtswirkungen entfalte, zugerechnet werden muss, weshalb gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde abzuerkennen sei.

 

Gegen diesen am 03.11.2008 der Beschwerdeführerin und am 24.10.2008 ihrem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 06.11.2008 fristgerecht Beschwerde erhoben. Die dagegen erhobene Beschwerde wiederholt im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin. Die Gefährdung der Beschwerdeführerin liege somit nicht darin, dass sie eine einfache Kurdin sei sondern darin, dass es sich beim Ehegatten der Beschwerdeführerin um einen kurdischen Geistlichen handele und somit quasi eine Schlüsselfigur in der Kurdenbewegung und damit ein Feindbild der türkischen Behörden sei. Stellvertretend für ihren Ehegatten, der 2003 nach Österreich geflohen sei, habe die Beschwerdeführerin die Verfolgungen und Bedrohungen durch die türkische Polizei erdulden müssen. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin in die Türkei ihr Recht auf Privat- und Familienleben berühre. Auch seien die erstinstanzlichen Feststellungen unvollständig geblieben, als das Bundesasylamt die Zustände, welche in den türkischen Polizeistationen und Gefängnissen, insbesondere im Hinblick auf kurdisch stämmige Gefangene, bestehen, unerwähnt lässt.

 

I.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.1. Die Beschwerde hält der substantiierten Beweiswürdigung der Erstbehörde in Bezug auf die fehlende Asylrelevanz des Vorbringens der Beschwerdeführerin nichts Substantiiertes entgegen. Überdies ist in diesem Zusammenhang auf die beweiswürdigenden Ausführungen im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.09.2008, GZ. E5 241.764-0/2008-23E, zu verweisen, in welchen ausführlich dargelegt wird, dass dem Vorbringen des Ehegatten der Beschwerdeführerin ob der zahlreichen Widersprüche keine Glaubwürdigkeit zukommen kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin erst in der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 21.08.2007 erstmalig davon sprach, dass er als Vorbeter in der Osttürkei tätig gewesen sei und aus diesem Grund die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf sich gezogen habe. Auch diesen Angaben musste die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Die Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag auf internationalen Schutz mit dem Vorbringen ihres Ehegatten, dem jedoch in seinem Asylverfahren die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf seine Ausreisegründe nicht zuerkannt wurde. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass - bei einer hypothetischen Wahrunterstellung des Vorbringens der Beschwerdeführerin - es in der Türkei keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden, gibt. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen. Weiters sei angemerkt, dass bei Wahrunterstellung dieser Befragungen, diese Maßnahmen von ihrer Intensität her nicht als asylrelevant anzusehen sind, da allgemein kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen - nicht geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610).

 

II.2.2. Aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen zur allgemeinen Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei ergibt sich zudem, dass sich allein aus der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kurden in der Türkei kein asylrelevanter Umstand ergibt. Dies wird in der Beschwerde auch bekräftigt, indem ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin nicht alleine aufgrund ihrer Kurdeneigenschaft einer Gefährdung in der Türkei ausgesetzt sei. In Ermangelung von Hinweisen, die Beschwerdeführerin würde in ihrem Herkunftsstaat einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ausgesetzt sein, war die Erstbehörde auch berechtigt, von der Gewährung subsidiären Schutzes in diesem Fall abzusehen. Was die Rüge in der Beschwerde anbetrifft, dass die erstinstanzlichen Feststellungen unvollständig geblieben seien, als das Bundesasylamt die Zustände, welche in den türkischen Polizeistationen und Gefängnissen, insbesondere im Hinblick auf kurdisch stämmige Gefangene, bestehen, unerwähnt lässt, ist auszuführen, dass diesbezüglich keine Feststellungen notwendig sind, als dies nämlich in keinem Zusammenhang zum Vorbringen der Beschwerdeführerin steht, zumal die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die behaupteten Festnahmen nicht zuerkannt wurde.

 

II.2.3. Die Entscheidung der Erstbehörde zur Ausweisung war hingegen zu beanstanden. Im Falle der Beschwerdeführerin liegt nämlich eine Konstellation vor, in der zum Zeitpunkt der gegenständlichen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung nicht die ganze Familie von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen war. In concreto wurde über den Ehegatten der Beschwerdeführerin (noch) keine Ausweisung verhängt, zumal infolge der Anwendung des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002, seitens der Erstbehörde für dessen Verfahren eine Kompetenz zur asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung nicht bestand; diese hätte nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage durch die Fremdenbehörden zu erfolgen. Da es infolge der (nur) gegenüber der Beschwerdeführerin ausgesprochenen asylrechtlichen Ausweisung möglich erscheint, dass diese das Bundesgebiet ohne ihren Ehegatten zu verlassen hat, greift eine solche Ausweisung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben der Beschwerdeführerin ein (VwGH 16. Jänner 2008, 2007/19/0851). Daraus folgt, dass die asylrechtliche Ausweisungsentscheidung der Erstbehörde ersatzlos zu beheben war.

 

II.2.4. Was die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG betrifft, so ist diese durch den Wegfall der Ausweisungsentscheidung obsolet und es braucht auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht näher eingegangen werden.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Befragung, Glaubwürdigkeit, Intensität, mangelnde Asylrelevanz, Minderheiten-Zugehörigkeit, non refoulement, Sippenhaftung, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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