TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/16 E5 402718-2/2008

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Veröffentlicht am 16.12.2008
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Spruch

E5 402.718-2/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. GRABNER-KLOIBMÜLLER als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau PRAHER über die Beschwerde des S.A., geb. 00.00.1981, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2008, FZ. 08 01.342-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 25.01.2008 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2008, FZ. 08 01.342-BAI, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG ab; in Spruchteil II wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil III des Bescheides gemäß § 8 Abs 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.07.2009 erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 07.07.2008 persönlich zugestellt.

 

I.2. Mit Schreiben vom 21.08.2008 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ein und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2008, FZ. 08 01.342-BAI. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nach der Behebung des o.a. Bescheides von der Heimleiterin angewiesen worden sei, diesen samt einer eigenhändig geschriebenen Fluchtgeschichte zur Caritas in I. zu bringen. Der Beschwerdeführer habe diese Anweisung auch befolgt und den Bescheid am 10.07.2008 samt einer eigenhändig verfassten Fluchtgeschichte bei der Flüchtlingsstelle der Caritas in I. abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die juristische Mitarbeiterin der Beratungsstelle urlaubsbedingt bis einschließlich 27.07.2008 nicht anwesend gewesen, weshalb unter anderem ein Zivildiener und eine Praktikantin für den reibungslosen Ablauf in der Rechtsabteilung verantwortlich gewesen seien und diesbezüglich auch genaue Anweisungen erhalten hätten. Demnach sei dem Zivildiener die Aufgabe übertragen worden, die Bescheide zu kopieren und der Praktikantin zu übergeben, welche in weiterer Folge eine Übersichtsliste erstellt habe, in der alle bei der Beratungsstelle abgegebenen Bescheide einzutragen gewesen seien. Nach der Eintragung in die Übersichtsliste und der Bearbeitung der Akten sei jeweils ein Stapel für die Akten angelegt worden, bei denen eine Beschwerde verfasst worden sei und ein Stapel für jene Akten, die noch zu erledigen gewesen seien. Trotz dieser Vorkehrungen sei der Akt des Beschwerdeführers ohne weitere Bearbeitung fälschlich als "erledigt" abgelegt worden und sei die juristische Mitarbeiterin erst am 13.08.2008 bei der inhaltlichen Kontrolle der erledigten Akten aufgefallen, dass in der Sache des Beschwerdeführers keine Beschwerde verfasst und somit auch nicht versandt worden sei. Noch am selben Tag wurde der Beschwerdeführer telefonisch davon verständigt, dass seine Beschwerde unerledigt geblieben und somit die Rechtmittelfrist versäumt worden sei.

 

In der gleichzeitig eingebrachten Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2008, FZ. 08 01.342-BAI, wurde im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2008, FZ. 08 01.342-BAI, wies das Bundesasylamt den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ab und führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer auffallend sorglos gehandelt habe, indem er - obwohl er über die Beschwerdemöglichkeit und die Beschwerdefrist in Kenntnis gewesen sei - den Bescheid einfach der Caritas weitergeben habe, ohne sich selbst innerhalb der Frist um die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde bemüht zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch seine ihm zumutbare Sorgfalt in einem Maße außer Acht gelassen, das nur als auffallend sorglos bezeichnet werden könne, weshalb er die ihm daraus entstandenen rechtlichen Nachteile selbst zu tragen habe und die vom Beschwerdeführer angeführten Fehlleistungen der Caritas-Mitarbeiter irrelevant seien.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2008, FZ. 08 01.342-BAI, erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben, eingelangt am 04.11.2008, fristgerecht gegenständliche Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass dem Beschwerdeführer eine von ihm außer Acht gelassene Sorgfalt in keinster Weise vorgeworfen werden könne. Der Beschwerdeführer habe die notwendigen Schritte unternommen um eine rechtzeitige Erhebung der Beschwerde zu gewährleisten, indem er den Bescheid einer Stelle, welche mit derartigen Rechtssachen seit Jahren betraut ist, übergeben habe. Darüber hinaus könne vom Beschwerdeführer jedoch nicht verlangt werden, dass sich dieser noch zu vergewissern habe, ob von der Caritas tatsächlich fristgerecht Beschwerde erhoben worden sei oder nicht. Diese von der belangten Behörde auferlegte Sorgfaltspflicht gehe zu weit und habe für weitere Überprüfungen von Seiten des Beschwerdeführers keine Notwendigkeit bestanden. Selbst wenn der Beschwerdeführer bei der Caritas das Einbringen seiner Beschwerde urgiert hätte, wäre eine Fristversäumung nicht zu verhindern gewesen, zumal er aufgrund der falschen Ablage eines Aktes die Auskunft erhalten hätte, dass seine Beschwerde als "erledigt" abgelegt worden sei. Somit stelle die als erledigt abgelegte Beschwerde ein für den Beschwerdeführer unvorhergesehenes Ereignis iSd § 146 Abs 1 ZPO dar, welche ihn an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert habe.

 

I.4. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, der Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Gemäß Art. 151 Abs 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof (soweit keine der Ausnahmen des § 61 Abs 3 AsylG 2005 vorliegt) in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs Berufung der Begriff Beschwerde tritt.

 

II.2. Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Gemäß § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134, ua.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteingerechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt sohin nur in Betracht, wenn der Partei kein Verschulden oder ein nur minderer Grad des Versehens angelastet werden kann (VwGH 22.01.1992, 91/13/0254). Ausgehend von dem im Schadenersatzrecht gebräuchlichen Verständnis des Begriffs der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt (vgl. etwa Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 11 ff und 21 zu § 1294; Rz 2 zu § 1297; ABGB3 Rz 8 zu § 1324) muss diese Sorgfalt hingegen qualifiziert unterschritten werden, damit von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden kann (vgl. in diesem Sinn aus der hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0141, vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0559, vom 26. Juni 2002, Zl. 2000/21/0086, vom 29. Jänner 2004, Zl. 2001/20/0425, und vom 22. Juli 2004, Zl. 2004/20/0122; zuletzt in Anknüpfung an eine ua. vom Obersten Gerichtshof aufgegriffene Formulierung Reischauers das Erkenntnis vom 21. April 2005, Zl. 2005/20/0080; ein Zitat der ersten der dort genannten OGH-Entscheidungen findet sich - in der zweiten Auflage - auch bei Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechts, Rz 580). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.93, 93/03/0136; 2004/01/0558, 24.05.2005). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an behördlichen oder gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559; VwGH 29.01.2004, 2001/20/0425).

 

Ein Ereignis ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann unvorhergesehen, wenn es tatsächlich nicht einberechnet werden konnte bzw. dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann. Des Weiteren ist die Unabwendbarkeit eines Ereignisses dann gegeben, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann.

 

II.3. Im gegenständlichen Fall wandte sich der Beschwerdeführer am 10.07.2008 mit dem Bescheid des Bundesasylamtes und einem eigenhändig verfassten Fluchvorbringen an eine Flüchtlingsberatungsstelle der Caritas. Dennoch wurde die Beschwerde gleichzeitig mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erst am 21.08.2008 mittels Telefax bei der zuständigen Behörde, somit 29 Tage verspätet, eingebracht. Dies allein würde jedenfalls den Tatbestand der groben Sorgfaltslosigkeit darstellen, sofern nicht glaubhaft dargelegt wird, dass den Beschwerdeführer oder dessen Vertreter ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels gehindert hätte.

 

Vorweg ist daher abzuklären, welche rechtliche Qualität das Verhältnis zwischen den Mitarbeitern der Caritas und dem Beschwerdeführer aufweist. In rechtlicher Hinsicht wird grundsätzlich zwischen einem Rechtsvertreter im eigentlichen Sinn und einem schlichten Boten unterschieden. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen zwei Institutionen liegt in der Regel in einem bestehenden Vollmachtsverhältnis, welches um rechtlich als Vertreter einer Partei zu gelten, vorliegen muss. Ist dies der Fall, so gibt dieser mit Wirkung für den Vertretenen eine eigene Erklärung ab. Ein dem Vertreter zukommendes Verschulden ist der Partei zuzurechnen. Dem Boten kommt an sich keine Vertretungsmacht zu, da er bloß eine Erklärung des Auftraggebers überbringt. Dessen Verschulden ist der Partei somit nicht zuzurechnen, außer in den Fällen, in denen die Partei ihrer zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflichten gegenüber dem Boten nicht nachgekommen ist (vgl. VwGH 2008/05/0122 v. 23.06.2008; VwGH 2000/16/0055 v. 19.03.2003 VwSlg. 9703 A/1978; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren 12, E 90 ff zu § 71 AVG).

 

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist diesbezüglich jedoch nur zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den Bescheid samt der von ihm eigenhändig verfassten Fluchtgeschichte bei der Beratungsstelle der Caritas "abgegeben" hat (AS 379). Nähere Ausführungen dazu, die auf eine Beauftragung der Mitarbeiter der Caritas zum Verfassen einer Beschwerde und zur rechtzeitigen Absendung dieser hindeuten, ist dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch nicht zu entnehmen. Da auch aus dem vorliegenden Verwaltungsakt keine entsprechende Vollmacht hervorgeht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein aufrechtes Vertretungsverhältnis im eigentlichen Sinn vorliegt. Allein darin, dass der Beschwerdeführer den Bescheid des Bundesasylamtes mit einem eigenhändig verfassten Fluchtvorbringen in der Beratungsstelle der Caritas ohne weitere Instruktionen abgibt, kann weder eine Bevollmächtigung gesehen werden noch der Einsatz der Caritas-Mitarbeiter als Boten, welche möglicherweise nur als Überbringer der vom Beschwerdeführer verfassten Fluchtgeschichte fungieren sollten, weshalb nicht eindeutig feststellbar ist, ob zwischen dem Beschwerdeführer und den Caritas-Mitarbeitern ein Bevollmächtigungsvertrag iSd § 1002 ABGB dergestalt zustande gekommen ist, dass sich Letztere zur Vornahme einer Rechtshandlung verpflichteten oder diese nur die Übermittlung einer Erklärung vornehmen sollten.

 

Diesbezüglich ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag gesteckt wird (vgl. VwGH 2000/20/0534 v. 22.02.2001; 2005/20/0367 v. 22.12.2005). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 99/01/0268 v. 22.03.2000 unter Bezugnahme auf das dg. Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0983). Im Übrigen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden bleibt. Eine Auswechslung dieses Grundes im Beschwerdeverfahren ist rechtlich unzulässig (VwGH 99/17/0317 v. 28.02.2000; VwGH 99/20/0543 v. 30.11.2000).

 

Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag zur Folge den Bescheid samt eigenhändig geschriebener Fluchtgeschichte in der Beratungsstelle der Caritas lediglich "abgegeben" hat (eine ausdrückliche Beauftragung der anwesenden Mitarbeiter mit dem Verfassen einer Beschwerde und der rechtzeitigen Einbringung dieser bringt der Beschwerdeführer nicht vor) stellt sich die nun Frage, ob dem Beschwerdeführer selbst nicht mehr als nur ein geringer Grad des Versehens vorzuwerfen ist, zumal er sich weder über die weitere Vorgangsweise bei den Mitarbeitern der Caritas erkundigte noch sich darüber vergewisserte, ob die entsprechenden Maßnahmen auch rechtzeitig gesetzt werden würden. Dem Beschwerdeführer wäre es in Anbetracht der Schwere der rechtlichen Folgen durchaus zuzumuten gewesen, sich noch innerhalb der Rechtmittelfrist über die rechtzeitige Einbringung einer Beschwerde bei der Caritas zu erkundigen und gegebenenfalls auf die rechtzeitige Einbringung hinzuwirken. Zudem dürfte er - auch nach Abgabe eines Bescheides bei einer mit derartigen Verfahren vertrauten Einrichtung - nicht damit gerechnet haben, dass sozusagen "automatisch" in jedem Falle ohne weitere Instruktionen eine Beschwerde erhoben wird.

 

Da im Wiedereinsetzungsantrag auch keine weiteren Anhaltspunkte für die berechtigte Annahme des Beschwerdeführers, von den Mitarbeitern der Caritas würde rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben werden, entnommen werden kann und weder eine Bevollmächtigung der Caritas-Mitarbeiter zum Verfassen einer Beschwerde noch deren Einsatz als Übermittler einer Beschwerde eindeutig feststellbar ist, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen, dass ihn an der Nichteinhaltung der Beschwerdefrist kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden treffe. Die schlichte Annahme der pflichtgemäßen Rechtsmitteleinbringung lediglich aufgrund der Abgabe des Bescheides bei der Caritas entspricht aus Sicht des Asylgerichtshofes keinesfalls dem Erfordernis der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Sorgfaltspflicht (vgl VwGH 2004/21/0139 v. 31.08.2006). Hinzuweisen ist in diesem Kontext auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Fehlen von Tatsachenbehauptungen aus denen sich in rechtlicher Hinsicht ableiten ließe, dass das zur Fristversäumung führende Verhalten (Untätigkeit) bloß auf einem minderen Grad des Versehens beruht, zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages führt (vgl VwGH 2008/21/0320 v. 28.05.2008).

 

Vor dem Hintergrund des oben Ausgeführten konnte kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, welches die Einhaltung der Berufungsfrist verhinderte, glaubhaft gemacht werden, da das Vorgehen des Wiedereinsetzungswerbers, welches zum von ihm behaupteten unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignis führte, von der zumutbaren Sorgfalt, die von einem interessierten Asylwerber zu erwarten ist, extrem abweicht und daher grob sorgfaltswidrig war. Von einem minderen Grad des Versehens kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht lässt (VfSlg 15.218, VwGH 2007/047/0135 v. 15.09.2005).

 

II.4. Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte somit aufgrund Entscheidungsreife nach Aktenlage abgesehen werden.

Schlagworte
Fristversäumung, minderer Grad eines Versehens, Vertretungsverhältnis, Vollmacht, Wiedereinsetzung, Zumutbarkeit, Zurechenbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
02.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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