TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/26 98/16/0254

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Veröffentlicht am 26.04.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/01 Jurisdiktionsnorm;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

ABGB §1380;
GebG 1957 §33 TP5;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 §18 Abs1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
JN §59;
VwRallg;
ZPO §204;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der M in M, vertreten durch Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, Georg-Ruck-Straße 9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Krems vom 25. August 1998, Zl. Jv 2304-33/98, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In ihrer beim Bezirksgericht Kirchberg am Wagram zur GZ. C 167/95p erhobenen Klage war von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, bezüglich einer Reihe von Grundstücken, die ihr und dem Beklagten (ihrem früheren Ehegatten) je zur Hälfte gehörten, sei mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Hollabrunn der Beklagte als Verwalter der gemeinsamen Liegenschaften enthoben worden. Auf Grund des Verhaltens des Beklagten, der eine Verpachtung dieser Liegenschaften hintertrieben habe, wurde von der Beschwerdeführerin das Urteil begehrt, hinsichtlich der im Hälfteeigentum der Streitteile bestehenden Liegenschaften sei ein Fremdverwalter zu bestellen.

Im Zuge des Streitverfahrens wurde als Beilage ./A ein Schreiben der B., gerichtet an beide Streitteile, vorgelegt, wonach B. angeboten hat, bestimmte Grundstücke um einen gewissen Pauschalbetrag auf fünf Jahre zu pachten.

Darauf wurde in der Streitverhandlung vom 13. Juni 1995 zwischen den Streitteilen ein Vergleich geschlossen, dessen Punkt 1. auszugsweise wiedergegeben lauten:

"1. Die Parteien kommen überein, die im Anbot Beilage ./A, welches einen integrierenden Vergleichsbestandteil bildet, angeführten Liegenschaften an (B) in Annahme dieses Anbotes zu verpachten.

Als Pachtschilling ist von der Pächterin für den Zeitraum vom Frühling 1995 bis 30. August 1995 ein solcher von S 35.000,--, ab 1. September 1995 bis 30. Oktober 1999 ein solcher von S 119.000,--

jährlich, zahlbar jeweils am 30. September eines jeden Jahres an die Parteien dieses Verfahrens zu bezahlen, wobei bis 1. September 1995 von der Verpachtung ausgenommen sind .... "

Die Klage wurde von der Beschwerdeführerin mit S 100.000,-- bewertet und auf dieser Basis die Pauschalgebühr nach TP 1 entrichtet. Mit Zahlungsauftrag vom 1. Juli 1998 forderte der Kostenbeamte die restliche Pauschalgebühr auf der Basis von S 511.000,-- (Summe des Pachtschillings laut Punkt 1 des Vergleiches) und S 100,-- Einhebungsgebühr an. In ihrem dagegen erstatteten Berichtigungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG komme nicht zur Anwendung, weil der Vergleich keine Leistung zum Gegenstand gehabt hätte, deren Wert das Klagebegehren überstieg. Die Pächterin und Schuldnerin der Pachtzinse B. sei nicht Prozesspartei gewesen; ein Vergleichsabschluss zu Lasten Dritter sei nicht möglich. Gegenstand des Vergleiches sei nur ein Übereinkommen der beiden Streitteile des Zivilverfahrens gewesen, die Liegenschaft an B. zu verpachten. Auch § 58 Abs. 1 JN komme nicht zur Anwendung, weil es nicht um einen Streit über das Recht zum Bezug der im § 58 Abs. 1 JN genannten Leistungen oder Nutzungen gehandelt habe. Eine Streitwertänderung habe daher nicht stattgefunden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag hinsichtlich dieses Vorbringens keine Folge. Eine gebührenrelevante Änderung des Streitwertes (§ 18 Abs. 2 Z. 2 GGG) sei eingetreten, weil es allein darauf ankomme, ob im Vergleich eine Verfügung über materielle Rechte enthalten sei und der Vergleich zum Zweck der Beendigung des Rechtsstreites getroffen worden sei. Punkt 1 des abgeschlossenen Vergleiches habe eine Verfügung über die gemeinsamen Liegenschaften der Prozessparteien beinhaltet. Dieser Vergleichspunkt sei im ursprünglichen Klagebegehren nicht enthalten gewesen, weshalb er für die Berechnung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Auch Leistungen von Dritten seien nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 44 bis 60 JN.

§ 56 JN (hier in der Fassung BGBl. Nr. 343/1989) lautet:

"§ 56.

(1) Erbietet sich der Kläger an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§ 7a) maßgebend.

(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterlässt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von 30 000 S als Streitwert.

(3) Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen."

Hier wurde in der Klage kein Geldleistungsbegehren erhoben, sodass § 56 JN Anwendung fand, wobei auch nicht der Fall des § 56 Abs. 1 JN vorliegt. Nach dessen Abs. 2 hat in allen anderen Fällen der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben.

Dies ist im vorliegenden Fall erfolgt; die Beschwerdeführerin hat den Wert mit S 100.000,-- beziffert.

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Nach der Vorschrift des Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle tritt hievon u.a. folgende Ausnahme ein: Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Schließen die Parteien im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens einen Vergleich, so richtet sich die Bemessungsgrundlage nach dem Wert der Leistung, zu der sich die Parteien verpflichtet haben (vgl. insbesondere die bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 unter E 6 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur). Wesentlich ist allein die gerichtlich protokollierte Vereinbarung, die eine Verfügung über materielle Rechte enthält und zum Zweck der Beendigung des Rechtsstreites (siehe die Definition des Vergleiches bei Fasching, Lehrbuch des Zivilprozessrechtes2, RZ 1324) getroffen wurde. Die Verwendung des Wortes "verpflichtet" ist zur Auslösung der Gebührenpflicht nicht erforderlich, die Verpflichtung kann auch durch eine andere Formulierung ausgedrückt werden (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. April 2000, Zl. 99/16/0507 m.w.N.).

Diesen Anforderungen entspricht der vorliegende Vergleich:

Der Vergleich war prozessbeendend und von beiden Streitteilen wurde die Verpflichtung übernommen, im Rahmen der Verwaltung der Liegenschaft (§ 833 oder § 834 ABGB) die Grundstücke an B. zu einem ziffernmäßig bestimmten Pachtzins zu verpachten.

Eine Änderung des Streitwertes trat dadurch aber nicht ein. Hätte die Klägerin das in der Folge durch Vergleich erzielte Ergebnis schon in der Klage begehrt, so hätte die Klage unzweifelhaft auf Abgabe einer Willenserklärung - Annahme des Angebotes der B. - gerichtet werden müssen. Damit liegt aber ein Fall des § 59 JN vor: Bei Klagen auf Vornahme von Arbeiten oder anderen persönlichen Leistungen, auf Duldung oder Unterlassung, auf Abgabe von Willenserklärungen ist die vom Kläger angegebene Höhe seines Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen. Der vorliegende Fall ist nicht anders zu beurteilen als jener, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 97/16/0212, entschieden hat: Hinsichtlich eines treuhändig erlegten Betrages für eine Eigentumswohnung in der Höhe von S 1,323.000,-- wurde die Klage auf "Zustimmung zur Ausfolgung des Treuhandbetrages" gerichtet und das Interesse mit S 100.000,-- bewertet. Der Verwaltungsgerichtshof sah in Anwendung des § 59 JN allein diese Bewertung als maßgeblich an und hob den Bescheid der belangten Behörde, die als Bemessungsgrundlage S 1,323.000,-- annahm, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

Auch im vorliegenden Fall wurde weder die Bezahlung eines bestimmten Betrages begehrt, noch wurde im Vergleich eine Befugnis im Sinne des § 56 Abs. 1 JN eingeräumt. Verpflichtet haben sich die Parteien des Zivilprozesses allein, Willenserklärungen abzugeben, nämlich das Pachtanbot anzunehmen (also ein Rechtsgeschäft abzuschließen, das dem § 33 TP 5 GebG unterliegt). Damit lag es an der Beschwerdeführerin, den Streitgegenstand gemäß § 59 JN zu bewerten, was schon in der Klage erfolgte und durch den Vergleich nicht geändert wurde. Der Kostenbeamte war an diese Bewertung gebunden.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die von der Beschwerdeführerin in der Klage vorgenommene Bewertung habe für den Vergleich keine Bedeutung und hätte die Klägerin eine gesonderte Bewertung des Vergleichsgegenstandes vornehmen müssen, so läge keine Erweiterung des Streitgegenstandes vor, weil dann der Vergleich gemäß § 56 Abs. 2 letzter Satz JN mit S 30.000,-- zu bewerten wäre.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. April 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998160254.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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